Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Feststellungen in einem berufsgerichtlichen Ausschlußverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Auch im berufsgerichtlichen Verfahren, vor allem dann, wenn auf den Ausschluß aus dem Berufsstand erkannt wird, ist der Tatrichter im Rahmen der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen weder durch den Anklagegrundsatz noch durch einen rechtskräftigen Schuldspruch beschränkt und darf demnach auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen, die nicht Gegenstand der Anklage und der Schuldspruchs sind. Eine dahingehende Entscheidung setzt voraus, daß der Tatrichter eine Zukunftsprognose bezüglich der Unzuverlässigkeit des Betroffenen stellt.
Normenkette
StBerG § 89 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Betroffene wurde 1976 als Steuerbevollmächtigter, später – nach Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens – als Steuerberater bestellt. Das Landgericht hatte ihn wegen Berufspflichtverletzungen aus dem Beruf ausgeschlossen. Die vom Steuerberater gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung war vom Kammergericht verworfen worden. Auf seine Revision hatte der Bundesgerichtshof dieses Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. In der neuen Verhandlung vor dem Kammergericht hat der Steuerberater seine Berufung auf den Maßnahmenausspruch beschränkt. Das Kammergericht hat die Berufung wiederum verworfen. Hiergegen richtet sich die erneute Revision des Betroffenen. Er rügt Verletzung sachlichen Rechts.
Entscheidungsgründe
II. 1. Das Revisionsgericht ist an einer Entscheidung über dieses Rechtsmittel nicht deshalb gehindert, weil die Bestellung des Beschwerdeführers zum Steuerberater erst nach der Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens erfolgte. Ebensowenig steht dieser Umstand der Ahndung der Berufspflichtverletzungen entgegen, obwohl sie ausschließlich zu einer Zeit begangen worden sind, als der Beschwerdeführer noch Steuerbevollmächtigter war (BGHSt 28, 389, 391 f.).
2. Die Revision ist unbegründet.
Das Urteil weist keinen den Steuerberater benachteiligenden Sachmangel auf.
a) Vom Berufungsgericht ist nicht verkannt worden, daß allein die im Urteil des Landgerichts als erwiesen erachteten Pflichtverletzungen mit dem damals umschriebenen Ausmaß den Gegenstand des rechtskräftigen Schuldspruchs bilden (Bl. 8 UA). Soweit es zusätzliche Feststellungen über die spätere Entwicklung der Vermögenssituation des Betroffenen, ferner über seine Nichtzahlung der Berufskammerbeiträge für die Jahre 1984 und 1985 getroffen hat (Bl. 6 UA), dient dies ersichtlich nicht dazu, die betreffenden Handlungen in die Verurteilung einzubeziehen. Vielmehr hat das Kammergericht sie ausschließlich zum Nachweis dafür verwertet, daß nach wie vor die Interessen der Steuerpflichtigen sowie der Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit des Berufsstandes der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten den Ausschluß des Betroffenen aus diesem Berufsstand erfordern. Gegen die Mitberücksichtigung jener Feststellungen bei der Entscheidung über die gebotene berufsgerichtliche Maßnahme bestehen keine Bedenken. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, daß der Tatrichter im Rahmen der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen weder durch den Anklagegrundsatz noch durch einen rechtskräftigen Schuldspruch beschränkt ist und demnach auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen darf, die nicht Gegenstand der Anklage und des Schuldspruchs sind (vgl. BGH, Urt. vom 6. August 1974 – 1 StR 171/74). Entsprechendes gilt im berufsgerichtlichen Verfahren, vor allem dann, wenn auf den Ausschluß aus dem Berufsstand erkannt wird. Eine dahingehende Entscheidung setzt voraus, daß der Tatrichter unter den bereits erwähnten Gesichtspunkten eine Zukunftsprognose bezüglich der Unzuverlässigkeit des Betroffenen stellt. Deren Ergebnis hängt maßgeblich von derartigen zusätzlichen Feststellungen ab.
b) Auch im übrigen ist das Urteil rechtsfehlerfrei. Es läßt ersehen, daß sich das Berufungsgericht der besonderen Voraussetzungen, unter denen zulässigerweise die schwerste berufsgerichtliche Maßnahme verhängt werden darf, bewußt gewesen ist und sie beachtet hat. Die Entscheidung hält sich in den Grenzen pflichtgemäßen Ermessens. Soweit der Steuerberater hierzu Einwendungen erhoben hat, erschöpfen sie sich in unzulässigen Angriffen auf die tatrichterliche Bewertung.
Fundstellen