Entscheidungsstichwort (Thema)
Elektronisches Postfach. Teil der Privatsphäre. Automatisch generierte Bestätigungs-E-Mails. Eingangsbestätigung. Werbung. Rechtswidriger Eingriff. Allgemeines Persönlichkeitsrecht. Ausdrückliches Widersprechen des Erhalt von Werbung. Wiederholungsgefahr
Leitsatz (amtlich)
a) Ein von einer natürlichen Person unterhaltenes elektronisches Postfach ist Teil der Privatsphäre.
b) Automatisch generierte Bestätigungs-E-Mails, die sowohl eine Eingangsbestätigung in Bezug auf zuvor versandte Nachrichten als auch Werbung enthalten, stellen einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar, wenn dieser dem Erhalt von Werbung zuvor ausdrücklich widersprochen hat.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 04.02.2015; Aktenzeichen 4 S 165/14) |
AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Urteil vom 25.04.2014; Aktenzeichen 10 C 225/14) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 4.2.2015 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Stuttgart-Bad Cannstatt vom 25.4.2014 wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1. des Tenors wie folgt lautet:
"1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem der Vorstandsmitglieder der Beklagten, zu unterlassen, zum Zwecke der Werbung mit dem Kläger ohne dessen Einverständnis per E-Mail unter der Adresse k. @t-online.de Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Falle der E-Mail Sendungen vom 10., 11. und 19.12.2013."
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung auf Unterlassung und Erstattung außergerichtlicher Kosten in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger ist Verbraucher. Er wandte sich am 10.12.2013 mit der Bitte um Bestätigung einer von ihm ausgesprochenen Kündigung per E-Mail Schreiben an die Beklagte. Die Beklagte bestätigte unter dem Betreff "Automatische Antwort auf Ihre Mail (...)" wie folgt den Eingang des E-Mail Schreibens des Klägers:
"Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir bestätigen Ihnen hiermit den Eingang Ihres Mails. Sie erhalten baldmöglichst eine Antwort. Mit freundlichen Grüßen Ihre S. Versicherung Übrigens: Unwetterwarnungen per SMS kostenlos auf Ihr Handy. Ein exklusiver Service nur für S. Kunden. Infos und Anmeldung unter (...) Neu für iPhone Nutzer: Die App S. Haus & Wetter, inkl. Push Benachrichtigungen für Unwetter und vielen weiteren nützlichen Features rund um Wetter und Wohnen: (...) ***Diese E-Mail wird automatisch vom System generiert. Bitte antworten Sie nicht darauf.***"
Rz. 3
Der Kläger wandte sich daraufhin am 11.12.2013 erneut per E-Mail-Schreiben an die Beklagte und rügte, die automatisierte Antwort enthalte Werbung, mit der er nicht einverstanden sei. Auch auf dieses E-Mail Schreiben sowie ein weiteres mit einer Sachstandsanfrage vom 19.12.2013 erhielt der Kläger eine automatisierte Empfangsbestätigung mit dem obigen Inhalt.
Rz. 4
Mit seiner Klage verlangt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, zum Zwecke der Werbung mit dem Kläger ohne dessen Einverständnis per E-Mail Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, wenn dies geschieht wie im Falle der E-Mail Schreiben vom 10., 11. und 19.12.2013. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil des AG abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB.
Rz. 6
Zwar stelle die unaufgeforderte Übersendung von E-Mail Schreiben regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Empfängers dar. Vorliegend handele sich aber nicht um eine E-Mail, die dem Kläger ohne vorherige Kontaktaufnahme übersandt worden sei, sondern um eine automatische Eingangsbestätigung auf eine E-Mail des Klägers. Eine nicht unerhebliche Belästigung liege daher - anders als bei der unaufgeforderten Zusendung von E-Mails mit werblichem Inhalt - nicht vor. Dem Empfänger von nicht angeforderten E-Mails könne nicht zugemutet werden, sich mit diesen auseinander zu setzen, sie zu öffnen, erbetene von nicht erbetenen E-Mails zu trennen und ggf. Widerspruch gegen die Zusendung weiterer E-Mails einzulegen. Solche Umstände lägen aber bei der streitgegenständlichen E-Mail nicht vor. Es sei kein Sortieren erforderlich. Bereits aus dem Betreff sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass es sich bei der E-Mail um eine Eingangsbestätigung gehandelt habe. Ein Aussortieren sei in einem solchen Fall schon deshalb nicht erforderlich, weil für gewöhnlich solche E-Mails von ihren Empfängern nicht gelöscht würden.
Rz. 7
Der Umstand, dass in der E-Mail auf eine kostenlose Unwetterwarnung und die App S. Haus & Wetter hingewiesen werde, ändere daran nichts. Zwar handele es sich dabei wohl um Werbung. Die Gefahr, dass der Empfänger ohne die Versendung einer weiteren E-Mail an den Absender weitere Werbung erhalte, bestehe aber nicht. Ein besonderer Aufwand sei wegen des Zusatzes nicht erforderlich. Es sei auch nicht erheblich, dass gem. § 7 Abs. 2 UWG bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post stets eine unzumutbare Belästigung zu bejahen sei. § 7 Abs. 2 UWG gewinne erst bei der Frage der Rechtswidrigkeit des Eingriffs und der in diesem Rahmen vorzunehmenden Abwägung Bedeutung.
II.
Rz. 8
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung zu.
Rz. 9
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte zwar keinen Anspruch aus § 8 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers eine unzumutbare Belästigung dar. Mit dieser Vorschrift hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 13 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (im Folgenden: Datenschutzrichtlinie, ABl. EG Nr. L 201, 37, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009, ABl. EG Nr. L 337, 11) enthaltenen Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre der Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Weg zugesandter Werbung umgesetzt (vgl. BT-Drucks. 15/1487, 15, 21; BGH, Urt. v. 16.7.2008 - VIII ZR 348/06, BGHZ 177, 253 Rz. 30). Von einem Verstoß gegen diese Regelung im Vertikalverhältnis betroffene Verbraucher - wie hier der Kläger - sind nach der abschließenden Regelung des § 8 Abs. 3 UWG aber nicht berechtigt, Ansprüche auf Unterlassung gem. § 8 Abs. 1 UWG geltend zu machen (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rz. 3.4).
Rz. 10
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte aber einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.
Rz. 11
a) Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung gegen den eindeutig erklärten Willen des Klägers stellt einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar, §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Rz. 12
aa) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; BVerfGE 35, 202, 220; 44, 197, 203). Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer, und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und ggf. in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb vor Belästigungen schützen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen. In der bloßen - als solche nicht ehrverletzenden - Kontaktaufnahme kann aber regelmäßig nur dann eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, weil ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre (BGH, Urt. v. 8.2.2011 - VI ZR 311/09, NJW 2011, 1005 Rz. 8).
Rz. 13
bb) Der erkennende Senat hat unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Grundsätze entschieden, dass dem Eigentümer oder Besitzer einer Wohnung, der sich durch einen Aufkleber an seinen Briefkasten gegen den Einwurf von Werbematerial wehrt, wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Werbenden ein Unterlassungsanspruch zustehen kann (BGH, Urt. v. 20.12.1988 - VI ZR 182/88, BGHZ 106, 229, 233 ff.). Die Instanzgerichte haben diese Grundsätze auf unerwünschte E-Mail-Werbung (OLG Bamberg OLGReport Bamberg 2005, 769 f.) sowie Telefon- und Faxwerbung (OLG Hamm, Urt. v. 26.3.2009 - 4 U 219/08, juris Rz. 13) ausgedehnt. Zum einen wird der Unterlassungsanspruch mit dem Aufwand begründet, der dem Betroffenen dadurch aufgezwungen wird, dass er das Werbematerial sichten und sodann von anderen Sendungen trennen muss (OLG Bamberg, a.a.O., 770). Zum anderen wird auf die Suggestionswirkung der Werbung abgestellt und der Wille des Betroffenen, seinen privaten Lebensbereich von jedem Zwang zur Auseinandersetzung mit Werbung freizuhalten, als Ausfluss seines personalen Selbstbestimmungsrechts als schutzwürdig angesehen (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.1988 - VI ZR 182/88, a.a.O.; v. 8.2.2011 - VI ZR 311/09, a.a.O., Rz. 8 f. m.w.N.).
Rz. 14
cc) Auch im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie gehört ein von einer natürlichen Person unterhaltenes elektronisches Postfach zur Privatsphäre in diesem Sinne. Nach dieser Vorschrift ist die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung (sogar) nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer oder Nutzer zulässig. Aus den Erwägungsgründen 1, 12 und 40 sowie Art. 1 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie ergibt sich, dass diese Regelung dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Bereich der elektronischen Kommunikation dienen soll (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 7 Rz. 2, 184; Leible in MünchKomm/UWG, 2. Aufl., § 7 Rz. 31; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 7 Rz. 8).
Rz. 15
b) Im vorliegenden Fall kann indes dahinstehen, ob der Regelung des Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie aufgrund des Gebots zur richtlinienkonformen Auslegung (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rz. 19 m.w.N.; v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rz. 20) dadurch Geltung zu verschaffen ist, dass sich ein Verstoß gegen diese Regelung stets als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt (vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 7 Rz. 9 aE, 17 f.; Peters, Die Entwicklung der E-Mail-Werbung unter besonderer Berücksichtigung der UWG-Reform, 2006, S. 173 ff.; Menebröcker in Götting/Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 7 Rz. 15; GK-UWG/Pahlow, 2. Aufl., § 7 Rz. 210). Denn nach den von den Instanzgerichten getroffenen Feststellungen hat die Beklagte jedenfalls bei der Zusendung des dritten E-Mail Schreibens mit werblichem Inhalt vom 19.12.2013 gegen den am 11.12.2013 ihr gegenüber eindeutig erklärten Willen des Klägers gehandelt. Schon aus diesem Grund ist nach der Rechtsprechung des Senats eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers gegeben (BGH, Urt. v. 8.2.2011 - VI ZR 311/09, NJW 2011, 1005 Rz. 8 f.). Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Hinweis auf die kostenlosen Unwetterwarnungen sowie die App S. Haus & Wetter in den streitgegenständlichen E-Mails (Direkt-)werbung darstellt.
Rz. 16
aa) Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung - beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring - erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. EU Nr. L 376, 21) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH, Urt. v. 12.9.2013 - I ZR 208/12, VersR 2014, 1462 Rz. 17 m.w.N. - Empfehlungs-E-Mail). Direktwerbung ist gegeben, wenn der Werbende einen unmittelbaren Kontakt zu einem bestimmten Adressaten herstellt, sei es durch persönliche Ansprache, Briefsendungen oder durch Einsatz von Telekommunikationsmitteln wie Telefon, Telefax oder E-Mail (Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 7 Rz. 2).
Rz. 17
bb) So liegt es - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - hier. Mit den Hinweisen auf die kostenlosen Unwetterwarnungen und die App S. Haus & Wetter bewirbt die Beklagte ihre Produkte. Darauf, dass diese nach dem Vortrag der Beklagten lediglich als "Service" - mithin als nicht kostenpflichtige Zusatzleistung - angeboten werden, kommt es nicht an, weil die Beklagte durch das Angebot dieser Zusatzleistungen jedenfalls mittelbare Absatzwerbung betreibt.
Rz. 18
cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem Umstand, dass die von dem Server der Beklagten automatisch generierten Bestätigungs-E-Mails sowohl eine Eingangsbestätigung in Bezug auf die zuvor versandten Nachrichten des Klägers als auch Werbung enthielten.
Rz. 19
Zwar ist die Eingangsbestätigung selbst keine Werbung. Dies hat aber nicht zur Folge, dass die in der E-Mail enthaltene Werbung von vornherein keine (Direkt-)werbung darstellen könnte (vgl. aber Schirmbacher/Schätzle, WRP 2014, 1143, 1145). Die elektronische Post des Klägers wird von der Beklagten vielmehr in zweifacher Hinsicht - nämlich für die nicht zu beanstandende Eingangsbestätigung und unzulässig für Zwecke der Werbung - genutzt. Für die Annahme, die Nutzung der elektronischen Post des Klägers sei durch die zulässige Bestätigungs-E-Mail insgesamt gerechtfertigt, ist indes kein Raum (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, K&R 2015, 678, 679).
Rz. 20
c) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch rechtswidrig. Die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zu Lasten der Beklagten aus.
Rz. 21
aa) Das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seiner Privatsphäre aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ist mit dem berechtigten Interesse der Beklagten, mit ihren Kunden zum Zwecke der Werbung in Kontakt zu treten, abzuwägen. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. BGH, Urt. v. 9.2.2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rz. 14 m.w.N.).
Rz. 22
bb) So liegt es hier. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt das Interesse des Klägers das Interesse der Beklagten, ihren E-Mail Schreiben an den Kläger werbende Zusätze hinzuzufügen. Dabei ist einerseits zwar zu berücksichtigen, dass die unerwünschte Werbung die Interessen des Klägers nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigte, weil er sie unschwer als solche hat erkennen können. Andererseits ist das Hinzufügen von Werbung zu einer E-Mail Nachricht auch keine solche Bagatelle, dass eine Belästigung des Nutzers ausgeschlossen wäre. Er muss die Werbung zumindest soweit zur Kenntnis nehmen, als er sie von dem ihn interessierenden Inhalt der Nachricht gedanklich zu trennen hat, was abhängig von der Gestaltung der Nachricht unterschiedlich großen Aufwand erfordern wird. Schließlich mag sich der Arbeitsaufwand bei einer einzelnen E-Mail zwar in engen Grenzen halten. Mit der häufigen Verwendung von Werbezusätzen ist aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails mit solchen Zusätzen zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierungsmöglichkeit arbeitssparende Versendungsmöglichkeit ist mit einem Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen (vgl. auch BGH, Urt. v. 20.5.2009 - I ZR 218/07, NJW 2009, 2958 Rz. 12 - E-Mail-Werbung II). Entscheidend ist aber, dass der Empfänger diese Art der Werbung und damit ein gegenständliches Eindringen in seine Privatsphäre ausdrücklich abgelehnt hat und sich praktisch nicht zur Wehr setzen kann (BGH, Urt. v. 20.12.1988 - VI ZR 182/88, BGHZ 106, 229, 233 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.9.2013 - I ZR 208/12, VersR 2014, 1462 Rz. 21 - Empfehlungs-E-Mail). Jedenfalls für den Bereich der Privatsphäre setzt sich angesichts des Stellenwerts dieses Bereichs für die individuelle Lebensgestaltung das Recht des Einzelnen, diesen von einem unerwünschten Eindringen von Werbung freizuhalten, gegenüber den entgegenstehenden Interessen der Beklagten, für ihre Produkte zu werben, im Ergebnis durch.
Rz. 23
3. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch das festgestellte rechtsverletzende Verhalten der Beklagten indiziert (BGH, Urt. v. 12.9.2013 - I ZR 208/12, VersR 2014, 1462 Rz. 25 f. m.w.N. - Empfehlungs-E-Mail). Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts abgelehnt.
III.
Rz. 24
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 9064105 |
DB 2016, 14 |
DB 2016, 7 |
DStR 2016, 16 |
NJW 2016, 28 |
NJW 2016, 870 |
CR 2016, 16 |
CR 2016, 451 |
EWiR 2016, 157 |
GRUR 2016, 530 |
GRUR 2016, 7 |
NZG 2016, 7 |
WM 2016, 1349 |
ZAP 2016, 209 |
ZIP 2016, 3 |
AfP 2016, 149 |
AnwBl 2016, 42 |
DSB 2016, 17 |
DSB 2016, 44 |
JZ 2016, 526 |
JuS 2016, 11 |
MDR 2016, 13 |
MDR 2016, 271 |
RDV 2016, 94 |
VersR 2016, 473 |
VuR 2016, 6 |
WRP 2016, 493 |
ZUM 2016, 518 |
GRUR-Prax 2016, 104 |
K&R 2016, 179 |
MMR 2016, 17 |
MMR 2016, 240 |
RÜ 2016, 283 |
RdW 2016, 177 |
Jura 2016, 822 |
Mitt. 2016, 408 |
NWB-BB 2016, 69 |
PinG 2016, 100 |
SRTour 2016, 3 |