Leitsatz (amtlich)
Auch bei unbezahlter Werkstattrechnung kann sich der Geschädigte auf das sogenannte Werkstattrisiko berufen und in dessen Grenzen Zahlung von Reparaturkosten, Zug um Zug gegen Abtretung seiner diesbezüglichen Ansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger, verlangen, allerdings nicht an sich selbst, sondern an die Werkstatt (wie Senatsurteil vom heutigen Tag - VI ZR 253/22, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 03.08.2022; Aktenzeichen 13 S 43/22) |
AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Entscheidung vom 08.03.2022; Aktenzeichen 5 C 897/21) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 3. August 2022 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. September 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist, soweit mit ihr Zahlung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 235,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. November 2023 verlangt wird.
Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, 235,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. November 2023 an die Werkstatt S. GmbH & Co. KG zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche, die dem Kläger gegen die Werkstatt im Zusammenhang mit der Inrechnungstellung unberechtigter Positionen zustehen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 43 % und die Beklagte zu 57 %. Die Kosten der zweiten Instanz tragen der Kläger zu 83 % und die Beklagte zu 17 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Rz. 2
Der Pkw des Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall am 20. Dezember 2019 beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Der Kläger holte zur Ermittlung des Schadens am Fahrzeug ein Sachverständigengutachten ein, das einen Reparaturaufwand von 9.227,62 € brutto auswies. Die vom Kläger beauftragte Werkstatt stellte für die Reparatur 11.766,66 € brutto in Rechnung. Die Beklagte erstattete dem Kläger hierauf 11.401,45 €. Mit seiner Klage verlangt er unter anderem Zahlung restlicher Reparaturkosten in Höhe von 365,21 €, die er gegenüber der Werkstatt noch nicht beglichen hat, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2020. Das Amtsgericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und auf dessen Grundlage die Zahlung weiterer Reparaturkosten in Höhe von 129,59 € nebst Zinsen zuerkannt. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, mit der er für die Rechnungspositionen "Fahrwerksvermessung durchführen" und "Zusatz zu Stoßfängern vorn zerlegen, zusammenbauen (Stoßfänger ausgebaut) Fzg. mit Scheinwerfer-Reinigungsanlage" Zahlung von 235,62 € nebst Zinsen fordert. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht (LG Stuttgart, Urteil vom 3. August 2022 - 13 S 43/22, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 4
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung restlicher, noch nicht an die Werkstatt bezahlter Reparaturkosten in Höhe von 235,62 €. Insoweit fehle es an der Erforderlichkeit der diesem Betrag zugrundeliegenden Reparaturmaßnahmen. Zwar unterfielen die streitigen Rechnungspositionen grundsätzlich dem Werkstatt- und Prognoserisiko. Der bloße Umstand, dass der von der Werkstatt nach Durchführung der Reparatur abgerechnete Betrag von 11.766,66 € rund 27 % über der Kalkulation im Schadensgutachten liege, genüge für die Annahme eines Verschuldens des Geschädigten bei der Auswahl und Überwachung der Werkstatt nicht. Die Annahme des Amtsgerichts, dass sich der Geschädigte allein aufgrund der erheblichen Diskrepanz zwischen dem Schadensgutachten und der Reparaturrechnung nicht auf das Werkstatt- und Prognoserisiko berufen könne, greife nicht. Der Kläger könne sich aber dann nicht auf die Grundsätze des Werkstatt- und Prognoserisikos berufen, wenn er Zahlung an sich verlange und dabei den Rechnungsbetrag selbst noch nicht beglichen habe. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass sich der Geschädigte auf Kosten des Schädigers bereichere. Der Schädiger müsse am Ende der Schadensabwicklung die Möglichkeit haben, nicht erforderliche Reparaturkosten, die er ausschließlich zum Schutz des Geschädigten verauslagt habe, zurückzufordern. Rechne die Werkstatt Reparaturmaßnahmen ab, die objektiv nicht erforderlich gewesen seien, könnten Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt gerichtet auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung des Werklohns oder Rückzahlung der bereits geleisteten Vergütung im Wege des Schadensersatzes entstehen. Diese Ansprüche müsse der Geschädigte an den Kfz-Haftpflichtversicherer im Wege des Vorteilsausgleichs abtreten, wenn dieser nach den Grundsätzen des Werkstatt- und Prognoserisikos eine überhöhte Werklohnforderung als erforderlichen Schadensersatz ausgleiche. Ein auf Rückzahlung gerichteter Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen die Werkstatt entstehe aber erst in dem Moment, in dem die Werkstatt den Geldbetrag für die nicht erforderlichen Reparaturkosten erhalten habe. Ein etwaiger Anspruch des Schädigers gegen den Geschädigten auf Rückzahlung dürfte zumeist nur schwer zu realisieren sein. Der Schädiger sei gegenüber dem Geschädigten rechtskräftig zur Zahlung verurteilt und habe keine Kenntnis, ob der Geschädigte die Zahlung an die Werkstatt weiterleite. Im Ergebnis stünde der Geschädigte durch das Schadensereignis besser, wenn der Schädiger die nicht erforderlichen Reparaturkosten an ihn auszahlen müsse, der Geschädigte aber gegenüber der Werkstatt die Zahlung dieser nicht erforderlichen Reparaturkosten verweigern könne. Dieses Ergebnis könne dadurch vermieden werden, dass der Geschädigte bei objektiv nicht erforderlichen Reparaturkosten, die er noch nicht beglichen habe, nach dem Grundsatz des Werkstatt- und Prognoserisikos nur Freistellung von diesen Reparaturkosten Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Schadensersatzansprüche gegen die Werkstatt verlangen könne. Der Kläger habe aber seinen Klageantrag nach einem entsprechenden rechtlichen Hinweis nicht umgestellt und verlange weiter Zahlung an sich. Komme eine Zahlung der noch streitigen Reparaturkosten über das Werkstatt- und Prognoserisiko nicht in Betracht, bestehe ein Zahlungsanspruch nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nur, wenn die Reparaturkosten objektiv zur Wiederherstellung erforderlich gewesen seien. Das habe das Amtsgericht auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens zutreffend verneint.
II.
Rz. 5
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Allerdings ist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Zahlung von Schadensersatz für die noch in Streit stehenden, den Grundsätzen des Werkstattrisikos unterfallenden und gegenüber dem Werkstattbetreiber noch nicht beglichenen Rechnungspositionen nicht an sich verlangen kann. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass der Kläger von der Beklagten Befreiung von Ansprüchen der Werkstatt zu verlangen habe, wenn er sich auf das Werkstattrisiko berufen wolle. Tatsächlich muss er Zahlung der noch offenen Rechnungspositionen an die Werkstatt, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen diese, fordern. Nach Hinweis hat der Kläger seinen Klageantrag in der Revisionsverhandlung entsprechend umgestellt.
Rz. 6
1. Aufgrund der Verursachung des Verkehrsunfalls durch das bei der Beklagten versicherte Kraftfahrzeug steht dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der für die Reparatur seines Fahrzeugs erforderlichen Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB zu, so dass auch ein Direktanspruch gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG begründet ist.
Rz. 7
2. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 29. September 2020 - VI ZR 271/19, NJW 2020, 3591 Rn. 7 mwN). Solche Fehler liegen im Streitfall vor.
Rz. 8
a) Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (sogenannte "Ersetzungsbefugnis"). Im Ausgangspunkt ist sein Anspruch auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags gerichtet (vgl. nur Senatsurteile vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom 17. Dezember 2019 - VI ZR 315/18, NJW 2020, 1001 Rn. 14).
Rz. 9
Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht (Senatsurteile vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21, VersR 2023, 330 Rn. 10; vom 17. Dezember 2019 - VI ZR 315/18, NJW 2020, 1001 Rn. 14).
Rz. 10
Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21, VersR 2023, 330 Rn. 11; vom 17. Dezember 2019 - VI ZR 315/18, NJW 2020, 1001 Rn. 15 mwN).
Rz. 11
Darüber hinaus gilt für die Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Der Geschädigte soll zwar volle Herstellung verlangen können (Totalreparation), aber an dem Schadensfall nicht "verdienen" (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, VersR 2020, 174 Rn. 11; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 6 mwN). Die dem Geschädigten zur Verfügung zu stellenden Mittel müssen so bemessen sein, dass er, sofern er wirtschaftlich vernünftig verfährt, durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis weder ärmer noch reicher wird, als wenn der Schädiger den Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB beseitigt (Senatsurteile vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 184, juris Rn. 9).
Rz. 12
b) Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl- oder Überwachungs-)Verschulden trifft, sind dadurch anfallende Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger aufgrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, mithin nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind (vgl. Senatsurteile vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 186, juris Rn. 12); in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann (Senatsurteile vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 187, juris Rn. 13). Das Werkstattrisiko verbleibt damit - wie bei § 249 Abs. 1 BGB - auch im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger beim Schädiger (vgl. näher Senatsurteile vom heutigen Tag - VI ZR 253/22, zVb; vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12).
Rz. 13
c) Die genannten Grundsätze, an denen der Senat festhält, gelten auch für Rechnungspositionen, die sich auf - für den Geschädigten nicht erkennbar - tatsächlich nicht durchgeführte einzelne Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen. Denn auch diese haben ihren Grund darin, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 185, juris Rn. 10). Soweit dem Urteil des Senats vom 26. April 2022 (VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 14-16) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, hält der Senat hieran nicht fest.
Rz. 14
d) Freilich führen diese Grundsätze nicht dazu, die Reparaturkostenrechnung der Werkstatt dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB für die Instandsetzung des Fahrzeugs geschuldeten Betrag ungeprüft gleichzusetzen (Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 187, juris Rn. 14).
Rz. 15
aa) So haben selbstverständlich Reparaturen bei der Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes auszuscheiden, die nur bei Gelegenheit der Instandsetzungsarbeiten mitausgeführt worden sind (Senatsurteile vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 15; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 187, juris Rn. 14). Der Geschädigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein und die Unfallbedingtheit der jeweiligen Fahrzeugschäden und dafür, dass die abgerechneten Instandsetzungsarbeiten Teil der Reparatur dieser Unfallschäden sind. Insoweit kann er sich weder auf das Werkstattrisiko noch auf eine sich als unzutreffend erweisende Einschätzung des von ihm eingeschalteten Privatgutachters berufen.
Rz. 16
bb) Ferner dürfen die dargestellten Bemessungsgrundsätze nicht dazu führen, dass sich - letztlich zum Schaden der Allgemeinheit - mangelndes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer marktgerechten Abwicklung der Instandsetzung im Kostenniveau niederschlägt. An den vom Geschädigten zu führenden Nachweis, dass er wirtschaftlich vorgegangen ist, also bei der Beauftragung aber auch bei der Überwachung der Reparaturwerkstatt den Interessen des Schädigers an Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat, dürfen deshalb nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden (Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 187, juris Rn. 14).
Rz. 17
e) Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass die Anwendung der genannten Grundsätze zum Werkstattrisiko nicht voraussetzt, dass der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Es hat auch zutreffend angenommen, dass der Geschädigte, soweit er die Reparaturrechnung nicht beglichen hat und das Werkstattrisiko nicht selbst tragen will, die Zahlung der Reparaturkosten nicht an sich verlangen kann. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht jedoch davon ausgegangen, dass der Kläger einen Freistellungsanspruch geltend machen müsse, wenn er sich auf das Werkstattrisiko berufen wolle. Er muss vielmehr Zahlung an die Werkstatt verlangen.
Rz. 18
aa) Hat der Geschädigte die Rechnung der Werkstatt nicht (vollständig) beglichen, so ist zu berücksichtigen, dass ein Vorteilsausgleich durch Abtretung etwaiger Gegenansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Schädiger aus Rechtsgründen nicht gelingen kann, wenn der Geschädigte auch nach Erhalt der Schadensersatzleistung vom Schädiger von der (Rest-)Zahlung an die Werkstatt absieht: Soweit ein Anspruch der Werkstatt auf die von ihr abgerechnete Vergütung gar nicht erst entstanden ist, würde ein Vorgehen des Schädigers gegen die Werkstatt aus einem abgetretenen Bereicherungsanspruch des Geschädigten daran scheitern, dass die Werkstatt mangels Zahlung des Geschädigten nichts im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB "erlangt" hat. Besteht an sich ein Vergütungsanspruch in Höhe des von der Werkstatt abgerechneten Betrags, kann dem Geschädigten zwar ein Gegenanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf teilweise Freistellung von dem Vergütungsanspruch zustehen (wenn etwa die Werkstatt die abgerechneten Stunden tatsächlich zur Instandsetzung erbracht hat, dies aber auf unwirtschaftlicher Betriebsführung beruht, vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - VII ZR 74/06, NJW 2009, 3426 Rn. 18; vgl. näher hierzu Senatsurteil vom heutigen Tag - VI ZR 253/22, zVb). Der Freistellungsanspruch des Geschädigten gegen die Werkstatt ist aber gemäß § 399 Abs. 1 BGB nicht an den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer abtretbar, weil die Leistung der Werkstatt an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger (den Geschädigten) nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könnte (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85, BGHZ 96, 146, 149, juris Rn. 16 f; vom 25. September 1972 - VIII ZR 102/71, NJW 1972, 2036, juris Rn. 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. November 2017 - VII ZB 9/15, NZA 2018, 126 Rn. 13 zur Abtretbarkeit eines Befreiungsanspruchs aus § 257 Satz 1 BGB).
Rz. 19
Zugleich wäre der Geschädigte, wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, durch den Schadensersatzanspruch bereichert, wenn er vom Schädiger den vollen von der Werkstatt in Rechnung gestellten Betrag erhielte, gegenüber der Werkstatt aber die Zahlung eines Teilbetrages unter Berufung auf den insoweit fehlenden Vergütungsanspruch oder auf einen auf Freistellung gerichteten Gegenanspruch verweigerte. Demgegenüber wäre der Schädiger schlechter gestellt, als wenn er die Reparatur der beschädigten Sache selbst veranlasst hätte; denn im letzteren Fall hätte er als Vertragspartner der Werkstatt die Zahlung der zu hoch berechneten Vergütung verweigern können. Seine Rechtsstellung gegenüber der Werkstatt soll aber nicht schwächer sein als die des Geschädigten (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 187 Rn. 13). Die Mühe und das Risiko einer Auseinandersetzung mit der Werkstatt sollen zwar bei ihm verbleiben und nicht dem Geschädigten überbürdet werden, die Auseinandersetzung soll ihm aber rechtlich möglich sein.
Rz. 20
Aus diesem Grund kann der Geschädigte, der sich auf das Werkstattrisiko beruft, aber die Rechnung der Werkstatt noch nicht (vollständig) bezahlt hat, von dem Schädiger Zahlung des von der Werkstatt in Rechnung gestellten (Rest-)Honorars nur an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1993 - V ZR 69/92, NJW 1993, 2232, 2233, juris Rn. 19). Nur so stellt er sicher, dass (in den oben unter d) angeführten Grenzen) das Werkstattrisiko beim Schädiger bleibt und sich dieser mit der Werkstatt über unangemessene bzw. unberechtigte Rechnungsposten auseinanderzusetzen hat.
Rz. 21
bb) Wählt der Geschädigte bei unbezahlter Rechnung hingegen - auch nach gerichtlichem Hinweis - Zahlung an sich selbst, so trägt er und nicht der Schädiger das Werkstattrisiko. Er hat dann im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht erforderlich sind.
Rz. 22
cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich der Geschädigte hingegen nicht auf das Werkstattrisiko berufen, wenn er vom Schädiger statt Zahlung des in Rechnung gestellten Betrags an die Werkstatt Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber der Werkstatt verlangt.
Rz. 23
Verlangt der Geschädigte mit der Klage Freistellung von seiner Verpflichtung gegenüber der Werkstatt, richtet sich sein Anspruch schon nach seinem ausdrücklichen Klagebegehren (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit, die er gegenüber der Werkstatt eingegangen ist, beschwert ist (vgl. Senatsurteil vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21, VersR 2023, 330 Rn. 12 mwN). Für die schadensrechtliche Betrachtung (§ 249 BGB) des Verhältnisses zwischen Geschädigtem und Schädiger ist in diesem Fall die werkvertragliche Beziehung (§§ 631 ff. BGB) zwischen Geschädigtem und Werkstatt maßgeblich. Ein Freistellungsanspruch umfasst damit nicht das Werkstattrisiko, das sich auf in Rechnung gestellte Reparaturmaßnahmen erstreckt, für die tatsächlich kein Vergütungsanspruch entstanden sind. Das hat das Berufungsgericht verkannt, als es dem Kläger einen rechtlichen Hinweis in der Hinsicht erteilt hat, der Kläger könne den geltend gemachten Betrag nach den Grundsätzen des Werkstattrisikos verlangen, wenn er seinen Klageantrag umstelle und Freistellung verlange.
Rz. 24
f) Soweit der Schädiger das Werkstattrisiko trägt, verbietet sich im Schadensersatzprozess zwischen Geschädigtem und Schädiger mangels Entscheidungserheblichkeit eine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten (vgl. Senatsurteil vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 14, 16; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB Rn. 141). Ist - wie im Streitfall - eine Beweisaufnahme dennoch durchgeführt worden, kann von einem Verschulden des Geschädigten bei der Überwachung der Werkstatt nicht deshalb ausgegangen werden, weil der Geschädigte aufgrund eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens nunmehr Kenntnis davon hat, dass die in Rechnung gestellten Kosten (teilweise) objektiv nicht erforderlich sind. Die Grundsätze zum Werkstattrisiko würden in ihr Gegenteil verkehrt, würde mit dem Ergebnis einer nicht veranlassten, sich prozessual verbietenden Beweisaufnahme ein Überwachungsverschulden aufgrund nunmehr veränderter Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten begründet und dieser darauf verwiesen, diese neu gewonnenen Erkenntnisse selbst gegenüber der Werkstatt geltend zu machen. Mit einer diesbezüglichen Auseinandersetzung soll der Geschädigte gerade nicht belastet werden.
Rz. 25
g) Nach diesen Maßstäben steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der noch in Streit stehenden Rechnungspositionen an die Werkstatt, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger das Werkstattrisiko betreffender Ansprüche gegen die Werkstatt, zu. Der Kläger hat seinen Klageantrag in der Revisionsverhandlung in zulässiger Weise entsprechend geändert.
Rz. 26
aa) Der Kläger hat seinen Klageantrag in der Revisionsverhandlung in der Weise umgestellt, dass er nun Zahlung des noch in Streit stehenden Rechnungsbetrags an die Werkstatt, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche aus der Inrechnungstellung unberechtigter Positionen gegen diese, verlangt. Dabei handelt es sich um eine Klagebeschränkung im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO (BGH, Urteile vom 21. Dezember 1989 - VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505, juris Rn. 9; vom 3. Juni 1987 - IVb ZR 68/86, NJW-RR 1987, 1534, 1535, juris Rn. 14). Diese ist im Streitfall zulässig. In der Revisionsinstanz ist zwar nur eine Klarstellung, Beschränkung oder Modifikation des früheren Antrags auf der Grundlage eines Sachverhalts, der vom Tatrichter bereits gewürdigt worden ist, zulässig (Senatsurteil vom 14. Dezember 2020 - VI ZR 573/20, NJW-RR 2021, 187 Rn. 7; BGH, Urteile vom 4. August 2022 - III ZR 228/20, WM 2022, 1738 Rn. 11 mwN; vom 11. Juli 2018 - IV ZR 243/17, NJW 2018, 3389 Rn. 15). Das Berufungsgericht hat aber bereits bewertet, ob die noch geltend gemachten Reparaturkosten seiner Ansicht nach von dem vom Schädiger zu tragenden Werkstattrisiko umfasst sind.
Rz. 27
bb) Auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die noch streitigen Rechnungspositionen dem Werkstattrisiko unterfallen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bereits wegen Verschuldens des Klägers bei der Auswahl oder Überwachung der Werkstatt ausscheidet. Zwar liegt der Rechnungsbetrag der Werkstatt 27 % über dem Betrag, der in dem vor der Reparatur erstellten Sachverständigengutachten kalkuliert wurde. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um ein Verschulden des Klägers zu bejahen (vgl. zu dieser Frage auch Senatsurteil vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 14). Weitere Umstände, die auf ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Klägers schließen ließen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Rz. 28
Die Revisionserwiderung macht geltend, durch das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten stehe fest, dass die streitgegenständlichen Rechnungsbeträge Arbeiten beträfen, die objektiv nicht erforderlich gewesen seien, um das Fahrzeug des Klägers fachgerecht wiederherzustellen. Nach den unter f) angeführten Grundsätzen begründen diese im Prozess erlangten Erkenntnisse jedoch kein Überwachungsverschulden des Klägers und rechtfertigen auch nicht, diesem die Auseinandersetzung mit der Werkstatt aufzubürden.
Rz. 29
Im Übrigen ist weder festgestellt noch macht die Revisionserwiderung geltend oder zeigt Vortrag dazu auf, dass die Rechnungspositionen Arbeiten beträfen, die nicht zur Instandsetzung des Fahrzeugs nach dem Unfall, sondern nur bei Gelegenheit der Reparatur des Unfallschadens ausgeführt worden wären.
Rz. 30
h) Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Zinsen steht dem Kläger nach § 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1 BGB bzw. § 291 BGB erst ab dem 29. November 2023 zu. Verzug ist erst mit Umstellung des Klageantrags in der Revisionsverhandlung eingetreten (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bis dahin hat der Kläger Erstattung der in Rechnung gestellten Reparaturkosten - nach den oben angeführten Grundsätzen zu Unrecht - an sich verlangt. Die Schadensersatzforderung des Klägers ist auch fällig (zur Fälligkeit vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - III ZR 138/19, BGHZ 226, 161 Rn. 26 mwN); der Zug-um-Zug-Vorbehalt dient der Umsetzung des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots im Wege des Vorteilsausgleichs und hindert die Fälligkeit der Schadensersatzforderung nicht (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 25. Januar 2013 - V ZR 118/11, NJW-RR 2013, 825 Rn. 11; vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03, NJW-RR 2005, 170, 171, juris Rn. 6).
Seiters |
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von Pentz |
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Allgayer |
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Linder |
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Katzenstein |
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Fundstellen
NJW 2024, 8 |
DAR 2024, 256 |
DAR 2024, 430 |
JZ 2024, 175 |
VRS 2024, 44 |
ASR 2024, 2 |
VRR 2024, 14 |
r+s 2024, 338 |