Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei unbezahlter Werkstattrechnung kann sich der Geschädigte auf das sogenannte Werkstattrisiko berufen und in dessen Grenzen Zahlung von Reparaturkosten, Zug um Zug gegen Abtretung seiner diesbezüglichen Ansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger, verlangen, allerdings nicht an sich selbst, sondern an die Werkstatt (wie Senatsurteil vom heutigen Tag - VI ZR 253/22, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
2. Tritt der Geschädigte bei unbezahlter Werkstattrechnung seine Forderung gegen den Schädiger ab, trägt der Zessionar das Werkstattrisiko.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1, §§ 398, 399 Alt. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 22.12.2021; Aktenzeichen 4 S 187/21) |
AG Bremen (Entscheidung vom 30.06.2021; Aktenzeichen 23 C 262/20) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 22. Dezember 2021 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht auf Ersatz restlicher Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Rz. 2
Bei dem Verkehrsunfall im Januar 2020 wurde der Pkw der V. durch einen bei dem beklagten Haftpflichtversicherer versicherten Pkw beschädigt. Die volle Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers steht außer Streit. Die Geschädigte beauftragte die Klägerin, eine Kfz-Werkstatt, mit der Reparatur ihres Pkw. Dafür stellte diese 3.000,16 € brutto in Rechnung. Ein Teil des Rechnungsbetrages in Höhe von 1.164,80 € netto entfällt auf Fremdleistungen für Lackierarbeiten, ein Betrag von 80 € auf Verbringungskosten. Auf Nachfrage übermittelte die Klägerin der Beklagten eine hinsichtlich der Rechnungsbeträge geschwärzte Rechnung der Lackiererei. Die Beklagte beglich die Reparaturrechnung bis auf einen Restbetrag von 1.188,32 €. Sie hat die Notwendigkeit der geltend gemachten Verbringungskosten von 80 € bestritten und hält die in Ansatz gebrachten Lackierkosten für überhöht. Sie ist der Ansicht, ihr stehe insoweit bis zur Vorlage der ungeschwärzten Fremdleistungsrechnung ein Leistungsverweigerungsrecht bzw. ein Zurückbehaltungsrecht zu. Mit anwaltlichen Schreiben vom 4. November 2020 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, diesen Restbetrag zu zahlen. Die Geschädigte und die Klägerin unterzeichneten nach Klageerhebung unter dem 18. bzw. 21. Mai 2021 eine Vereinbarung, wonach die Geschädigte die ihr "zustehenden Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung meines Pkw V. … aus dem Verkehrsunfall vom 22.01.2020 gegenüber der [Name des beklagten Haftpflichtversicherers] zur gerichtlichen Geltendmachung an die Reparaturfirma [Name der Klägerin]" abtritt und letztere die Abtretung annimmt.
Rz. 3
Das Amtsgericht (BeckRS 2021, 40910) hat die Beklagte zur Zahlung der Verbringungskosten in Höhe von 80 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin, deren Gegenstand nur noch die Kosten der Lackierarbeiten und die Nebenforderungen waren, hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung weiterer 1.108,32 € sowie der Nebenforderungen in Höhe von 196,62 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2020 verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht (BeckRS 2021, 40909) hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von weiteren 1.108,32 € sowie ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 196,62 € aus § 115 VVG, §§ 249 ff. BGB, § 398 BGB zustehe. Die geltend gemachten Beträge für die durch einen Subunternehmer erbrachten Lackierarbeiten seien vollständig zu ersetzen. Die Geschädigte habe mit der Abtretungsvereinbarung vom 18. bzw. 21. Mai 2021 die streitgegenständlichen Ansprüche wirksam an die Klägerin abgetreten. Die vorhergehende Abtretung in der "Reparaturkosten-Übernahmebestätigung", mit der Ansprüche "erfüllungshalber nur im Haftpflichtschaden" abgetreten werden sollten, habe nicht zur Abtretung geführt, insbesondere da die Textbausteine dafür bereits nicht angekreuzt gewesen seien, so dass nicht festzustellen sei, dass eine entsprechende Abtretungsvereinbarung geschlossen worden wäre.
Rz. 5
Bei der Ermittlung der Schadenshöhe sei zu berücksichtigen, dass die abgetretene Forderung inhaltlich identisch bleibe. Der Geschädigte habe nur die Pflicht, die angefallenen Reparaturkosten dem Schädiger gegenüber geltend zu machen. Dieser Pflicht werde er durch Vorlage der Reparaturkostenrechnung gerecht. Der Schädiger sei in diesem Fall nicht rechtlos gestellt. Wenn und soweit er der Auffassung sei, dem Geschädigten sei zu viel in Rechnung gestellt worden, bestehe die Möglichkeit, sich die Ersatzansprüche von dem Geschädigten gegen die beauftragte Werkstatt abtreten zu lassen. Dabei sei im Verhältnis zwischen der Geschädigten und der Beklagten das sog. Werkstatt- und Prognoserisiko zu berücksichtigen. Anhaltspunkte dafür, dass die Geschädigte im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich der Erteilung des Reparaturauftrages Zweifel an der Seriosität der Klägerin hätte haben müssen oder hätte erkennen können, dass hier bewusst überhöhte Fremdleistungen abgerechnet werden könnten, seien weder dargelegt noch ersichtlich. Der Geschädigten stehe überdies gegen die Klägerin mangels eigener Rechtsbeziehung zum Subunternehmer und auch aus dem Werkvertrag mit der Fachwerkstatt kein Anspruch auf Offenlegung der Rechnung für die erbrachten Lackierarbeiten zu. Mangels Anspruchs auf Vorlage der Fremdleistungsrechnung laufe auch das insoweit geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht ins Leere.
II.
Rz. 6
Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der streitgegenständlichen Lackier- und Nebenkosten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zugesprochen werden.
Rz. 7
1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass der Geschädigten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht. Auf Grund der Verursachung des Verkehrsunfalls durch das bei der Beklagten versicherte Kraftfahrzeug hat sie grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der für die Reparatur ihres Fahrzeugs erforderlichen Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, so dass auch ein Direktanspruch gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG begründet ist.
Rz. 8
2. Der Wirksamkeit der Abtretung an die Klägerin steht nicht entgegen, dass die Geschädigte nach dem Wortlaut der Vereinbarung lediglich die ihr zustehenden Schadensersatzansprüche gegen den beklagten Haftpflichtversicherer abgetreten hat (vgl. dazu und zum Folgenden Senatsurteil vom 7. Februar 2023 - VI ZR 137/22, NJW 2023, 1718 Rn. 36 ff.).
Rz. 9
a) Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob im Streitfall die nach vorherrschender Auffassung allgemein bestehende tatsächliche Vermutung greift, wonach bei der Abtretung einer Forderung, für die mehrere gesamtschuldnerisch haften, der Zessionar die gegen alle Gesamtschuldner gerichtete Forderung erhalten soll (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1998, 486, 487; Grüneberg/ders., BGB, 82. Aufl., § 425 Rn. 9; Heinemeyer in MünchKomm, BGB, 9. Aufl., § 421 Rn. 78, § 425 Rn. 27; Kieninger, ebd., § 398 Rn. 61; Lieder in BeckOGK, BGB, Stand 1.10.2023, § 398 Rn. 37; Looschelders in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 425 Rn. 98; aA Kreße in BeckOGK, BGB, Stand 1.09.2023, § 425 Rn. 73; jeweils mwN), weil der Zessionar ansonsten Gefahr liefe, dass der Zedent die bei ihm verbleibenden Forderungen gegen die anderen Gesamtschuldner einzieht und damit nach § 422 Abs. 1 BGB auch die abgetretene Forderung zum Erlöschen bringt (Heinemeyer in MünchKomm, BGB, 9. Aufl., § 421 Rn. 78, Lieder in BeckOGK, BGB, Stand 1.10.2023, § 398 Rn. 37; Looschelders in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 425 Rn. 98).
Rz. 10
b) Denn jedenfalls war unter den Umständen des Streitfalls die Abtretung des Ersatzanspruchs gegen den - hier allein beklagten - Haftpflichtversicherer auch als isolierte Zession (Singularabtretung, Separatübertragung) wirksam. Die isolierte Zession der Forderung gegen die Beklagte bedurfte hier nicht der Zustimmung der weiteren Gesamtschuldner. Zwar wird in Rechtsprechung und Literatur teilweise angenommen, dass die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Forderung gegen nur einen Gesamtschuldner lediglich mit Zustimmung der anderen Gesamtschuldner zulässig ist (vgl. zum Streitstand Senatsurteil vom 17. Oktober 2017 - VI ZR 423/16, BGHZ 216, 149 Rn. 28; Liesenfeld, Isolierte Zession bei Gesamtschulden, 2020, S. 160 ff.; Looschelders in Staudinger, BGB, Neubearb. 2022, § 425 Rn. 100; jeweils mwN). Grund hierfür sei die Schutzbedürftigkeit der anderen Gesamtschuldner, die bei einer isolierten Zession mit einem der Gesamtgläubigerschaft ähnlichen Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar konfrontiert würden. Die anderen Gesamtschuldner würden dem prozessualen Risiko einer unberechtigten Inanspruchnahme durch den Zedenten ausgesetzt, weil weder sie noch der Zedent notwendig Informationen etwa über eine bereits erfolgte Erfüllung der Forderung durch den weiteren Gesamtschuldner gegenüber dem Zessionar (§ 422 Abs. 1 BGB) erlangten (vgl. OLG Nürnberg, NZG 2002, 874, 876, juris Rn. 59; Liesenfeld, aaO S. 178 ff. mwN). Doch besteht diese Schutzbedürftigkeit jedenfalls nicht in der Konstellation des Streitfalles, in der die Forderung gegen den Haftpflichtversicherer isoliert abgetreten wird und die Forderung gegen dessen Versicherungsnehmer und Unfallverursacher bei der Zedentin verbleibt (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2023 - VI ZR 137/22, NJW 2023, 1718 Rn. 41). Denn in diesem Fall sind die Forderungen zwar im Außenverhältnis fortan formal getrennt und haben die unterschiedlichen Gesamtschuldner unterschiedliche Gläubiger erhalten. Ein bei isolierter Inanspruchnahme drohendes Informationsdefizit der weiterhin der Zedentin verpflichteten Gesamtschuldner besteht hier jedoch nicht. Nicht nur ist der Haftpflichtversicherer aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet, die Haftpflichtfrage auch für seinen Versicherungsnehmer zu prüfen, unberechtigte Schadensersatzansprüche abzuwehren und den Versicherungsnehmer von den berechtigten Ansprüchen des Zedenten freizustellen (vgl. § 100 VVG i.V.m. Ziff. 5.1 der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung, AHB 2016), sondern er hat seinem Versicherungsnehmer auch über die von ihm vorgenommene Schadensregulierung Auskunft zu geben und Rechenschaft abzulegen (§§ 675, 666 BGB, vgl. Büsken in MünchKomm VVG, 2. Aufl., 300. Allgemeine Haftpflichtversicherung, Rn. 114; Lücke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., AHB Abs. 5 Ziff. 5 Rn. 22).
Rz. 11
3. Allerdings kann sich die Klägerin wie die geschädigte Zedentin, die bei unbeglichener Werkstattrechnung Zahlung an sich selbst begehrt, gegenüber dem Schädiger bzw. dem beklagten Haftpflichtversicherer nicht auf die Grundsätze des sogenannten Werkstattrisikos berufen (vgl. dazu und zum Folgenden Senat, Urteil vom heutigen Tag - VI ZR 253/22 unter II 2, zVb).
Rz. 12
a) Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (sog. "Ersetzungsbefugnis"). Im Ausgangspunkt ist sein Anspruch auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags gerichtet (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12 mwN). Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21, NJW 2023, 1057 Rn. 10).
Rz. 13
b) Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung; st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21, NJW 2023, 1057 Rn. 11 mwN).
Rz. 14
c) Darüber hinaus gilt für die Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Der Geschädigte soll zwar volle Herstellung verlangen können (Totalreparation), aber an dem Schadensfall nicht "verdienen" (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 11 mwN). Die dem Geschädigten zur Verfügung zu stellenden Mittel müssen so bemessen sein, dass er, sofern er nur wirtschaftlich vernünftig verfährt, durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis nicht reicher, aber auch nicht ärmer wird, als wenn der Schädiger den Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB beseitigt (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12 mwN).
Rz. 15
d) Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl- oder Überwachungs-) Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger deshalb auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, mithin nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind; in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann. Das Werkstattrisiko verbleibt in diesem Fall - wie bei § 249 Abs. 1 BGB - auch im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger beim Schädiger (st. Rspr., vgl. Senat, Urteile vom heutigen Tag - VI ZR 253/22 unter II.2.b; vom 26. April 2022 - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 12 mwN; vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 186, juris Rn. 9 ff.).
Rz. 16
Dies gilt für alle Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung, deren Entstehung dem Einfluss des Geschädigten entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. Senat, Urteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 186, juris Rn. 10). Ersatzfähig sind danach nicht nur solche Rechnungspositionen, die ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise unangemessen, mithin nicht zur Herstellung erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind (vgl. Senat, aaO, juris Rn. 12). Ersatzfähig im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger sind vielmehr auch diejenigen Rechnungspositionen, die sich auf - für den Geschädigten nicht erkennbar - tatsächlich nicht durchgeführte einzelne Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen (vgl. Senat, Urteil vom heutigen Tag - VI ZR 253/22 unter II.2.c).
Rz. 17
e) Die Anwendung der genannten Grundsätze zum Werkstattrisiko setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Soweit der Geschädigte die Reparaturrechnung nicht beglichen hat, kann er - will er das Werkstattrisiko nicht selbst tragen - die Zahlung der Reparaturkosten allerdings nicht an sich, sondern nur an die Werkstatt verlangen (hierzu und zum Folgenden Senat, Urteil vom heutigen Tag - VI ZR 253/22 unter II.2.e).
Rz. 18
aa) Hat der Geschädigte die Rechnung der Werkstatt nicht (vollständig) beglichen, so ist zu berücksichtigen, dass ein Vorteilsausgleich durch Abtretung etwaiger Gegenansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt an den Schädiger aus Rechtsgründen nicht gelingen kann, wenn der Geschädigte auch nach Erhalt der Schadensersatzleistung vom Schädiger von der (Rest-)Zahlung an die Werkstatt absieht: Soweit ein Anspruch der Werkstatt auf die von ihr abgerechnete Vergütung gar nicht erst entstanden ist, würde ein Vorgehen des Schädigers gegen die Werkstatt aus einem abgetretenen Bereicherungsanspruch des Geschädigten daran scheitern, dass die Werkstatt mangels Zahlung des Geschädigten nichts im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB "erlangt" hat. Besteht an sich ein Vergütungsanspruch in Höhe des von der Werkstatt abgerechneten Betrags, kann dem Geschädigten zwar ein Gegenanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf teilweise Freistellung von dem Vergütungsanspruch zustehen (wenn etwa die Werkstatt die abgerechneten Stunden tatsächlich zur Instandsetzung erbracht hat, dies aber auf unwirtschaftlicher Betriebsführung beruht, vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - VII ZR 74/06, NJW 2009, 3426 Rn. 18). Ein solcher Freistellungsanspruch gegen die Werkstatt ist insbesondere nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Geschädigte die Reparaturkosten nach den Grundsätzen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung (Werkstattrisiko) vom Schädiger ersetzt erhalten hat, weil diese Ersatzleistung allein den Geschädigten und nicht die Werkstatt entlasten soll (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 - VII ZR 95/16, BGHZ 215, 306 Rn. 30-32). Der Freistellungsanspruch des Geschädigten gegen die Werkstatt ist aber gemäß § 399 Alt. 1 BGB nicht an den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer abtretbar, weil die Leistung der Werkstatt an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger (den Geschädigten) nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könnte (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85, BGHZ 96, 146, 148 f., juris Rn. 16 f.; vom 25. September 1972 - VIII ZR 102/71, NJW 1972, 2036, juris Rn. 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. November 2017 - VII ZB 9/15, NZA 2018, 126 Rn. 13 f. zur Abtretbarkeit eines Befreiungsanspruchs aus § 257 Satz 1 BGB).
Rz. 19
Zugleich wäre der Geschädigte durch den Schadensersatz bereichert, wenn er vom Schädiger den vollen von der Werkstatt in Rechnung gestellten Betrag erhielte, gegenüber der Werkstatt aber die Zahlung eines Teilbetrages unter Berufung auf den insoweit fehlenden Vergütungsanspruch oder auf einen auf Freistellung gerichteten Gegenanspruch verweigerte. Demgegenüber wäre der Schädiger schlechter gestellt, als wenn er die Reparatur der beschädigten Sache selbst veranlasst hätte; denn im letzteren Fall hätte er als Vertragspartner der Werkstatt die Zahlung der zu hoch berechneten Vergütung verweigern können. Seine Rechtsstellung gegenüber der Werkstatt soll aber nicht schwächer sein als die des Geschädigten (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 187, juris Rn. 13). Die Mühe und das Risiko einer Auseinandersetzung mit der Werkstatt sollen zwar bei ihm verbleiben und nicht dem Geschädigten überbürdet werden, die Auseinandersetzung soll ihm aber rechtlich möglich sein.
Rz. 20
Zu einer Bereicherung des Geschädigten käme es auch, wenn mit einer in der Literatur vertretenen Meinung angenommen würde, dass der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer in den Schutzbereich des Werkvertrags zwischen dem Geschädigten und der Werkstatt einbezogen sind (wovon aus Sicht des Senats unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung für den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte entwickelten Grundsätze allerdings nicht ohne Weiteres auszugehen ist), so dass ihnen eigene Ansprüche gegen die Werkstatt zustehen könnten (vgl. C. Burmann, r+s 2022, 535; Kemperdiek, r+s 2021, 372, 375 f.; Looschelders, JA 2022, 1038, 1040 f.; ders., zfs 2023, 364, 371; Meyer-Näser, NJW-Spezial 2018, 457, 458). Auch in diesem Fall wäre im Ergebnis der Geschädigte, der vom Schädiger den vollen von der Werkstatt in Rechnung gestellten Betrag verlangen, gegenüber der Werkstatt aber die Zahlung eines Teilbetrages verweigern kann, in dem Maß bereichert, in dem der Schädiger die Werkstatt in Regress nehmen kann und in dem die Werkstatt letztlich mit einem Teil ihres Vergütungsanspruchs ausfällt.
Rz. 21
bb) Aus diesem Grund kann der Geschädigte, der sich auf das Werkstattrisiko beruft, aber die Rechnung der Werkstatt noch nicht (vollständig) bezahlt hat, von dem Schädiger Zahlung des von der Werkstatt in Rechnung gestellten (Rest)Honorars nur an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1993 - V ZR 69/92, NJW 1993, 2232, 2233, juris Rn. 19). Nur so stellt er sicher, dass das Werkstattrisiko beim Schädiger bleibt und sich dieser mit der Werkstatt über unangemessene bzw. unberechtigte Rechnungsposten auseinanderzusetzen hat.
Rz. 22
cc) Wählt der Geschädigte bei unbezahlter Rechnung hingegen Zahlung an sich selbst, so trägt er und nicht der Schädiger das Werkstattrisiko. Er hat dann im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht erforderlich sind.
Rz. 23
dd) Schließlich stünde es dem Geschädigten im Rahmen von § 308 Abs. 1 ZPO frei, vom Schädiger statt Zahlung Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber der Werkstatt zu verlangen. In diesem Fall richtete sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit, die er gegenüber der Werkstatt eingegangen ist, beschwert ist. Es wäre also die Berechtigung der Forderung, von der freizustellen ist, und damit die werkvertragliche Beziehung zwischen Geschädigtem und Werkstatt maßgeblich (Senatsurteil vom 13. Dezember 2022 - VI ZR 324/21, VersR 2023, 330 Rn. 12 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 257/03, NJW 2007, 1809 Rn. 20). Auch in diesem Fall trüge der Geschädigte das Werkstattrisiko somit selbst.
Rz. 24
f) Vor diesem Hintergrund kann sich die Klägerin als Zessionarin nicht auf das Werkstattrisiko berufen.
Rz. 25
aa) Nach § 399 Alt. 1 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Eine solche Inhaltsänderung wird auch dann angenommen, wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerposition aber besonders schutzwürdig ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 8. April 2020 - VIII ZR 130/19, NJW-RR 2020, 779 Rn. 76; vom 30. Oktober 2009 - V ZR 42/09, NJW 2010, 1074 Rn. 27; vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 31/85, BGHZ 96, 146, 148 f., juris Rn. 16 f.; vgl. ferner Kieninger in MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 399 Rn. 24; Rn. 22; Staudinger/Busche, BGB [2022], § 399 Rn. 22; jeweils mwN).
Rz. 26
Dieser Rechtsgedanke greift hier insofern Platz, als sich der Geschädigte im Verhältnis zum Schädiger auch bei unbeglichener Rechnung auf das Werkstattrisiko berufen kann, wenn er Zahlung an die Werkstatt verlangt. Denn insoweit hat der Schädiger ein besonders schutzwürdiges Interesse daran, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibt. Allein im Verhältnis zu diesem ist nämlich die Durchführung des Vorteilsausgleichs in jedem Fall möglich, weil der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger und die im Wege des Vorteilsausgleichs abzutretenden - etwaigen - Ansprüche gegen die Werkstatt in einer Hand (beim Geschädigten) liegen. Dies ist nach der Abtretung der Schadensersatzforderung an die Werkstatt nicht mehr der Fall. Der Schädiger verlöre daher regelmäßig das Recht, seine eigene Zahlungsverpflichtung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt zu erfüllen. Bei einer - wie hier - erfolgten Abtretung an die Werkstatt ist bei wertender Betrachtung zudem in den Blick zu nehmen, dass die Grundsätze zum Werkstattrisiko nach ihrer dogmatischen Herleitung nur dem Geschädigten, nicht aber der Werkstatt selbst zugutekommen sollen.
Rz. 27
bb) Nach all dem lässt sich die Option des Geschädigten, sich auch bei unbeglichener Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte übertragen. Im Ergebnis trägt daher bei Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht stets der Zessionar das Werkstattrisiko. Im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer hat folglich der Zessionar - hier die klagende Werkstatt - darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die geltend gemachten Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt zur Herstellung nicht erforderlich waren.
Rz. 28
4. Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht nicht von einer Prüfung der objektiven Erforderlichkeit der Kosten der Lackierarbeiten absehen. Die Versagung der Berufung auf das Werkstattrisiko für die klagende Werkstatt hat im Streitfall zur Folge, dass die Klägerin darlegen und ggf. beweisen muss, dass sie für die unfallbedingten und tatsächlich ausgeführten Lackierarbeiten Kosten geltend gemacht hat, die für die Herstellung des Wagens erforderlich waren. Denn der Einwand der Beklagten ist - wie von der Revision verdeutlicht - so zu verstehen, dass sie die abgerechneten Lackierkosten für überhöht erachtet. Zur Darlegung (ergänzend) möglich, aber entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich ist dabei die Vorlage der Rechnung oder die Auskunft über die Preise des eingeschalteten Nachunternehmens, der Lackiererei. Die von der Klägerin als Werkstatt an ihren Nachunternehmer geleistete Summe ist schon zur Bestimmung der gemäß § 632 Abs. 2 BGB üblichen Vergütung nicht von Bedeutung, denn bei der Ermittlung der üblichen Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB wird auf objektive Umstände abgestellt (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2006 - X ZR 122/05, NJW 2006, 2472 Rn. 14; Senatsurteil vom 9. Dezember 2014 - VI ZR 138/14, VersR 2015, 503 Rn. 17; Busche in MünchKomm, BGB, 9. Aufl., § 632 Rn. 22; Staudinger/Peters (2019), BGB § 632 Rn. 49), nicht auf das persönliche Verhandlungsgeschick des Unternehmers. Anders als bei der Ermittlung der tatsächlichen Kosten - etwa im Rahmen des § 650c BGB - bleiben daher spezifische Einkaufsvorteile, die der Unternehmer bei seinen Nachunternehmen erzielen kann, außer Betracht (vgl. BeckOGK/Mundt, BGB, Stand 1.10.2023, § 632 Rn. 636; Messerschmidt/Voit/Boldt, Privates Baurecht, 4. Aufl., § 632 BGB Rn. 33). Nichts Anderes gilt für die Schadensschätzung nach § 287 ZPO.
III.
Rz. 29
Das Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird der Klägerin Gelegenheit geben müssen, zur Höhe der Lackierkosten weiter vorzutragen.
Rz. 30
Für das weitere Verfahren wird gegebenenfalls zu beachten sein, dass Bedenken hinsichtlich der Ausführungen des Berufungsgerichts zum Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehen. Einem Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG iVm § 398 BGB steht ebenso wie einem Anspruch aus Verzug gemäß § 286 BGB entgegen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des in ihrem Auftrag verfassten anwaltlichen Schreibens vom 4. November 2020, mit welchem sie die Beklagte aufgefordert hat, den Restbetrag zu zahlen, noch nicht Anspruchsinhaberin war; die wirksame Abtretung erfolgte erst im Mai 2021. Aus den vorstehenden Gründen besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen auf die Hauptforderung. Soweit ein Anspruch auf Prozesszinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht kommt, ist darauf hinzuweisen, dass das Datum des Zugangs des Schriftsatzes, welcher die Abtretungsvereinbarung vom 18./21. Mai 2021 beinhaltete, an die Beklagte nicht festgestellt worden ist.
Seiters Oehler Müller
Klein Böhm
Fundstellen
NJW 2024, 8 |
ZAP 2024, 609 |
ZIP 2024, 4 |
DAR 2024, 253 |
DAR 2024, 431 |
JZ 2024, 206 |
VRS 2024, 31 |
VuR 2024, 4 |
RdW 2024, 206 |
ACE-VERKEHRSJURIST 2024, 8 |
DS 2024, 36 |
FuBW 2024, 632 |
FuNds 2024, 520 |
r+s 2024, 338 |