Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit. Schönheitsreparaturklausel
Leitsatz (redaktionell)
Ist dem Vermieter in einem Fristenplan über die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen einseitig das Recht eingeräumt, die jeweiligen Fristen entsprechend dem Zustand der Mietsache nach billigem Ermessen zu verkürzen oder zu verlängern, liegt kein „starrer” Fristenplan im Sinne der BGH-Rechtsprechung vor, da die Entscheidung des Vermieters für den Mieter nur dann verbindlich ist, wenn der Vermieter auf die Interessen des Mieters in angemessener Weise Rücksicht nimmt.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 315 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 15. Zivilkammer des LG München I v. 17.12.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte war Mieterin einer Wohnung der Klägerin in H. Es handelte sich um preisgebundenen Wohnraum. Gemäß § 3 Ziff. 4a des mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der N., geschlossenen Formularmietvertrags v. 8.11.1972 haben die Mieter nach Maßgabe von Ziff. 5 Abs. 2 und 3 der "Allgemeinen Vertragsbestimmungen" die Schönheitsreparaturen auszuführen.
Die Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB) in der für das Mietverhältnis maßgeblichen Fassung vom Februar 1968 enthalten u.a. folgende Regelungen:
"Ziff. 5 Erhaltung der Mietsache
...
2. Die Mieter haben während der Mietzeit die von ihnen gem. § 3 Abs. 4a des Vertrages übernommenen Schönheitsreparaturen ohne besondere Aufforderung durch den Vermieter nach Maßgabe des folgenden Fristenplanes auszuführen. Die Schönheitsreparaturen umfassen sämtliche Anstriche sowie das Tapezieren innerhalb der Wohnung, insb.
- das Anstreichen, Kalken oder Tapezieren der Wände und Decken,
- das Streichen der Fußböden und den Innenanstrich der Fenster und Eingangstüren,
- das Streichen der Türen, Heizkörper, Versorgungs- und Abflussleitungen sowie sämtliche sonstigen Anstriche innerhalb der Wohnung einschließlich derjenigen an Einbaumöbeln, und zwar spätestens nach Ablauf folgender Zeiträume:
- In Wohnküchen alle 2 Jahre, in Koch-/Essküchen oder Kochnischen alle 3 Jahre, in Bädern und Duschen alle 3 Jahre, in Wohn- und Schlafräumen alle 5 Jahre, in Fluren, Dielen und Toiletten alle 5 Jahre, in sonstigen Nebenräumen alle 7 Jahre.
Abweichend hiervon sind die Anstriche der Fenster, Türen, Heizkörper, Versorgungs- und Abflussleitungen sowie der Einbaumöbel in Küchen und Bädern spätestens alle 4 Jahre durchzuführen. ...
3. Lässt in besonderen Ausnahmefällen während der Mietzeit der Zustand einzelner Räume der Wohnung eine Verlängerung der nach Abs. 2 vereinbarten Fristen zu oder erfordert er eine Verkürzung, so kann der Vermieter nach billigem Ermessen die Fristen des Planes bezüglich der Durchführung einzelner Schönheitsreparaturen verlängern oder verkürzen."
Die Klägerin forderte die Beklagte nach Kündigung des Mietverhältnisses mit Schreiben v. 29.5.2002 unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vergeblich auf, Heizkörper, Türen und Fensterrahmen in allen Räumen fachgerecht zu lackieren.
Mit ihrer Klage verlangt sie von der Beklagten die Erstattung der Kosten von Lackierarbeiten i.H.v. 947,82 EUR sowie Nutzungsausfall für die Zeit v. 1.6.bis zum 15.6.2002i.H.v. 208,32 EUR, insgesamt 1.156,14 EUR, nebst Zinsen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NZM 2004, 457 veröffentlicht ist, hat ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen nicht zu, da Ziff. 5 Abs. 2 der AVB gem. § 9 AGBG unwirksam sei. Die Regelung benachteilige den Mieter unangemessen, weil Lackierarbeiten an Fenstern, Türen und Heizungen innerhalb einer zu kurzen Frist durchzuführen seien. Ein "starrer" Renovierungsturnus von vier Jahren sei bezüglich des Anstrichs des Holzwerks und der Heizkörper nicht erforderlich. Da die Entscheidung über eine Verlängerung der Renovierungsfristen gem. Ziff. 5 Abs. 3 der AVB allein dem Vermieter zustehe, relativiere die Regelung die starren Fristen jedenfalls nicht hinreichend; sie lasse außer Acht, dass es einer Abweichung von den Fristen nicht nur in besonderen Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen bedürfe, da Lackierarbeiten am Holzwerk im Turnus von vier Jahren i.d.R. nicht erforderlich seien.
II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der in Ziff. 5 Abs. 2 der AVB der Klägerin enthaltene Teil des Fristenplans, wonach die Anstriche der Fenster, Türen, Heizkörper, Versorgungs- und Abflussleitungen sowie der Einbaumöbel in Küchen und Bädern spätestens alle vier Jahre durchzuführen sind, nicht nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG (nunmehr § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) unwirksam.
1. Zu Unrecht beanstandet das Berufungsgericht, dass der Renovierungsturnus von vier Jahren, den Ziff. 5 Abs. 2 der AVB für die Durchführung der Anstricharbeiten in Küchen und Bädern u.a. an Fenstern, Türen und Heizkörpern vorschreibe, für sich gesehen unangemessen kurz sei. Diese Fristenbestimmung, die - wie noch auszuführen ist - nicht im Sinne eines "starren" Fristenplans zu verstehen ist, trägt dem in Schönheitsreparaturklauseln üblicherweise berücksichtigten Umstand Rechnung, dass die Anstriche in Küchen und Bädern durch die dort auftretende Feuchtigkeit stärkeren Einwirkungen ausgesetzt sind als in Wohnräumen.
Für die Angemessenheit dieses Renovierungsintervalls im Regelfall spricht auch der Vergleich mit dem Fristenplan, der in § 7 Fn. 1 des vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Mustermietvertrags 1976, Fassung I enthalten ist (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 22/76, abgedr. bei Gelhaar in BGB-RGRK, 12. Aufl., vor § 535 Rz. 87). Danach sind Schönheitsreparaturen in Küchen, Bädern und Duschen "im Allgemeinen" bereits nach Ablauf von drei Jahren erforderlich; längere Regelfristen sind hinsichtlich der Anstricharbeiten an Fenstern, Türen, Heizkörpern und Leitungsrohren nicht vorgesehen. Der Fristenplan des Mustermietvertrags wird in Rechtsprechung und Schrifttum auch im Falle der formularvertraglichen Vereinbarung allgemein als zulässig angesehen (BGH v. 30.10.1984 - VIII ARZ 1/84, BGHZ 92, 363 [368 f.] = MDR 1985, 400; v. 1.7.1987 - VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253 [263 f.] = MDR 1987, 927; Urt. v. 28.4.2004 - VIII ZR 230/03, NJW 2004, 2087, unter III; v. 23.6.2004 - VIII ZR 361/03, MDR 2004, 1290 = BGHReport 2004, 1334 = NJW 2004, 2586, unter II 2b; OLG Bremen v. 30.8.1982 - 1 UH 1/82 (a), NJW 1983, 689; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 2. Aufl., 1 C Rz. 3; Knops in Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 2. Aufl., § 535 Rz. 55). Ziff. 5 Abs. 2 der AVB trifft ggü. dem im Mustermietvertrag für Küchen, Bäder und Duschen angegebenen Regelintervall von drei Jahren hinsichtlich der genannten Anstricharbeiten eine dem Mieter günstigere Regelung.
2. Die in den AVB der Klägerin enthaltene Fristenbestimmung ist nicht als "starrer" Fristenplan anzusehen, der ggf. geeignet ist, den Mieter i.S.d. § 9 AGBG bzw. § 307 BGB unangemessen zu benachteiligen (BGH, Urt. v. 23.6.2004 - VIII ZR 361/03, MDR 2004, 1290 = BGHReport 2004, 1334 = NJW 2004, 2586, unter II 2; Urt. v. 22.9.2004 - VIII ZR 360/03, BGHReport 2005, 5 = MDR 2005, 84 = NJW 2004, 3775, unter II 1).
a) Die Auslegung der Klausel unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfung, da sie über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung findet (BGH v. 19.9.1986 - V ZR 72/85, BGHZ 98, 256 [258] = MDR 1987, 130; v. 5.11.1996 - XI ZR 274/95, BGHZ 134, 42 [45]). Die AVB i.d.F. vom Februar 1968 waren ausweislich des abschließenden Zusatzes zum Vertragsformular u.a. Bestandteil der Mietverträge der N. und der N. S.; von einer Verwendung über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus ist daher auszugehen.
b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind (BGH v. 17.12.1987 - VII ZR 307/86, BGHZ 102, 384 [389 f.] = MDR 1988, 401).
Die in Ziff. 5 Abs. 2 der AVB enthaltene Fristenbestimmung verpflichtet den Mieter nicht zur Vornahme allein am Fristenplan ausgerichteter Schönheitsreparaturen ohne Rücksicht auf einen tatsächlich bestehenden Renovierungsbedarf. Vielmehr kann gem. Ziff. 5 Abs. 3 der AVB von der Geltung der in Ziff. 5 Abs. 2 genannten Fristen unter Berücksichtigung des Abnutzungsgrades der gemieteten Räume abgewichen werden. Danach kann der Vermieter nach billigem Ermessen die Fristen des Planes bezüglich der Durchführung einzelner Schönheitsreparaturen verlängern oder verkürzen, wenn in besonderen Ausnahmefällen während der Mietzeit der Zustand einzelner Räume der Wohnung eine Verlängerung der nach Abs. 2 vereinbarten Fristen zulässt oder eine Verkürzung erfordert. Dass Ziff. 5 Abs. 3 der AVB zu Gunsten des Mieters eine Verlängerung der in Abs. 2 vereinbarten Fristen zulässt, hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt.
Aus der Regelung der Ziff. 5 Abs. 2 der AVB folgt, dass der Vermieter zur Fristverlängerung verpflichtet ist, soweit die vermieteten Räume nicht renovierungsbedürftig sind. Die Entscheidung über die Fristverlängerung ist nicht in das Belieben des Vermieters gestellt. Seine Bestimmung ist für den Mieter nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB). Der Vermieter muss daher auf die Interessen des Mieters in angemessener Weise Rücksicht nehmen. Verlangt er nach Ablauf der in Ziff. 5 Abs. 2 der AVB enthaltenen Fristen vom Mieter die Ausführung der Schönheitsreparaturen, ohne dass tatsächlich ein Renovierungsbedarf besteht, entspricht dies nicht billigem Ermessen.
Durch die Formulierung "kann" unterscheidet sich die Klausel zwar nach ihrem Wortlaut von der formularvertraglichen Bestimmung, die dem - vom Berufungsgericht in Bezug genommenen - Rechtsentscheid des BayObLG v. 9.7.1987 (BayObLG v. 9.7.1987 - REMiet 1/87, BayObLGZ 1987, 243) zu Grunde lag. Dort sollte der Vermieter auf Antrag des Mieters zu einer Verlängerung der Ausführungsfristen "verpflichtet" sein. Auch die Klausel, die der nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung des Senats v. 20.10.2004 (BGH v. 20.10.2004 - VIII ZR 378/03, BGHReport 2005, 222 = MDR 2005, 266 = WuM 2005, 50) zu Grunde lag, räumte dem Mieter einen Anspruch auf Verlängerung der Fristen ein. Jedoch stellt die vorliegende Regelung den Mieter nicht schlechter als die Klauseln, die Gegenstand der vorgenannten Entscheidungen waren. Zwar wird durch diese Formulierungen dem Mieter ausdrücklich ein Anspruch auf Verlängerung der Fristen zugebilligt, sofern die Voraussetzungen dafür sachlich gegeben sind. Die vorliegend zu beurteilende Klausel gewährt dem Mieter aber nicht weniger Rechte. Das Ermessen des Vermieters, die Fristen des Plans gem. Ziff. 5 Abs. 3 der AVB zu verlängern, reduziert sich nach dem formularmäßig vorgegebenen Maßstab der Billigkeit "auf null", soweit der Zustand der Wohnung eine Renovierung nicht erfordert.
c) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht daher, dass die in Ziff. 5 Abs. 2 und 3 der AVB enthaltene Fristenbestimmung dem Interesse des Mieters, nicht unabhängig von einem tatsächlichen Bedarf renovieren zu müssen, nicht hinreichend Rechnung trägt und sie daher gem. § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG (nunmehr § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) unwirksam sei. Der Senat hat in dem genannten Urteil v. 20.10.2004 einen formularvertraglichen Fristenplan mit einer Fristenverlängerungsklausel, die Ziff. 5 Abs. 3 der AVB der Klägerin - wie ausgeführt - im Wesentlichen entspricht, als wirksam angesehen (BGH v. 20.10.2004 - VIII ZR 378/03, BGHReport 2005, 222 = MDR 2005, 266 = WuM 2005, 50, unter II 1a). Nichts anderes gilt hinsichtlich der in den AVB der Klägerin enthaltenen Fristenbestimmung, die dem Mieter im Ergebnis gleichfalls einen Anspruch auf Fristverlängerung bei fehlendem Renovierungsbedarf zubilligt.
III.
Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil aufzuheben. Da es weiterer Feststellungen zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruches der Klägerin bedarf, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1329129 |
NJW 2005, 1188 |
NZM 2005, 299 |
ZMR 2005, 768 |
WuM 2005, 241 |
Info M 2005, 127 |
MietRB 2005, 225 |
MietRB 2006, 30 |
IWR 2005, 71 |
ImmWert 2006, 35 |