Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwendungsersatzanspruch des Pächters bei Schaffung eines Grundstücksmehrwerts. Obergrenze des Ersatzanspruchs
Leitsatz (amtlich)
a) Zu der dem Pächter durch Enteignung der Pachtfläche genommenen und zu entschädigenden Rechtsposition kann auch ein Verwendungsersatzanspruch gegen den Grundeigentümer im Falle der Kündigung des Pachtverhältnisses durch diesen, gerichtet auf den vom Pächter geschaffenen "Mehrwert" des Grundstücks (§ 591 Abs. 1 BGB), gehören.
b) Obergrenze des Ersatzanspruchs nach § 591 Abs. 1 BGB ist - wie beim Anspruch des Besitzers gegen den Eigentümer auf Ersatz nützlicher Verwendungen nach § 996 BGB - der Betrag der tatsächlich getätigten Aufwendungen.
Normenkette
GG Art. 14; BGB § 591 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beteiligten zu 2) wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Celle - Senat für Baulandsachen - vom 18.5.2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil des Beteiligten zu 2) erkannt worden ist.
Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beteiligte zu 2) beansprucht für von ihm angepachtete und zum Spargelanbau genutzte - jedoch von der Straßenbauverwaltung (Beteiligte zu 1)) ab 1.10.1997 in Anspruch genommene - Flächen (14.985 m2 in der Gemarkung S.) eine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen. Die Parteien streiten im baulandgerichtlichen Verfahren um die Höhe des festzusetzenden Betrages. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das erste Revisionsurteil des Senats vom 2.10.2003 (BGH v. 2.10.2003 - III ZR 114/02, BGHZ 156, 257 = BGHReport 2004, 9 = NJW 2004, 281) Bezug genommen. Das OLG hat aufgrund der neuen Berufungsverhandlung die an den Beteiligten zu 2) zu leistende Entschädigung auf 22.947,30 DM (= 11.732,77 EUR) nebst Zinsen - unter Anrechnung einer bereits geleisteten Abschlagszahlung von 50.000 DM - herabgesetzt. Mit der hiergegen gerichteten, vom OLG zugelassenen Revision erstrebt der Beteiligte zu 2) die Wiederherstellung der ursprünglichen Festsetzung der Beteiligten zu 3) (Flurbereinigungsbehörde) i.H.v. 170.880 DM nebst Zinsen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beteiligten zu 2) führt in dem Umfang, in dem das Berufungsgericht zu seinem Nachteil erkannt hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur (erneuten) Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Das Berufungsgericht ist nach einer neuen Würdigung der gesamten Umstände des von dem Beteiligten zu 2) eingegangenen und durch Spargelanbau verwirklichten Pachtverhältnisses an Hand der im ersten Revisionsurteil des Senats (BGH v. 2.10.2003 - III ZR 114/02, BGHZ 156, 257 [265 ff.] = BGHReport 2004, 9) genannten Kriterien zu dem Ergebnis gelangt, dass die dem Beteiligten zu 2) - mit Wirkung vom 1.10.1997 - genommene Rechtsposition nicht den gesamten Zeitraum bis zum Ende der Ertragsdauer der von ihm angelegten Spargelanlage (bis 2005) umfasste, sondern dass der von ihm mündlich abgeschlossene Pachtvertrag durch den Eigentümer zum Ende des Jahres 1999 hätte gekündigt werden können, ohne dass der Beteiligte zu 2) der Kündigung durchgreifende Einwände - etwa auch aus § 242 BGB - hätte entgegensetzen können. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
2. Bei seiner weiteren Prüfung geht das Berufungsgericht allerdings nicht näher auf die Frage ein, welcher Entschädigungsbetrag sich für den Beteiligten zu 2) aus dem Verlust seiner Rechtsposition als (Spargel anbauender) Pächter errechnet, die er immerhin auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ohne den enteignenden Zugriff der Straßenbauverwaltung in der Zeit vom 1.10.1997 bis zum 31.12.1999 unangefochten innegehabt hätte. Maßgeblich sind hierfür, wenn auch zeitlich begrenzt, die im ersten Revisionsurteil des Senats (BGH v. 2.10.2003 - III ZR 114/02, BGHZ 156, 257 [260 ff.] = BGHReport 2004, 9) erörterten Grundsätze zur Entschädigung des am entgangenen Deckungsbeitrag ausgerichteten Erwerbsverlustes. Da das Berufungsurteil schon aus einem anderen Grund der Aufhebung unterliegt (unten zu II 3), hat der Tatrichter in der neuen Berufungsverhandlung Gelegenheit, die Prüfung der dem Beteiligten zu 2) insgesamt zustehenden - einheitlichen - Enteignungsentschädigung auch im Einzelnen auf diese Entschädigungsposition zu erstrecken.
II.
Ausgehend davon, dass der Pachtvertrag des Beteiligten zu 2 seitens des Eigentümers zum Ende des Jahres 1999, also fünf Jahre vor der "Erschöpfung" der Spargelanlage, kündbar war, prüft das Berufungsgericht als dem Beteiligten zu 2) genommene und zu entschädigende Rechtsposition einen Anspruch desselben gegen den Eigentümer für den Fall der Kündigung auf Ersatz wertverbessernder Verwendungen gem. § 591 Abs. 1 BGB. Das Berufungsgericht zieht einen solchen Anspruch grundsätzlich in Betracht, wobei es davon ausgeht, dass die Bewirtschaftung des Pachtlandes durch den Beteiligten zu 2) unter Anlage von Spargelfeldern mit Zustimmung des Eigentümers erfolgt sei und der Grundbesitz durch die - noch nicht erschöpfte - Spargelanlage einen über die Pachtzeit hinaus erhöhten Wert ("Mehrwert") erlangt habe. Allerdings könne, so das Berufungsgericht weiter, der bloße Mehrwert einen Ersatzanspruch des Pächters nach § 591 BGB nicht begründen. Der Ersatzanspruch sei von vornherein auf die Höhe der Verwendungen des Pächters zzgl. einer marktüblichen Verzinsung begrenzt. Dafür, dass der Beteiligte zu 2) an nützlichen Verwendungen mehr als 11.732,77 EUR - den von der Beteiligten zu 1) als Enteignungsentschädigung für den Beteiligten zu 2) errechneten Betrag - aufgewendet habe, sei jedoch nichts ersichtlich oder vorgetragen; das habe der Beteiligte zu 2) auch bei der Erörterung der Problematik des § 591 BGB in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht behauptet.
Diese Ausführungen halten zwar zum Grund, nicht aber zur Höhe der betreffenden Entschädigungsposition der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass zu der dem Pächter durch Enteignung der Pachtfläche genommenen und zu entschädigenden Rechtsposition auch ein Verwendungsersatzanspruch gegen den Grundstückseigentümer für den Fall der Kündigung des Pachtverhältnisses durch diesen, gerichtet auf den vom Pächter geschaffenen "Mehrwert" des Grundstücks (§ 591 Abs. 1 BGB), gehören kann (Aust/Jacobs/Pasternak, Die Enteignungsentschädigung, 5. Aufl., Rz. 558; BGHZ 59, 250 [253 f.]; BGH v. 15.4.1957 - III ZR 249/55, LM § 7 ErgG/RSiedlG Nr. 2 zu § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes v. 4.6.1935, RGBl. I, 1). Des Weiteren ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass die Herstellung einer Spargelanlage durch den Pächter auf gepachtetem Ackerland eine nützliche Verwendung i.S.d. § 591 Abs. 1 BGB darstellen kann (vgl. - für den Fall der Umwandlung von Ackerland in eine Weinbaufläche - BGH, Urt. v. 16.6.2000 - LwZR 22/99, RdL 2000, 234 [235]). Das wird von der Revision, als ihr günstig, nicht in Zweifel gezogen; auch die Revisionserwiderung nimmt dies hin.
2. Es ist entgegen den Angriffen der Revision auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Pächters gegen den Eigentümer aus § 591 Abs. 1 BGB als durch die getätigten Aufwendungen (zzgl. marktüblicher Verzinsung) begrenzt angesehen hat.
Während der Verpächter verpflichtet ist, dem Pächter die notwendigen Verwendungen auf die Pachtsache zu ersetzen (§ 590b BGB), hat er nach § 591 Abs. 1 BGB andere als notwendige Verwendungen, denen er zugestimmt hat, dem Pächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses zu ersetzen, soweit die Verwendungen den Wert der Pachtsache über die Pachtzeit hinaus erhöhen (Mehrwert). Diese durch Gesetz vom 8.11.1985 (BGBl. I, 2065) in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügte Vorschrift ist nach ihrem nächstliegenden Wortsinn und ihrem systematischen Zusammenhang nicht anders zu verstehen als die Regelung des § 996 BGB über den Ersatzanspruch des Besitzers für nützliche Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Für diese Regelung stand und steht außer Streit, dass Verwendungsersatz nur bis zur Höhe der der Sache jetzt noch anhaftenden Wertsteigerung, jedoch nicht über die tatsächlich aufgewendeten Kosten hinaus in Betracht kommt (RGZ 106, 147 [149]; BGH v. 5.10.1979 - V ZR 71/78, BGHZ 75, 288 [295] = MDR 1980, 299). Auch für § 591 Abs. 1 BGB hat der BGH ausgesprochen, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung ein (noch) vorhandener Mehrwert allein einen Ersatzanspruch des Pächters nicht begründen könne; der Mehrwert sei nicht Anspruchsgrund, sondern Maßstab des Verwendungsersatzanspruchs (BGH v. 19.7.1991 - LwZR 3/90, BGHZ 115, 162 [166] = MDR 1991, 1166; Urt. v. 16.6.2000 - LwZR 22/99, RdL 2000, 234 [235]; Wenzel, AgrarR 1995, 42 [43]). Dieser Rechtsprechung, deren Standpunkt von der herrschenden Meinung in der Fachliteratur geteilt wird (Harke in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 591 Rz. 3; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 591 Rz. 25; Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 591 Rz. 4; Hk-BGB/Ebert, 4. Aufl., § 591 Rz. 4; Erman/P. Jendrek, BGB, 11. Aufl., § 591 Rz. 1; so wohl auch Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 591 Rz. 46), schließt sich der erkennende Senat an. Die Gegenansicht, die darauf abstellt, dass der Pächter bezüglich der vom Verpächter genehmigten nützlichen Verwendungen besser stehen solle als bei den notwendigen Verwendungen, "weil der Verpächter in Kenntnis seiner Ersatz-Pflicht die Verwendungen erlaubt hat und im Übrigen Abs. 3 Satz 3 ein Korrektiv zugunsten des Verpächters enthält" (Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 4. Aufl., § 591 Rz. 17; ihm folgend Bauermeister in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth, juris Praxiskommentar BGB, § 591 Rz. 12; Staudinger/Pikalo/v. Jeinsen, BGB, 13. Bearb., § 591 Rz. 31), trägt weder dem Wortlaut noch dem Regelungszusammenhang der Vorschrift Rechnung, bei der der überkommene Begriff der "Verwendungen" inmitten steht (Vermögensaufwendungen, die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache dienen, vgl. BGH v. 24.11.1995 - V ZR 88/95, BGHZ 131, 220 [222 f.] = MDR 1996, 1112); sie findet auch in den Gesetzesmaterialien (s. die Begründung zu § 591 BT-Drucks. 10/509, 22) keine Stütze.
3. Soweit das Berufungsgericht die Höhe der Verwendungen des Beteiligten zu 2), die möglicherweise per 31.12.1999 beim Eigentümer zu einem Mehrwert geführt hätten, ungeklärt gelassen und den Beteiligten zu 2) an seinem mangelnden Vortrag zu diesem Punkt festgehalten hat, rügt jedoch die Revision mit Recht einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts (Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz, § 221 Abs. 2 BauGB).
In Baulandsachen sind grundsätzlich die bei Klagen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geltenden Vorschriften, insb. also die Zivilprozessordnung, entsprechend anzuwenden (§ 221 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die infolge dieser Verweisung mit in den Blick zu nehmenden Vorschriften der Zivilprozessordnung, etwa auch die über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens, stehen allerdings in einem Spannungsverhältnis zu der weiteren Regelung in § 221 Abs. 2 BauGB, wonach - während im Zivilprozess der Verhandlungsgrundsatz gilt - das Baulandgericht auch von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und nach Anhörung der Beteiligten auch solche Tatsachen berücksichtigen kann, die von ihnen nicht vorgebracht worden sind. Diese Regelung, die früher überwiegend als "Kann"-Vorschrift verstanden wurde, die es dem Gericht nach seinem Ermessen frei stelle, vom Verhandlungsgrundsatz zum Untersuchungsgrundsatz überzugehen, begründet nach dem heute vorherrschenden Verständnis eine gerichtliche "Befugnis" im Sinne ggf. einer Verpflichtung des Gerichts zur Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes (BGH v. 4.11.2004 - III ZR 372/03, BGHZ 161, 38 [45] = BGHReport 2005, 424 = NJW 2005, 898 [900]). Die (begrenzte) Geltung des Untersuchungsgrundsatzes im baulandgerichtlichen Verfahren ist allerdings im Zusammenhang zu sehen mit den - auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird - zunehmend anerkannten Mitwirkungspflichten der Verfahrensbeteiligten. Dementsprechend findet die Pflicht der Tatsachengerichte zur Aufklärung des Sachverhalts (nach § 86 Abs. 1 VwGO wie auch ggf. nach § 221 Abs. 2 BauGB) ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Sachaufklärung bietet (BGH v. 4.11.2004 - III ZR 372/03, BGHZ 161, 38 [45] = BGHReport 2005, 424 = NJW 2005, 898 [900], m.w.N.). Im Streitfall hatte das Berufungsgericht es indessen, was die Höhe der von dem Beteiligten zu 2) für die Spargelanlage gemachten Verwendungen anging, nicht mit einem klaren Parteivorbringen zu tun, das es nicht hätte zu hinterfragen brauchen, sondern es fehlte offensichtlich an substantiiertem Vortrag des Beteiligten zu 2). Dabei war dieser Mangel an Parteivortrag erst in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zutage getreten. Die Entscheidungserheblichkeit der Höhe der von dem Beteiligten zu 2) für die Spargelanlage erbrachten Vermögensaufwendungen ergab sich erst aus der geänderten Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dessen vorausgegangene Beweiserhebung noch auf der Auffassung basierte, für einen Anspruch aus § 591 Abs. 1 BGB komme es nur auf den erzielten Mehrwert an. Andererseits gab es, worauf die Revision mit Recht hinweist, aus dem bisherigen Verfahren, insb. aus den Äußerungen der gerichtlichen Sachverständigen und den fachkundlichen Stellungnahmen des die Beteiligte zu 1) vertretenden Landesamts, Hinweise auf die "Investitionsaufwendungen" des Beteiligten zu 2) (vgl. nur GA V 454-460). Dieser bereits vorhandene Prüfungsstoff hätte das Berufungsgericht veranlassen müssen, durch Auflagen an den Beteiligten zu 2) zu weiterem Vortrag und ggf. durch zusätzliche sachverständige Erhebungen die Höhe des maßgeblichen Kostenaufwands des Beteiligten zu 2) nach landwirtschaftlichen Bewertungsgrundsätzen zu klären.
III.
Das angefochtene Urteil kann daher, soweit es zum Nachteil des Beteiligten zu 2) ergangen ist, keinen Bestand haben. Mangels Entscheidungsreife im Revisionsverfahren ist die Sache zur weiteren Prüfung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird die Aufgabe des Berufungsgerichts sein, die zutreffende Enteignungsentschädigung des Beteiligten zu 2) aus einer "Kombination" - unter Vermeidung einer Doppelentschädigung und ggf. unter Abzinsung auf den Qualitätsstichtag 1.10.1997 - des Ertragsverlustes (entgangener Deckungsbeitrag) für die Zeit vom 1.10.1997 bis zum 31.12.1999 mit einem entgangenen Verwendungsersatzanspruch gem. § 591 Abs. 2 BGB gegen den Eigentümer wegen des am 31.12.1999 für diesen noch gegebenen Mehrwerts zu ermitteln.
Fundstellen
Haufe-Index 1501366 |
BGHZ 2006, 364 |