Leitsatz (amtlich)
Ist bei einem nicht Wohnzwecken dienenden Erbbaurecht eine Anpassung des Erbbauzinses für den Fall vereinbart, daß sich der Verkehrswert für Grundstücke gleicher Lage und Bebaubarkeit gegenüber dem zuletzt für die Berechnung des Erbbauzinses maßgebenden Verkehrswert um mehr als 10 % erhöht oder ermäßigt hat, so ist Ausgangswert nicht der wahre Verkehrswert im Anknüpfungszeitpunkt, sondern der zuletzt vereinbarte oder gerichtlich festgestellte Verkehrswert.
Normenkette
ErbbauVO § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2 U 2/97) |
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/12 O 300/93) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main – 2. Zivilsenat – vom 7. November 1997 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Auf die Anschlußberufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 12. Zivilkammer – vom 26. November 1996 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt,
- an die Kläger in Abänderung des mit Urteil des Landgerichts München I vom 19. September 1990 – Az. O – ausgeurteilten Betrags von 26.666,66 DM mit Wirkung vom 1. Januar 1993 einen monatlichen im voraus, spätestens zum 10. eines Monats zahlbaren Erbbauzins in Höhe von 70.000 DM zu zahlen,
- zu bewilligen, in das Grundbuch des Amtsgerichts München Grundbuch von Sch. -V., Band 26, Blatt 546, eintragen zu lassen, daß sich der monatliche Erbbauzins von 26.666,66 DM ab dem 1. Januar 1993 auf monatlich 70.000 DM erhöht.
Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts München I entstandenen Mehrkosten, welche die Kläger zu tragen haben, fallen zu 77 % dem Beklagten, im übrigen den Klägern zur Last.
Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen zu 88 % dem Beklagten, im übrigen den Klägern zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer, der Beklagte Erbbauberechtigter eines Grundstücks in M.. Das Erbbaurecht beruht auf einem notariellen Vertrag vom 15. Oktober 1962 nebst Nachtrag vom 30. Juni 1965 und notarieller Urkunde vom 7. Oktober 1981. Gemäß Ziff. VI des Erbbaurechtsvertrages vom 15. Oktober 1962 gingen die damaligen Vertragspartner von einem Verkehrswert des Grundstücks von seinerzeit 600.000 DM aus und vereinbarten einen Erbbauzins von 8 %, d.h. 48.000 DM jährlich. In der auch für den Beklagten maßgeblich gewordenen Regelung heißt es weiterhin:
„Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigte sind berechtigt, alljährlich und zwar erstmals zum 1. Januar 1964 zu verlangen, daß der Erbbauzins neu festgesetzt wird, sofern sich der Verkehrswert für Grundstücke gleicher Lage und Bebaubarkeit erhöht oder ermäßigt hat. Das Verlangen auf Neufestsetzung soll jedoch erst möglich sein, wenn sich der zugrunde gelegte Verkehrswert gegenüber dem zuletzt für die Berechnung des Erbbauzinses maßgebenden Verkehrswert um mehr als 10 % erhöht oder ermäßigt hat. Die Erhöhung oder Herabsetzung des Erbbauzinses errechnet sich dann jeweils mit 8 % aus dem Erhöhungs- bzw. Ermäßigungsbetrag.
Eine solche Neufestsetzung tritt dann jeweils am darauffolgenden 1. Januar in Kraft. Einer Neufestsetzung des Erbbauzinses ist ein Schätzgutachten eines vereidigten Sachverständigen zugrunde zu legen. …”
1964 wurde das Grundstück mit einem sechsgeschossigen Geschäftshaus mit drei vermietbaren Bereichen bebaut. Mit Urteil vom 19. September 1990 (O) setzte das Landgericht München I den Erbbauzins ausgehend von einem Verkehrswert von 4.000.000 DM mit Wirkung vom 1. Januar 1989 auf monatlich 26.666,66 DM fest. Mit einem am 21. Dezember 1992 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben verlangten die Kläger unter Beifügung eines von dem Sachverständigen M. erstellten Gutachtens, das einen Grundstückswert von 12.200.000 DM ausweist, eine Erhöhung des Erbbauzinses auf monatlich 81.333,33 DM.
Auf die entsprechende Klage hat das Landgericht den monatlichen Erbbauzins mit Wirkung vom 1. Januar 1993 auf 46.666,67 DM festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und auf die unselbständige Anschlußberufung der Kläger den Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Erbbauzinses von 75.210,66 DM nebst Zinsen sowie zur Bewilligung einer entsprechenden Grundbucheintragung verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht läßt offen, ob es sich bei der in Ziff. VI des Erbbaurechtsvertrags getroffenen Regelung um eine Schiedsgutachtenabrede handele. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, könnten die Kläger die Erhöhung des Erbbauzinses nicht aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen M. verlangen, weil sie bei Erteilung des Auftrags an den Sachverständigen nicht klargestellt hätten, daß es sich um ein Schiedsgutachten handeln sollte. In diesem Fall müsse die Leistungsbestimmung in analoger Anwendung des § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Urteil erfolgen. Für das Anpassungsbegehren sei nach Ziff. VI des Erbbaurechtsvertrags allein der Bodenwert des unbebauten Grundstücks maßgebend. Zwar befinde sich in dem Gebäude auch eine Hausmeisterwohnung von 70 m². § 9 a ErbbauRVO komme jedoch nicht zur Anwendung, weil die Wohnung nur 4 % der Gesamtmietfläche ausmache. Nach dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten betrage der Verkehrswert des Grundstücks für Dezember 1992 11.281.600 DM. Von diesem Wert seien entgegen der Annahme des Sachverständigen Abzüge für die auf dem Grundstück liegende Stellplatzverpflichtung und für einen erhöhten Gründungsaufwand nicht vorzunehmen. Bezugspunkt für die Wertentwicklung sei der in dem Urteil vom 19. September 1990 zugrunde gelegte Verkehrswert von 4.000.000 DM und nicht der damals richtige Wert von 6.100.000 DM. Der sich daraus ergebende Erhöhungsbetrag werde ab 1. Januar 1993 geschuldet und sei ab diesem Zeitpunkt bis zur letzten mündlichen Verhandlung mit 4 % zu verzinsen.
Dies hält der Revision überwiegend stand.
II.
1. Fehlerfrei ist insbesondere die Auslegung der unter Ziff. VI des Erbbaurechtsvertrags enthaltenen Anpassungsklausel, daß für die Bestimmung des Erbbauzinses der Bodenwert des unbebauten und nicht des bebauten Grundstücks maßgeblich sei, auch wenn das Erbbaurecht für die Bebauung des Grundstücks bestellt worden sei. Die Auslegung ist möglich, übersieht keinen Streitstoff und verletzt keine Denkgesetze. Daß die Parteien den „Verkehrswert für Grundstücke gleicher Lage und Bebaubarkeit” übereinstimmend als „Verkehrswert für Grundstücke gleicher Lage und Bebauung” verstanden hätten, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Ein solcher Wille ergibt sich insbesondere nicht aus der Tatsache, daß die Parteien in dem ersten Erbbauzinsanpassungsrechtsstreit vor dem Landgericht München I übereinstimmend von der Ertragswertmethode ausgegangen sind. Dieser Umstand ist schon deswegen nicht als Indiz für einen übereinstimmenden Parteiwillen bei der Erbbaurechtsbestellung geeignet, weil die Parteien des Rechtsstreits und die Vertragsparteien des Erbbaurechtsvertrags vom 15. Oktober 1962 nicht identisch sind. Für die Ermittlung des objektiven Erklärungswerts im Wege der Auslegung ist das Verhalten in dem Vorprozeß ebenfalls unerheblich (BGH, Urt. v. 28. März 1962, VIII ZR 250/61, WM 1962, 550).
Die Auslegung verletzt auch nicht deswegen die Denkgesetze, weil ein Erbbauzins in Abhängigkeit vom Grundstückswert dazu führen kann, daß er die erzielbaren Mieteinnahmen übersteigt. Denn gerade die Tatsache, daß der Erbbauberechtigte verpflichtet war, auf dem Grundstück Wohn- und Geschäftsgebäude bis spätestens 31. Dezember 1963 zu errichten und für den Erbbauzins gleichwohl nicht der Verkehrswert des bebauten Grundstücks, sondern derjenige für Grundstücke „gleicher Lage und Bebaubarkeit” maßgebend sein sollte, zeigt, daß der Erbbauzins sich nicht nach dem Ertragswert richten, das Risiko eines die erzielbaren Mieteinnahmen übersteigenden Erbbauzinses also den Erbbauberechtigten treffen sollte. Die Revision räumt denn auch ein, daß die Parteien für die Wertermittlung nicht auf die tatsächliche Bebauung abgestellt haben, um den Grundstückseigentümer davor zu schützen, daß der Erbbauberechtigte den zulässigen baulichen Nutzungsgrad nicht ausschöpft. Wenn aber die Parteien die Wertermittlung nicht auf die tatsächliche Bebauung abgestellt haben, ist die Auslegung des Berufungsgerichts, daß der Verkehrswert des unbebauten Grundstücks maßgeblich sein sollte, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Allein die Möglichkeit, die Klausel im Sinne der Revision auch dahin zu interpretieren, daß der fiktive Ertragswert bei größtmöglicher baulicher Nutzung maßgeblich sein sollte, macht die vom Tatrichter für richtig gehaltene Auslegung nicht fehlerhaft. Der Revision ist auch nicht darin zu folgen, daß die von ihr befürwortete Auslegungsmöglichkeit nahegelegen habe, so daß das Berufungsgericht sie hätte in Betracht ziehen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 19. September 1995, VI ZR 226/94, VersR 1996, 380). Abgesehen davon, daß bei unbebauten Grundstücken die Orientierung des Ausgangserbbauzinses und nachfolgender Anpassungen am Bodenwert selbst bei zwischenzeitlicher Bebauung allgemein üblich ist (Senat, BGHZ 119, 220, 223; Urt. v. 3. Februar 1995, V ZR 222/93, WM 1995, 1149, 1151), beeinflußt die zulässige bauliche Nutzung auch den Wert des unbebauten Grundstücks. Dies ist von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen in seinem Gutachten berücksichtigt worden. Bei der Auslegung in Betracht zu ziehen war daher nur die Möglichkeit, den Verkehrswert des unbebauten Grundstücks nach der „Ertragsmöglichkeit” des Anwesens zu bestimmen. Hiermit hat sich das Berufungsgericht aber durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil auseinandergesetzt. Dies ist rechtsirrtumsfrei. Schließlich hat das Berufungsgericht auch nicht den revisiblen Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung verletzt. Denn das für richtig gehaltene Verständnis der Klausel ergibt einen nach dem erkennbaren Parteiwillen vertretbaren Sinngehalt (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1997, KZR 43/95, WM 1998, 879, 883).
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht ferner den für die Anpassung maßgeblichen Ausgangswert vom 31. Dezember 1988 nicht mit dem tatsächlich richtigen Verkehrswert von 6.100.000 DM, sondern mit dem im Urteil des Landgerichts München I vom 19. September 1990 zugrunde gelegten Wert von 4.000.000 DM angesetzt. Dies läßt sich allerdings nicht mit der Rechtskraft dieses Urteils begründen, wie das Berufungsgericht meint. Denn die in dem Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen nehmen an der Rechtskraft nicht teil (BGHZ 123, 137, 140). Auch die Präklusionswirkung des Urteils schließt nicht aus, daß für den hier maßgebenden Anpassungszeitraum der zuletzt für die Berechnung des Erbbauzinses maßgebende Verkehrswert anders angesetzt wird als in dem Vorurteil. Sie verhindert nur, daß die Kläger für den von ihr erfaßten (früheren) Zeitraum einen höheren Erbbauzins mit der Behauptung verfolgen können, daß der in dem Urteil für den 31. Dezember 1988 angenommene Verkehrswert unrichtig war. Welcher Ausgangswert dagegen für den hier maßgeblichen Zeitraum ab 1. Januar 1993 zugrunde zu legen ist, ist im Wege der Auslegung der von den Parteien vereinbarten Erbbauzinserhöhungsklausel zu ermitteln. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, weil das Berufungsgericht sie unterlassen hat und weitere tatrichterliche Feststellungen hierzu nicht in Betracht kommen (BGHZ 65, 107, 112). Nach dieser Klausel soll das Verlangen auf Neufestsetzung erst möglich sein, wenn sich der zugrunde gelegte Verkehrswert gegenüber dem zuletzt für die Berechnung des Erbbauzinses „maßgebenden Verkehrswert” um mehr als 10 % erhöht oder ermäßigt hat.
Der Wortlaut dieser Regelung ist nicht eindeutig. Er läßt offen, ob der Begriff „maßgebend” normativ oder tatsächlich gemeint ist, ob Ausgangswert also der für den Anknüpfungszeitpunkt richtige Verkehrswert oder der damals der Berechnung zugrunde gelegte Verkehrswert sein soll. Da aber davon auszugehen ist, daß die Vertragsparteien eine vernünftige Regelung gewollt haben, ist die Anpassungsklausel nach ihrem Sinn und Zweck dahin auszulegen, daß Maßstab für die Wertveränderung der Verkehrswert sein soll, welcher der letzten Anpassung zugrundegelegt worden ist. Dafür spricht, daß die Vertragsparteien schon den Anfangserbbauzins nicht nach dem tatsächlich richtigen Bodenwert, sondern nach einem vereinbarten Verkehrswert von 600.000 DM bemessen haben und keine Anhaltspunkte vorliegen, daß für nachfolgende Anpassungsverlangen ein anderer Anknüpfungswert maßgebend sein sollte als der zuletzt vereinbarte oder gerichtlich festgestellte Verkehrswert. Denn die Möglichkeit nachträglicher Erhöhungen oder Herabsetzungen des Erbbauzinses dient, sofern nichts anderes bestimmt ist, nicht dazu, den Ausgangswert oder Anpassungsmaßstab zu korrigieren (vgl. Senat, BGHZ 77, 194, 202; 90, 227, 231; 119, 220, 224; Urt. v. 24. April 1992, V ZR 52/91, WM 1992, 1321, 1323). Zudem liegt es im Interesse der Rechtssicherheit, wenn der einmal vereinbarte oder festgestellte Anknüpfungswert als Bezugspunkt für die nächste Anpassung nicht wieder zur Diskussion gestellt werden darf. Dies hat allerdings zur Folge, daß eine Wertdifferenz von tatsächlichem Verkehrswert zu einem späteren Anpassungszeitpunkt und früherem Anknüpfungswert – wie hier – von der tatsächlichen Bodenwertentwicklung abweichen kann, ein Fehler bei der früheren Verkehrswertermittlung also bei der nächsten Anpassung nicht für die Zukunft fortgeschrieben, sondern „aufgefangen” wird. Damit wird der vereinbarte Anpassungsmaßstab jedoch nicht in unzulässiger Weise korrigiert, sondern beibehalten. Denn er ist anders als in dem der Entscheidung vom 24. April 1992 (V ZR 52/91, WM 1992, 1321, 1323) zugrundliegenden Fall nicht offen formuliert, sondern konkret als die Differenz zwischen dem letzten Anknüpfungswert und dem tatsächlichen Verkehrswert im Anpassungszeitpunkt bestimmt worden.
3. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß auf dem zu Wohnzwecken benutzten Teil des Gebäudes § 9 a ErbbauRVO keine Anwendung findet. Dabei kann offenbleiben, ob sich dies, wie das Berufungsgericht meint, schon damit rechtfertigen läßt, daß die Gesamtmietfläche nicht weniger als 1.740,17 m² beträgt und hierin die auf die Hausmeisterwohnung entfallende Fläche von 70 m² enthalten ist, das Bauwerk also nur zu 4 % Wohnzwecken dient. Jedenfalls findet § 9 a Abs. 1 ErbbauRVO deswegen keine Anwendung, weil es sich um eine Hausmeisterwohnung handelt, die als solche nicht Wohnzwecken im Sinne von § 9 a Abs. 2 ErbbauRVO, sondern dazu dient, die zweckbestimmte gewerbliche Nutzung des Hauses zu ermöglichen und sicherzustellen. In diesem Fall ist aber dem Erbbauberechtigten die Nichtanwendbarkeit des § 9 a ErbbauRVO zuzumuten.
4. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht schließlich an, daß bis zur Eintragung der Erhöhungsbeträge in das Grundbuch diese als schuldrechtlicher Erbbauzins geschuldet werden, und zwar ab 1. Januar 1993. Denn die Frage, von welchem Zeitpunkt ab ein höherer Erbbauzins zu zahlen ist, ist in erster Linie nach dem Inhalt der Änderungsklausel und deren Auslegung zu beantworten (Senatsurt. v. 1. März 1996, V ZR 327/94, NJW 1996, 1748). Das Berufungsgericht hat die hier maßgebliche Klausel dahin ausgelegt, daß die Neufestsetzung schuldrechtlich auch dann jeweils am darauffolgenden 1. Januar in Kraft tritt, wenn das dem Anpassungsverlangen beigefügte Gutachten nicht verbindlich ist. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich fehlerfrei und gilt auch für den Fall der gerichtlichen Festsetzung (vgl. Senatsurt. v. 1. März 1996, V ZR 327/94, aaO).
5. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht dagegen darin, daß der Beklagte mit der Zahlung der ab 10. Januar 1993 bzw. ab 10. des jeweiligen Folgemonats zu zahlenden Erhöhungsbeträge auch in Verzug geraten sei. Wenn das dem Anpassungsverlangen zugrundezulegende Gutachten nicht verbindlich und – wie hier – durch die gerichtliche Entscheidung zu ersetzen ist, kann der Erbbauberechtigte erst mit der Rechtskraft des Urteils in Verzug geraten (vgl. Senatsurt. v. 24. November 1995, V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056).
6. Das Urteil hat darüberhinaus insoweit keinen Bestand, als das Berufungsgericht entgegen der Auffassung des gerichtlich bestellten Sachverständigen einen Abzug für die das Grundstück betreffende Stellplatzverpflichtung und den bei einer Bebauung des unbebauten Grundstücks erhöhten Gründungsaufwand nicht für gerechtfertigt hält. Wenn für den Erbbauzins der Verkehrswert für unbebaute Grundstücke gleicher Lage und Bebaubarkeit maßgeblich ist, müssen bei der Ermittlung alle wertbeeinflussenden Faktoren mit berücksichtigt werden. Die Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen oder Garagen hat aber in dicht bebauten Kernbereichen der Städte eine für die Verkehrswertermittlung nicht unwesentliche Bedeutung (Kleiber/Simon/Weyers, Recht und Praxis der Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 1991, Rdn. 854). Auch die von dem Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Mehraufwendungen für Stützwände, Abfangungen bestehender Gebäude und für mehrere Untergeschosse sind ein durch die Beschaffenheit und die tatsächlichen Eigenschaften des Grundstücks bedingter wertmindernder Faktor, der bei der Verkehrswertermittlung nicht unberücksichtigt bleiben kann (vgl. § 5 Abs. 5 WertV 1988).
Die von dem Sachverständigen geschätzte Wertminderung des Grundstücks um 10 % des Bodenwerts hat das Landgericht jedoch nur in Höhe von 7 % für gerechtfertigt gehalten, weil die Kläger 28 Ersatzstellplätze im Parkhaus O. straße nachweisen könnten. Dies ist in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten worden, so daß die tatrichterliche Schätzung gemäß § 287 ZPO fehlerfrei ist. Der Bodenwert des unbebauten unbelasteten Grundstücks beläuft sich damit auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens für den Stichtag 31. Dezember 1992 auf 10.500.000 DM. Dies ergibt im Vergleich zu dem von dem Landgericht München I in seinem Urteil vom 19. September 1990 zugrunde gelegten Bodenwert am 31. Dezember 1988 von 4.000.000 DM eine Wertdifferenz von 6.500.000 DM. Der Verkehrswert des Grundstücks hat sich damit seit der letzten Erhöhung des Erbbauzinses um mehr als 10% erhöht. 8 % aus dem Erhöhungsbetrag ergeben 520.000 DM, d.h. einen monatlichen Betrag von 43.333,33 DM. Unter Einbeziehung des von dem Landgericht München I zuerkannten Betrages von monatlich 26.666,66 DM ergibt sich damit ein erhöhter monatlicher Erbbauzins von 26.666,66 DM + 43.333,33 DM = 69.999,99 DM, aufgerundet 70.000 DM.
III.
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben. Eine Zurückverweisung kommt nicht in Betracht, weil die Sache entscheidungsreif ist. Die von dem Berufungsgericht unterlassene Auslegung, ob Ziff. VI des Erbbaurechtsvertrages eine Schiedsgutachtenabrede enthält, kann der Senat selbst vornehmen, weil weitere tatrichterliche Feststellungen hierzu nicht in Betracht kommen (BGHZ 65, 107, 112). Eine am Wortlaut und Sinn sowie den Interessen der Beteiligten orientierte Auslegung ergibt, daß die Parteien des Erbbaurechtsvertrages dem Sachverständigen die Aufgabe übertragen wollten, den für die Neufestsetzung des Erbbauzinses maßgeblichen Verkehrswert des Grundstücks für die Parteien verbindlich festzustellen. Mithin handelt es sich um eine Schiedsgutachtenabrede. Obwohl das Gutachten M. die Voraussetzungen eines derartigen Schiedsgutachtens nicht erfüllt, weil die Kläger ein solches nicht ausdrücklich in Auftrag gegeben haben (vgl. MünchKomm-BGB/Gottwald, 3. Aufl., § 317 Rdn. 24), ist weder die Klage als zur Zeit unbegründet abzuweisen noch den Klägern entsprechend §§ 356, 431 ZPO eine Frist zur Einholung eines Schiedsgutachtens zu setzen (vgl. BGH, Urt. v. 8. Juni 1988, VIII ZR 105/87, WM 1988, 1500, 1503). Hat nämlich der Tatrichter – wie hier – selbst ein Sachverständigengutachten zu der auch für das Schiedsgutachten maßgeblichen Bewertungsfrage eingeholt, ist es dem Beklagten aus Gründen der Prozeßökonomie und der auch im Prozeßrecht geltenden Grundsätze von Treu und Glauben verwehrt, die – erhobene – Schiedsgutachteneinrede aufrechtzuerhalten. Vielmehr ist dann das gerichtlicherseits eingeholte und erläuterte Gutachten maßgebend.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Lambert-Lang, Schneider, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.04.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538936 |
DB 1999, 1449 |
NWB 1999, 2428 |
BGHR |
EWiR 1999, 643 |
NZM 1999, 677 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1715 |
ZAP 1999, 607 |
ZMR 1999, 613 |
ZfIR 1999, 822 |
DNotZ 1999, 731 |
MDR 1999, 860 |
Rpfleger 1999, 383 |
WuM 1999, 486 |
ZNotP 1999, 287 |
GuG 2000, 246 |