Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein der Jahresabrechnung zugrunde liegender Beschluss über eine von dem Gesetz oder einer Vereinbarung abweichende Kostenverteilung rechtskräftig für ungültig erklärt, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu der Erstellung einer korrigierten Jahresabrechnung verpflichtet und kann jeder Wohnungseigentümer eine solche verlangen; über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse haben die Wohnungseigentümer auf der Grundlage der korrigierten Abrechnung neu zu beschließen (Fortführung von Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 - V ZR 178/19, WuM 2020, 595 Rn. 23 ff.).
2. Wird ein Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung, der einer bereits beschlossenen Jahresabrechnung zugrunde liegt, rechtskräftig für ungültig erklärt, muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Treu und Glauben von der weiteren Durchsetzung der Nachschussforderungen aus der Jahresabrechnung absehen.
3. Weil mit der Rechtskraft des Urteils, mit dem ein in der Abrechnung berücksichtigter Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung für ungültig erklärt wird, lediglich die Durchsetzbarkeit der Nachschussforderung entfällt, müssen bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Schäden wegen Zahlungsverzugs von einem säumigen Wohnungseigentümer ersetzt werden. Eine bereits erhobene Zahlungsklage kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ab diesem Zeitpunkt für erledigt erklären mit der Folge, dass die Kosten regelmäßig dem säumigen Wohnungseigentümer aufzuerlegen sind.
Normenkette
WoEigG § 18 Abs. 2, § 28 Abs. 2; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 27.10.2021; Aktenzeichen 25 S 136/19) |
AG Geldern (Entscheidung vom 02.12.2019; Aktenzeichen 23 C 7/19) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Oktober 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 22.270,13 € und von 1.242,48 € jeweils nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Amtsgerichts Geldern vom 2. Dezember 2019 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 79 % und der Beklagte zu 21 %.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Zu der Wohnungseigentumsanlage mit insgesamt 22 Einheiten gehört ein Kegelbahngebäude, in dem sich die Teileigentumseinheit des Beklagten befindet. Im Oktober 2017 wurde die Dachsanierung des Kegelbahngebäudes beschlossen. Die Kosten für die über seiner Einheit gelegene Dachfläche von voraussichtlich 24.000 € sollte der Beklagte allein tragen. Gegen diese Kostenverteilung erhob der Beklagte Beschlussanfechtungsklage. Die Dachsanierung wurde noch im Jahr 2017 durchgeführt und bezahlt. Während des laufenden Beschlussanfechtungsverfahrens wurde im Juni 2018 die Jahresabrechnung 2017 beschlossen. Mit den Kosten der Dachsanierung wurde - wie in dem angefochtenen Beschluss vorgesehen - der Beklagte belastet. Die Einzelabrechnung des Beklagten endete infolgedessen mit einer Nachzahlung in Höhe von 22.270,13 €. Nachdem der Beschluss über die Jahresabrechnung bestandskräftig geworden war, wurde der angefochtene Beschluss über die Verteilung der Dachsanierungskosten mit Urteil vom 11. Februar 2019 für ungültig erklärt.
Rz. 2
Nach Rechtskraft dieses Urteils forderte die Verwalterin der GdWE den Beklagten vergeblich zur Zahlung auf und erhob schließlich Klage auf Zahlung von 22.270,13 € nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen. Das Amtsgericht hat der Klage - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - stattgegeben. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts besteht ein durchsetzbarer Anspruch der Klägerin auf Zahlung der in der Einzelabrechnung des Beklagten ausgewiesenen Abrechnungsspitze aufgrund des bestandskräftigen Beschlusses über die Jahresabrechnung 2017. Die Erhebung der Zahlungsklage durch die Klägerin sei nicht deshalb treuwidrig, weil der in der Jahresabrechnung zugrunde gelegte Beschluss über die Verteilung der Dachsanierungskosten rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei. Das Urteil in dem Vorprozess verändere nicht die tatsächliche, sondern lediglich die rechtlichen Verhältnisse. Dies lasse die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs unberührt. Es hätte dem Beklagten oblegen, den Beschluss über die Jahresabrechnung 2017 anzufechten oder nach dessen Bestandskraft auf einen abändernden Zweitbeschluss hinzuwirken.
II.
Rz. 4
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 5
1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Zahlungspflicht des Beklagten in Höhe der Abrechnungsspitze durch den Beschluss über die Jahresabrechnung 2017 gemäß § 28 Abs. 5 WEG in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung als dem zur Zeit der Beschlussfassung geltenden Recht (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 33/20, NJW-RR 2021, 664 Rn. 6) begründet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Februar 2020 - V ZR 29/15, ZWE 2020, 347 Rn. 7 mwN). In dieser (bestandskräftigen) Jahresabrechnung 2017 sind die Kosten für die Dachsanierung als in diesem Kalenderjahr angefallene tatsächliche Ausgaben der GdWE verbucht worden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 17. Februar 2012 - V ZR 251/10, NJW 2012, 1434 Rn. 11).
Rz. 6
2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, dieser Zahlungsanspruch sei ohne Rücksicht darauf durchsetzbar, dass der in der Jahresabrechnung zugrunde gelegte Umlageschlüssel für die Dachsanierungskosten rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, weil der Beklagte weder den Beschluss über die Jahresabrechnung angefochten noch auf eine erneute Beschlussfassung hingewirkt hat.
Rz. 7
a) Richtig ist allerdings, dass Einwendungen gegen die Wirksamkeit von Beschlüssen grundsätzlich mit der Anfechtungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG bzw. § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF) geltend zu machen sind. Solange Beschlüsse über die Erhebung von Beiträgen nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden sind, sind sie gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gültig und begründen die Zahlungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers; auch kommt eine Aussetzung des Verfahrens über die Zahlungsklage etwa wegen eines gegen den Beschluss einer Sanierungsmaßnahme gerichteten Anfechtungsverfahrens nicht in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 180/21, ZfIR 2023, 98 Rn. 18; Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 167/13, WuM 2014, 364 Rn. 6 f. mwN). In einem auf Beitragszahlung gerichteten Rechtsstreit kann der beklagte Wohnungseigentümer daher grundsätzlich nicht einwenden, der Beitragsbeschluss entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung (vgl. Bärmann/Becker, WEG, 15. Aufl., § 28 Rn. 346; BeckOK WEG/Bartholome [3.4.2023], § 28 Rn. 194; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 28 Rn. 310). Eine fehlerhafte, aber bestandskräftig beschlossene Abrechnung ist verbindlich, es sei denn, es besteht - anders als hier - ausnahmsweise ein zur Nichtigkeit des Beschlusses führender Mangel (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 113/11, ZWE 2012, 90, 91).
Rz. 8
b) Gleichwohl ist unter den gegebenen Umständen der durch den bestandskräftigen Beschluss über die Jahresabrechnung wirksam begründete Zahlungsanspruch nicht (mehr) durchsetzbar.
Rz. 9
aa) Zutreffend verweist die Revision darauf, dass aus Sicht des Beklagten für die Erhebung einer gegen den Beschluss über die Jahresabrechnung gerichteten Anfechtungsklage keine Veranlassung bestand.
Rz. 10
(1) Richtig ist allerdings, dass die Jahresabrechnung angefochten werden muss, wenn der gesetzliche oder vereinbarte Verteilungsschlüssel falsch angewendet worden sein soll (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 - V ZR 178/19, WuM 2020, 595 Rn. 25). Ein solcher Fehler kann nämlich nur behoben werden, indem der auf der Grundlage der Jahresabrechnung gefasste Beschluss für ungültig erklärt wird.
Rz. 11
(2) Hier liegt der Fall aber anders, weil vor der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung ein Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung gefasst und angefochten worden ist. Bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2017 entsprach es deshalb ordnungsmäßiger Verwaltung, die Kosten der Dachsanierung nach dem zwar angefochtenen, zu diesem Zeitpunkt aber (noch) nicht rechtskräftig für ungültig erklärten Umlageschlüssel zu verteilen (§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG). Eine gegen den Beschluss über die Jahresabrechnung gerichtete Anfechtungsklage wäre mit einem erheblichen Prozess- und Kostenrisiko behaftet gewesen, das der Beklagte vernünftigerweise nicht eingehen musste. Für ihn war nach der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung bis zum Ablauf der Klagefrist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG aF i.V.m. § 48 Abs. 5 WEG) nicht nur ungewiss, ob und wann der in der Einzelabrechnung berücksichtigte Beschluss über die Kostenverteilung in dem insoweit laufenden Vorprozess für ungültig erklärt werden würde, sondern auch, ob ihm dies bei einer Anfechtung der Jahresabrechnung überhaupt zum Erfolg verhelfen konnte. Denn der Senat hat zuletzt offengelassen, ob es für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Beschlussfassung im Rahmen der Beschlussanfechtungsklage auf den Kenntnisstand der Wohnungseigentümer im Zeitpunkt der Eigentümerversammlung oder - im Sinne einer objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle - auf die Erkenntnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt (vgl. Senat, Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 203/17, NJW 2018, 3238 Rn. 28 mwN). Zudem musste der Beklagte damit rechnen, dass eine Klage gegen die (zunächst korrekte) Jahresabrechnung sogleich abgewiesen werden würde.
Rz. 12
(3) Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte zunächst den Ausgang des Vorprozesses abwarten und darauf vertrauen, dass eine dort zu seinen Gunsten ergehende gerichtliche Entscheidung ohne die vorsorgliche Erhebung einer weiteren, gegen den Beschluss über die Jahresabrechnung gerichteten Anfechtungsklage - gegebenenfalls im Wege eines abändernden Zweitbeschlusses (hierzu Rn. 15) - berücksichtigt werden würde. Dieses Vorgehen entspricht auch der Interessenlage der GdWE, weil auf diese Weise mehrere Parallelverfahren vermieden werden. Die Bestandskraft der Jahresabrechnung wird hierdurch nicht entwertet; es handelt sich nur um eine Folgewirkung der erfolgreichen Anfechtung des vorangegangenen Beschlusses.
Rz. 13
bb) Der Beklagte musste auch keine anderweitigen Schritte unternehmen, um die Durchsetzung der Zahlungspflicht abzuwenden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war er insbesondere nicht gehalten, auf eine abändernde Beschlussfassung hinzuwirken oder eine Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG bzw. § 21 Abs. 8 WEG aF) zu erheben.
Rz. 14
(1) Mit Blick auf die Jahresabrechnung 2017 besteht allerdings, wovon auch das Berufungsgericht auszugehen scheint, ein Anspruch des Beklagten auf erneute Beschlussfassung.
Rz. 15
(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann über eine schon geregelte gemeinschaftliche Angelegenheit ein erneuter Beschluss gefasst werden, wobei jeder Wohnungseigentümer verlangen kann, dass der neue Beschluss schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkung des Erstbeschlusses berücksichtigt (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 2023 - V ZR 246/21, NZM 2023, 462 Rn. 10 mwN). Einzelne Wohnungseigentümer können zudem die Änderung eines gefassten Beschlusses verlangen (abändernder Zweitbeschluss), wenn sich die bei dem Erstbeschluss zugrunde gelegten Umstände wesentlich geändert haben. Der Senat hat dies bereits entschieden für eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Senat, Urteil vom 24. Mai 2013 - V ZR 220/12, WuM 2013, 500 Rn. 22 mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 197, 274). Ein Anspruch auf eine abändernde Beschlussfassung kann allerdings auch dadurch entstehen, dass sich die bei der Beschlussfassung zugrunde gelegten rechtlichen Verhältnisse wesentlich verändern (vgl. BeckOK WEG/Elzer [3.4.2023], § 18 Rn. 76; Sommer/Heinemann in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 18 Rn. 56; vgl. auch Senat, Urteil vom 10. Februar 2023 - V ZR 246/21, NZM 2023, 462 Rn. 15).
Rz. 16
(b) Eine wesentliche (rechtliche) Veränderung der bei dem Beschluss über die Jahresabrechnung 2017 zugrunde gelegten Umstände ist hier eingetreten, weil die beschlossene und in der Abrechnung berücksichtigte Kostenverteilung für ungültig erklärt worden ist.
Rz. 17
(aa) Die von dem Verwalter gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG (§ 28 Abs. 3 WEG aF) zu erstellende Jahresabrechnung bildet die Grundlage für die Festlegung der endgültigen Höhe der von den Wohnungseigentümern geschuldeten Beiträge (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Mai 2012 - V ZB 282/11, NJW-RR 2012, 1103 Rn. 7). Dafür sind in der Gesamtabrechnung u.a. die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft darzustellen. Die daraus abgeleiteten Rechnungsposten sind zum Zwecke des Innenausgleichs in den jeweiligen Einzelabrechnungen objektbezogen nach Maßgabe des jeweiligen Verteilungsschlüssels auf die einzelnen Wohnungseigentümer umzulegen und den beschlossenen (Soll-)Vorauszahlungen gegenüberzustellen. Hierdurch wird der auf der Grundlage des Wirtschaftsplans beschlossene Beitragsanspruch der GdWE überprüft und in Form eines Nachzahlungsanspruchs der GdWE oder Erstattungsanspruchs des Wohnungseigentümers sowie durch Neufestsetzung der Vorschüsse korrigiert (negative bzw. positive Abrechnungsspitze; vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 23).
Rz. 18
(bb) Fassen die Wohnungseigentümer auf der Grundlage einer Jahresabrechnung einen bestandskräftigen Beschluss gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG (§ 28 Abs. 5 WEG aF) und wird danach ein in der Jahresabrechnung zugrunde gelegter Kostenverteilungsbeschluss rechtskräftig für ungültig erklärt, ändert dies zwar nichts daran, dass die Wohnungseigentümer ihrer Verpflichtung zur Beschlussfassung über die Abrechnung des Wirtschaftsplans zunächst nachgekommen sind. Nach der erfolgreichen Beschlussanfechtungsklage steht aber unter ihnen als Folge der Rechtskraft fest, dass der für ungültig erklärte Beschluss über die Kostenverteilung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2019 - V ZR 278/17, ZfIR 2020, 142 Rn. 11 mwN). Damit steht ebenfalls fest, dass die in der Jahresabrechnung vorgenommene Kostenverteilung, soweit sie in die Abrechnungsspitze eingeflossen ist, nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
Rz. 19
(cc) Die durch das Anfechtungsverfahren eingetretene Veränderung ist wesentlich, weil sich ein in der Einzelabrechnung fehlerhaft verteilter Rechnungsposten notwendigerweise auf die Abrechnungsspitze auswirkt (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 - V ZR 178/19, ZfIR 2020, 718 Rn. 21; Bärmann/Becker, WEG, 15. Aufl., § 28 Rn. 240). Das macht eine erneute Beschlussfassung der Wohnungseigentümer notwendig. Nur so wird gewährleistet, dass der durch eine erfolgreiche Anfechtungsklage verwirklichte Minderheitenschutz nicht dadurch faktisch entwertet wird, dass sich die Mehrheit auf die Bestandskraft des bereits auf der Grundlage der Jahresabrechnung gefassten Beschlusses beruft, obwohl der in der Abrechnung zugrunde gelegte Kostenverteilungsbeschluss rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist.
Rz. 20
(c) Der Anspruch des Beklagten ist darauf gerichtet, dass die Wohnungseigentümer auf der Grundlage einer neuen bzw. korrigierten Jahresabrechnung insgesamt erneut über die Beitragspflichten der Wohnungseigentümer für das Kalenderjahr 2017 zu beschließen haben.
Rz. 21
(aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass einzelne Wohnungseigentümer, wenn die Jahresabrechnung insgesamt oder teilweise für ungültig erklärt wird, nicht die Rückzahlung der Abrechnungsspitze im Wege eines Bereicherungsausgleichs beanspruchen können; vielmehr steht ihnen ein Anspruch auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung für das betroffene Jahr und eine Beschlussfassung hierüber zu. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass die in den Einzelabrechnungen enthaltenen und aus der Gesamtabrechnung abgeleiteten Rechnungsposten fehlerfrei auf die Wohnungseigentümer zu verteilen sind. Ist die Kostenverteilung in der Jahresabrechnung fehlerhaft, lässt sich dies aber nur durch die Erstellung einer neuen Jahresabrechnung und eine erneute Beschlussfassung erreichen. Die Anpassung der Einzelabrechnung eines Wohnungseigentümers hat nämlich notwendigerweise Auswirkungen auf die Einzelabrechnungen der übrigen Wohnungseigentümer, so dass aus dem auf alle Einheiten bezogenen Abrechnungssystem nicht einzelne Forderungen herausgelöst werden können (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 - V ZR 178/19, ZfIR 2020, 718 Rn. 23 f.). Seit dem 1. Dezember 2020 ist der Anspruch der einzelnen Wohnungseigentümer auf Erstellung einer neuen bzw. korrigierten Abrechnung gegen die GdWE gerichtet (vgl. BeckOGK/G. Hermann, WEG [1.3.2023], § 28 Rn. 114 mwN), und der Beschluss der Wohnungseigentümer hat nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG allein die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der Vorschüsse zum Gegenstand; gegenüber der GdWE ist der Verwalter verpflichtet, die neue bzw. korrigierte Abrechnung zu erstellen (§ 28 Abs. 2 Satz 2 WEG; vgl. auch Senat, Urteil vom 26. Februar 2021 - V ZR 290/19, ZWE 2021, 282 Rn. 21).
Rz. 22
(bb) Ein solcher Anspruch auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung und eine Beschlussfassung auf dieser Grundlage besteht gleichermaßen, wenn, wie hier, ein der Abrechnung zugrunde liegender Beschluss über die Kostenverteilung rechtskräftig für ungültig erklärt wird. Auch in diesem Fall erweist sich die Abrechnung als fehlerhaft, sodass das Problem dort zu beheben ist, wo es entstanden ist (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 - V ZR 178/19, ZfIR 2020, 718 Rn. 21). Wird ein der Jahresabrechnung zugrunde liegender Beschluss über eine von dem Gesetz oder einer Vereinbarung abweichende Kostenverteilung rechtskräftig für ungültig erklärt, ist die GdWE zu der Erstellung einer korrigierten Jahresabrechnung verpflichtet und kann deshalb jeder Wohnungseigentümer eine solche verlangen; über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse haben die Wohnungseigentümer auf der Grundlage der korrigierten Abrechnung neu zu beschließen. Der Verwalter ist gegenüber der GdWE verpflichtet, zur Beschlussvorbereitung eine neue beziehungsweise korrigierte Abrechnung zu erstellen (§ 28 Abs. 2 Satz 2 WEG).
Rz. 23
(cc) Bei der Erstellung der korrigierten Jahresabrechnung sind allein die Kosten abweichend zu verteilen, die auf dem für ungültig erklärten Umlageschlüssel beruhen. Der entsprechend zu korrigierende Rechnungsposten (hier: die Position „Sonderkosten einzelne ET“) ist nach dem richtigen Umlageschlüssel in den Einzelabrechnungen auf alle zur Kostentragung verpflichteten Wohnungseigentümer zu verteilen. In den jeweiligen Einzelabrechnungen ist sodann die Abrechnungsspitze unter Berücksichtigung der übrigen Rechnungsposten neu zu berechnen. Das Ergebnis muss mit etwaigen auf die fehlerhafte Jahresabrechnung geleisteten Zahlungen bzw. Erstattungen verrechnet werden, auch wenn diese nicht in dem Abrechnungsjahr geleistet worden sind; es handelt sich insoweit um schlichte Rechnungsposten, die zwangsläufig berücksichtigt werden müssen, wenn die auf dem fehlerhaften Verteilungsschlüssel beruhende Einzelposition anders als zuvor auf die einzelnen Wohnungseigentümer verteilt werden soll (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 - V ZR 178/19, ZfIR 2020, 718 Rn. 22).
Rz. 24
(dd) Schutzwürdige Belange der übrigen Wohnungseigentümer stehen dem nicht entgegen, auch wenn die korrigierte Jahresabrechnung dazu führen kann, dass in deren Einzelabrechnungen statt einer positiven nunmehr eine negative Abrechnungsspitze ausgewiesen wird bzw. sich eine negative Abrechnungsspitze erhöht. Denn mit der Korrektur der Jahresabrechnung verwirklicht sich lediglich das Risiko, das der ursprünglichen Jahresabrechnung aufgrund des laufenden Beschlussanfechtungsverfahrens zu der Kostenverteilung anhaftete. Das kann im Fall der Veräußerung des Wohnungseigentums zwar dazu führen, dass der Erwerber aufgrund einer korrigierten Jahresabrechnung und einer abändernden Beschlussfassung nach dem Fälligkeitsprinzip für zurückliegende Kalenderjahre einzustehen hat (vgl. dazu Senat, Urteil vom 15. Dezember 2017 - V ZR 257/16, WuM 2018, 240 Rn. 8 mwN). Derartige Konsequenzen laufender Beschlussanfechtungsverfahren müssen bei einer Veräußerung aber - wie auch sonst - gegebenenfalls vertraglich geregelt werden (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2020 - V ZR 178/19, WuM 2020, 595 Rn. 24).
Rz. 25
cc) Wird ein Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung, der einer bereits beschlossenen Jahresabrechnung zugrunde liegt, rechtskräftig für ungültig erklärt, muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) von der weiteren Durchsetzung der Nachschussforderungen aus der Jahresabrechnung absehen.
Rz. 26
(1) Der abweichenden Auffassung des Berufungsgerichts liegt zwar die zutreffende Überlegung zugrunde, dass der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf die Fassung eines bestimmten Beschlusses grundsätzlich im Wege der Beschlussersetzungsklage geltend zu machen ist. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils in dem Vorprozess steht aber bereits fest, dass auf der Grundlage der zu korrigierenden Jahresabrechnung eine abändernde Beschlussfassung erfolgen muss (s.o. Rn. 22). Ab Eintritt der Rechtskraft des eine beschlossene Kostenverteilung für ungültig erklärenden Urteils widerspricht deshalb die weitere Durchsetzung einer Verpflichtung zur Zahlung von Nachschüssen (negative Abrechnungsspitze), die sich aus einer auf diesen Beschluss gestützten Jahresabrechnung ergibt, ordnungsmäßiger Verwaltung und verstößt gegen Treu und Glauben. Wäre dies anders, würde der Beklagte zu einer Zahlung verurteilt, obwohl aufgrund des rechtskräftigen Urteils in dem Vorprozess feststeht, dass neu abgerechnet werden muss.
Rz. 27
(2) Der Umstand, dass gegen einen Beschluss über die Verteilung einzelner Kosten oder bestimmter Arten von Kosten (§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG bzw. § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG aF) Anfechtungsklage erhoben wird, hindert die GdWE allerdings weder daran, von dem Verwalter eine Jahresabrechnung erstellen zu lassen und den Wohnungseigentümern zur Beschlussfassung vorzulegen, noch ist sie an der Durchsetzung der durch den Beschluss begründeten Zahlungspflichten gehindert; ein solches Vorgehen wird regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Weil mit der Rechtskraft des Urteils, mit dem ein in der Abrechnung berücksichtigter Beschluss über eine abweichende Kostenverteilung für ungültig erklärt wird, der Schuldgrund unberührt bleibt und lediglich die Durchsetzbarkeit der Nachschussforderung entfällt, müssen auch bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Schäden wegen Zahlungsverzugs von einem säumigen Wohnungseigentümer ersetzt werden.
Rz. 28
(3) Eine bereits erhobene Zahlungsklage kann die GdWE ab diesem Zeitpunkt für erledigt erklären mit der Folge, dass die Kosten regelmäßig dem säumigen Wohnungseigentümer aufzuerlegen sind. Hierzu ist es aber vorliegend nicht gekommen, weil die Klage erst nach Rechtskraft des Urteils, mit dem der in der Abrechnung berücksichtigte Kostenverteilungsbeschluss für ungültig erklärt wurde, erhoben worden ist.
III.
Rz. 29
Das angefochtene Urteil kann danach, soweit der Beklagte zur Zahlung der negativen Abrechnungsspitze sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten und Zinsen für den Zeitraum nach Rechtskraft des Urteils in dem Vorprozess verurteilt worden ist, keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen, weil die Klägerin mit der Rechtskraft des in dem Vorprozess ergangenen Urteils an der Durchsetzung der Zahlungspflicht des Beklagten aus der beschlossenen Jahresabrechnung 2017 dauerhaft gehindert ist; aus diesem Grund hat die Klägerin auch weder Anspruch auf die allein für einen Zeitraum nach Rechtskraft des in dem Vorprozess ergangenen Urteils geltend gemachten Zinsen noch auf Ersatz von erst in diesem Zeitraum entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
IV.
Rz. 30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Brückner |
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Göbel |
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RiBGH Dr. Malik ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Karlsruhe, den 11.7.2023 |
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Die Vorsitzende Brückner |
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Laube |
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Grau |
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Fundstellen