Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgfaltspflicht des Maklers bei der Weitergabe von Behördenauskünften
Leitsatz (redaktionell)
Zur Sorgfaltspflicht des Maklers bei der Weitergabe von Behördenauskünften (hier: über die Bebaubarkeit eines Grundstücks nach BBauG aF § 34).
Orientierungssatz
Durch die Zusage, die zulässige Geschoßflächenzahl bei der Baubehörde erfragen zu lassen, übernimmt der Makler eine vertragliche Nebenpflicht, für deren ordnungsgemäße Ausführung er einstehen muß.
Normenkette
BGB § 652; BBauG § 34 Fassung: 1960-06-23
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 28.05.1979; Aktenzeichen 18 U 145/76) |
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 22.04.1976; Aktenzeichen 2 O 281/74) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 28. Mai 1979 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger beabsichtigte Anfang 1973, ein weiteres Grundstück in W. zu erwerben, um darauf ein Mehrfamilienhaus zu errichten. Zu diesem Zweck bot ihm der im Maklerbüro des Beklagten tätige Mitarbeiter Fi. mit Schreiben vom 4. April 1973 das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück W., B. Allee …, an, das der Beklagte im Alleinauftrag an Hand hatte. In dem Angebotsschreiben teilte er dem Kläger mit, daß das Grundstück nach Auskunft der Baubehörde mindestens viergeschossig bebaut werden könne. Das Angebot sowie alle nachfolgenden Schreiben waren auf Geschäftsbogen des Beklagten erstellt, auf deren Rückseite die Geschäftsbedingungen abgedruckt waren. In diesen Geschäftsbedingungen heißt es u. a.:
„Alle Angaben sind vor einem Vertragsschluß selbst nachzuprüfen, da wir für die Richtigkeit derselben in keinem Fall haften.”
Der Kläger interessierte sich für das Angebot und besichtigte das Grundstück Anfang April 1973 zusammen mit dem Mitarbeiter des Beklagten Fi. Dabei erklärte er, er werde das Grundstück ankaufen, falls die Ausnutzungsziffer seinen Vorstellungen entspräche. Er gab als akzeptable Geschoßflächenzahl eine solche von 1,0 an. Der Mitarbeiter des Beklagten erbot sich, die zulässige Geschoßflächenzahl über einen Bekannten bei dem Wiesbadener Bauamt zu erkunden. Damit war der Kläger einverstanden.
Am 19. April 1973 erkundigte sich Herr Fi. bei dem im Bauplanungsamt tätigen Oberbaurat Dipl.-Ing. Ho. über die Bebauungsmöglichkeiten für das Grundstück. Nach diesem Gespräch fertigte er folgende Aktennotiz:
„Besprechung mit Herrn Dipl.-Ing. Ho, von der Bauplanung am 19.4.1973. Für dieses Gebiet liegt noch kein Bebauungsplan vor. Es gilt § 34 d. h., die Bebauung richtet sich nach den umliegenden Gebäuden. Herr Ho., welchem der Lageplan für die umliegenden Gebäude vorlag, meinte, man könnte mit einer GRZ von 0,4 und einer GFZ von 0,9–1,0 rechnen.”
Mit Schreiben vom 20. April 1973 teilte Herr Fi. im Namen des Beklagten dem Kläger u. a. mit
„Bezüglich der Ausnutzung haben wir mit der Behörde gesprochen. Im Prinzip erreichen wir rund 1,0.”
Der Kläger antwortete dem Beklagten mit einem Schreiben vom 24. April 1973, in dem es u. a. heißt:
„Wie Ihnen Ihr sehr geehrter Herr Fi. mitgeteilt haben wird, wollte ich vor einer endgültigen Zusage erst die Ausnutzungsziffer wissen und dann über den Preis verhandeln. Die Ausnutzungsteht nun fest und möchte ich, wie bei Herrn Fi. bereits angedeutet, einen Preis von 620.000 DM vorschlagen.”
Am 16. Mai 1973 wurde der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen; als Preis wurde dabei ein Betrag von 622.500 DM vereinbart. Der vom Kläger beauftragte Architekt richtete eine Bauvoranfrage an das Bauaufsichtsamt der Stadt Wiesbaden. Diese Behörde lehnte die vom Kläger vorgesehene Bebauung mit der Begründung ab, die Planung gehe weit über die zulässige Geschoßflächenzahl von 0,5 und die zweigeschossige Bebauung hinaus.
Mit Schreiben vom 6. November 1973 forderte der Kläger den Beklagten auf, bei der Baubehörde, die ihm die GFZ von 1,0 mitgeteilt habe, vorzusprechen und eine Berichtigung des Vorbescheides zu verlangen. Nunmehr stellte sich heraus, daß der Zeuge Ho. sich bei seiner Auskunft, die Bebauung des Grundstücks richte sich nach § 34 BBauG, geirrt hatte und daß das Grundstück im Bereich eines Bebauungsplanes liegt, der eine zweigeschossige Bauweise mit einer GFZ von 0,5 vorsieht.
Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 10. Dezember 1973 das Grundstück zur Verfügung und verlangte von ihm den Ersatz seines Schadens. In seinem Antwortschreiben lehnte der Beklagte jegliche Haftung ab. Dem Kläger gelang es, das Grundstück Ende 1975 zu einem Preis von 500.000 DM zu verkaufen.
Der Kläger meint, daß ihm durch das Grundstücksgeschäft ein Gesamtschaden von 333.140,41 DM entstanden sei. Mit der vorliegenden Klage verlangt er den Ersatz eines Teilbetrages von 325.000 DM. Er behauptet, die von Fi. erteilte Auskunft sei falsch gewesen; der Oberbaurat Dipl.-Ing. Ho. habe Fi. niemals erklärt, daß bei einer Bebauung des Grundstücks eine Geschoßflächenziffer von 1,0 erreichbar sei. Im übrigen macht der Kläger dem Beklagten zum Vorwurf, daß er ihn nicht ausreichend über die Rechtslage unterrichtet habe; er hätte ihn darüber belehren müssen, daß die von Oberbaurat Ho. erteilte Auskunft unverbindlich sei und ihm die Einreichung einer Bauvoranfrage empfehlen müssen.
Das Oberlandesgericht hat die vom Landgericht abgewiesene Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; die Prüfung des etwaigen mitwirkenden Verschuldens des Klägers hat es dem Nachverfahren vorbehalten und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
1. Die Revision stellt zur Prüfung, ob dem Kläger überhaupt ein nennenswerter Schaden entstanden sei. Sie führt dazu aus, der Kläger habe das genannte Grundstück am 16. Mai 1973 für einen Betrag von 622.500 DM gekauft. Daß dieser Preis unangemessen gewesen wäre, stehe nicht fest. Sollte der Kläger im Hinblick auf die von ihm gewünschte Bebaubarkeit des Grundstücks einen überhöhten Preis bezahlt haben, so hätte er, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Bebauung in dem gewünschten Umfang nicht möglich war, vom Verkäufer eine entsprechende Herabsetzung des Kaufpreises gemäß § 242 BGB verlangen können. In jedem Fall habe er in Gestalt des Grundstücks einen dem hergegebenen oder reduzierten Preis gleichwertigen, sogar inflationssicheren Vermögensgegenstand erhalten.
Bei dieser Argumentation übersieht die Revision, daß der Kläger unstreitig das Grundstück wieder verkauft hat, und zwar zu einem Preis, der unter dem Ankaufspreis lag. Er hat also tatsächlich durch die das Grundstück in W., B. Allee … betreffenden Geschäfte einen Verlust erlitten. Dieser steht auch mit der unrichtigen Information über die Ausnutzungsziffer des Grundstücks in einem adäquaten Kausalzusammenhang; denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte er das Grundstück nicht erworben, wenn ihm die richtige Ausnutzungsziffer genannt worden wäre (BU S. 12 Abs. 3).
In diesem Zusammenhang kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger gemäß § 242 BGB gegen den Verkäufer des Grundstücks einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages oder Herabsetzung des Kaufpreises gehabt hätte. Diese Frage betrifft nicht die Entstehung des Schadens, sondern ein etwaiges mitwirkendes Verschulden des Klägers (Verletzung der Schadensabwendungs- und Minderungspflicht). Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß der Verkäufer im Kaufvertrag vom 16. Mai 1973 (Bl. 64 d.A.) keine Zusicherung über die Bebaubarkeit des Grundstücks abgegeben bat; er hat vielmehr mit dem Kläger den Ausschluß jeder Gewährleistung vereinbart (Ziffer II 2). Für die im Exposé des Beklagten enthaltene Mitteilung, das Grundstück könne viergeschossig bebaut werden, hat der Verkäufer demnach keine Gewähr übernommen; erst recht gilt dies für die von Herrn Fi. gemachten Angaben über die Geschoßflächenzahl, die ersichtlich nicht vom Verkäufer stammten. Wenn aber die Vertragsparteien die gesetzlichen Wandlungs- und Minderungsansprüche ausdrücklich abbedungen haben, kann eine Haftung des Verkäufers für die Beschaffenheit und Bebaubarkeit (vgl. Mezger in BGH/RGRK 12. Aufl. § 459 Rdn. 11) auch nicht auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über das Fehlen der Geschäftsgrundlage gestützt werden; würde man nämlich dem Käufer das Recht zugestehen, unter diesem Gesichtspunkt Herabsetzung des Kaufpreises oder Rückgängigmachung des Kaufvertrages zu verlangen, so würde man ihm im Ergebnis die Wandlungs- und Minderungsansprüche zubilligen, die die Vertragsparteien ausschließen wollten. Ein Umstand, für den der Verkäufer erkennbar keine Haftung übernehmen will, kann aber in aller Regel nicht Geschäftsgrundlage eines Kaufvertrages sein.
2. Unbegründet ist der von der Revision erhobene Vorwurf, das Berufungsgericht habe die Frage des Mitverschuldens des Klägers unzureichend behandelt. Daß den Kläger möglicherweise ein mitwirkendes Verschulden treffen könne, hat das Berufungsgericht nicht verkannt; nach seiner Auffassung überwog aber das etwaige Verschulden des Klägers das des Beklagten und seines Erfüllungsgehilfen nicht in einer solchen Weise, daß ein Schadensersatzanspruch überhaupt entfallen könnte. Wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Verschulden des Beklagten und seines Gehilfen Fi. zutreffend wären, könnte in der Tat ein etwaiges Mitverschulden des Klägers die Schadensersatzpflicht nicht völlig ausschließen; zumindest wäre in diesen Punkten die Auffassung des Tatrichters revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Einwand des mitwirkenden Verschuldens könnte also allenfalls zu einer Minderung der Schadensersatzpflicht führen. Die Entscheidung hierüber durfte das Berufungsgericht dem Betragsverfahren überlassen (BGHZ 1, 34).
3. Die Revision kann sich auch nicht darauf berufen, daß der für den Beklagten handelnde Mitarbeiter Fi. die von ihm erteilte Auskunft nicht ausdrücklich als eine rechtsverbindliche bezeichnet hat. Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß der Beklagte durch die Zusage, die zulässige Geschoßflächenzahl erfragen zu lassen, eine maklervertragliche Nebenpflicht übernommen hatte und daher für deren ordnungsgemäße Ausführung einstehen muß.
a) Die Schreiben des Beklagten enthielten zwar den Hinweis, daß der Kunde alle Angaben vor Vertragsschluß selbst überprüfen möge, da er, der Beklagte für sie „in keinem Fall” hafte. Gegen einen solchen Hinweis bestehen an sich keine rechtlichen Bedenken. Ein Immobilienmakler kann in aller Regel seine Aufgabe nur erfüllen, wenn er den Interessenten Informationen über das zum Verkauf stehende Grundstück übermittelt. Für die Richtigkeit dieser Angaben braucht er nicht ohne weiteres einzustehen; denn meistens handelt es sich nur um die Weitergabe von Mitteilungen, die der Makler vom Verkäufer erhalten hat. Es würde der Verkehrsauffassung widersprechen, wenn man den Makler für alle Angaben im Exposé, beim Verkaufsgespräch etc. haften lassen wollte. Durch den Vermerk auf seinen Briefbogen wollte der Beklagte seinen Kunden klar vor Augen führen, daß er ihnen nur ungeprüfte Mitteilungen des anderen Kontrahenten übermittelte, für die er persönlich nicht einzustehen bereit war. Ein solcher Hinweis dient der Rechtssicherheit und ist daher nicht zu beanstanden.
b) Auf die Auskünfte, die der Beklagte durch seinen Mitarbeiter Fi. über die zulässige Geschoßflächenzahl hat einholen, lassen, bezieht sich der Vermerk auf den Briefbogen des Beklagten jedoch ersichtlich nicht. Über diesen Umstand konnte der Verkäufer keine Auskunft geben; der Beklagte hat es deshalb übernommen, durch seinen Mitarbeiter Fi. die erforderlichen Erkundigungen einholen zu lassen. Es war also für alle Beteiligten klar, daß der Beklagte in seinem Schreiben vom 20. April 1973 nicht etwa Informationen des Verkäufers weitergab, sondern den Kläger von dem Ergebnis der Ermittlungen unterrichten wollte, die er in Erfüllung einer vertraglichen Nebenpflicht angestellt hatte.
II.
Das Berufungsgericht glaubt, daß der Beklagte die von ihm übernommene vertragliche Nebenpflicht verletzt habe. Die hierfür gegebene Begründung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Auf Seite 8 des Berufungsurteils wird im ersten Absatz ausgeführt, der Beklagte habe seine vertragliche Nebenpflicht bereits dadurch verletzt, daß er durch seinen Gehilfen Fi. dem Kläger eine objektiv falsche Geschoßflächenzahl genannt habe. Das Berufungsgericht geht dabei möglicherweise davon aus, daß der Beklagte die Ermittlung der objektiv richtigen Ausnutzungsziffer geschuldet habe. Eine solche Beurteilung ließe sich mit dem Sach- und Streitstand, so wie er sich aus dem Tatbestand des Berufungsurteils (§§ 314, 561 Abs. 1 ZPO) und den dort in Bezug genommenen Schriftstücken ergibt, nicht vereinbaren. Nach dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, auf den im Tatbestand des Berufungsurteils ausdrücklich Bezug genommen wird, hatte sich Herr Fi. unstreitig erboten, „die zulässige GFZ über einen Bekannten bei dem Bauaufsichtsamt zu erkunden”; geschuldet wurde demnach lediglich eine Anfrage bei dem Oberbaurat Ho. und eine korrekte Übermittlung der hierauf erteilten Antwort.
2. Da der Beklagte nicht die objektiv zulässige Geschoßflächenzahl zu ermitteln, sondern lediglich eine Anfrage an einen bestimmten Baubeamten zu richten hatte, kann ihm entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er keine Bauvoranfrage an das Bauamt der Stadt Wiesbaden gerichtet hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nach dem – nicht revisiblen – hessischen Landesrecht ein Makler zur Stellung einer Bauvoranfrage berechtigt war und welche Rechtswirkungen ein Vorbescheid hatte.
3. Das Berufungsgericht ist davon überzeugt, daß der Oberbaurat Ho. dem Mitarbeiter des Klägers nicht nur eine Geschoßflächenzahl von 1,0 genannt, sondern auch die Einreichung einer Bauvoranfrage empfohlen habe; die Aussage des Zeugen Ho. hält es für glaubwürdiger als die des Zeugen Ec.. Diese tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen an sich die rechtliche Schlußfolgerung, daß der Erfüllungsgehilfe des Beklagten die diesem obliegende Vertragspflicht verletzt habe, denn wenn der Zeuge Ho. tatsächlich eine Geschoßflächenzahl von 0,5 genannt haben sollte, durfte der Mitarbeiter Fischer des Beklagten dem Kläger gegenüber nicht davon sprechen, daß „im Prinzip” eine Geschoßflächenzahl von 1,0 erreichbar sei; auch durfte er ihm die Empfehlung des Zeugen Ho., eine Bauvoranfrage einzureichen, nicht verschweigen. Dennoch muß das Urteil aufgehoben werden, weil die tatsächlichen Feststellungen nicht rechtsfehlerfrei zustandegekommen sind.
a) Der Beklagte kann allerdings in der Revisionsinstanz nicht geltend machen, es sei bedenklich, „daß das Berufungsgericht die so wichtige Entscheidung über eine Schadensersatzpflicht des Beklagten … auf die Aussage eines einzigen Zeugen” stütze, „noch dazu … eines Zeugen, der ein beträchtliches eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits” habe. Der Tatrichter ist nicht gehindert, eine Behauptung schon dann als bewiesen anzusehen, wenn sie nur von einem einzigen, am Ausgang des Rechtsstreits interessierten Zeugen bestätigt worden ist.
b) Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Ho. stellt es das Berufungsgericht entscheidend darauf ab, daß auch bei einer Beurteilung nach § 34 BBauG ein Bauvorhaben mit einer Geschoßflächenzahl von 1,0 auf dem vom Kläger erworbenen Grundstück nicht hätte genehmigt werden können (BU Seite 10 erster Abs.); es glaubt nicht, daß dies der Zeuge Ho. bei der Erteilung der Auskunft verkannt haben könnte.
Die Frage, ob das Berufungsgericht § 34 BBauG richtig angewandt hat (§ 550 ZPO), unterliegt gemäß §§ 549, 550 ZPO in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht; sie ist zu verneinen. Die genannte Gesetzesvorschrift räumt den Bauaufsichts- und Gemeindebehörden (vgl. § 36 BBauG) weder einen Ermessens- noch einen Beurteilungsspielraum ein. Das Gesetz macht vielmehr sowohl nach seiner ursprünglichen, im Jahre 1973 geltenden als auch in der auf dem Bundesgesetz vom 18. Juni 1976 (BGBl I 2221) beruhenden heutigen Fassung die Zulässigkeit eines Bauvorhabens von bestimmten Kriterien abhängig, bei denen es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, deren Anwendung auf den jeweils gegebenen Sachverhalt im vollen Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (Schrödter, BBauG 4. Aufl. § 34 Rdn. 21; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG § 34 Rdn. 83; Schütz/Frohberg, Komm. z. BBauG, 3. Aufl. § 34 Anm. II 1; Heinze, BBauG 2. Aufl. § 34 Rdn. 4; Brügelmann u. a. Komm. z. BBauG, § 34 Rdn. 50; Östreicher BBauG 5. Aufl. § 34 Anm. 2 e; Ernst/Hoppe, Städtisches Bau- und Bodenrecht Rdn. 390; Schlichter/Stich/Tittel, BBauG 2. Aufl. § 34 Rdn. 4; ebenso stillschweigend die Rechtsprechung des BVerwG).
In dem hier maßgebenden Zeitpunkt (April bis Oktober 1973) galt § 34 BBauG noch in seiner ursprünglichen Fassung. Danach war im unverplanten Innenbereich ein Bauvorhaben zulässig, „wenn es nach der vorhandenen Bebauung und Erschließung unbedenklich” war. Die Erschließung des zu errichtenden Gebäudes war hier offensichtlich gesichert; in dieser Hinsicht werden auch von keiner Seite Bedenken geltend gemacht. Zu prüfen war demnach, ob das vom Kläger geplante Gebäude im Hinblick auf die bestehende Bebauung unbedenklich war. Als bedenklich wurde von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerwGE 32, 31; 44, 302; BVerwG NJW 1975, 460 = Baurecht 1955, 29; VerwRspr. 1976 Bd. 27 Seite 691) ein Vorhaben dann angesehen, wenn es in einem „bodenrechtlich relevanten Wider Spruch” zur vorhandenen Bebauung stand; anders als nach der jetzigen, auf dem Bundesgesetz vom 18. Juni 1976 (BGBl I 2221) beruhenden Fassung war eine bejahende Rücksichtnahme auf die im Baugebiet bestehenden Gegebenheiten (BVerwG NJW 1978, 2564; OVG Saarlouis NJW 1977, 2229) nicht erforderlich. Dabei kam es nicht darauf an, was von der vorhandenen Bebauung planungsrechtlich wünschenswert oder auch nur vertretbar, sondern allein darauf, was mit prägender Wirkung tatsächlich vorhanden war (BVerwG Baurecht 1975, 106; NJW 1976, 1855; ebenso für den heutigen Rechtszustand BVerwG NJV 1978, 2564). Schon hieraus ergeben sich Bedenken gegen die vom Zeugen Ho. bei seiner Vernehmung vertretene und vom Berufungsgericht übernommene Auffassung, eine höhere Geschoßflächenzahl als 0,5 käme nach § 34 BBauG nicht in Betracht. Wenn ein bestimmtes Gebiet in gleichförmiger Weise bebaut ist, mag ein Bauvorhaben, das eine über das übliche Maß hinausgehende Geschoßflächenzahl aufweist, in der Tat geeignet sein, einen bodenrechtlich relevanten Widerspruch hervorzurufen. So war es hier aber nicht. Selbst innerhalb des engen Bereichs, den Ho. und das Berufungsgericht allein in Betracht ziehen wollen, war die bauliche Ausnutzung der einzelnen Grundstücke durchaus unterschiedlich; die dort festgestellte Geschoßflächenzahl schwankte zwischen 0,22 und 0,72. Bei dieser Sachlage kann man nicht ohne weiteres annehmen, daß ein Haus mit einer Geschoßflächenzahl von 1,0 unter allen Umständen als Fremdkörper wirken müßte. Es durfte auch nicht außer acht gelassen werden, daß innerhalb des Baublocks die Häuser an der B. Allee eine durchschnittliche stärkere Bebauung auf wiesen als die Häuser an der F. und E. Straße (vgl. dazu die Auskunft des Bauaufsichtsamts der Stadt Wiesbaden vom 29. August 1977 – Bl. 263 d. A.). Schließlich fehlt jede überzeugende Begründung dafür, warum eine 0,5 übersteigende Geschoßflächenzahl einen bodenrechtlich relevanten Widerspruch zur vorhandenen Bebauung hervorrufen sollte, obwohl sich in nächster Nähe des zu bebauenden Grundstücks ein Haus mit einer Geschoßflächenzahl von 0,72 befindet.
Tatsächlich haben aber der Zeuge Ho. und das Berufungsgericht das Vergleichsgebiet zu klein bemessen. Es darf nicht allein auf die Bebauung der sechs Grundstücke abgestellt werden, die sich in demselben Baublock befinden wie das vom Kläger erworbene. Bei der Prüfung nach § 34 BBauG muß auch die weitere Umgebung insoweit berücksichtigt werden, als sie auf das Baugrundstück prägend einwirkt (vgl. BVerwGE 27, 341, 344; BVerwG DVBl 1970, 62; BRS 25 Nr. 40; Buchholz BBauG 406.12 § 34 BBauG Nr. 18; 406.12, Baunutzungsverordnung § 13 Nr. 1; NJW 1978, 2564). Prägend wirken auf ein Grundstück vor allem die Gebäude ein, die sich im selben Straßenabschnitt befinden. Es war demnach fehlerhaft, wenn das Berufungsgericht die auf der anderen Seite der B. Allee stehenden Häuser außer Betracht gelassen hat. Dies würde auch dann gelten, wenn die Biebricher Allee – worauf der Name hindeutet – aus mehreren Fahrbahnen bestehen und mit Bäumen besetzt sein sollte (vgl. BVerwG DVBL 1970, 62; BRS 25 Nr. 40).
Nach den vom BVerwG aufgestellten Grundsätzen hätte das Berufungsgericht nicht daran vorübergehen dürfen, daß nicht nur das auf derselben Seite der B. Allee, aber auf der anderen Seite der E. straße liegende Haus B. Allee … eine Geschoßflächenzahl von 0,7 aufwies, sondern daß dieselbe Geschoßflächenzahl auch bei dem schräg gegenüberliegenden Haus B. Allee … festgestellt wurde und daß darüberhinaus an der nur zwei Häuser entfernten Kreuzung zwischen der B. Allee und dem Th. Ring zwei Häuser standen, von denen das eine Geschoßflächenzahl von 1,0 und das andere sogar eine solche von 1,06 hatte. Die Ablehnung einer 0,5 übersteigenden Geschoßflächenzahl hätte demnach nicht mit § 34 BBauG begründet werden dürfen.
Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß selbst im Planungsgebiet unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BBauG eine Befreiung von den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans über die Geschoßflächenzahl gewährt werden kann. Im unverplanten Innenbereich (§ 34 BBauG) gibt es zwar keine Befreiung; das, was im Planungsgebiet durch Befreiung gestattet werden kann, ist im unverplanten Innenbereich unmittelbar zulässig (BVerwG NJV 1975, 460). Die Möglichkeit, daß für das Grundstück des Klägers eine höhere Ausnutzungsziffer gewährt werden würde als für die Häuser in der Umgebung, war also nicht von vornherein auszuschließen.
Dies alles besagt zwar noch nicht, daß die Sachdarstellung des Beklagten richtig sein müßte. Es ist vielmehr möglich, daß der Zeuge Ho. auf Grund einer unrichtigen Beurteilung der Rechtslage angenommen hat, es sei tatsächlich in dem fraglichen Gebiet auch bei einer Beurteilung nach § 34 BBauG nur eine Geschoßflächenzahl von 0,5 zulässig. Fehlerhaft war es aber, daß das Berufungsgericht die angebliche Übereinstimmung der Aussage des Zeugen mit der objektiven Rechtslage als ein Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussage gewertet hat.
Mit Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht den Sachbearbeiter des Stadtrechtsamts Wiesbaden 01… nicht als Zeugen vernommen hat.
Der Anwalt des Beklagten hatte nach der Vernehmung des Oberbaurats Dipl.-Ing. Ho. beantragt, Herrn 01… als Zeugen darüber zu vernehmen, „daß er im November 1978 bei einem Gespräch dem Zeugen Ho. erklärt habe, es komme besonders darauf an, daß der Zeuge Ho. glaubwürdig erscheine, der Zeuge müsse als sicher bestätigen, daß er bei dem Gespräch mit Fi. von einer Bebaubarkeit von 0,5 bis 0,6 gesprochen habe”. Das Berufungsgericht hat noch in der mündlichen Verhandlung einen Beschluß erlassen, in dem es aussprach, daß es das, was in das Wissen des Zeugen 01… gestellt werde, als wahr unterstelle. Im Urteil bemerkt es dazu, die in das Wissen des Zeugen 01… gestellte Behauptung sei unerheblich; dem Zeugen Ho. sei die Bedeutung seiner Aussage für die vorliegende Sache schon an sich bekannt gewesen, es sei daher gleichgültig, ob er hierauf von 01… noch einmal ausdrücklich hingewiesen worden sei. Damit wird es aber dem Inhalt des Beweisantrages nicht gerecht. Nach diesem soll 01 dem Zeugen gesagt habe, er müsse als sicher bestätigen, daß von einer „Bebaubarkeit” von 0,5 bis 0,6 gesprochen worden sei. Wenn das richtig sein sollte, dann hätte der für die rechtliche Beurteilung zuständige Bedienstete der Stadt Wiesbaden dem Zeugen Ho. nahegelegt, sich eine Erinnerungsfähigkeit zuzuschreiben, die über das normale Maß hinausgeht. Das Berufungsgericht hätte demnach nur dann von einer Vernehmung des Zeugen 01… Abstand nehmen dürfen, wenn es zugunsten des Beklagten davon ausging, daß ein Bediensteter der als Nebenintervenient am Rechtsstreit beteiligten Stadt Wiesbaden in amtlicher Eigenschaft versucht hatte, in einem bestimmten Sinn auf die Aussage des Zeugen Hoffmann einzuwirken. In diesem Falle hätte erörtert werden müssen, wie sich dies auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen Ho. auswirkt. Dies ist nicht geschehen. Das Berufungsgericht hat demnach zwar dem Beklagten zugesichert, daß es die Richtigkeit der von ihm unter Beweis gestellten Tatsache unterstellen würde; es hat aber der Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der für den Beklagten ungünstiger war als der, der sich ergeben hätte, wenn der Zeuge 01… die in sein Wissen gestellten Behauptungen bestätigt hätte.
Es darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß der Zeuge Ho. ausdrücklich eine Beeinflussung durch den Zeugen 01… geleugnet hat. Wenn der letztere entsprechend dem vom Beklagten gestellten Beweisantrag das Gegenteil bekunden sollte, stünde fest, daß der Zeuge Ho. zumindest in einem Punkt die Unwahrheit gesagt hat; dies könnte auch in anderen Punkten zu Zweifeln an seiner Glaubwürdigkeit Anlaß geben.
4. Sollte der Zeuge Ho. dem Mitarbeiter des Beklagten die Einreichung einer Bauvoranfrage nicht empfohlen haben, so könnte dem Beklagten kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er nicht von sich aus den Kläger auf diese Möglichkeit hingewiesen hat. Im vorliegenden Fall gilt dies schon deshalb, weil die Hessische Bauordnung erst seit der Neufassung vom 16. Dezember 1977 (GVBl 1978 I 2) eine ausdrückliche Regelung der Bauvoranfrage (§ 92) enthält, während in der 1973 geltenden Fassung (Gesetz vom 6. Juli 1957 – GVBl 101) eine entsprechende Vorschrift fehlte (vgl. dazu Müller, Das Baurecht in Hessen, § 67 HBO a.F. Anm. 1 c).
III.
In einer Hilfsbegründung führt das Berufungsgericht aus, der Klage sei auch dann stattzugeben, wenn man der Aussage des Zeugen Ho. keinen Glauben schenke. Auch in diesem Fall wäre das Berufungsgericht nicht imstande, die „in sich widersprüchliche und von ihrem Gesamtgehalt her nicht überzeugende” Aussage des Zeugen Ec. der Entscheidung zugrundezulegen. Es wäre dann weder für die Sachdarstellung des Klägers noch für die des Beklagten ein Beweis erbracht. Die Ungewißheit hierüber ginge gemäß § 282 BGB zu Lasten des Beklagten. Auch diese Begründung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine derartige hypothetische Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen möglich und zulässig ist. Haben zwei Zeugen einander widersprechende Angaben gemacht, so steht die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis; Umstände, die die Aussage des einen Zeugen als unglaubhaft erscheinen lassen, werden in der Regel das Vertrauen in die Richtigkeit der Aussage des anderen Zeugen stärken. Auf jeden Fall hätte das Berufungsgericht, wenn die Aussage des Zeugen 01… das vom Beklagten erwartete Ergebnis gehabt hätte, Anlaß gehabt, den Zeugen Ho. erneut zu vernehmen und alle Mittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage auszuschöpfen, insbesondere auch eine Beeidigung in Betracht zu ziehen. Welches Ergebnis dann die Beweisaufnahme gehabt hätte, ist offen.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trägt nicht der Beklagte die Beweislast für den Inhalt der Auskunft, die sein Mitarbeiter Fi. von dem Zeugen Ho. erhalten hat. Die Klage stützt sich auf die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht; der Kläger macht also einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung geltend. Seine Sache ist es demnach zu beweisen, daß der Beklagte (oder sein Erfüllungsgehilfe) objektiv eine Pflichtverletzung begangen hat (vgl. BGHZ 28, 251, 253; 42, 16, 18; 61, 118, 120; BGH Urteile vom 17. Dezember 1968 – VI ZR 212/67 – NJW 1969, 553; vom 18. Juni 1969 – VIII ZR 148/67 – NJW 1969, 1708; vom 31. Mai 1978 – VIII ZR 263/76 – NJW 1978, 2197; vom 1. Juli 1980 – VI ZR 112/79 – NJW 1980, 2186 = VersR 1980, 1027). Wie bereits oben ausgeführt, schuldete der Beklagte nicht etwa eine Rechtsauskunft über die Bebaubarkeit des Grundstücks, sondern lediglich die zuverlässige Weitergabe der vom Zeugen Ho. erteilten Auskunft. Die Frage, was Ho. dem Beklagten gesagt hat, betrifft demnach nicht die Frage des Verschuldens, sondern vielmehr die der objektiven Rechtsverletzung.
IV.
Das Berufungsurteil muß demnach aufgehoben werden. Da im vorliegenden Rechtsstreit Fragen des öffentlichen Baurechts eine Rolle spielen, hat es der Senat für zweckmäßig angesehen, die Sache an den Senat des Berufungsgerichts zurückzuverweisen, der für Klagen gegen den Staat und Körperschaften des öffentlichen Rechts zuständig ist und infolge einer weitgehenden Personalunion mit dem Senat für Baulandsachen mit dem Bauplanungsrecht besonders vertraut ist.
Unterschriften
Dr. Hoegen, Rottmüller, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel, Rassow
Fundstellen
Haufe-Index 537922 |
NJW 1982, 1147 |