Leitsatz (amtlich)
Ein 20 Jahre alter Mietspiegel ist mangels eines Informationsgehaltes für den Mieter zur Begründung eines Mieterhöhungsbegehrens ungeeignet. Ein auf diese Weise begründetes Mieterhöhungsverlangen ist deshalb aus formellen Gründen unwirksam.
Normenkette
BGB § 558a Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 16.10.2018; Aktenzeichen 2 S 37/18) |
AG Magdeburg (Entscheidung vom 20.12.2017; Aktenzeichen 150 C 826/17) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 16.10.2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zustimmung zu einer von dem Kläger begehrten Mieterhöhung.
Rz. 2
Die Beklagte ist Mieterin einer 79 m2 großen Wohnung des Klägers in Magdeburg. Das Mietverhältnis besteht seit dem 1.4.2014 aufgrund eines Mietvertrages, den die Beklagte mit dem Rechtsvorgänger des Klägers geschlossen hatte.
Rz. 3
Mit Schreiben der Hausverwaltung vom 19.1.2017 forderte der Kläger die Beklagte zur Zustimmung zu einer Erhöhung der Kaltmiete ab dem 1.4.2017 von 300 EUR um 60 EUR auf insgesamt monatlich 360 EUR auf. Das Schreiben enthielt zur Begründung des Erhöhungsverlangens allein die Bezugnahme auf einen Mietspiegel für die Stadt Magdeburg aus dem Jahr 1998. Die Wohnung sei in die Kategorie 8B dieses Mietspiegels mit einer Mietpreisspanne von 9 DM bis 14 DM einzuordnen. Die Beklagte stimmte der Mieterhöhung nicht zu.
Rz. 4
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zustimmungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht (LG Magdeburg, ZMR 2019, 199) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Das AG habe die Klage zu Recht mit der Begründung abgewiesen, dass ein formell ordnungsgemäßes Mieterhöhungsverlangen nicht vorliege.
Rz. 8
Die Vorschrift des § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB erlaube es zwar grundsätzlich, einen veralteten Mietspiegel zur Begründung der Mieterhöhung heranzuziehen, wenn ein den Anforderungen der §§ 558c Abs. 3, 558d Abs. 2 BGB entsprechend aktualisierter Mietspiegel nicht vorhanden sei. Sinn und Zweck des in § 558a BGB normierten Begründungserfordernisses sei es aber, dem Mieter die Möglichkeit zu geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden. In formeller Hinsicht müsse das Erhöhungsverlangen Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleite, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötige, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und dieses zumindest ansatzweise überprüfen zu können.
Rz. 9
Diesen Anforderungen werde ein fast 20 Jahre alter Mietspiegel nicht gerecht. Denn er beruhe auf überholten Tatsachen, die Rückschlüsse auf die zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens gezahlten Mieten nicht zuließen; aufgrund der erheblichen Zeitspanne zwischen der Erstellung des Mietspiegels und dem Erhöhungsverlangen seien wesentliche Änderungen der Mietstruktur wahrscheinlich. Durch die Bezugnahme auf einen derartigen Mietspiegel werde dem Mieter die Entscheidungsgrundlage, die die Begründung des Erhöhungsverlangens vermitteln solle, vorenthalten. Bei der Bezugnahme auf einen nahezu 20 Jahre alten Mietspiegel handele es sich nur um eine "Scheinbegründung".
II.
Rz. 10
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Rz. 11
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Mietspiegel für die Stadt Magdeburg aus dem Jahr 1998 zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens für die Wohnung der Beklagten nicht geeignet ist und das Erhöhungsverlangen des Klägers vom 19.1.2017 den formellen Anforderungen des § 558a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 BGB an eine Begründung deshalb nicht genügt.
Rz. 12
2. Gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen in Textform (§ 126b BGB) zu erklären und zu begründen, wobei gem. § 558a Abs. 2 BGB zur Begründung insb. auf die dort unter Nr. 1 bis 4 genannten Begründungsmittel Bezug genommen werden kann.
Rz. 13
Die Begründung des Erhöhungsverlangens soll dem Mieter die Möglichkeit geben, dessen sachliche Berechtigung zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. v. 24.4.2019 - VIII ZR 62/18 WuM 2019, 324 Rz. 25; v. 17.10.2018 - VIII ZR 94/17 NJW 2019, 303 Rz. 54; v. 13.11.2013 - VIII ZR 413/12 NJW 2014, 1173 Rz. 10; v. 12.12.2007 - VIII ZR 11/07 NJW 2008, 573 Rz. 12; v. 12.7.2006 - VIII ZR 215/05 WuM 2006, 569 Rz. 13). Hierfür ist es erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, um während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden zu können, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht (BGH, Urt. v. 17.10.2018 - VIII ZR 94/17, a.a.O.; v. 13.11.2013 - VIII ZR 413/12, a.a.O.; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.12.2007 - VIII ZR 11/07, a.a.O.).
Rz. 14
An das Begründungserfordernis dürfen im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 GG zwar keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. insoweit BVerfGE 49, 244, 249 f.; BGH, Urt. v. 13.11.2013 - VIII ZR 413/12, a.a.O.; v. 12.11.2003 - VIII ZR 52/03 NJW 2004, 1379, 1380 unter II 2b - noch zu § 2 Abs. 2 MHG). Allerdings muss das Erhöhungsverlangen - in formeller Hinsicht - Angaben über diejenigen Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 17.10.2018 - VIII ZR 94/17, a.a.O.; v. 13.11.2013 - VIII ZR 413/12, a.a.O.; v. 12.12.2007 - VIII ZR 11/07, a.a.O.).
Rz. 15
Hieran fehlt es etwa, wenn der Vermieter das Erhöhungsverlangen mit Tatsachen begründet, die eine Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB schon auf den ersten Blick nicht zu tragen vermögen, weil durch deren Mitteilung deutlich wird, dass der Vermieter von falschen Voraussetzungen ausgeht oder das Erhöhungsverlangen in wesentlichen Punkten unvollständig, unverständlich oder widersprüchlich erscheint (Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2018, § 558a Rz. 19; vgl. auch Artz in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 558a Rz. 15). Eine derartige Begründung steht einer fehlenden Begründung gleich, weil durch sie das Ziel des Begründungserfordernisses ebenso wenig erreicht werden kann wie im Falle des vollständigen Verzichtes auf eine Begründung.
Rz. 16
3. So verhält es sich auch hier, weil die Bezugnahme auf einen Mietspiegel, der seit rund 20 Jahren nicht mehr aktualisiert wurde, schon im Ansatz nicht geeignet ist, das Erhöhungsverlangen zu begründen.
Rz. 17
a) Das Gesetz geht, wie sich aus §§ 558c Abs. 3, 558d Abs. 2 BGB ergibt, grundsätzlich von einem Aktualisierungserfordernis für Mietspiegel innerhalb einer Frist von zwei Jahren aus. Zwar gestattet § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich auch die Bezugnahme auf einen veralteten Mietspiegel, wenn bei Abgabe des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters kein Mietspiegel vorhanden ist, bei dem die Vorschriften zur Aktualisierung eingehalten sind. Aus dieser Regelung folgt allerdings nicht, dass das Alter des Mietspiegels bedeutungslos wäre, der Vermieter somit einen beliebig veralteten Mietspiegel zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens heranziehen könnte, sofern nur ein neuer Mietspiegel nicht erstellt bzw. eine Aktualisierung nicht vorgenommen wurde. Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich dies auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass das Gesetz eine Höchstgrenze für das Alter eines nach § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB herangezogenen veralteten Mietspiegels nicht festlegt.
Rz. 18
Denn § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB, der auf § 2 Abs. 6 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG) vom 18.12.1974 (BGBl. I 3604) in der Fassung des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20.12.1982 (BGBl. I 1912) zurückgeht und dieser Vorschrift im Kern entspricht, soll sicherstellen, dass die formelle Wirksamkeit eines sachlich berechtigten Erhöhungsverlangens nicht allein von den in §§ 558c Abs. 3, 558d Abs. 2 BGB genannten Fristen abhängt (vgl. zu § 2 Abs. 6 MHG BT-Drucks. 9/2079, 17). Hierdurch wird aber von dem grundsätzlich bestehenden Aktualisierungserfordernis gerade nicht Abstand genommen. Für die formelle Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens kommt es deshalb auch bei einem veralteten Mietspiegel darauf an, ob diesem (noch) ein in § 558a Abs. 1 BGB vorausgesetzter Informationsgehalt zukommt.
Rz. 19
b) Dies ist jedenfalls bei einem - wie hier - zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens fast 20 Jahre alten Mietspiegel nicht der Fall. Die in § 558 Abs. 2 BGB genannten Wohnwertmerkmale, nach denen sich die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine Wohnung richtet, unterliegen typischerweise mit fortschreitender Zeit einem Wandel. So können etwa im Laufe der Zeit bestimmte Einrichtungen, die einer Wohnung besonderen Wert verleihen und deshalb Gegenstand eines Mietspiegels sind, zur Standardausstattung werden. Auch kann die Bewertung einer (Wohn-)Lage durch mit der Zeit auftretende strukturelle Veränderungen beeinflusst werden.
Rz. 20
Entsprechende Veränderungen können bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete anhand eines - wie hier fast 20 Jahre lang - nicht aktualisierten Mietspiegels naturgemäß keine Berücksichtigung finden. Dies führt dazu, dass es dem Mietspiegel insoweit am notwendigen Informationsgehalt fehlt und deshalb eine Entscheidung über die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens nicht getroffen werden kann, weil sie zu einem ganz erheblichen Teil auf bloßen Mutmaßungen bezüglich der Art und des Umfangs der Veränderungen beruhen würde.
Rz. 21
4. Der Kläger wird durch die fehlende Möglichkeit, sich auf einen solchen Mietspiegel zu berufen, in seinem Recht, die Miete der gegenständlichen Wohnung bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen zu erhöhen, auch nicht übermäßig beeinträchtigt. Ihm steht es frei, sich zur Begründung seines Erhöhungsverlangens der weiteren gesetzlich vorgesehenen Begründungsmittel, etwa der Benennung von drei Vergleichswohnungen gem. § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB, zu bedienen.
Fundstellen
Haufe-Index 13537558 |
NJW 2019, 8 |
NWB 2019, 3473 |
NJW-RR 2019, 1482 |
JurBüro 2020, 52 |
NZG 2019, 5 |
NZM 2019, 852 |
ZAP 2019, 1283 |
JZ 2019, 856 |
MDR 2019, 1498 |
WuM 2019, 703 |
GV/RP 2020, 380 |
MietRB 2019, 353 |
NJW-Spezial 2019, 34 |
RdW 2020, 190 |
FMP 2020, 21 |
FuBW 2020, 203 |
FuHe 2020, 335 |
FuNds 2020, 214 |
KomVerw/S 2020, 230 |
MK 2020, 39 |
MK 2020, 6 |
apf/GA 2020, 190 |
immobilienwirtschaft 2020, 51 |