Leitsatz (amtlich)
a) Besteht an einer Vielzahl von Grundstücken eine Bruchteilsgemeinschaft unter denselben Teilhabern und werden diese Grundstücke seit Jahrhunderten gemeinschaftlich als Forst verwaltet, dann ist die Frage der Ordnungsgemäßheit der Verwaltung nicht isoliert für die einzelne Parzelle, sondern auf der Grundlage ihrer Einbindung in die als Forst verwaltete Sachgesamtheit zu beantworten.
b) In einem solchen Fall kann auch der Tausch von Grundstücken (hier: Bauland gegen Aufforstungsflächen) ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, so daß der einzelne Teilhaber dieser Maßnahme zuzustimmen hat.
c) Bildet die Gemeinschaft im Wege ordnungsgemäßer Verwaltung Rückstellungen für zu erwartende Prozeßkosten oder Rücklagen nach dem Forstschädenausgleichsgesetz, verletzt dies nicht das grundsätzlich gegen seinen Willen nicht entziehbare Recht des Teilhabers auf Auszahlung des durch die Verwaltung erzielten, seinem Anteil entsprechenden Nettoertrages.
Normenkette
BGB §§ 741, 744-745, 747
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. Februar 1998 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien gehören als Miteigentümer nach Bruchteilen zu den Teilhabern des sog. „Rittergutes B.”. Dieses besteht aus einer Vielzahl von Grundstücken, die zusammen eine Fläche von etwa 1.020 ha ausmachen und fast ausschließlich forstwirtschaftlich genutzt werden. Das Rittergut, das früher als „Herrschaft B.” bezeichnet worden war, läßt sich bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen. In späterer Zeit gelangte es in den Besitz der Familie E., welche die Herrschaft in zwei jeweils als einheitliches Ganzes verstandene Teile, das Unterschloß und das Oberschloß, aufteilte und in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts Anteile an diesen beiden Rittergütern an den Baron von P. veräußerte. In der Folgezeit wurden die E.'schen Anteile nach der lehensrechtlichen Erbfolge vererbt, während für die von P.'schen Anteile Fideikommißrecht galt. Am 21. Februar 1969 ließen die damaligen Teilhaber beider Rittergüter – 106 Teilhaber der sog. … E.'schen und neun Teilhaber der sog. von P.'schen Interessenz – einen notariellen … „Auseinandersetzungsvertrag” beurkunden, in dem die im Jahre 1646 begründete Aufteilung der Herrschaft B. in das Oberschloß und das Unterschloß beseitigt und beide unter dem Namen „Rittergut B.” miteinander vereinigt wurden. Der Vertrag enthält nicht nur Auflassungserklärungen, sondern bestimmt ferner u.a., daß die Erwerber in alle Pflichten und Rechte der bisherigen Gemeinschaften eintreten, daß die E.'schen Interessenten zwei Vertreter als Administratoren zu wählen haben, durch welche sie bei allen Wahlen und Abstimmungen vertreten werden, während die von P.'schen Interessenten für ihre Anteile einen gemeinsamen Vertreter wählen. Schließlich ist das Recht, die Aufhebung der ausdrücklich so bezeichneten „Bruchteilsgemeinschaft” zu verlangen, für immer ausgeschlossen worden.
Unter den zu dem Rittergut B. gehörenden Grundstücken hatten zwei Parzellen die Eigenschaft als Bauland erlangt. Aus ihnen tauschte das durch die inzwischen vier Administratoren vertretene „Rittergut B.” Teilflächen von insgesamt 1.968 m² gegen mehrere Grundstücke mit einer Gesamtfläche von rund 16.315 m², die forstwirtschaftlich genutzt werden können.
Während die Kläger dem Tauschvertrag zugestimmt haben, weigern sich die zusammen i.H.v. rund 6 % beteiligten beklagten Eheleute, den Vertrag zu genehmigen. Sie sind ferner der Auffassung, daß das Rittergut – es werden jährlich Bilanzen erstellt, in denen der Grund und Boden mit rund 22 Mio. DM angesetzt und Umsatzerlöse von mehr als 1 Mio. DM ausgewiesen sind – Rücklagen unter Verstoß gegen zwingende Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts gebildet habe. Den entsprechend ihrer Beteiligung mit 9.046,98 DM bzw. 146,00 DM bezifferten Anspruch auf Auszahlung dieser Rücklagenbeträge verfolgen die Beklagten im Wege des Haupt- und Hilfsantrages mit ihrer Widerklage.
Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht sind die Beklagten in vollem Umfang unterlegen. Mit der – zugelassenen – Revision erstreben sie weiterhin, daß die Klage abgewiesen und ihrer Widerklage entsprochen wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Im Ergebnis mit Recht hat das Berufungsgericht das Zustimmungsbegehren der Kläger für gerechtfertigt, den mit der Widerklage verfolgten Auszahlungsanspruch jedoch für unbegründet erachtet.
I.
Die Beklagten sind verpflichtet, die geforderten Genehmigungserklärungen zu dem Grundstückstauschvertrag mit der Gemeinde B. abzugeben. Es entspricht, wie das Landgericht und das Oberlandesgericht näher ausgeführt haben, ordnungsgemäßer Verwaltung des Rittergutes B., daß die isoliert nicht nutzbaren Baulandflächen gegen wertgleiche, zur Aufforstung geeignete Grundstückflächen eingetauscht werden. Damit wird die seit Jahrhunderten bestehende forstliche Nutzung der zu dem Rittergut B. gehörenden Flächen fortgeführt und verstetigt; es kann zugleich die Wirtschaftsstruktur des Forstbetriebes verbessert werden, weil die vorhandenen und zur sachgerechten Bewirtschaftung der Wälder erforderlichen sachlichen und personellen Ressourcen zweckmäßiger und ökonomisch sinnvoller eingesetzt werden können. Hiergegen haben sich auch die Beklagten mit der Revision nicht gewandt, sondern geltend gemacht, daß das Berufungsgericht fehlerhaft das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses bezüglich des Tauschvertrages bejaht und vor allem verkannt habe, daß die in dessen Durchführung liegende Veräußerung gegen § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB verstoße, weil mit dem Tausch der beiden Parzellen die an ihnen bestehende Bruchteilsgemeinschaft der Parteien beendet sei. Diese Einwände nötigen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Der von den Administratoren mit der Gemeinde B. geschlossene Tauschvertrag überschreitet die Wesentlichkeitsgrenze des § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht.
a) Indem die Beklagten ausschließlich darauf abstellen, daß nach dem sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatz eine Miteigentümergemeinschaft nach Bruchteilen allein an den einzelnen unter der Bezeichnung „Rittergut B.” zusammengefaßten Liegenschaften bestehe und deswegen im Wege der von ihnen geforderten „strengen Anwendung des Gemeinschaftsrechts” nur auf diese einzelne Bruchteilsgemeinschaft geblickt werden dürfe (vgl. in diesem Sinn allgemein schon Saenger, Gemeinschaft und Rechtsteilung, 1913, S. 8; Fabricius, Relativität und Rechtsfähigkeit, 1963, S. 143-145; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 207 ff., 217 ff.), sind sie einer vordergründigen, nur auf das Begriffliche beschränkten Sichtweise verhaftet, die unzutreffend außer acht läßt, daß jedes einzelne der rund 200 Grundstücke Teil einer von denselben Teilhabern gehaltenen und nach einem einheitlichen Plan verwalteten Sachgesamtheit ist. Dies führt dazu, daß die Frage, welche Verwaltung ordnungsgemäß im Sinne des § 745 Abs. 1 BGB ist, nicht isoliert für die einzelne Parzelle – etwa, ob sie als Aufforstungsfläche, Holzlagerplatz oder Forstweg benutzt wird –, sondern nur auf der Grundlage der Einbindung derselben in die das Rittergut als Ganzes betreffende Verwaltung beantwortet werden kann. Ebenso läßt sich nur auf dieser Grundlage bestimmen, ob eine wesentliche Veränderung des Gegenstandes im Sinne von § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB vorliegt.
b) Das bedeutet indessen nicht, wie das Berufungsgericht – von der Revision bekämpft – angenommen hat, daß die an den einzelnen Grundstücken bestehenden Bruchteilsgemeinschaften von einer schuldrechtlichen, den §§ 741 ff. BGB unterstehenden Verwaltungsgemeinschaft überwölbt sind. Vielmehr besteht, jedenfalls wenn – wie hier mit dem „Auseinandersetzungsvertrag” vom 21. Februar 1969 – die gemeinsamen Berechtigungen der Teilhaber denselben Entstehungsgrund haben, eine einheitliche Gemeinschaft, aus der sich die einzelnen Teilhaberechte wie z.B. die Mitverwaltung oder die Fruchtziehung ergeben (vgl. z.B. Staudinger/Langbein, 13. Aufl., 1996, § 741 Rdnr. 157 ff.; Münch.Komm./K.Schmidt, 3. Aufl., § 741 Rdnr. 32; Erman/Aderhold, 9. Aufl., § 741 Rdnr. 3). Daß die damaligen Teilhaber im Jahr 1969 dies – in der Tradition der seit mehr als 600 Jahren bestehenden Gemeinschaft verständlich – ebenso beurteilt haben und vor allem die gemeinschaftliche Verwaltung nicht, wie dies grundsätzlich möglich gewesen wäre (vgl. grundlegend Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 8 S. 110 ff.; ferner Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 1980, § 1 I 2 S. 14 f.; Münch.Komm. z. BGB/Ulmer aaO Vor § 705 Rdnr. 10, 100 ff.; Münch.Komm. z. BGB/K.Schmidt aaO § 741 Rdnr. 4 f.), gesellschaftsrechtlichen Regeln haben unterwerfen wollen, zeigt sich auch daran, daß in dem notariellen Auseinandersetzungsvertrag das wieder vereinigte Rittergut B. als „die Bruchteilsgemeinschaft” bezeichnet worden ist. Soweit es der ordnungsgemäßen Verwaltung dieser Gemeinschaft entspricht und eine wesentliche Veränderung ihres Gegenstandes damit nicht verbunden ist, kann ein Teilhaber verpflichtet sein, an der aus sachenrechtlichen Gründen nach § 747 Satz 2 BGB erforderlichen gemeinschaftlichen Verfügung über den einzelnen Gegenstand mitzuwirken (vgl. schon RG DR 1944, 572; Staudinger/Langbein aaO § 745 Rdnr. 44).
c) Daß der Miteigentümer eines Grundstücks u.U. auch Verfügungen über den gemeinschaftlichen Gegenstand zuzustimmen hat, hat der Senat bisher z.B. für die Umwidmung eines Privatweges in einen öffentlichen Weg (BGHZ 101, 24 ff.) und für die Übernahme einer öffentlichen Baulast an einem Wegegrundstück (BGH, Urt. v. 3. Dezember 1990 – II ZR 107/90, LM Nr. 7 zu § 743 BGB) ausgesprochen. Ferner haben der Senat (BGHZ 25, 311 ff.) und der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 3. Juni 1964 – V ZR 46/62, WM 1964, 913, 915) entschieden, daß ein Teilhaber einer Grundstücksgemeinschaft an dem dinglichen Vollzug eines Veräußerungsvertrages mitzuwirken hat, der auf der Grundlage eines förmlich und sachlich ordnungsgemäßen Mehrheitsbeschlusses zustandegekommen ist. Auf das Vorhandensein eines derartigen Mehrheitsbeschlusses kommt es indessen nicht entscheidend an, vielmehr kann sich auch bei einer in einer Grundstücksveräußerung bestehenden Verfügung über den gemeinschaftlichen Gegenstand die Zustimmungspflicht – nicht anders als bei einer Grundstücksbelastung – aus einer dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung (§ 745 Abs. 2 BGB) ergeben. Denn auch bei Fehlen einer derartigen Mehrheitsklausel, wie sie in § 745 Abs. 1 BGB vorausgesetzt wird, kann es ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, daß die Gemeinschaft entsprechend handelt. Geht es etwa darum, Mittel zur Bestreitung der durch die Verwaltung entstandenen Verbindlichkeiten zu beschaffen, kann nicht nur die Belastung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Zwecke der Kreditbeschaffung, sondern z.B. auch die Veräußerung von Teilflächen des im Bruchteilseigentum stehenden Grundstücks ein Akt ordnungsgemäßer Verwaltung sein, dem sich kein Teilhaber widersetzen darf. Entsprechendes gilt für den hier vorliegenden Fall, in welchem personenidentischen Teilhabern eine Sachgesamtheit gehört, hinsichtlich der einzelnen Gegenstände dieser der gemeinschaftlichen Verwaltung unterstehenden Sachgesamtheit. Gegenüber einer derartigen zur Erzielung von liquiden Mitteln für die Verwaltung vorgenommenen Veräußerung überschreitet der Grundstückstausch, zu dem die Zustimmung der Beklagten erstrebt wird, die Grenzen des § 745 Abs. 3 BGB umso weniger, weil die der Verbesserung der ordnungsgemäßen Verwaltung des Rittergutes B. dienende Maßnahme nach dem Spezialitätsgrundsatz zur Entstehung neuer Bruchteilsgemeinschaften an den eingetauschten Parzellen führt.
2. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Pflicht der Beklagten, dem Grundstückstauschvertrag gemäß § 747 Satz 2 BGB zuzustimmen, sind erfüllt.
a) Daß der Tausch eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung des Rittergutes darstellt, haben Landgericht und Oberlandesgericht – wie bereits ausgeführt – zutreffend festgestellt. Nicht einmal die Beklagten haben geltend gemacht, daß hierdurch der Charakter des Rittergutes als seit mehr als 600 Jahren betriebener Schutzforst eine Veränderung i.S.v. § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB erfährt. Im Gegenteil führt der Tausch dazu, daß die isoliert nicht nutzbaren Baulandparzellen durch Flächen ersetzt werden, die in derselben Weise, nämlich forstwirtschaftlich genutzt werden können, wie dies für fast alle Grundstücke des Rittergutes B. geschieht. Auch für die neu hinzugetauschten Flächen gilt entgegen der Ansicht der Beklagten, daß nach dem das Verhältnis der Bruchteilseigentümer grundlegend bestimmenden „Auseinandersetzungsvertrag” vom 21. Februar 1969 das Recht ausgeschlossen ist, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen. Daß dies bisher in die – ohnehin ergänzungsbedürftige – Tauschurkunde nicht besonders aufgenommen worden ist, berechtigt die Beklagten nicht, ihre Zustimmung zu dem notariellen Vertrag zu verweigern.
b) Mit Recht haben Landgericht und Oberlandesgericht angenommen, daß der dem Grundstückstauschvertrag zugrundeliegende Mehrheitsbeschluß formell wirksam zustandegekommen ist; die Beklagten wären im übrigen gemäß § 745 Abs. 2 BGB auch dann zur Zustimmung verpflichtet, wenn es – wie sie meinen – an einem wirksamen Beschluß der Mehrheit fehlen würde.
Wie dem „Auseinandersetzungsvertrag” und den dort in Bezug genommenen gemeinschaftsinternen Regeln, vor allem den sog. „Richtlinien für die Verwaltung der Herrschaft B.” vom 9. Februar 1962 zu entnehmen ist, werden die Verwaltungsangelegenheiten des Rittergutes B. seit jeher aufgrund Mehrheitsbeschlusses geregelt. Dabei werden die einzelnen Teilhaber, die in der E.'schen und in der von P.'schen Interessenz zusammengefaßt sind, durch die von den beiden Gruppen gewählten Administratoren vertreten, welche dabei in Vollmacht der sie entsendenden Angehörigen der jeweiligen Interessenz handeln. Da demnach Beschlüsse für die Gemeinschaft von den Administratoren gefällt werden, gehen die Beklagten fehl, wenn sie es für alle Verwaltungsangelegenheiten für geboten halten, daß eine Versammlung der Teilhaber einberufen wird, die über den jeweiligen Beschlußgegenstand zu befinden hat. Im Gegenteil hat gerade die seit jeher bestehende „Administratorenverfassung” zum Ziel, dieses umständliche und bei der großen Zahl der Teilhaber in der Praxis schwerlich durchführbare Verfahren zu vermeiden und vor allem sicherzustellen, daß innerhalb der jeweiligen Interessenzen, die laufend über das Geschehen in der Gemeinschaft von den Administratoren unterrichtet werden, die notwendige Willensbildung über das weitere Vorgehen stattfindet und die Administratoren dementsprechend auf der Grundlage der ihnen von den einzelnen Teilhabern erteilten Vollmachten die Geschicke der Gemeinschaft gemeinsam lenken können.
Auch innerhalb der von P.'schen Interessenz, der die Beklagten angehören, ist entsprechend verfahren worden, so daß die Beklagten schon vor Abschluß des notariellen Tauschvertrages Kenntnis von dem beabsichtigten Vorhaben erlangen konnten. Zu Unrecht machen sie geltend, ihr rechtliches Gehör als Teilhaber sei verletzt worden, weil ihnen die Möglichkeit vorenthalten worden sei, zu dem Tauschvertrag vorab Stellung zu nehmen. Denn über die – nicht nur der Information, wie die Beklagten meinen, sondern auch der Beschlußfassung dienende – Versammlung der von P.'schen Interessenz, die dem Tauschvertrag vorangegangen ist, ist ein Protokoll gefertigt worden, das unstreitig auch den Beklagten zugegangen ist. Aus dieser Niederschrift konnten sie ersehen, daß ein derartiger Vertrag geschlossen werden sollte und daß die anwesenden Teilhaber der von P.'schen Interessenz keine Einwände erhoben haben, sondern im Gegenteil die Vorbereitungen für die Durchführung dieses Vertrages – Entwurf der notariellen Genehmigungsurkunden – in Angriff nehmen wollten. Mehr als die Gewährung dieses rechtlichen Gehörs konnten die Beklagten keinesfalls verlangen, weil entgegen ihrer Ansicht die Beschlußfassung in der Bruchteilsgemeinschaft keinerlei Förmlichkeiten unterliegt (vgl. Staudinger/Langbein aaO § 745 Rdnr. 17 m.w.N.; RGRK/v.Gamm, 12. Aufl., §§ 745, 746 Rdnr. 9; Erman/Aderhold aaO § 745 Rdnr. 2) und insbesondere der von ihnen angezogene § 23 Abs. 2 WEG eine nur für die Wohnungseigentümergemeinschaft geschaffene Sondervorschrift darstellt. Da den Beklagten das rechtliche Gehör in dem erforderlichen Maße jedenfalls gewährt worden ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob eine Verletzung dieses Grundsatzes nur zum Schadenersatz verpflichten würde (vgl. BGHZ 56, 46, 57) oder ob der entsprechende Beschluß unwirksam wäre, wie die Beklagten meinen (vgl. in diesem Sinne Münch.Komm. z. BGB/K.Schmidt aaO §§ 744, 745 Rdnr. 16). Ebensowenig kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, ob die beiden die von P.'sche Interessenz repräsentierenden Administratoren überhaupt einer vorab eingeholten Zustimmung dieser Gruppe der Teilhaber bedurften, ehe in der Administratorenversammlung über den Tauschvertrag Beschluß gefaßt wurde.
II.
Die Widerklage ist nicht begründet. Die aufgrund mehrheitlicher Entscheidung vorgenommene Rückstellung für Prozeßkosten und die Bildung einer Rücklage nach dem Forstschädenausgleichsgesetz entsprechen ordnungsgemäßer Verwaltung und verletzen nicht das nach § 745 Abs. 3 Satz 2 BGB gegen den Willen der Beklagten unentziehbare Recht auf Auszahlung des durch die Verwaltung erzielten, ihrem Anteil entsprechenden Nettoertrages (vgl. BGHZ 40, 326, 329 f.; Staudinger/Langbein aaO § 743 Rdnr. 14; Münch.Komm. z. BGB/K.Schmidt aaO § 743 Rdnr. 7).
Die Beklagten setzen sich mit ihrer Ansicht, die Mehrheit dürfe nicht ihr wirtschaftlich sinnvoll erscheinende Rücklagen ansetzen und so den zur Verteilung anstehenden Nettoerlös vermindern, darüber hinweg, daß die nach den genannten „Richtlinien” für die Ermittlung des Jahresergebnisses und für die sich daraus ergebende Erlösverteilung zuständigen Administratoren nicht nach Gutdünken handeln können, sondern hierbei gesetzliche Vorschriften (u.a. wegen § 13 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG über § 141 AO auch §§ 247, 249 HGB) zu beachten haben.
Weder die Rückstellung für die zu erwartenden Prozeßkosten, noch die – im übrigen seit Jahren beanstandungsfrei vorgenommene – Bildung einer Rücklage nach dem Forstschädenausgleichsgesetz (vgl. dazu L.Schmidt/Seeger, EStG, 15. Aufl., § 13 Rdnr. 100 ff.), durch die der Ertrag aus Forstwirtschaft verstetigt und „Kalamitäten” vorgebeugt werden soll und die obendrein eine steuerliche Besserstellung der Teilhaber des Rittergutes zur Folge hat, widersprechen ordnungsgemäßer Verwaltung. Das gilt vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß eine Vollausschüttung der jeweiligen Jahresüberschüsse in einem Folgejahr dazu führen kann, daß die laufenden Kosten der Verwaltung des Rittergutes nicht erwirtschaftet werden und die einzelnen Teilhaber nach § 748 BGB zur Lastentragung herangezogen werden müssen. Soweit sie nicht imstande sind, den ihrem Anteil entsprechenden Betrag zu leisten, könnte dies die Notwendigkeit nach sich ziehen, der Gemeinschaft gehörende Gegenstände zu veräußern.
§ 745 Abs. 3 Satz 2 BGB ist hierdurch nicht verletzt. Mit Recht wird im Schrifttum (vgl. Münch.Komm. z. BGB/K.Schmidt aaO § 743 Rdnr. 7; Staudinger/Langbein aaO § 743 Rdnr. 15) die Auffassung vertreten, daß zur Vermeidung von Streitigkeiten um die Zahlung von Vorschüssen durch die einzelnen Teilhaber oder zur Bestreitung von Notmaßnahmen i.S.v. § 744 Abs. 2 BGB Beträge zurückgehalten werden dürfen. Dabei ist den Besonderheiten der jeweiligen Gemeinschaft Rechnung zu tragen; je größer deswegen die mit der Verwaltung der Gemeinschaft verbundenen finanziellen Risiken bis zum Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres sind, umso eher haben die Teilhaber zur Vermeidung fruchtloser Hin- und Herzahlungen die Bildung einer derartigen Reserve hinzunehmen. Das gilt nicht nur für die voraussichtlichen Kosten der Führung von Rechtsstreitigkeiten. Auch die Regelungen des Forstschädenausgleichsgesetzes haben dasselbe Ziel und enthalten deswegen in typisierender Form die gesetzliche Entscheidung, daß die nach ihm gebildeten, befristeten und mit Steuervorteilen verbundenen Rücklagen den zur Verteilung stehenden Nettoerlös mindern.
Die von den Beklagten angeführten älteren Judikate (RG JW 27, 1854 und RG JW 31, 2722) betreffen andere Sachverhaltsgestaltungen und sind nicht verallgemeinerungsfähig: In dem letzten Fall ging es nicht um die Tragung der laufenden Lasten einer Hypothek aus den Einnahmen des der Gemeinschaft gehörenden Hauses, sondern um die Bildung einer Rücklage zur Ablösung des dinglichen Rechts selbst. Dagegen war in dem ersten Fall kennzeichnend, daß ohne Zustimmung des betroffenen Miteigentümers eine Instandhaltungsrücklage angesammelt worden war und nach durchgeführter Teilungsversteigerung der erstehende andere Miteigentümer diese von der Gemeinschaft bisher nicht zweckentsprechend verwandten, sondern thesaurierten Mittel für sich behalten wollte. Demgegenüber führt die Rücklage nach dem Forstschädenausgleichsgesetz nicht zu einer dauerhaften Vorenthaltung von Teilen des Erlöses, sondern lediglich zu einer auf drei Jahre befristeten und dann aufzulösenden Rücklage.
Es bedarf nach alledem keiner Entscheidung, ob die Beklagten, nachdem in der Vergangenheit jahrelang – teilweise auf Veranlassung des als Administrator amtierenden Beklagten zu 1 – entsprechende Rücklagen gebildet worden sind, sich für die Zukunft bindend mit einer entsprechenden Verfahrensweise einverstanden erklärt haben und gehindert sind, diese Zustimmung nunmehr zu widerrufen.
Unterschriften
Vorsitzender Richter am BGH Dr. h.c. Röhricht kann wegen Erkrankung nicht unterschreiben Henze, Henze, Goette, Kurzwelly, Kapsa
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.11.1998 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609503 |
BGHZ |
BGHZ, 64 |
DStR 1999, 74 |
NJW 1999, 781 |
NJW-RR 1999, 600 |
EWiR 1999, 153 |
NZG 1999, 108 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 17 |
ZAP 1999, 10 |
ZIP 1999, 29 |
RdL 1999, 36 |
ZNotP 1999, 125 |