Leitsatz (amtlich)
Liegen die Voraussetzungen dafür vor, daß die rechtliche Unwirksamkeit eines Prozeßvergleiche durch die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits geklärt werden kann (BGHZ 28, 171 ff.), so besteht im Regelfall auch kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage, die auf die Unwirksamkeit des Vergleichs gestützt wird.
Normenkette
ZPO § 767; BGB § 779
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenate des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Februar 1969 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 2. Januar 1966 verkaufte der Beklagte dem Kläger einen „Hulo-Sattelzug” zum Preise von 82.000 DM, den er im Winter 1964/65 unter Einschaltung eines Kreditinstitutes gekauft hatte. Die Dauertransportverträge über den Einsatz des Fahrzeuges, die er mit den Ziegelwerken Franz R… und R… & Co. abgeschlossen hatte, übertrug er mit Zustimmung der genannten Firmen an den Kläger, der seinerseits die noch bei dem Kreditinstitute bestehende restliche Darlehensschuld des Beklagten (35.440 DM) übernahm und sich wegen der Restkaufpreisforderung von 46.560 DM dem Beklagten gegenüber wechselmäßig verpflichtete. Weiterhin übernahm der Kläger die Verpflichtung, dem Beklagten gewisse Auslagen zu erstatten. Da aber die Einnahmen des Klägers aus dem Einsatz den Fahrzeugs die übernommenen Finanzierungskosten nicht deckten, geriet der Kläger in finanzielle Schwierigkeiten, die es ihm unmöglich machten, seinen Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten nachzukommen. Deshalb erwirkte der Beklagte zwei Zahlungsbefehle über 2.569,12 DM (wegen Auslagenerstattung) und über 4.446,15 DM (wegen zweier nicht eingelöster Schecks). Über beide Ansprüche schlossen die Parteien In einem vor dem Landgericht Münster geführten Prozeß 3 O 195/66 am 15. Juli 1966 einen Prozeßvergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, an den Beklagten in monatlichen Raten von 500 DM 7.015,67 DM nebst Zinsen zu zahlen. Da er auch diese Verpflichtung nicht einhielt, betrieb der Beklagte im Herbst 1966 aus dem Prozeßvergleich die Zwangsvollstreckung. Daraufhin focht der Kläger den Kaufvertrag vom 2. Januar 1966 wegen arglistiger Täuschung an. Er wandte sich im Wege der Klage gemäß § 767 ZPO gegen die aus dem Prozeßvergleich vom Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung. Er vertrat den Standpunkt, der Prozeßvergleich könne keinen Bestand haben, weil der zugrunde liegende Kaufvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten sei.
Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung aus dem Prozeßvergleich vom 15. Juli 1966 für unzulässig erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung das Vorbringen des Klägers zugrunde, daß er vom Beklagten über die Rentabilität des Hulo-Sattelzuges arglistig getäuscht worden sei und daß die Anfechtung des Kaufvertrages dessen Nichtigkeit herbeigeführt habe. Es folgt dem Kläger in seiner Behauptung, beide Parteien seien bei Abschluß des Prozeßvergleiches von einem in Wirklichkeit nicht bestehenden Sachverhalt ausgegangen, indem sie den Kaufvertrag für wirksam angesehen hätten. Mit der Behauptung, der durch den Prozeßvergleich beigelegte Streit oder die Ungewißheit über die Zahlungsverpflichtungen des Klägers wären nicht entstanden, wenn die Anfechtbarkeit des Kaufvertrages bekannt gewesen wäre, vertrete der Kläger den Standpunkt, daß der Prozeßvergleich gemäß § 779 BGB unwirksam sei. Sollte diese Einwendung durchgreifen, so entfalle auch die prozeßbeendende Wirkung des gerichtlichen Vergleichs, als Prozeßhandlung. Da damit aber gleichzeitig eine von vornherein bestehende Unwirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs geltend gemacht werde, könne die Einwendung nicht im Wege der Vollstreckungsgegenklage, sondern nur durch Fortsetzung des Ursprungsverfahrens geltend gemacht werden. Für eine neue Klage auch für die Vollstreckungsgegenklage, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, weil durch die Fortsetzung des durch den Vergleich abgeschlossenen Prozesses unnötige Kosten und eine Verdoppelung der Gerichtsverfahren vermieden würden.
An dieser Beurteilung ändere sich nichts, wenn berücksichtigt werde, daß der Kläger hilfsweise mit einer Schadensersatzforderung aufrechne. Denn diese Forderung habe ihren Grund in demselben Tatbestand, der auch der Anfechtung zugrunde liege. Sie könne also nicht zum Zuge kommen, weil sie voraussetze, daß die in erster Linie erhobene Einwendung des Klägers aus § 779 BGB durchgreife.
II.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Vollstreckungsgegenklage als unzulässig abzuweisen sei, bekämpft die Revision ohne Erfolg.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ist über die Rechtswirksamkeit eines gerichtlichen Vergleiches jedenfalls dann durch Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreites zu entscheiden, wenn die Unwirksamkeit des Vergleiches geltend gemacht wird (BGHZ 28, 171, 176; Urt. vom 6. Juni 1966 – II ZR 4/64 – = LM ZPO § 794 Abs. 1 Ziff. 1 Nr. 15 = BGH Warn 1966 Nr. 130).
An dieser Rechtsprechung, die der Doppelnatur des Prozeßvergleichs und dem Prinzip der Prozeßwirtschaftlichkeit Rechnung trägt, ist festzuhalten. Es stellt sich die Frage, ob diese Grundsätze auch auf eine Vollstreckungsgegenklage Anwendung zu finden haben, bei der der Kläger die rechtliche Wirksamkeit des Prozeßvergleichs angreift.
1. In seiner Entscheidung vom 5. Juli 1967 – VIII ZR 66/65 – = LM ZPO § 767 Nr. 33 = BGH Warn 1967 Nr. 150 hat der Senat die Entscheidung in einem gleichgelagerten Falle offengelassen, weil der dortige Kläger hilfsweise die Wirksamkeit des Vergleiches eingeräumt und sich auf einen nachträglichen Wegfall der Zahlungsverpflichtung berufen hatte. Bei der damals gegebenen Sachlage konnte der Senat davon ausgehen, daß – wenn auch nur hilfsweise – auf die Vollstreckungsgegenklage eine Entscheidung ergehen werde, die den früheren Prozeßvergleich völlig unberührt lassen werde.
Die Revision meint, hier sei eine ähnliche Lage gegeben, weil der Kläger hilfsweise einen Schadensersatzanspruch geltend macht, mit dem er gegen die Vergleichsforderung aufrechnet.
Entgegen der Ansicht der Revision bedarf hier die Frage nach der Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage der Entscheidung. Denn im Gegensatz zu dem Sachverhalt, der der früheren Senatsentscheidung zugrunde lag, richten sich hier beide Einwendungen des Klägers gegen den Bestand des Vergleiches. Das nimmt das Berufungsgericht hinsichtlich des auf § 779 BGB gestützten Hauptangriffe ohne Rechtsirrtum an. Aber auch die Hilfseinwendung des Klägers bedeutet nichts anderes als die Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vergleichs gemäß § 779 BGB. Denn auch in diesem Zusammenhang greift der Kläger darauf zurück, daß er von dem Beklagten in einer Schadensersatzansprüche auslösenden Weise arglistig getäuscht worden sei, und daß er bei Kenntnis dieser Sachlage den Vergleich wegen seiner Schadensersatzansprüche nicht abgeschlossen hätte. Auch hiermit will er über § 779 BGB den Prozeßvergleich zu Fall bringen, so daß für eine Aufrechnung gegen die Vergleichsforderung kein Raum mehr besteht.
2. Die Frage, ob eine auf die Unwirksamkeit eines Prozeßvergleiche gestützte Vollstreckungsgegenklage zulässig ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum bestritten. Sie wird verneint von den Oberlandesgerichten Düsseldorf (NJW 1966 S. 2367), Celle (NJW 50, 950) 9 Köln (JW 1930, 175) und München (MDR 1956, 237), im Schrifttum von Baumbach/Lauterbach ZPO § 307 Anm. 6 D. Für die Zulässigkeit haben sich ausgesprochen: Stein/Jonas/Schönke/Pohle ZPO, 18. Aufl. § 794 Abschn. II, 3; Rosenberg/Schwab ZPR, 10. Aufl. § 132 IV; Bonin, Der Prozeßvergleich, 1957, S. 112, Blomeyer ZR 1963, § 65 III; Erman/Wagner BGB, 4. Aufl. § 779 Anm. 9. Das Reichsgericht, das in seinen früheren Entscheidungen, dazu neigte, fast alle Einwendungen gegen einen Prozeßvergleich in ein neues Verfahren zu verweisen, vertrat den Standpunkt, daß die Vollstreckungsgegenklage zuzulassen sei (vgl. insbesondere RGZ 106, 312). Ebenso hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit der Vollstreckungsklage ohne nähere Begründung in einer Entscheidung bejaht, die vor der grundlegenden Entscheidung BGHZ 28, 171, 176 ergangen war, in der unter Abwendung von der Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 106, 312 die Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit des Prozeßvergleichs auf das Ursprungsverfahren verwiesen werden. (Urt. vom 27. November 1952 – IV ZR 57/52 = LM ZPO § 767 Nr. 4 = NJW 1953, 345). Seit der angeführten Entscheidung in BGHZ 28, 171 ff. ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über einen Fall der vorliegenden Art nicht ergangen. Die Entscheidung des IV. Zivilsenats vom 5. Mai 1969 – IV ZR 1026/68 – = LM BGB § 826 (FA) Nr. 10 = BGH Warn 1969 Nr. 159 liegt insofern anders, als dort ein im Rahmen des durch rechtskräftiges Urteil beendeten Ehescheidungsprozesses geschlossener Unterhaltsvergleich mit der vom IV. Zivilsenat für zulässig angesehenen Vollstreckungsgegenklage angegriffen wurde.
Nachdem in BGHZ 28, 171 ff. grundlegend entschieden ist, daß der Streit über die rechtliche Wirksamkeit den Prozeßvergleiche durch Fortsetzung des Rechtsstreite entschieden werden muß, in dem der Vergleich geschlossen wurde, besteht keine Veranlassung, von diesem Grundsatz zugunsten einer Vollstreckungsgegenklage abzugehen, mit der keine weitergehenden Angriffe erhoben werden, als daß der Vergleich rechtlich unwirksam sei. In einem solchen Falle die Vollstreckungsgegenklage zuzulassen, hieße den angeführten Grundsatz wieder aushöhlen. Denn dann läge es in der Hand der Partei, ob sie den Ursprungsprozeß fortsetzen oder ihr Ziel im Wege einer besonderen Klage verfolgen will, die sie dann nur in die Form einer Vollstreckungsgegenklage zu kleiden bräuchte. Hierfür ist im Regelfall ein Rechtsschutzbedürfnis nicht erkennbar. Alle in BGHZ 28, 171 ff. für die Unzulässigkeit einer besonderen Klage eingeführten Gründe, so insbesondere auch der Hinweis auf die Möglichkeit, unter entsprechender Anwendung der §§ 707, 719, 769 ZPO eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erwirken, gelten in gleicher Weise für die Vollstreckungsgegenklage. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß sich das im Ursprungsverfahren verfolgte Ziel nicht mit dem Ziel der Vollstreckungsgegenklage decke, weil sich hier der Kläger mit einem Urteilsausspruch zufriedengeben wolle, daß aus dem Vergleich nicht vollstreckt werden dürfe (vgl. hierzu Kühne in NJW 1967, 115). Das Gegenteil ist der Fall. Im Regelfalle – und um einen solchen handelt es sich hier – ist die Auswirkung der Entscheidung im einen wie im anderen Verfahren dieselbe, nämlich die, daß der Prozeßvergleich wegen rechtlicher Unwirksamkeit als Vollstreckungstitel beseitigt wird. Der hier nicht gegebene Fall, daß im Prozeßvergleich auch über andere, außerhalb des Ursprungsverfahrens liegende Streitpunkte der Parteien eine Regelung getroffen wird, die zu beseitigen, die Partei möglicherweise kein Interesse hat, braucht nicht entschieden zu werden. Wird, wie hier die sachlich-rechtliche Wirksamkeit des Prozeßvergleiche im ganzen angegriffen, so verbieten es jedenfalls die in BGHZ 28, 171 ff. aufgestellten Grundsätze, die Vollstreckungsgegenklage zuzulassen.
III.
Demgemäß war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609731 |
NJW 1971, 467 |
MDR 1971, 390 |