Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterhaftung wegen Verletzung der Beratungspflichten bezüglich eines Gaststättenpachtvertrages bei Option zur Umsatzsteuerpflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Verpflichtet sich ein Steuerberater vertraglich, seinen Mandanten – einen Gaststättenverpächter – umfassend steuerlich zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten, hat er auch darüber zu informieren, daß den Pächtern Umsatzsteuer auf die Pachtnebenkosten zu berechnen ist, nachdem auf die Umsatzsteuerbefreiung für die Verpachtung von Grundstücken verzichtet und damit der Vorsteuerabzug eröffnet wurde. Dem Steuerberater ist auch anzulasten, den Mandanten nicht auf die Möglichkeit hingewiesen zu haben, die Pächter nachträglich über eine Vertragsänderung zur Zahlung der Umsatzsteuer auf Nebenkosten zu veranlassen.
2. Der durch die Pflichtverletzung entstandene Schaden besteht in der nach einer Betriebsprüfung festgesetzten und vom Mandanten gezahlten Umsatzsteuer auf die Nebenkosten.
Normenkette
BGB §§ 276, 675; UStG § 4 Nr. 12 Buchst. a, §§ 9, 15, 17; StBerG § 33
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 12.01.1993; Aktenzeichen 15 U 88/92) |
LG Köln (Urteil vom 06.03.1992; Aktenzeichen 29 O 476/91) |
Tatbestand
Die Beklagte zu 1) – eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft (OHG) –, deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2) und zu 3) sind, betreute die Klägerin etwa 30 Jahre bis August 1990 in Steuersachen und als Abschlußprüferin. Die Klägerin, die von ihr unterverpachtete Gaststätten belieferte und ihre Umsätze der Umsatzsteuer unterwarf (§ 4 Nr. 12 a, § 9 UStG), verlangt von den Beklagten Schadensersatz, weil die Beklagte zu 1) nicht rechtzeitig darauf hingewiesen habe, daß auf die von den Unterpächtern (im folgenden: Pächter) zu zahlenden Pachtnebenkosten Umsatzsteuer zu berechnen sei. Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1988 wurde gegen die Klägerin im Jahre 1989 auf Nebenkosten entfallende Umsatzsteuer für das Jahr 1982 in Höhe von 45.630 DM und für das Jahr 1983 von 50.320 DM festgesetzt, die von der Klägerin bezahlt wurde.
Die im Oktober 1991 erhobene Ersatzklage war in den Vorinstanzen erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
A.
I.
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte zu 1) ihre Vertragspflichten als Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin schuldhaft verletzt hat, und angenommen, jedenfalls sei den Beklagten ein Schaden der Klägerin nicht zuzurechnen. Nach deren Vorbringen hätte ihre rechtzeitige Aufklärung den behaupteten Schaden nicht verhindert. Die Klägerin habe nicht nachvollziehbar dargelegt, daß sie die nachentrichtete Umsatzsteuer von ihren Pächtern hätte zurückverlangen können. Nach dem Klagevortrag sei in den Pachtverträgen, deren Gestaltung allein die Klägerin zu verantworten habe, nicht vereinbart gewesen, daß Umsatzsteuer auf Nebenkosten zu zahlen sei. Ob und in welchem Umfang die Pächter freiwillig Umsatzsteuer auf Nebenkosten für 1982/83 gezahlt hätten, könne offenbleiben, da insoweit ausreichend substantiiertes Vorbringen der Klägerin fehle.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Da gegenteilige Feststellungen des Berufungsgerichts fehlen, ist – gemäß seiner Unterstellung – für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß die Beklagte zu 1) ihre Vertragspflicht verletzt hat.
Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und geltend gemachtem Schaden aufgrund eines Verfahrensfehlers verneint hat, weil es schlüssiges, unter Beweis gestelltes Vorbringen der Klägerin außer acht gelassen hat.
1. Die Klägerin hat behauptet (GA I 126 ff), sie hätte nach rechtzeitiger Aufklärung darüber, daß Umsatzsteuer auf die von ihren Pächtern – als Teil des Pachtzinses – zu entrichtenden Nebenkosten zu berechnen sei, schon vor dem Jahre 1982 diese Umsatzsteuer den Pächtern angelastet; diese hätten einer solchen Vertragsänderung zugestimmt, weil sie – dies räumen die Beklagten ein (GA I 141, 145) – entsprechende Umsatzsteuerzahlungen als Vorsteuer hätten abziehen können (§ 15 UStG), so daß ihnen kein Nachteil entstanden wäre. Dieses Vorbringen ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – hinreichend substantiiert (vgl. BGH, Urt. v. 14. Mai 1992 – IX ZR 262/91, WM 1992, 1533, 1538), zumal die Anforderungen an die Darlegung der haftungsausfüllenden Kausalität im Rahmen des § 287 ZPO erleichtert sind (BGH, Urt. v. 2. Juli 1992 – IX ZR 256/91, NJW 1992, 2694, 2695).
Bei Richtigkeit ihrer – unter Beweis gestellten – Behauptung hätte die Klägerin den – auf die Nebenkosten für 1982/83 entfallenden – Umsatzsteuerschaden nicht erlitten, da ihr für diesen Zeitraum entsprechende Zahlungen ihrer Pächter aufgrund geänderter Verträge zugeflossen wären. Dafür, daß für die Zukunft eine solche Vertragsanpassung zu erreichen war, spricht, daß sie im Jahre 1983 für die Zeit ab 1984 vereinbart wurde.
Danach ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts insoweit unmaßgeblich, daß die Pachtverträge für 1982/83 nach dem Klagevortrag nicht vorsahen, auf die Nebenkosten Umsatzsteuer zu berechnen, so daß der vereinbarte Pachtzins einschließlich der Nebenkosten als Bruttoentgelt anzusehen war (vgl. BGHZ 60, 199, 203; BGH, Urt. v. 4. April 1973 – VIII ZR 191/72, WM 1973, 677 f; v. 26. Juni 1991 – VIII ZR 198/90, NJW 1991, 2484; BFH BStBl II 1989, 563, 565). Entscheidend ist, daß der Klägerin nach ihrem Vorbringen die behauptete Vertragsänderung gelungen wäre.
2. Weiterhin hat die Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen (GA I 58, 80 ff, 148), sie hätte „zeitnah” die Pächter rückwirkend wegen der Umsatzsteuer auf Nebenkosten für 1982/83 in Anspruch genommen, wenn sie in den Jahren 1984 bis 1986 auf diese ihr damals unbekannte – auch nach Behauptung der Beklagten bestehende (GA I 141) – Möglichkeit hingewiesen worden wäre (vgl. § 17 UStG, §§ 172 ff AO). Dieses Vorbringen ist mit Rücksicht darauf, daß nach der Behauptung der Klägerin die Zahlung von Umsatzsteuer auf Nebenkosten in den Pachtverträgen vor dem Jahre 1984 nicht vereinbart war, verständigerweise dahin zu werten, daß es der Klägerin bei pflichtgemäßer Aufklärung durch die Beklagte zu 1) unmittelbar nach Ablauf der Steuerjahre 1982/83 gelungen wäre, über eine Vertragsänderung die Pächter rückwirkend für diesen Zeitraum zu einer Nachzahlung der Umsatzsteuer auf Nebenkosten zu veranlassen, die als Vorsteuer hätte abgezogen werden können (§ 17 UStG).
Auch bei Richtigkeit dieses – im vorstehenden Sinne zu verstehenden – Klagevortrags wäre der geltend gemachte Schaden nicht entstanden.
B.
Das angefochtene Urteil ist nicht im Ergebnis aus einem anderen Grunde richtig.
I.
Die Klägerin hat auch die übrigen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte zu 1) aus Schlechterfüllung des Betreuungsvertrages (§ 675 BGB) und gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) als deren persönliche Gesellschafter aus § 128 HGB schlüssig dargelegt und gegenüber der rechtserheblichen Verteidigung der Beklagten unter Beweis gestellt.
1. Nach dem Klagevortrag hat die Beklagte zu 1) ihre Vertragspflicht, die Klägerin umfassend steuerlich zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten (BGH, Urt. v. 7. November 1991 – IX ZR 288/90, WM 1992, 238, 239; v. 7. Mai 1992 – IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1112; v. 3. Juni 1993 – IX ZR 173/92, NJW 1993, 2799, 2800), fahrlässig verletzt.
a) Danach hätte die Beklagte zu 1), die als Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist (§ 3 StBerG, §§ 1, 2 Abs. 2 WPO), die Klägerin nicht erst Ende des Jahres 1983, sondern schon vor dem Jahre 1982 darüber belehren können und müssen, daß sie, nachdem sie auf die Steuerbefreiung für Umsätze aus der Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 a UStG) verzichtet und damit den Vorsteuerabzug eröffnet hatte (§§ 9, 15 Abs. 2 UStG; vgl. Buntjes/Geist, Umsatzsteuergesetz 3. Aufl. § 9 Anm. 2), im eigenen Interesse den Pächtern Umsatzsteuer auf die Pachtnebenkosten zu berechnen habe (§§ 1, 10 Abs. 1 UStG). Nach dem Klagevortrag hat die Beklagte zu 1) diese vertragsgerechte Aufklärung fahrlässig unterlassen. Deshalb wurde die Klägerin mit der entsprechenden Umsatzsteuer für die Jahre 1982/83 belastet, ohne dafür einen Ausgleich durch die Pächter erhalten zu haben oder noch erhalten zu können; dieser wäre bei rechtzeitiger Beratung über eine Anpassung der Pachtverträge zu erreichen gewesen.
Da die Beklagten demgegenüber eine rechtzeitige Belehrung der Klägerin behauptet haben, sind insoweit tatsächliche Feststellungen erforderlich (Klägerin GA I 6 ff, 54, 122, 152 ff; Beklagte GA I 30 ff, 39, 143 ff).
b) Außerdem hat die Beklagte zu 1) ihre steuerliche Beratungspflicht nach dem Klagevortrag (GA I 58, 80 ff, 148) fahrlässig verletzt, weil sie, nachdem ihr die Umstellung der Pachtverträge seit dem Jahre 1984 bekannt geworden war, die Klägerin in der Folgezeit nicht auf die dieser unbekannte Möglichkeit hingewiesen hat, die Pächter nachträglich für 1982/83 über eine Vertragsänderung zur Zahlung der Umsatzsteuer auf Nebenkosten zu veranlassen. Eine entsprechende rückwirkende Erhöhung des Pachtentgelts hätte der Klägerin die Steuerbeträge verschafft, die sie an das Finanzamt abführen mußte (§ 17 UStG, §§ 172 ff AO; vgl. Buntjes/Geist aaO § 17 Anm. 3, 4, 6, 9, 16 ff; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz 10. Aufl. § 17 Rdnr. 28, 51 ff; Peter, Umsatzsteuer 1980 § 17 UStG Rdnr. 1 ff, 8 ff, 30, 33).
Demgegenüber haben die Beklagten behauptet, die Klägerin habe damals die Möglichkeit einer nachträglichen Berechnung der Umsatzsteuer auf Nebenkosten über eine rückwirkende Vertragsänderung gekannt (GA I 37 ff, 173). Dies ist rechtserheblich, weil bei Richtigkeit dieser Behauptung eine schadensursächliche Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) entfiele. Auch insoweit bedarf es noch tatsächlicher Feststellungen.
2. Die Klägerin hat – dies wurde bereits ausgeführt – weiterhin schlüssig dargelegt, daß die schuldhaften Pflichtverletzungen der Beklagten zu 1) den geltend gemachten Schaden ausgelöst haben, weil sie – die Klägerin – infolge der unterlassenen Beratung versäumt habe, über eine rechtzeitige Änderung der Pachtverträge Umsatzsteuer auf die Nebenkosten von den Pächtern zu erlangen.
Da die Beklagten bestritten haben, daß die Pächter einer Entrichtung von Umsatzsteuer auf Nebenkosten im Wege der Vertragsanpassung zugestimmt hätten (GA I 38), ist auch der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden streitig und aufzuklären.
Sollte die Beweisaufnahme ergeben, daß die Beklagte zu 1) die ihr vorgeworfene Pflichtverletzung begangen hat (§ 286 ZPO), so ist gemäß § 287 ZPO festzustellen, wie sich die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des steuerlichen Beraters entwickelt hätten.
II.
Die Klage kann entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht abgewiesen werden mit der Begründung, die Klägerin habe eine Pflicht zur Schadensminderung verletzt (§ 254 Abs. 2 BGB), weil sie, nachdem sie im Jahre 1989 von ihrer Pflicht zur Nachzahlung der Umsatzsteuer auf Nebenkosten der Jahre 1982/83 erfahren gehabt habe, den Pächtern entsprechende Umsatzsteuer nicht nachberechnet habe. Ein solches Mitverschulden der Klägerin, das von den Beklagten darzulegen und zu beweisen ist (vgl. BGHZ 91, 243, 260), steht bisher nicht fest.
Eine Nachberechnung der Umsatzsteuer war nur möglich gegenüber den Pächtern, deren Vertragsverhältnis zur Klägerin in den Jahren 1982/83 noch im Jahre 1989 bestand. Dies galt nach dem unwiderlegten Vorbringen der Klägerin nur für 36 der 186 Pächter in den Jahren 1982/83 und hätte schon deswegen nur zu einem Ausgleich von 31.079,79 DM führen können (GA I 84 ff, 149 ff).
Außerdem hätte eine Nachberechnung der Umsatzsteuer nach dem Klagevortrag eine einvernehmliche Änderung der Pachtverträge vorausgesetzt, der die Pächter nach der Behauptung der Beklagten nicht zugestimmt hätten (GA I 38).
Sollte das – von der Klägerin bestrittene – Vorbringen der Beklagten richtig sein, schon die in den Jahren 1982/83 geltenden Pachtverträge hätten zur Nachforderung der Umsatzsteuer auf Nebenkosten berechtigt (GA I 142), so wäre entgegen der Ansicht des Landgerichts der Klägerin kein Mitverschulden vorzuwerfen, wenn sie mangels Beratung nicht gewußt hat, daß sie im eigenen Interesse Umsatzsteuer auf Nebenkosten zu berechnen hatte. Außerdem entfällt ein Mitverschulden, soweit Ansprüche auf rückständigen Pachtzins – gemäß dem Klagevortrag (GA I 85, 151) – im Jahre 1989 bereits verjährt waren (§§ 197, 201 BGB) und die Klägerin deswegen von Prozessen mit zweifelhafter Erfolgsaussicht abgesehen hat (vgl. BGH, Urt. v. 9. Dezember 1965 – II ZR 177/63, VersR 1966, 340, 341).
C.
Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Zur Nachholung der erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen muß die Sache unter Aufhebung des Urteils zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).
Fundstellen