Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Tenor
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 20. Dezember 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revisionen, die sie auf die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts stützen.
Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen waren der Angeklagte, der frühere Mitangeklagte R. und das spätere Tatopfer M. in Rauschgiftgeschäfte verstrickt. Am 29. Juni 1998 trafen sich die Beteiligten, wobei der Angeklagte eine geladene Selbstladepistole Kaliber 7,65 mm nebst einem bestückten Ersatzmagazin mit sich führte, in der Nähe von Re. (Luxemburg) zur Übergabe und Einfuhr von Kokain nach Deutschland. Später hielten die Beteiligten in einer Parkbucht an und im PKW des M. redeten dieser und R. miteinander. Anschließend stieg der Angeklagte dann statt R. in den PKW des M., setzte sich auf den Fahrersitz und sprach diesen auf weitere gemeinsame Betäubungsmittelgeschäfte an. Dieser erklärte ihm, er werde für seine heutigen hilfreichen Bemühungen mit einem Geschenk entlohnt, an künftigen Geschäften werde er aber ihn nicht mehr teilhaben lassen. Durch diese Äußerung geriet der Angeklagte in Wut. Er fühlte sich, da er nach Meinung M. s der Teilnahme an künftigen Geschäften nicht würdig sei, ausgenutzt und lediglich mit einem Handgeld abgespeist. In seiner Wut zog er die Pistole und feuerte zunächst vom Fahrersitz aus und dann, während er aus dem Auto stieg, gezielt auf den Kopf und Halsbereich des neben ihm sitzenden M.. Nachdem er das Magazin der Waffe leer geschossen hatte, lud er diese sofort mit dem weiteren mitgeführten Magazin neu auf und schoß neben der geöffneten Fahrertür stehend von außen weiter in Richtung M. s, der an den Folgen der Schüsse verstarb.
Das Landgericht wertet das Verhalten des Angeklagten als Totschlag (§ 212 StGB) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Waffe (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
Die Beschwerdeführer erstreben die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes.
2. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Schwurgerichtskammer den Sachverhalt rechtlich nicht vollständig gewürdigt hat.
Nach den Feststellungen drängte sich nämlich die Erörterung auf, ob das Vorgehen des Angeklagten die Voraussetzungen heimtückischen Verhaltens im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB erfüllte. Denn dieser hat auf den ahnungslosen und wehrlosen M. ohne jegliche Vorwarnung und ohne ein – vorangegangenes – Zeichen feindlicher Gesinnung auf Grund einer plötzlich aufsteigenden Wut geschossen. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewußt zur Tötung ausnutzt. Arglos ist, wer sich keines Angriffs seitens des Täters auf seine körperliche Integrität versieht. Wesentlich ist, daß der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 32, 382, 384; 39, 353, 368; Senatsurteil NStZ-RR 1997, 168). Heimtückisches Handeln erfordert kein „heimliches” Vorgehen. Auch ein offener Angriff kann die Voraussetzungen erfüllen, wenn er so überraschend erfolgt, daß eine Gegenwehr unmöglich gemacht wird (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3 und 16). Eine nur feindselige Atmosphäre schließt Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16; Senatsurteil NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ 1999, 506, 507).
Nach den Feststellungen war sich das Tatopfer, als es dem Angeklagten mitteilte, es werde ihn in Zukunft nicht mehr an Betäubungsmittelgeschäften beteiligen, keiner Gefahr für Leib oder Leben bewußt.
Daß dem Angeklagten die Tatsachen bekannt waren, die es rechtfertigen könnten, sein Tun als heimtückisches Vorgehen einzuordnen, und daß er diese Situation für sein Vorgehen ausnutzen wollte (vgl. BGHSt 6, 120 f; 11, 139, 144; BGH NStZ 1985, 216; 1987, 173; 554, 555; BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 1, 2, 9 und 11), erscheint angesichts der Feststellungen der Strafkammer zum Tatgeschehen naheliegend.
Da der Tatrichter das Mordmerkmal der Heimtücke nicht erörtert hat, muß die Sache nochmals verhandelt werden.
3. Im Hinblick auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts weist der Senat auf folgendes hin:
Zwischen dem Tötungsdelikt und dem Verbrechen nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG liegt Tateinheit vor, da sich in der Tötungshandlung die Gefährlichkeit des Mitführens von Waffen bei Betäubungsmittelgeschäften, die der Grund der verschärften Strafdrohung des § 30 a Abs. 2 BtMG ist (vgl. Urteil des Senats vom heutigen Tage – 2 StR 437/00), realisiert hat.
Unterschriften
Jähnke, Detter, Bode, Rothfuß, Fischer
Fundstellen