Leitsatz (amtlich)
a) Zur Nichtigerklärung einer 1946 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geschlossenen bigamischen Ehe.
b) Zur Frage des öffentlichen Interesses der Staatsanwaltschaft an der Durchführung der Nichtigkeitsklage gegen den gutgläubigen zweiten Ehegatten.
Normenkette
EheG §§ 5, 20 (a.F. vor dem 1. Juli 1998); EGBGB Art. 226 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Greifswald |
OLG Rostock |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Familiensenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. September 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Staatsanwaltschaft Stralsund klagt auf Nichtigerklärung der Ehe zwischen der Beklagten und Kurt S..
Dieser hatte am 17. Juli 1937 vor dem Standesamt Johanngeorgenstadt seine erste Ehefrau, Hanni Lotte F., geheiratet. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor. Nach Kriegsende kehrte er nicht zu ihr zurück. Am 21. September 1946 heiratete er vor dem Standesamt in Gützkow, Kreis Greifswald, seine zweite Ehefrau, die Beklagte. Im Aufgebotsverfahren versicherte er an Eides Statt, nicht verheiratet zu sein. Aus dieser zweiten Ehe gingen vier Kinder hervor.
Auf Antrag seiner ersten Ehefrau wurde er durch seit 17. September 1952 rechtskräftigen Beschluß des Kreisgerichts Johanngeorgenstadt mit Wirkung vom 31. Dezember 1951 für tot erklärt. Danach heiratete seine erste Ehefrau am 24. Januar 1953 erneut, wurde aber am 23. Oktober 1956 wieder geschieden.
Kurt S. verstarb am 2. September 1985. Seine erste Ehefrau bezog vom Versorgungsamt eine Witwenversorgung nach Kurt S., deren Zahlung aber nach Bekanntwerden des Sachverhalts eingestellt wurde. Die Beklagte bezog aus den Rentenanwartschaften des Kurt S. eine Hinterbliebenenrente, die nunmehr nach dem Vorschlag des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers nach dem Verhältnis der jeweils verbrachten Ehejahre zwischen den beiden Frauen aufgeteilt werden soll.
Das Amtsgericht hat dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die am 21. September 1946 geschlossene zweite Ehe des Kurt S. mit der Beklagten für nichtig zu erklären, stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre zugelassene Revision, mit der sie die Abweisung der Nichtigkeitsklage weiterbegehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat die Ehe der Beklagten mit Kurt S. gemäß §§ 5, 20 Abs. 1 EheG in der Fassung vor der Neufassung durch das Eheschließungsrechtsgesetz vom 4. Mai 1998 für nichtig erklärt, weil Kurt S. zum Zeitpunkt der Eheschließung 1946 noch rechtsgültig mit seiner ersten Ehefrau verheiratet gewesen sei. Es hat dazu ausgeführt, daß auch die rechtskräftige Todeserklärung des Kurt S. 1952 und die anschließende Wiederheirat seiner ersten Ehefrau 1953 nicht zu einer rückwirkenden Heilung seiner zweiten Ehe haben führen können, weil die bigamisch geschlossene Ehe nichtig bleibe, auch wenn die erste Ehe später durch Tod, Scheidung oder ähnliches aufgelöst werde.
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision greifen im Ergebnis nicht durch.
a) Zutreffend und von der Revision insoweit auch nicht beanstandet ist, daß nach der Übergangsregelung des Art. 15 des zum 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998 (BGBl. I S. 833) für die bereits vor dem 1. Juli 1998 erhobene Nichtigkeitsklage weiterhin das bis zu diesem Zeitpunkt geltende materielle Recht sowie das Verfahrensrecht anzuwenden ist (Art. 226 Abs. 2 EGBGB). Die Neuregelung der §§ 1306, 1313, 1314 Abs. 1 BGB, nach der eine Doppelehe nicht mehr nichtig, sondern nur aufhebbar und die Antragsberechtigung der Staatsanwaltschaft entfallen ist, ist somit auf vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
b) Die Revision rügt allerdings zu Recht, daß das Oberlandesgericht die Nichtigkeit der 1946 im damaligen Gebiet der sowjetischen Besatzungszone geschlossenen Doppelehe lediglich nach dem bundesdeutschen Recht (§§ 5, 20 EheG in der Fassung vor 1998) beurteilt hat. Das ist rechtsfehlerhaft, führt indessen nicht zu einer anderen Entscheidung. Nach Anlage I Kap. III Sachgebiet B Abschnitt III Nr. 11 a des Einigungsvertrages gelten die §§ 1 bis 21 EheG nicht für Ehen, die – wie hier die Ehe der Beklagten – vor dem Wirksamwerden des Beitritts (3. Oktober 1990) geschlossen wurden. Die Wirksamkeit solcher Ehen bestimmt sich nach dem bisherigen Recht. Die Bestimmung verweist somit auf das zum Zeitpunkt und am Ort der Eheschließung geltende Recht. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Staatswesen der ehemaligen DDR noch nicht, so daß es auf dessen spätere Gesetze nicht ankommt. Maßgebend für die Beurteilung der Nichtigkeit der 1946 geschlossenen zweiten Ehe des Kurt S. ist vielmehr das Ehegesetz in der Fassung des Kontrollratsgesetzes Nr. 16 vom 20. Februar 1946 (KRABl. S. 77 und 294), welches seit 1. März 1946 in allen vier Besatzungszonen und in Berlin galt (vgl. MünchKomm/Müller-Gindullis 3. Aufl. BGB EheG vor § 1 Rdn. 3 und 4; BGB RGRK/Wüstenberg 10./11. Aufl. EheG Einleitung Anm. 7). Dieses Kontrollratsgesetz ließ das Ehegesetz von 1938 – bereinigt um nationalsozialistisches Unrecht – im wesentlichen inhaltlich weitergelten, mithin auch die §§ 5, 20 EheG mit dem Nichtigkeitsgrund der Doppelehe. Danach war die am 21. September 1946 geschlossene Ehe des Kurt S. mit der Beklagten nichtig, weil er zu dieser Zeit noch in gültiger Ehe mit seiner ersten Ehefrau lebte. Nichts anderes ergäbe sich im übrigen, wenn es auf die späteren Rechtsvorschriften der ehemaligen DDR ankäme. Die Nichtigkeit einer Doppelehe ergab sich sowohl nach §§ 3 Nr. 1, 6 Abs. 1 der Verordnung über Eheschließung und Eheauflösung vom 24. November 1955 (GBl-DDR I S. 849 f.), die auf dem Gebiet der DDR das Kontrollratsgesetz Nr. 16 ablöste, als auch nach §§ 8 Nr. 1, 35 Abs. 1 des Familiengesetzbuches der DDR vom 20. Dezember 1965, das am 1. April 1966 in Kraft trat und bis zum Beitritt galt (GBl-DDR I 1966, S. 1 ff.).
c) Eine rückwirkende Heilung der bigamisch geschlossenen zweiten Ehe des Kurt S. durch seine Todeserklärung und die Wiederheirat der ersten Ehefrau hat das Oberlandesgericht zu Recht verneint. Zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Todeserklärung 1952 und der Wiederheirat der ersten Ehefrau 1953 galt in der 1949 gegründeten ehemaligen DDR bis zum 24. November 1955 (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Eheschließungsverordnung) ebenfalls noch das Ehegesetz in der Fassung des Kontrollratsgesetzes Nr. 16. Nach § 38 EheG wurde zugunsten des gutgläubigen Ehegatten, der seinen anderen Ehegatten für tot hat erklären lassen und im Vertrauen auf die Richtigkeit der Todeserklärung eine neue Ehe eingegangen ist, seine frühere Ehe mit Schließung der neuen Ehe aufgelöst (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EheG). Das Gesetz wollte ihn davor schützen, daß seine zweite Ehe deshalb nichtig ist, weil der für tot Erklärte tatsächlich noch lebt. Nach Wortlaut und Zweck diente diese Sonderregelung nur dem Schutz desjenigen gutgläubigen Ehegatten, der auf die durch die amtliche Todeserklärung begründete Vermutung des Todes seines bisherigen Ehegatten vertraute, sich für verwitwet halten durfte und daher eine neue Ehe einging. Eine analoge Anwendung dieser Regelung auf den für tot erklärten Ehegatten, der in Kenntnis seiner ersten Ehe eine neue Ehe schließt, verbietet sich aus dem Ausnahmecharakter der Bestimmung (Senatsurteil vom 27. Oktober 1993 – XII ZR 140/92 – FamRZ 1994, 498, 499).
Zwar wirkte die Auflösung der ersten Ehe, die aufgrund der Wiederheirat des die Todeserklärung betreibenden Ehegatten eintrat, auch zugunsten des für tot Erklärten; denn er unterlag von diesem Zeitpunkt an für eine neue Eheschließung nicht mehr dem Verbot der Doppelehe, da auch für ihn eine solche nicht mehr existierte (Senatsurteil aaO S. 498). Das besagt aber andererseits nicht, daß eine von ihm schon zuvor bigamisch geschlossene Ehe geheilt wurde, und zwar weder ex tunc noch ex nunc. Denn die Regelung des § 38 EheG beruhte auf der Wertvorstellung, daß bereits in der Eingehung der Doppelehe ein mindestens objektiver Verstoß lag, der die zweite Ehe mit einem dauernden, grundsätzlich unheilbaren Mangel behaftete. Dieser Mangel sollte nicht durch Auflösung der ersten Ehe (sei es durch Scheidung, Tod oder Auflösung nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EheG) geheilt werden können, selbst wenn dadurch der Zustand der Doppelehe beseitigt wurde (BGHZ 37, 51, 55, 56; BGH, Urteil vom 22. April 1964 – IV ZR 189/63 – FamRZ 1964, 418, 419). Die von der Revision dagegen vorgetragenen Gründe geben dem Senat keine Veranlassung, für den vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
2. Trotz Vorliegens der Nichtigkeit kann im Einzelfall die Erhebung der Nichtigkeitsklage durch die – hier allein antragsberechtigte (§ 24 Abs. 1 Satz 2 EheG, §§ 631, 632 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.) – Staatsanwaltschaft objektiv rechtsmißbräuchlich und damit unzulässig sein, wenn bei verantwortlicher Würdigung der durch die Doppelehe geschaffenen Umstände und der Belange der Beklagten dem öffentlichen Interesse an der Nichtigerklärung der Ehe kein wesentliches Gewicht mehr beigemessen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1975 – IV ZR 33/74 – FamRZ 1975, 332, 333). Das Oberlandesgericht hat ein solches öffentliches Interesse hier indes zu Recht bejaht. Es hat ausgeführt, daß weder der Umstand, daß die erste Ehe des Kurt S. durch die Wiederheirat seiner ersten Ehefrau nach seiner Todeserklärung aufgelöst, noch die Tatsache, daß auch seine zweite Ehe mit der Beklagen mittlerweile durch seinen Tod beendet worden sei, das öffentliche Interesse an der Nichtigkeit der Ehe entfallen lasse. Denn die Nichtigkeitsklage verfolge nicht allein den Zweck, durch Auflösung der zweiten bigamischen Ehe die erste Ehe wieder herzustellen, sondern auch das Ziel, den Grundsatz der Einehe durchzusetzen. Dabei komme nur der wirksam zustande gekommenen Erstehe der Schutz des Art. 6 GG zu. Auch die lange Dauer der Zweitehe von 39 Jahren, aus der vier Kinder hervorgegangen seien, rechtfertige keine andere Beurteilung, zumal auch die erste Ehe mit ca. 15 1/2 Jahren, in der die Ehegatten zumindest rund 6 Jahre zusammengelebt hätten und aus der drei Kinder hervorgegangen seien, nicht als kurz bezeichnet werden könne. Ein besonderes öffentliches Interesse folge schließlich aus der notwendigen Klärung der vermögens-, renten- und versorgungsrechtlichen Verhältnisse, die durch die Doppelehe entstanden seien. Hierfür sei entscheidend, ob die zweite Ehe des Kurt S. von Bestand sei oder nicht, da für die Rentenversicherungsträger die Berechnung der Rentenansprüche der beiden Ehefrauen aus der Hinterbliebenenrente des Kurt S. auf einer sicheren rechtlichen Grundlage erfolgen müsse. Die bei Eingehung der Ehe gutgläubige Beklagte werde hierdurch nicht unangemessen benachteiligt, weil sie gemäß §§ 26 EheG, 1587 ff. BGB durch den durchzuführenden Versorgungsausgleich an den Rentenanwartschaften des Kurt S. weiter teilhabe.
Die Revision hebt demgegenüber im wesentlichen darauf ab, daß zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage sowohl die erste als auch die zweite Ehe bereits aufgelöst waren, so daß die Nichtigkeitsklage weder dazu dienen könne, den Fortbestand der ersten Ehe rechtlich zu dokumentieren, noch dazu, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Zustand der Doppelehe zu beseitigen. Die gutgläubige, nunmehr über 80-jährige Beklagte treffe die Nichtigerklärung besonders hart, da sie wegen des Todes des Kurt S. nicht mehr die Möglichkeit habe, mit ihm – erneut – eine nunmehr gültige Ehe zu schließen. Auch der lange Bestand der Ehe und der Umstand, daß aus ihr vier Kinder stammen, ließen den Makel der Doppelehe zurücktreten.
3. Der Revision ist einzuräumen, daß der vorliegende Sachverhalt sich von den bisherigen Fällen, in denen der Bundesgerichtshof über eine Nichtigkeitsklage der Staatsanwaltschaft zu befinden hatte, insofern unterscheidet, als dort die ersten Ehen zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage noch Bestand hatten und zum Teil erst danach durch Scheidung aufgelöst wurden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1975 aaO S. 332; Senatsurteil vom 18. Juni 1986 – IVb ZR 41/85 – FamRZ 1986 S. 879 f.; Senatsurteil vom 27. Oktober 1993 aaO), während hier die erste Ehe bereits durch die 1953 erfolgte Wiederheirat der ersten Ehefrau nach Todeserklärung (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EheG) und die zweite Ehe 1985 durch den Tod des Kurt S. aufgelöst war. Von Teilen der Literatur und Rechtsprechung wird ein öffentliches Interesse dann verneint, wenn die erste Ehe nach Schließung der zweiten Ehe rechtskräftig geschieden wird oder der bigamische Ehegatte verstorben ist, so daß die zweite Ehe nicht erneut geschlossen werden kann und die Nichtigerklärung dazu führt, daß der zweite überlebende Ehegatte erhebliche finanzielle Nachteile erleidet (vgl. OLG Karlsruhe IPrax 1986, 166, 167; MünchKomm ZPO/Walter 1. Aufl. § 631 a.F. Rdn. 5; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 21. Aufl. § 632 a.F. Rdn. 2 und 4; Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber Eherecht 2. Aufl. § 632 a.F. ZPO Rdn. 5). Der Senat vermag dem indessen für den vorliegenden Fall nicht zu folgen.
Zwar währte der Zustand der Doppelehe nur von September 1946 bis zur Wiederheirat der ersten Ehefrau Anfang 1953, also rund sechs Jahre. Wie der Senat aber in den genannten Entscheidungen dargelegt hat, geht es bei der Nichtigkeitsklage nicht nur darum, den noch andauernden Zustand einer Doppelehe zu beseitigen – ein solches Ziel könnte hier in der Tat nicht mehr erreicht werden –, sondern auch darum, den Akt der Eingehung der Doppelehe für nichtig zu erklären, um den Grundsatz der Einehe zu wahren und den vorrangig der Erstehe zukommenden verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 GG zu verwirklichen (Senatsurteil vom 18. Juni 1986 aaO S. 880). Zwar enthält das neue Eheschließungsrecht gegenüber dem alten Recht insoweit ein gewandeltes Rechtsverständnis, als seit dem 1. Juli 1998 eine Doppelehe nur noch der Aufhebung ex nunc, und zwar unter eingeschränkten Voraussetzungen, unterliegt (§§ 1313, 1314, 1316 Abs. 3 BGB) und ein Aufhebungsantrag nicht mehr gestellt werden kann, wenn die Ehe bereits aufgelöst ist (§ 1317 Abs. 3 BGB). Für die Ermessensausübung des Staatsanwalts, der gemäß der Überleitungsvorschrift des Art. 226 Abs. 2 EGBGB das Verfahren auf Nichtigerklärung der Ehe weiterbetreibt, bedeutet dies indes noch nicht, daß nunmehr das öffentliche Interesse entfällt und die Klage als rechtsmißbräuchlich anzusehen ist.
Der bloße Zeitablauf seit Eingehung der bigamisch geschlossenen Ehe reicht regelmäßig nicht aus, um der Aufrechterhaltung der bigamischen Ehe den Vorrang vor der wirksam zustande gekommenen Erstehe zuzubilligen. Im übrigen steht, wie das Oberlandesgericht zutreffend hervorgehoben hat, der 39-jährigen Ehe der Beklagten mit Kurt S. immerhin die nicht als kurz zu bewertende 15 1/2-jährige erste Ehe gegenüber, aus der ebenfalls mehrere Kinder hervorgegangen sind (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 1993 aaO S. 499).
Das öffentliche Interesse an der Nichtigkeitsklage rechtfertigt sich hier aber vor allem aus der notwendigen verbindlichen Klärung der vermögens-, insbesondere renten- und versorgungsrechtlichen Rechtsverhältnisse der Beteiligten (Senatsurteile vom 18. Juni 1986 und vom 27. Oktober 1993 jeweils aaO). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts bezog die 1910 geborene erste Ehefrau vom Versorgungsamt der Stadt Ch. auf ihren Antrag vom Februar 1995 eine Witwenversorgung nach Kurt S., deren Zahlung aber im April 1996 im Hinblick auf den bekannt gewordenen Sachverhalt der Doppelehe zunächst eingestellt wurde. Auch die 1918 geborene Beklagte bezog nach dem Tod des Kurt S. 1985 Witwenrente, die nach einer vorläufigen Berechnung der Landesversicherungsanstalt nunmehr im Verhältnis der jeweiligen Ehejahre unter den beiden Witwen aufgeteilt werden soll. Ob und in welcher Höhe die erste Ehefrau und die Beklagte eine Hinterbliebenenversorgung beziehen können, hängt von der Feststellung der Nichtigkeit der zweiten Ehe ab. Im Falle der Nichtigkeit würde zwar ein Anspruch der Beklagten auf Hinterbliebenenversorgung entfallen. Sie hätte aber gegebenenfalls gemäß §§ 26 i.V.m. 20 EheG einen Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß §§ 1587 ff. BGB, den sie – auch nach dem Tod des Kurt S. – gegen dessen Erben geltend machen kann (§ 1587 e Abs. 4 BGB). Er beläuft sich der Höhe nach auf die hälftige Differenz der beiderseits in der gesamten Ehezeit von 1946 bis 1985 erworbenen Versorgungsanwartschaften (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Dezember 1981 – IVb ZB 569/80 – FamRZ 1982, 475 ff.). Daher stehen ihre Belange dem auf der anderen Seite gegebenen Interesse an der Klärung der rentenrechtlichen Fragen – auch im Hinblick auf die versorgungsrechtliche Situation der ersten Ehefrau – nicht in einer solchen Weise entgegen, daß die Nichtigkeitsklage der Staatsanwaltschaft als rechtsmißbräuchlich angesehen werden könnte.
Unterschriften
Blumenröhr, Hahne, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.01.2001 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547377 |
NJW 2001, 2394 |
BGHR 2001, 286 |
FamRZ 2001, 685 |
FuR 2001, 363 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2001, 280 |
MDR 2001, 818 |
NJ 2001, 375 |
StAZ 2001, 209 |