Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe zum Mord
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 6. April 2001 in dem ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten sowie die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin Irmgard P. werden verworfen.
3. Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft. Von den durch diese Revisionen entstandenen gerichtlichen Auslagen trägt die Nebenklägerin die Hälfte; die andere Hälfte und die durch die beiden Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Mitangeklagten O., dessen Revision bereits verworfen wurde, wegen Mordes (aus niedrigen Beweggründen) in Tateinheit mit Freiheitsberaubung mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe, den Angeklagten B. wegen Beihilfe hierzu zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen die Verurteilung des Angeklagten B. haben der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin Revision eingelegt. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, und das Rechtsmittel der Nebenklägerin, mit denen jeweils sachlich-rechtlich beanstandet wird, daß die Strafkammer den Angeklagten lediglich als Gehilfen und nicht als Mittäter verurteilt hat, bleiben dagegen ohne Erfolg.
I. Die Feststellungen des Landgerichts:
Am Tattag erkannte der Mitangeklagte O., als er das Taxi des späteren Tatopfers Walter P. bestieg, diesen als denjenigen Taxifahrer wieder, den er bereits vor einigen Wochen um den Fahrpreis geprellt hatte. Auch Walter P. hatte O. wiedererkannt. Als O. am Fahrtziel erneut unter dem Vorwand, Geld für die Fahrtkosten aus seiner Wohnung holen zu wollen, das Taxi verlassen wollte, bedrängte ihn Walter P. massiv, sofort sowohl die neu angefallenen als auch die früheren Fahrtkosten zu begleichen. O. beschloß daraufhin, Walter P. zu töten, weil er die Taxifahrt nicht bezahlen, nicht identifiziert und wegen seines früheren Fehlverhaltens nicht zur Rechenschaft gezogen werden wollte. Er zwang den Taxifahrer unter Vorhalt einer mitgeführten Schreckschußpistole mit in seine Wohnung zu gehen, wo sich der Angeklagte B. aufhielt. Auf Aufforderung des O. fesselte der Angeklagte den Walter P. mit einem Antennenkabel, nachdem O. sinngemäß geäußert hatte, der Taxifahrer habe ihn zum Zahlen zwingen wollen und wisse jetzt, wo er wohne. Deswegen „müsse er ‚weg’”. Dem Angeklagten war klar, daß O. dem Taxifahrer „etwas antun wollte”. Anschließend zwang O. den gefesselten Walter P. unter Verwendung der Schreckschußpistole, in sein Taxi einzusteigen und fuhr mit ihm in Begleitung des Angeklagten B. zu einem Waldweg. Dort zerrte er Walter P. aus dem Taxi, löste die Handfessel, warf ihn auf den Boden und erdrosselte den sich heftig Wehrenden mit dem Antennenkabel. Der Angeklagte B. stand während dieses Vorgangs neben O. und dem Tatopfer. Er half O. die Leiche in den Kofferraum des Taxis zu legen. Das in einer Tasche in der Fahrertür aufbewahrte Wechselgeld des Walter P. teilten sich die Angeklagten auf, wobei die Kammer nicht ausschließen konnte, daß der Entschluß zur Wegnahme des Geldes erst nach der Tötung des Taxifahrers von den Angeklagten gefaßt wurde. Anschließend fuhren beide auf Vorschlag des O. zu einer Tankstelle, wo sie u.a. einen mit Benzin gefüllten Kanister erwarben. Im Beisein des Angeklagten B. übergoß O. sodann auf einem abgelegenen Waldweg das Taxi mit Benzin und zündete es an, um die Spuren der Tat zu beseitigen.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin
Der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Mord und zur Freiheitsberaubung mit Todesfolge weist keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, daß sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (vgl. BGHSt 37, 289, 291). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH StV 1998, 540; NJW 1997, 3385, 3387).
Die Wertung der Tatbeteiligung des Angeklagten B. als Beihilfe und nicht als Mittäterschaft hält sich im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums. Nach den Feststellungen hat der Mitangeklagte O. bereits beim Verlassen des Taxis allein und aus ausschließlich eigennützigen Motiven den Entschluß zur Tötung des Walter P. gefaßt. Er ist in der Folgezeit auch durchweg der dominierende Partner gewesen, hat das weitere Vorgehen bestimmt und die Tötungshandlung selbst ausgeführt. Dagegen hat der Angeklagte das Ob und Wie des tatbestandsmäßigen Geschehens weder beherrscht noch bestimmend beeinflußt. Bei seinen maßgeblichen Tathandlungen – z.B. beim Fesseln des Opfers mit dem Antennenkabel – ist er den Anweisungen des Mitangeklagten gefolgt. Auch hat die Kammer ein eigenes, zur Tat drängendes Interesse des Angeklagten, etwa aufgrund eines früheren, möglicherweise gemeinsam mit dem Mitangeklagten zum Nachteil des Walter P. begangenen, nunmehr zu verdeckenden Fahrgeldbetrugs, gerade nicht festzustellen vermocht. Wenn das Tatgericht im Hinblick auf diese sehr gewichtigen Umstände (vgl. BGHSt 28, 346, 348 f.) bei seiner Abwägung zu dem Ergebnis gelangt ist, die Tatbeiträge des Angeklagten seien nur als die eines Gehilfen zu bewerten, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Angeklagten nach der Tötung des Walter P. das im Taxi aufgefundene Wechselgeld an sich genommen und geteilt haben. Nach den Feststellungen ist nämlich nicht auszuschließen, daß die Angeklagten den Entschluß zur Wegnahme des Geldes erst nach der Tötung des Walter P. gefaßt haben.
III. Die Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Schwurgericht ist beim Angeklagten B. bei Bemessung der Strafe von dem nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB von drei bis 15 Jahren ausgegangen. Es hat dabei übersehen, daß bei dem Angeklagten daneben auch der zwingende Milderungsgrund des § 28 Abs. 1 StGB Anwendung findet. Der Angeklagte wußte nach den Feststellungen des Landgerichts zwar, aus welchen Gründen O. den Taxifahrer töten wollte, handelte aber selbst nicht aus den Beweggründen, die O. zur Tat veranlaßt haben. Bei ihm fehlen deshalb die besonderen persönlichen Merkmale, die bei O. die Tötung Walter P. s zum Mord machten. Niedrige Beweggründe, von deren Vorliegen das Landgericht bei O. ausgeht, sind ebenso wie die nach den Feststellungen zusätzlich in Betracht kommende Verdeckungsabsicht täterbezogene Merkmale, welche die Strafbarkeit begründen (vgl. BGHSt 22, 375, 378; BGH StV 1984, 69). Anhaltspunkte dafür, daß – wie der Generalbundesanwalt meint – der Angeklagte selbst die Absicht hatte, den Fahrgeldbetrug des O. zu verdecken (vgl. BGHSt 9, 180), liegen nicht vor.
Zwar erscheint die verhängte Strafe auch bei doppelter Strafrahmenverschiebung nicht überhöht; jedoch vermag der Senat nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, daß das Landgericht bei richtiger Strafrahmenwahl eine niedrigere Strafe festgesetzt hätte.
Danach hat der Strafausspruch keinen Bestand. Einer Aufhebung der insoweit getroffenen Feststellungen bedarf es nicht, weil lediglich die Strafe aus einem anderen Strafrahmen zu entnehmen ist.
Unterschriften
Tepperwien, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 676267 |
StV 2003, 26 |