Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragungslast an einem zum früheren Reichsvermögen gehörenden Grundstück
Leitsatz (amtlich)
a) Die Frage, wer zwischen dem 3. Oktober 1990 und der „grundbuchklaren” Feststellung der Eigentumsverhältnisse an einem zum früheren Reichsvermögen gehörenden Grundstück die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat und wem die gezogenen Nutzungen zustehen, beantwortet sich nach § 16 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 4 VZOG i.d.F. des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes. Dies gilt unabhängig davon, ob zur Klärung der Eigentumsverhältnisse ein Vermögenszuordnungsverfahren durchgeführt wurde und ob die Klärung vor oder nach dem Inkrafttreten des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes erfolgte.
b) Das gesetzliche (restitutionsähnliche) Schuldverhältnis im Sinne des § 16 VZOG besteht zwischen dem Bund und dem (fiktiv) Verfügungsberechtigten. Soweit es bei der Bestimmung des Verfügungsberechtigten auf die Eigentümerstellung ankommt (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG), ist als Eigentümer diejenige Körperschaft oder Institution anzusehen, die das Eigentum nach Maßgabe der Art. 21, 22 EinigVtr erlangt hätte, wenn der Einigungsvertragsgesetzgeber nicht den vorrangigen (konstitutiven) Übergang von früherem Reichsvermögen auf den Bund angeordnet hätte.
Normenkette
EinigVtr. Art. 21 Abs. 3 Hs. 2, Art. 22 Abs. 1 S. 7; RegVBG Art. 16, 19 Abs. 6 S. 1, Art. 20; VZOG §§ 16, 11 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 22. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Rechtsvorgänger der Beklagten, der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin-P. B. (KWV), wurde 1953 durch „Generalverwaltungsauftrag” des Magistrats von Groß-Berlin mit der Verwaltung des Garagengrundstücks S. Straße/D.straße in Berlin-P. B. betraut. Als Eigentümer des Grundstücks war im Grundbuch das „Großdeutsche Reich (Reichsfinanzverwaltung)” eingetragen. Die Beklagte führte als Rechtsnachfolgerin des KWV die Grundstücksverwaltung auch nach dem 3. Oktober 1990 weiter. Am 10. Dezember 1993 wurde die klagende Bundesrepublik Deutschland (Bundesvermögensverwaltung) im Wege der Grundbuchberichtigung als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. Aufgrund einer entsprechenden Parteivereinbarung setzte die Beklagte ihre Verwaltertätigkeit bis zum 31. Mai 1995 fort.
Nach Beendigung ihrer Verwaltertätigkeit erstellte die Beklagte der Klägerin eine Abrechnung für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Mai 1995 und zahlte der Klägerin den sich hieraus ergebenden Überschußbetrag von 1.256,90 DM aus. Nachdem die Klägerin die Beklagte mehrfach vergeblich aufgefordert hatte, auch für die Zeit vom 10. Dezember 1993 bis zum 30. Juni 1994 eine Grundstücksabrechnung zu erstellen, hat die Klägerin im Wege der Stufenklage Rechenschaftslegung für diesen Verwaltungszeitraum und gegebenenfalls Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sowie Zahlung eines etwaigen – weiteren – Überschusses verlangt. Die Beklagte hat daraufhin eine Grundstücksabrechnung für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Mai 1995 vorgelegt und widerklagend Ausgleich des sich aus dieser Gesamtabrechnung ergebenden Verwaltungsdefizits von 37.846,72 DM begehrt.
Das Landgericht hat durch Teilurteil dem Begehren der Klägerin auf Rechenschaftslegung entsprochen. Die Widerklage hat es weitgehend abgewiesen; lediglich wegen eines sich nach der Berechnung des Landgerichts in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Mai 1995 unter Berücksichtigung des bereits ausgezahlten Betrags von 1.256,90 DM ergebenden Fehlbetrags von 1.225,26 DM hat es der Widerklage stattgegeben
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte Berufung und die Klägerin Anschlußberufung eingelegt. Im Berufungsverfahren haben die Parteien hinsichtlich der die Rechenschaftslegung und die Abgabe der Versicherung an Eides Statt gestellten Klageanträge den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit diese die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1994 betroffen haben. Bezüglich des noch im Streit befindlichen Abrechnungszeitraums vom 10. bis zum 31. Dezember 1993 ist die Berufung der Beklagten erfolglos geblieben. Hinsichtlich der Widerklage, die die Beklagte im Berufungsrechtszug nur noch in Höhe von 34.219,74 DM nebst Zinsen weiterverfolgt hat, hat das Kammergericht die Berufung der Beklagten weitgehend zurückgewiesen. Bezüglich eines Betrags von 3.722,77 DM hat es auf die Rechtsmittel beider Parteien das angefochtene Teilurteil aufgehoben und insoweit die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der – zugelassenen – Revision begehrt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage, soweit die Hauptsache noch nicht für erledigt erklärt worden ist. Den Zahlungsanspruch verfolgt sie nur insoweit weiter, als die Abweisung der Widerklage durch das Landgericht von Bestand geblieben ist, also in Höhe von 30.496,97 DM.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Anspruch auf Rechenschaftslegung für die insoweit noch im Streit befindliche Zeit vom 10. Dezember 1993, dem Zeitpunkt der Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks S. Straße/D.straße in das Grundbuch, bis zum 31. Dezember 1993 zugebilligt. Den widerklagend geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch der Beklagten nach § 670 BGB hat es nur für solche im Rahmen der Grundstücksverwaltung gemachten Aufwendungen für begründet erachtet, die in der Zeit vom 10. Dezember 1993 bis zum Mai 1995 getätigt worden sind. Hierbei hat es jeweils maßgeblich darauf abgestellt, daß die Klägerin nach § 16 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 4 des Vermögenszuordnungsgesetzes (VZOG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. März 1994 (BGBl. I S. 709) für die bis zur Grundbuchberichtigung entstandenen gewöhnlichen Erhaltungskosten des Vermögenswerts nicht aufzukommen habe. Dem ist zuzustimmen. Die von der Revision gegen die Anwendung und Auslegung der Bestimmungen des Vermögenszuordnungsgesetzes erhobenen Rügen greifen nicht durch.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß bei der Beantwortung der Frage, wer die bis zur Berichtigung des Grundbuchs entstandenen Betriebs- und gewöhnlichen Erhaltungskosten des Grundstücks zu tragen hat, § 11 VZOG heranzuziehen ist. Daß vorliegend ein förmliches Vermögenszuordnungsverfahren nach § 2 VZOG nicht stattgefunden hat, steht dem ebensowenig entgegen wie der Umstand, daß die Vorschriften über Inhalt und Umfang des Restitutionsanspruchs der öffentlichen Körperschaften (§§ 11 bis 16 VZOG) erst durch Art. 16 des nach seinem Art. 20 am 25. Dezember 1993 in Kraft getretenen Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes (RegVBG) vom 20. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2182, 2225) in das Vermögenszuordnungsgesetz eingefügt worden sind.
a) Die Frage, welches Glied der öffentlichen Hand, zu der insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände (Landkreise) gehören, mit dem Untergang der DDR am 3. Oktober 1990 Eigentümer der zum Staatsvermögen der ehemaligen DDR gehörenden Gegenstände (Volkseigentum) geworden ist, beantwortet sich im wesentlichen nach den Art. 21 und 22 des Einigungsvertrages (EV). Das Verwaltungsverfahren, in dem mit Rechtsverbindlichkeit eine grundbuchklare Feststellung der Eigentumsverhältnisse am ehemaligen Staatsvermögen der DDR herbeigeführt werden soll, ist hauptsächlicher Regelungsgegenstand des Vermögenszuordnungsgesetzes (Senatsurteil BGHZ 144, 100, 103). Ist der nach Durchführung eines solches Verfahrens ergangene – regelmäßig deklaratorische (Senatsurteil aaO S. 108) – Bescheid über den erfolgten Vermögensübergang bestandskräftig geworden, so hat das Grundbuchamt auf Ersuchen der zuständigen Stelle die im Bescheid als Grundstückseigentümer ausgewiesene Körperschaft als Eigentümer in das Grundbuch einzutragen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VZOG).
Vorliegend hat die Klägerin, wie mittelbar durch § 16 VZOG bestätigt wird, am 3. Oktober 1990 von Gesetzes wegen nach Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 Halbs. 2 EV das Eigentum an dem vor Übernahme in das Staatsvermögen der DDR dem Deutschen Reich gehörenden Grundstück erworben; eines besonderen (Rück-)Übertragungsaktes bedurfte es nicht (Senatsurteil aaO S. 103, 108 f). Die diesen Eigentumsverhältnissen entsprechende Grundbuchlage ist durch die am 10. Dezember 1993 im Wege der Grundbuchberichtigung erfolgte Umschreibung geschaffen worden. Dadurch ist, nachdem ersichtlich keine andere Körperschaft oder sonstige Stelle als Zuordnungsberechtigte ernsthaft in Frage gekommen war – auch die Beklagte hat die Richtigkeit der Eintragung der Klägerin als Eigentümerin in das Grundbuch nicht in Zweifel gezogen -, das Bedürfnis für die Durchführung eines förmlichen Vermögenszuordnungsverfahrens entfallen, das zu nichts anderem als der Herstellung eben dieser Grundbuchlage hätte führen können (vgl. Schmitt-Habersack/Dick, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 2 VZOG [Stand: November 1996] Rn. 5; Dick aaO § 3 VZOG Rn. 3).
Der Umstand, daß ein Zuordnungsverfahren nicht stattgefunden hat, ändert jedoch nichts an der Anwendbarkeit der materiellen Zuordnungsregeln. Die Beantwortung der Frage, wer zwischen dem 3. Oktober 1990 und der späteren „grundbuchklaren” Feststellung der Eigentumsverhältnisse die für den in Rede stehenden Vermögenswert aufgewendeten Betriebs- und Erhaltungskosten zu tragen hat, kann nicht davon abhängen, ob die Klärung der Eigentumsverhältnisse nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens erfolgt ist oder ob sie auf anderem Wege – wie hier durch die Berichtigung des Grundbuchs – zu erreichen war.
b) Einer sinngemäßen Anwendung der für die öffentliche Restitution geltenden materiellen Zuordnungsnormen steht vorliegend auch nicht entgegen, daß die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin in das Grundbuch schon vor dem Inkrafttreten des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes erfolgte.
Ein derartiges Gesetzesverständnis entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Dieser ist nämlich davon ausgegangen, daß der durch Art. 21 Abs. 3 Halbs. 2 und Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 Halbs. 2 EV angeordnete Übergang früheren Reichsvermögens auf den Bund „der Funktion nach” dem Rückübertragungsanspruch der Kommunen (vgl. Art. 21 Abs. 3 Halbs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 Halbs. 1 EV) entspreche und deshalb kein Grund ersichtlich sei, ihn anders zu behandeln als kommunale Restitutionsansprüche; dies sollte durch § 15 des Entwurfs (später § 16 des Gesetzes) zur Vermeidung von Mißverständnissen „ausdrücklich klargestellt” werden (BT-Drucks. 12/5553 S. 177; vgl. auch Brandenburgisches OLG, OLGR 1997, 262, 263; Fischer/Struppler, VIZ 1997, 80, 83).
aa) Die Überleitungsbestimmung des Art. 19 Abs. 6 Satz 1 RegVBG, wonach die geänderten bzw. neu eingefügten Bestimmungen des Vermögenszuordnungsgesetzes grundsätzlich nur auf Verfahren anzuwenden sind, in denen bei Inkrafttreten des Gesetzes noch keine bestandskräftige Entscheidung ergangen ist, ist entgegen der Auffassung der Revision schon deshalb nicht einschlägig, weil es vorliegend nicht um verfahrensrechtliche Aspekte, sondern allein um die Anwendbarkeit der materiellrechtlichen Zuordnungsbestimmungen geht.
bb) Selbst wenn der Beklagten, wie die Revision meint, durch die Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 4 VZOG ein ansonsten bestehender Kostenerstattungsanspruch genommen würde, so wäre dies von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Von Beginn an war zwischen Bund und Ländern umstritten, ob die das frühere Reichsvermögen betreffende und die Eigentumsfrage zugunsten des Bundes lösende Einigungsvertragsklausel als gesetzlicher Eigentumsübergang oder als Restitutionsanspruch anzusehen ist (vgl. hierzu Schmidt-Räntsch/Hiestand, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR – RVI -, § 16 VZOG [Stand: November 1994] Rn. 5; Schmidt-Leitschuh aaO Art. 21 EV [Stand: Oktober 1992] Rn. 39). Ein potentiell Zuordnungsbeteiligter konnte demnach nicht darauf vertrauen, daß bei der späteren Abwicklung eines das frühere Reichsvermögen betreffenden Zuordnungsverhältnisses nicht nach Restitutionsregeln verfahren wird. In den Restitutionsfällen verhält es sich aber sowohl nach der Grundkonzeption des Vermögensgesetzes (§§ 3 ff VermG) als auch der des Vermögenszuordnungsgesetzes so, daß die bis zur Rückübertragung gezogenen Nutzungen beim Verfügungsberechtigten (Restitutionsschuldner) verbleiben und dieser die bis dahin entstandenen gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat (Senatsurteile BGHZ 137, 183, 186 ff; 144, 100, 115 f).
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß Regelungsgegenstand der §§ 11 ff VZOG nur die im Restitutionswege oder nach Restitutionsregeln zu vollziehende Verteilung des ehemaligen Staatsvermögens der DDR auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Institutionen ist. Anders als im Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes besteht daher nicht die Gefahr einer nachträglichen Schmälerung bereits entstandener Entschädigungs- oder Rückgabeansprüche Privater (vgl. auch zur Rückwirkungsproblematik im Zuge der Einfügung und Änderung des § 7 Abs. 7 Satz 2 bis 4 VermG Senatsurteil vom 19. März 1998 – III ZR 145/97 – WM 1998, 1348, 1349 ff). Auch die Beklagte bzw. ihr Rechtsvorgänger hat, wie die Revision nicht verkennt, bis zum 10. Dezember 1993 das Grundstück nicht aufgrund eines von der Klägerin erteilten privatrechtlichen Auftrags oder Geschäftsbesorgungsvertrags und auch nicht als staatlicher Verwalter im Sinne des § 1 Abs. 4 VermG verwaltet. Ihre Beziehung zu dem Grundstück als Teil des früheren Staatsvermögens der DDR gründete allein darauf, daß ihr Rechtsvorgänger diejenige staatliche Wirtschaftseinheit war, der mit dem Generalverwaltungsauftrag von 1953 die Bewirtschaftung dieses staatlichen Vermögenswerts anvertraut worden war (vgl. den unveröffentlichten Senatsbeschluß vom 12. Februar 2001 – III ZR 168/00).
Im übrigen ist festzuhalten, daß sich die Anwendung der §§ 11 ff VZOG auf vor dem Inkrafttreten des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes liegende Zeiträume nicht nur zum Nachteil, sondern auch zum Vorteil desjenigen auswirken kann, der den zum früheren Reichsvermögen gehörenden Vermögenswert bewirtschaftet hat. Da der Pflicht, die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen, das Recht korrespondiert, die gezogenen Nutzungen zu behalten, braucht er, wenn sich die Verwaltung des Vermögenswerts nicht – wie hier – defizitär, sondern gewinnbringend gestaltet hat, den erzielten Überschuß nicht herauszugeben.
2. Das Berufungsgericht hat weiter die Klägerin zutreffend als (quasi-)restitutionsberechtigte Körperschaft angesehen, die nach § 16 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 4 VZOG für die bis zu ihrer Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch entstandenen gewöhnlichen Grundstückserhaltungskosten nicht aufzukommen hat.
a) Es ist der Revision zuzugeben, daß ein wesentlicher Zweck des im Gesetzgebungsverfahren umformulierten § 16 VZOG darin liegt sicherzustellen, daß der vorrangige Übergang von Reichsvermögen auf den Bund dann als nicht eingetreten fingiert wird, wenn Gründe vorliegen, die nach § 11 Abs. 1 VZOG eine Restitution ausschließen würden (BT-Drucks. 12/6228 S. 110; Schmidt-Räntsch/Hiestand aaO § 16 VZOG Rn. 6; vgl. im übrigen zur Bedeutung der Nichteintrittsfunktion im Verhältnis zu den Bestimmungen des Treuhandgesetzes Fischer/Struppler aaO S. 82; Schmidt-Räntsch/Hiestand aaO § 16 VZOG Rn. 4). Entgegen der Auffassung der Revision bedeutet dies aber keineswegs, daß § 16 VZOG nur im Zusammenhang mit den in Satz 1 dieser Bestimmung angesprochenen Restitutionsausschlußtatbeständen des § 11 Abs. 1 Satz 3 VZOG bedeutsam wäre. So ordnet § 16 Satz 3 VZOG ausdrücklich auch die sinngemäße Anwendung des § 11 Abs. 2 VZOG an, der überhaupt nur zum Tragen kommen kann, wenn der Anspruch auf Rückübertragung nicht nach § 11 Abs. 1 VZOG ausgeschlossen ist. Dies zeigt, daß § 16 VZOG unbeschadet etwaiger Restitutionsausschlußtatbestände ein umfassendes gesetzliches (restitutionsähnliches) Schuldverhältnis zwischen dem Bund als Berechtigtem auf der einen und dem Verfügungsberechtigten bzw. Verfügungsbefugten auf der anderen Seite begründet, aufgrund dessen ein Ausgleich von Nutzungen und gewöhnlichen Erhaltungskosten im Zeitraum zwischen dem 3. Oktober 1990 und dem Zeitpunkt der Bestandskraft der Zuordnungsentscheidung oder des damit gleich zu erachtenden, die Klärung der Eigentumslage herbeiführenden Ereignisses nicht erfolgen soll (Schmidt-Räntsch/Hiestand aaO § 16 VZOG Rn. 11 und 13; Fischer/Struppler aaO S. 82).
b) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet die Annahme eines restitutionsähnlichen Schuldverhältnisses zwischen der Klägerin als (Quasi-) Berechtigter und einem Dritten auch nicht deshalb aus, weil zu keinem Zeitpunkt irgendeine andere Körperschaft als die Klägerin selbst als Verfügungsberechtigter oder Verfügungsbefugter des von der Beklagten verwalteten Grundstücks in Betracht gekommen wäre, mithin zwischen dem (fiktiven) Restitutionsgläubiger und -schuldner Personenidentität bestanden hätte.
aa) Die in § 8 Abs. 1 VZOG (früher § 6 Abs. 1 VZOG, vgl. zur zeitlichen Abfolge der einzelnen Gesetzesänderungen Senatsurteil BGHZ 144, 100, 104 f) geregelte Verfügungsbefugnis knüpft nicht an die materielle Berechtigung des Art. 21 und 22 EV, sondern an den Inhalt des Grundbuchs an, und zwar unter der Voraussetzung, daß neben dem Volkseigentum der frühere Rechtsträger eingetragen ist (BGHZ 132, 245, 250 f). Das hier in Rede stehende Grundstück war indes zu keinem Zeitpunkt als Volkseigentum im Grundbuch eingetragen; eine Rechtsträgereintragung gab es selbstredend ebenfalls nicht.
Ob der durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz in § 8 Abs. 1 Buchst. d VZOG eingefügte Auffangtatbestand, wonach in allen übrigen Fällen der Bund verfügungsberechtigt ist, nicht nur über den fehlenden Rechtsträgereintrag hinweghilft, sondern selbst das (förmliche) Vorliegen von Volkseigentum entbehrlich macht (vgl. hierzu Schmidt-Räntsch/Hiestand aaO § 8 VZOG Rn. 35), kann dahinstehen. Die subsidiäre Verfügungsbefugnis des Bundes ist erst durch das Inkrafttreten des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes am 25. Dezember 1993 geschaffen worden. Für den hier interessierenden Zeitraum (1. Januar 1991 bis zum 10. Dezember 1993) war ein Verfügungsbefugter im Sinne des § 8 Abs. 1 bzw. § 6 Abs. 1 VZOG nicht vorhanden.
bb) Die die Restitutionsansprüche öffentlicher Körperschaften regelnden §§ 11 ff VZOG orientieren sich bewußt und gewollt an den Wertungen der die Restitutionsansprüche einzelner Bürger normierenden Bestimmungen des Vermögensgesetzes (Senatsurteil BGHZ 144, 100, 115). Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes ist derjenige, der die Rückübertragung des Vermögenswerts verlangen kann. Verfügungsberechtigter ist demgegenüber nach § 2 Abs. 3 Satz 2 VermG grundsätzlich derjenige, in dessen Eigentum oder Verfügungsmacht der betreffende Gegenstand bis zur Rückübertragung steht (Wasmuth, in: RVI, § 2 VermG [Stand: Dezember 2000] Rn. 157). Da die Klägerin bereits am 3. Oktober 1990 nach Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 Halbs. 2 EV das Grundstückseigentum erworben hat und es eine sonstige Verfügungsmacht – etwa aufgrund § 8 Abs. 1 bzw. § 6 Abs. 1 VZOG – nicht gegeben hat, könnte in der Tat bei einem wortlautgetreuen Verständnis des Begriffs der Verfügungsberechtigung nur die Klägerin selbst als verfügungsberechtigt angesehen werden.
Indes würde bei einer Anknüpfung an die wirkliche Eigentümerstellung im Rahmen des § 16 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 VZOG verkannt, daß es sich hier um ein fiktives Restitutionsverhältnis handelt und damit auch die Person des Verfügungsberechtigten wiederum nur fiktiv bestimmt werden kann. Würde man dies anders sehen, so würde die Nichteintrittsfiktion des § 16 VZOG in den nicht seltenen Fällen, in denen bei im früheren Eigentum des Deutschen Reichs stehenden Grundstücken auf eine Umschreibung in Volkseigentum unter Eintragung eines Rechtsträgers verzichtet wurde, ihre vom Gesetzgeber gewollte Wirkung nicht entfalten können.
cc) Richtigerweise ist daher, wie auch durch den Wortlaut des § 16 Satz 2 VZOG nahegelegt wird, als (fiktiv) Verfügungsberechtigter diejenige Körperschaft oder Institution anzusehen, die Eigentümer geworden wäre, wenn der Einigungsvertragsgesetzgeber nicht den vorrangigen (konstitutiven) Übergang von ehemaligem Reichsvermögen auf den Bund angeordnet hätte (so zutreffend Fischer/Struppler aaO S. 83).
Insoweit ist vorliegend bedeutsam, daß das von der Beklagten verwaltete Grundstück der Sache nach als Bestandteil des zur Wohnungsversorgung genutzten volkseigenen Vermögens im Sinne des Art. 22 Abs. 4 Satz 1 EV anzusehen war. Dies ergibt sich ohne weiteres daraus, daß es gerade einem (volkseigenen) kommunalen Wohnungsverwaltungsbetrieb zur Bewirtschaftung übergeben worden war. Daß sich auf dem Grundstück nur Garagen befunden haben, es also nicht unmittelbar zu Wohnzwecken genutzt wurde, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Revision keine andere Betrachtungsweise. Bei der gebotenen weiten Auslegung dienen auch Folgeeinrichtungen wie Vorgarten- und Hofflächen, Gehwege und Stellplätze Zwecken der Wohnungsversorgung (Schmidt/Leitschuh aaO Art. 22 EV Rn. 23 bis 25).
Demgemäß kommen hier, was der Senat nicht zu entscheiden braucht, entweder das Land Berlin – allerdings nicht, wie das Berufungsgericht erwogen hat, als Rechtsnachfolger des Magistrats von Groß-Berlin (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. Januar 1996 – V ZR 212/94 – WM 1996, 1190, 1192 f), sondern in sinngemäßer Anwendung des Art. 22 Abs. 4 Satz 3 EV – oder aber – wie das Berufungsgericht für naheliegend gehalten hat – die Beklagte selbst als Verfügungsberechtigte in Frage.
II.
Ausgehend hiervon, daß die Klägerin für den hier fraglichen Zeitraum wie eine restitutionsberechtigte Körperschaft zu behandeln ist, hat das Berufungsgericht richtig entschieden.
1. Der Beklagten steht ein allgemeiner Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB nicht zu. Dem steht entgegen, daß die Klägerin wie ausgeführt nach § 16 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 4 VZOG die bis zum 10. Dezember 1993 entstandenen Kosten für die gewöhnliche Erhaltung des Vermögenswerts nicht zu übernehmen hat. Daß die von der Beklagten geltend gemachten Kosten von ihr durchgeführte Maßnahmen für eine Bebauung, Modernisierung oder Instandsetzung betroffen haben (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 VZOG), ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt worden. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision in diesem Zusammenhang nicht auf. Im übrigen wäre über derartige Kosten vor Beschreiten des Rechtswegs ein gesonderter Bescheid der zuständigen Behörde herbeizuführen (§ 11 Abs. 2 Satz 5 VZOG).
Die durch die Konstruktion eines Restitutionsrechtsverhältnisses bewirkte Freistellung der Klägerin von den allgemeinen Betriebs-, Verwaltungs- und gewöhnlichen Unterhaltungskosten darf auch nicht durch eine Anwendung der Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag unterlaufen werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 137, 183, 192 zum vermögensgesetzlichen Restitutionsverhältnis).
2. Da die Klägerin weder die von der Beklagten bis zum 10. Dezember 1993 aufgewendeten Verwaltungskosten zu tragen noch die von der Beklagten gezogenen Nutzungen zu beanspruchen hat, hat das Berufungsgericht der Klägerin zu Recht – wie von dieser beantragt – einen Anspruch auf Rechenschaftslegung nur für den noch offenen Zeitraum vom 10. bis zum 31. Dezember 1993 zugesprochen.
Dieser Anspruch ist noch nicht erfüllt. Die von der Beklagten erstellte – auf der Grundlage ihres Rechtsstandpunkts erforderliche, aber auch ausreichende – Gesamtabrechnung würde insoweit allenfalls dann genügen, wenn die Belege so übersichtlich geordnet, zusammengestellt und aufbereitet wären, daß sich ohne Aufwand die für diese kurze Zeitspanne zu ermittelnde „Teilabrechnung” herauslesen ließe (vgl. Senatsurteil vom 14. September 2000 – III ZR 211/99 – WM 2000, 2509, 2511). Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist dies jedoch nicht der Fall.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.01.2002 durch Freitag, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 675318 |
BGHZ |
BGHZ, 380 |
NJW 2002, 1494 |
BGHR 2002, 311 |
BGHR |
NZM 2002, 402 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2002, 208 |
WM 2002, 759 |
NJ 2002, 210 |