Verfahrensgang
OLG Hamburg (Entscheidung vom 07.03.1979) |
Tenor
Von Rechts wegen
Tatbestand
Im Juni 1977 übertrugen die Beklagten dem Kläger die Errichtung eines Einfamilienhauses zum Festpreis von 235. 000 DM. Die Geltung der VOB/B (1973) wurde vereinbart. Der Kläger hielt die vereinbarten Bautermine nicht ein. Deswegen kündigten die Beklagten den Vertrag im November 1977. Der Kläger erteilte Schluß- und Nachtragsrechnung vom 15. Dezember 1977. Die Beklagten beanstandeten die Rechnungssumme und lehnten Zahlung wegen verzugsbedingter Gegenforderungen ab.
Der Kläger hat Restwerklohn für erbrachte Leistungen eingeklagt, zuletzt 78.125,26 DM nebst Zinsen. Am 12. April 1978 wurde den Beklagten mit der Klageschrift ein von einer Justizangestellten unterzeichnetes Formularschreiben der Geschäftsstelle des Landgericht zugestellt, in dem es heißt:
"Wir übersenden Ihnen anbei eine beglaubigte Abschrift der hier am 5.4.1978 eingegangenen Klagschrift. ... Sie wollen bitte durch den Rechtsanwalt binnen 2 Wochen mitteilen, ob Sie sich gegen die Klage verteidigen wollen. ...
Wenn Sie sich gegen die Klage verteidigen wollen, so wollen Sie bitte innerhalb einer weiteren Frist von 2 Wochen eine Klägerwiderung einreichen lassen, in der alle Ihre Verteidigungs- und Beweismittel enthalten sein müssen.
Nach Ablauf der Frist läßt das Gericht solche Erklärungen nur zu, wenn dadurch die Erledigung des Prozesses nicht verzögert würde oder wenn die Verspätung genügend entschuldigt wird.
...
Hochachtungsvoll
Auf Anordnung"
Mit Schriftsatz vom 19. April 1978 kündigten die Beklagten Antrag auf Klageabweisung an. Am 27. Mai wurden sie zum "frühen ersten Termin vor dem Einzelrichter" vom 3. Juli 1978 geladen. Ihre Klageerwiderung vom 23. Juni 1978 ging am 26. Juni 1978 bei Gericht ein. Darin rechneten sie gegen einen von ihnen ermittelten Restwerklohn von 13.326,80 DM mit Schadensersatzansprüchen von 55.168,49 DM auf.
Das Landgericht hat das Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung als verspätet gemäß § 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen und der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht - sein Urteil ist veröffentlicht in NJW 1979, 1717 Nr. 14 - hat das landgerichtliche Urteil samt dem Verfahren aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der - angenommenen - Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, das Landgericht habe von § 296 Abs. 1 ZPO einen unrichtigen Gebrauch gemacht. Eine Fristüberschreitung liege nicht vor. Zwar hätten die Beklagten die gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzte Klageerwiderungsfrist trotz Belehrung über die Folgen nicht eingehalten und auch nicht um Fristverlängerung gebeten, obwohl das Landgericht durch die Ladung zu einen frühen ersten Termin kenntlich gemacht habe, daß es einen früheren Haupttermin für angebracht hielt, als bei rechtzeitigem Eingang der Klageerwiderung in Betracht gekommen wäre. Auch im übrigen habe das Landgericht seiner Hinweispflicht genügt. Es habe aber bei der Prüfung der Verzögerung einen unrichtigen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt. Ob eine Verspätung zur Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits führe, hänge davon ab, ob dieser bei Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde, als er bei rechtzeitigem Vorbringen gedauert hätte. Hier sei allerdings die Fristüberschreitung von etwa sechseinhalb Wochen nicht geringfügig. Das Landgericht habe eine Verzögerung auch nicht durch beschleunigende Maßnahmen auffangen können. Ein erheblicher Teil der Fristüberschreitung sei aber als genügend entschuldigt anzusehen. Die restliche, unentschuldigte Fristüberschreitung reiche nicht aus, um das Vorbringen in der Klageerwiderung als verspätet zurückweisen zu können. Auch bei rechtzeitigem Vorbringen sei mit einer langen Prozeßdauer zu rechnen gewesen.
Soweit das Berufungsgericht damit eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits durch Berücksichtigung des unentschuldigt verspäteten Vorbringens verneint, kann ihm nicht gefolgt werden. Dennoch bleibt die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
1.
Wie der Senat bereits am 12. Juli 1979 ( BGHZ 75, 138 - NJW 1979, 1988) und 31. Januar 1980 ( BGHZ 76, 16 = NJW 1980, 945 mit kritischer Anmerkung Egon Schneider S. 947 f aaO) - in Übereinstimmung mit dem VI. Zivilsenat ( NJW 1979, 2109, 2110 zu § 528 Abs. 1 ZPO) entschieden hat, kommt es für die Feststellung einer Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits bei Berücksichtigung verspäteten Vorbringens allein darauf an, ob der Rechtsstreit bei Zulassung dieses Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung.
Daran hält der Senat fest. Auch wenn der Rechtsstreit bei rechtzeitigem Vorbringen infolge der dann erforderlichen umfangreichen Beweisaufnahme so lange gedauert hätte, daß die unentschuldigte Verspätung demgegenüber kaum ins Gewicht fällt, kann dies einen anderen Verzögerungsmaßstab nicht rechtfertigen. Hypothetische Erwägungen über den voraussichtlichen Prozeßverlauf verbieten sich, weil das die Beschleunigungsabsicht des Gesetzes unterlaufen würde, eine sichere Prognose vielfach auch gar nicht möglich ist.
Bei den gegebenen Umständen hätte daher das Landgericht das verspätete Vorbringen der Beklagten gemäß § 296 Abs. 1 ZPO zurückweisen dürfen, wenn den Beklagten die Ausschlußfrist gemäß § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO wirksam gesetzt worden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
2.
Wie der Senat in dem (zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmten) Urteil vom 13. März 1980 - VII ZR 147/79 - ( NJW 1980, 1167) entschieden hat, bedarf es zur wirksamen Setzung der in § 296 Abs. 1 ZPO aufgeführten Präklusionsfristen (§ 273 Abs. 2 Nr. 1; § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 4; § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 ZPO) unter anderem der Zustellung einer beglaubigten Abschrift der fristsetzenden Verfügung des Vorsitzenden oder anderen richterlichen Mitglieds des Prozeßgerichts. Daran fehlt es hier.
Die Mitteilung der Geschäftsstelle, daß "auf Anordnung" der Partei eine Ausschlußfrist gesetzt werde, genügt nicht. Gemäß § 329 Abs. 1 Satz 2; § 317 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3; § 170 Abs. 1 ZPO ist dem Zustellungsempfänger eine vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle durch Unterschrift und Siegel beglaubigte Abschrift der ordnungsgemäß unterzeichneten Verfügung des Richters auszuhändigen. Nur bei Beachtung dieser im Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten hat die betroffene Partei die richterliche Fristsetzung zu beachten und die gesetzlichen Folgen der Fristversäumung zu tragen.
3.
Leidet somit das Urteil des Landgerichts an einem von den Beklagten auch gerügten Verfahrensmangel, so stellt das angefochtene Urteil sich ungeachtet seiner unzutreffenden Begründung im Ergebnis als richtig dar.
Gemäß § 563 ZPO ist daher die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018790 |
NJW 1980, 1960 |