Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 14.12.1989) |
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.11.1988) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Dezember 1989 teilweise aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 3. November 1988 wird zurückgewiesen, soweit nicht die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen die Beklagte 3/5, die Klägerin 2/5. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 11. Juli 1986 mietete die Klägerin von der Beklagten eine auf dem Gelände der Bundesgartenschau 1987 in Düsseldorf aufgestellte Bürobaracke. In § 7 Satz 2 enthielt der Vertrag die Bestimmung: "Vertragsänderungen, auch bezüglich der Formerfordernis, bedürfen der Schriftform." Der Mietvertrag sollte zunächst am 31. Oktober 1987 enden, wurde jedoch durch eine im Vertrag vorgesehene Option der Klägerin bis 31. Dezember 1987 verlängert.
Am 3. November 1987 kam es zwischen der damaligen Prokuristin P. der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten zu einer Unterredung, deren Inhalt streitig ist. Während die Klägerin behauptet, es sei nur über die Möglichkeit einer weiteren Vertragsverlängerung gesprochen worden, trägt die Beklagte vor, es sei eine Vertragsverlängerung bis 31. Dezember 1988 vereinbart worden.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zum Entfernen der Baracke zu verurteilen (Antrag zu 1), festzustellen, daß der Beklagten aus dem Mietvertrag ab 1. Januar 1988 keine Zahlungsansprüche mehr zustehen (Antrag zu 2), sowie festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen Schaden aus der verspäteten Räumung nach dem 1. Januar 1988 zu ersetzen (Antrag zu 3). Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Im Berufungsrechtszug haben beide Parteien übereinstimmend die Anträge zu 1 und 3 für erledigt erklärt. Den verbleibenden Feststellungsantrag zu 2 hat das Oberlandesgericht auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin insoweit die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Die Beklagte beantragt,
die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hält es für erwiesen, daß in der Unterredung am 3. November 1987 zwischen den Parteien eine Einigung darüber erzielt worden ist, das Mietverhältnis bis 31. Dezember 1988 fortzusetzen. Die im Mietvertrag vorgesehene Schriftform sei zwar nicht gewahrt worden, jedoch habe die Einigung der Parteien schon mündlich bindend sein sollen. Frau P. sei bevollmächtigt gewesen, die Klägerin zu vertreten, da sie beauftragt worden sei, die Möglichkeit einer Verlängerung des Vertrags zu prüfen. Jedenfalls habe die Klägerin den ihr zurechenbaren Anschein herbeigeführt, Frau P. könne sie allein vertreten.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
Ob die Feststellung des Berufungsgerichts. Frau P. und der Geschäftsführer der Beklagten hätten sich am 3. November 1987 auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis 31. Dezember 1988 geeinigt, auf Rechtsfehlern beruht, wie die Revision meint, kann ebenso auf sich beruhen wie die weitere Frage, ob Frau P. allein die Klägerin vertreten konnte. Denn der Mietvertrag ist jedenfalls deshalb nicht über den 31. Dezember 1987 hinaus verlängert worden, weil nach seinem § 7 Satz 2 Vertragsänderungen, auch bezüglich des Formerfordernisses, der Schriftform bedurften. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche sog. qualifizierte Schriftformklausel nur durch eine schriftliche Vereinbarung abgeändert werden kann (so BGHZ 66, 378, 380 m.N.; Münch-Komm/Förschler, BGB 2. Aufl. § 125 Rdn. 10; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. § 125 Rdn. 90) oder ob es die Parteien im Rahmen ihrer Autonomie in der Hand haben, auch formlos ihre frühere anderslautende Bindung wieder aufzuheben (so Reinicke DB 1976, 2289, 2290; Erman/Brox, BGB 8. Aufl. § 125 Rdn. 8; Soergel/Hefermehl, BGB 12. Aufl. § 125 Rdn. 33; Häsemeyer JuS 1980, 1, 9 mit Fußn. 116; Palandt/Heinrichs, BGB 50. Aufl. § 125 Rdn. 14). Denn auch die letztere Auffassung setzt voraus, daß sich die Parteien über eine Änderung der Schriftformklausel einig sind. Eine solche Einigung, die die Beklagte auch nicht - zumindest nicht ausdrücklich - behauptet hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie ergibt sich auch nicht aus den festgestellten Gesamtumständen. Im Gegenteil sprechen gewichtige Umstände gegen die Annahme, Frau P. und der Geschäftsführer der Beklagten hätten bei dem Gespräch am 3. November 1987 das qualifizierte Schriftformerfordernis nach § 7 Satz 2 des Mietvertrages - stillschweigend - abbedungen. Frau P. hatte lediglich Gesamtprokura (§ 48 Abs. 2 HGB) und konnte die Klägerin lediglich gemeinschaftlich mit deren Geschäftsführer oder einem weiteren Prokuristen vertreten. Unabhängig davon, ob sie - davon abweichend - überhaupt ermächtigt worden war, am 3. November 1987 allein eine Verlängerung des Mietvertrages zu vereinbaren, ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, daß sie dabei von der in § 7 Satz 2 des Vertrages enthaltenen qualifizierten Schriftformklausel abgehen durfte. In dem von Frau P. bei ihrer Vernehmung bekundeten Auftrag der Geschäftsleitung, die Möglichkeit einer Vertragsverlängerung zu prüfen, in dem das Berufungsgericht ihre Ermächtigung erblickt hat, die Klägerin allein zu vertreten, war jedenfalls nicht die weiterreichende Ermächtigung enthalten, die vertragliche Schriftformklausel abzuändern. Irgendwelche Umstände, die für eine solche Ermächtigung sprechen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Durch eine Vereinbarung, daß der Vertrag entgegen der Schriftformklausel bereits durch mündliche Absprache verlängert werde, hätte Frau P. daher ihre Befugnisse überschritten. Daß sie sich dazu bereit gefunden hat, kann ohne weitere - hier nicht gegebene - Anhaltspunkte um so weniger angenommen werden, als der die Schriftformklausel enthaltende Mietvertrag seinerzeit nicht von ihr, sondern von einem anderen Vertreter der Klägerin unterzeichnet worden war. Auch der Geschäftsführer der Beklagten hat bei dem Gespräch am 3. November 1987 den Umständen nach schwerlich Erklärungen abgegeben, die sich über die Schriftformklausel hinwegsetzten, oder entsprechende Erklärungen der Frau P. entgegengenommen. Er hat bei seiner Vernehmung bekundet, er habe die Vertragsverlängerung mit Schreiben vom 4. November 1987 bestätigt, um der Schriftformklausel des § 7 des Mietvertrages zu genügen. Dessen hätte es jedoch nicht bedurft, wenn er sich mit Frau P. am 3. November 1987 geeinigt hätte, von der Einhaltung der Schriftform abzusehen.
Hiernach konnte der Mietvertrag nur schriftlich verlängert werden. Das ist nicht geschehen. Ein Briefwechsel im Sinne des § 127 Satz 2 BGB liegt nicht vor, da die Klägerin dem Schreiben der Beklagten vom 4. November 1987 nicht schriftlich zugestimmt hat.
2.
Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Allerdings ist in dem Schreiben der Beklagten vom 4. November 1987 ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zu erblicken, da es das Ergebnis der Verhandlungen, die nach Meinung der Beklagten zur Verlängerung des Mietvertrages geführt haben, gegenüber der Klägerin schriftlich festhält und daneben die Vertragsmodalitäten präzisiert. Indessen kann auf sich beruhen, ob die Klägerin diesem Schreiben rechtzeitig widersprochen hat. Denn ein Schweigen auf das Bestätigungsschreiben hätte ebenso wie andere Gültigkeitsmängel (§§ 134, 138 BGB, Geschäftsunfähigkeit; vgl. dazu Schlegelberger/Hefermehl HGB 5. Aufl. § 346 Rdn. 121) den Mangel der vereinbarten Schriftform nicht geheilt (BGH, Urteil vom 28. September 1970 - VIII ZR 164/68 - NJW 1970, 2104). Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte eine Einigung bestätigt hätte, auf die Einhaltung der Schriftform zu verzichten, kann offenbleiben, weil davon im Schreiben vom 4. November 1987 nicht die Rede ist.
Es sind auch keine Umstände festgestellt, welche die Berufung der Klägerin auf die Nichteinhaltung der vereinbarten Form als gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßend erscheinen lassen.
3.
Da der Vertrag hiernach nicht verlängert worden ist, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht, vielmehr kann der Senat selbst abschließend entscheiden, § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Nachdem das Landgericht das Bestehen eines Mietvertrags über den 31. Dezember 1987 hinaus zutreffend verneint hat, ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, soweit nicht die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Fundstellen
Haufe-Index 3018890 |
NJW-RR 1991, 1289-1290 (Volltext mit red. LS) |
WM 1991, 1398-1399 (Volltext mit amtl. LS) |