Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgung. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Zusatzversorgungssystem für Mitarbeiter. Kündigung des Beteiligungsverhältnisses durch Arbeitgeber. Anspruch auf Erlassvereinbarung. Wegfall der Geschäftsgrundlage, Aufbau eines eigenen Versorgungssystems. Allgemeine Versicherungsbedingungen
Leitsatz (redaktionell)
Kündigt der Arbeitgeber das Beteiligungsverhältnis an der Zusatzversorgung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wegen Aufbaus eines eigenen Versorgungssystems, hat der Mitarbeiter keinen Anspruch auf Abschluss einer Erlassvereinbarung.
Normenkette
VO 2000 §§ 14, 4, 18; VBLS §§ 19, 23 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Februar 2001 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, Angestellter einer Sparkasse, war bei der Beklagten, der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), pflichtversichert. Die Sparkasse – als Beteiligte der Beklagten im Sinne des § 19 ihrer Satzung (VBLS) – kündigte das Beteiligungsverhältnis zum 31. Dezember 1999.
Die Kündigung des Beteiligungsverhältnisses hat zur Folge, daß der Kläger, als danach beitragsfrei Versicherter (§ 34 Abs. 1 a VBLS), bei Eintritt des Versicherungsfalles (§ 39 VBLS) nur Anspruch auf eine – derzeit noch – statische Versicherungsrente (§§ 37 Abs. 1 b, 44, 44 a VBLS) in Form einer Mindestversorgung hat. Aus § 23 Abs. 2 VBLS ergibt sich zudem die Verpflichtung des ausscheidenden Beteiligten, einen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu errechnenden Gegenwert an die Beklagte zu leisten, um die aus dem Anstaltsvermögen aufgrund der Beteiligung zu erfüllenden Verpflichtungen zu decken.
Die Kündigung des Beteiligungsverhältnisses durch die Sparkasse war erfolgt, um nach Maßgabe einer zwischen Vorstand und Personalrat am 12. November 1999 getroffenen „Dienstvereinbarung über die Versorgungsordnung 2000” (im folgenden „VO 2000”) ein eigenes Zusatzversorgungssystem für ihre Mitarbeiter zu schaffen.
Im Hinblick darauf hatte die Sparkasse bereits am 23. August 1999 mit dem Kläger unter anderem schriftlich vereinbart, daß er einerseits ihr gegenüber auf Versicherungsleistungen durch die Beklagte unwiderruflich verzichte, andererseits der Beklagten eine in der Vereinbarung vorformulierte „Verzichts-/Erlaßerklärung” antragen werde.
Die Beklagte hat die Annahme des ihr vom Kläger darauf hin unterbreiteten Angebots vom 23. August 1999 auf Abschluß dieses Erlaßvertrages abgelehnt.
Der Kläger meint, die Beklagte sei zur Annahme des Erlaßangebots verpflichtet. Aus der beitragsfreien Versicherung bei der Beklagten habe er im Versicherungsfall lediglich Anspruch auf eine statische Versicherungsrente. Dieser statische Teil, den die Sparkasse im Rahmen ihrer Versorgung anrechnen könnte, werde bei Entfallen der Leistungen der Beklagten im Rahmen des Versorgungssystems der Sparkasse dynamisiert, so daß er auf diese Weise bessere, weil höhere Versorgungsleistungen erlangen könne. Ihm komme deshalb ein berechtigtes Interesse am Abschluß der Erlaßvereinbarung zu; gegenläufige Interessen der Beklagten seien nicht ersichtlich. Der Kläger begehrt deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Annahmeerklärung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Beklagte nicht verpflichtet, das Erlaßangebot des Klägers anzunehmen. Aus den Bestimmungen der Satzung der Beklagten ergebe sich eine solche Verpflichtung auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht. Aus dem das Zivilrecht beherrschenden Prinzip der Privatautonomie folge auch die Freiheit, den Abschluß eines Vertrages abzulehnen. Das gelte grundsätzlich auch für einen Erlaßvertrag. Daß sich andere Beziehungen des Gläubigers zu Dritten – hier der Sparkasse – bei Abschluß eines Erlaßvertrages günstiger gestalten könnten, reiche für sich allein nicht aus, eine andere Bewertung zu rechtfertigen. Es könne auch nicht festgestellt werden, daß der Beklagten für die Ablehnung des Vertragschlusses keine berechtigten Interessen zur Seite stünden. Eine Übertragung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur vorzeitigen Rückzahlung von Darlehen auf den vorliegenden Fall komme nicht in Betracht.
II. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Mit der – satzungsgemäß vorgesehenen (§ 22 VBLS) – Kündigung des Beteiligungsverhältnisses durch die Sparkasse ist – anders als die Revision meint – die Geschäftsgrundlage für die künftigen Versicherungsansprüche des Klägers nicht entfallen. Art und Umfang dieser Leistungen sind vielmehr – auch für den Fall der Beendigung der Beteiligung – in der Satzung der Beklagten, deren Regelungen Allgemeine Versicherungsbedingungen darstellen (BGHZ 103, 370, 377), ausdrücklich geregelt (§§ 37 Abs. 1 b, 44, 44 a VBLS). Das Risiko, nach Kündigung keine dynamische Versorgungsrente zu erhalten, ist mithin durch den Vertrag dem Versicherten zugewiesen. Was dergestalt zum Vertragsinhalt erhoben worden ist, kann nicht bloße Geschäftsgrundlage desselben sein (vgl. dazu BGHZ 74, 370, 372 f., BGH, Urteil vom 27. September 1991 – V ZR 191/90 – ZIP 1991, 1599 unter 1).
2. Die Beklagte ist auch unter Berücksichtigung des das Versicherungsverhältnis beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben nicht zur Annahme des Erlaßangebots verpflichtet.
a) Auszugehen ist von einer Bindung (auch) des Klägers – als am Vertragsschluß nicht beteiligten Versicherten – an die durch den Gruppenversicherungsvertrag begründeten Rechtsverhältnisse (vgl. dazu BGHZ 103, 370, 379 f.; 142, 103, 106).
b) Umstände, die ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Erlaßvereinbarung begründen könnten (vgl. BGHZ 136, 161, 166), hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Sie ergeben sich auch nicht aus der VO 2000, auf die sich der Kläger insbesondere stützen will.
aa) Soweit er meint, er könne nach der VO 2000 seiner Arbeitgeberin eine volldynamisierte Betriebsrente auch für die Beitragszeit bis zum 31. Dezember 1999 nur dann beanspruchen, wenn Rentenleistungen der Beklagten und die Pflicht seiner Arbeitgeberin zur Zahlung des entsprechenden Deckungsbetrages nach § 23 Abs. 2 VBLS entfielen, findet dies in den Regelungen der VO 2000 keine Stütze. Denn danach erleidet der Kläger weder bei der Anrechnung der zugrundeliegenden Dienstzeiten noch bei der Höhe der Versorgungsleistungen durch die Gewährung der Versicherungsrente seitens der Beklagten Nachteile.
Vielmehr bestimmt § 4 Abs. 1 VO 2000, daß die anrechnungsfähige Dienstzeit die Zeit ist, in der ein versorgungsberechtigter Mitarbeiter nach seinem Eintritt in die Sparkasse, frühestens nach Vollendung des 17. Lebensjahres, längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zu der Sparkasse gestanden hat. Danach wird die Dienstzeit, während der der Kläger bei der Beklagten pflichtversichert war, bei Errechnung der Versorgungsleistung nach der VO 2000 nicht in Abzug gebracht.
Auch die Höhe der dem Kläger künftig zustehenden Rentenleistung wird durch die Gewährung der Versicherungsrente im Ergebnis nicht nachteilig beeinflußt.
§ 18 Abs. 1 der VO 2000 lautet wie folgt:
„(1) Die Sparkasse verpflichtet sich, jedes Jahr eine Anpassung der laufenden Versorgungsleistungen entsprechend der Nettolohnentwicklung durchzuführen.”
In § 18 Abs. 2 VO 2000 ist das Verfahren zur Anpassung geregelt. Die Vorschrift befaßt sich aber nicht mit der Berücksichtigung von Versicherungsleistungen der Beklagten. Diese ergibt sich vielmehr aus § 14 VO 2000. Er lautet:
„Soweit Empfänger einer Versorgungsleistung der Sparkasse … Versorgungs- oder Versicherungsrenten aus einer Versicherung bei der VBL erhalten, werden diese Leistungen, soweit sie auf Zeiten einer anrechnungsfähigen Dienstzeit gemäß § 4 beruhen, auf die betriebliche Versorgungsleistung angerechnet.”
Das ist nach dem Wortsinn so zu verstehen, daß die Sparkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles zwar einen um die Zahlungen der Beklagten gekürzten Betrag zu leisten hat, die dem Empfänger insgesamt zufließende Versorgung sich dadurch jedoch nicht verringert. Demnach ist die betriebliche Versorgungsleistung auch für den Zeitraum zu gewähren und in die Anpassung der „laufenden Versorgungsleistungen” gemäß § 18 Abs. 1 VO 2000 einzubeziehen, für den eine Versorgungs- oder Versicherungsrente der Beklagten bezogen wird. Der Empfänger soll also durch den Bezug von Leistungen der Beklagten insgesamt nicht schlechter stehen. Vielmehr wird durch die Anrechnung solcher Leistungen auf die – insoweit zu kürzende – Versorgungsleistung der Sparkasse lediglich eine Kumulierung der Rentenleistungen vermieden.
Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen ergibt sich nichts anderes. Nur diese Auslegung ist auch mit der Erklärung in Ziffer 1 der 1. Ergänzung zur VO 2000 vereinbar, wonach die Sparkasse den Mitarbeitern garantiert, daß die VO 2000 für diese insgesamt günstiger als die Versorgung über die Beklagte ist. Hätten die die VO 2000 vereinbarenden Parteien demgegenüber vereinbaren wollen, daß die Sparkasse für Dienstzeiten, für die Ansprüche auf eine Versicherungsrente gegen die Beklagte bestehen, von eigenen Versorgungsleistungen befreit werde, so hätte dies einer entsprechend eindeutigen Regelung bedurft. Das gilt insbesondere auch mit Rücksicht darauf, daß ein Arbeitnehmer eine Verschlechterung betrieblicher oder auf Tarifvertrag beruhender Versorgungszusagen seines Arbeitgebers allenfalls unter besonderen, den erlangten Besitzstand angemessen berücksichtigenden Voraussetzungen hinzunehmen braucht (vgl. dazu Förster/Rühmann, Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht 2. Aufl. Bd. 1 § 106 Rdn. 1 ff. m.w.N.).
Offenbar versteht auch die Arbeitgeberin des Klägers die VO 2000 in dem genannten – für den Kläger günstigen – Sinne. Dafür spricht jedenfalls die als Anlage K 10 vorgelegte, undatierte Mitteilung ihres Vorstandes. Diese enthält – als vorläufig bezeichnete – Berechnungen sowohl einer „in Anlehnung an die VBL-Systematik gem. der 2. Ergänzung zur VO 2000” ermittelten Mindestrente als auch einer Sparkassenrente des Klägers im Versorgungsfall. In der Anlage 2 des Schreibens, welches dem Empfänger die Vorteile der Sparkassenversorgung gegenüber den Leistungen beim Verbleib im Versorgungssystem der Beklagten verdeutlichen soll, wird die Sparkassenrente zunächst für die gesamte anrechnungsfähige Dienstzeit in dynamisierter Form ermittelt und beziffert. Im Anschluß an die Berechnungsergebnisse wird erklärt, daß die Sparkassen- bzw. Mindestrente „um eine eventuell von der VBL geleistete Versicherungsrente gekürzt” werde. Auch dies kann ohne einen anderslautenden Hinweis nur so verstanden werden, daß die Sparkasse zwar in Höhe der Versicherungsrente von der Leistungspflicht befreit sein, der Gesamtumfang der Versorgung jedoch nicht beeinflußt werden soll. Zudem wird dem Kläger in dem vorausgehenden Formschreiben angesonnen, „für die vollständige Umstellung der Versorgung” auf die Versorgungsansprüche gegenüber der Beklagten mit beigefügter Verzichtserklärung zu verzichten. Es folgt der abschließende Hinweis, daß der Kläger bei einem Verzicht auf die Versorgungsleistungen der VBL diese anstelle von der Beklagten von der Sparkasse erhalte. Von den – vom Kläger behaupteten – Nachteilen im Falles eines Nichtverzichts ist auch hier keine Rede.
bb) Die Inanspruchnahme der Vorteile aus der VO 2000 durch den Kläger hängt schließlich auch nach dem Inhalt der von ihm am 23. August 1999 mit der Sparkasse getroffenen Vereinbarung nicht vom Abschluß des Erlaßvertrages mit der Beklagten ab. Hierauf weist die Revisionserwiderung zu Recht hin.
Ein solcher Inhalt der genannten Individualvereinbarung erschiene ohnehin bedenklich, weil die Sparkasse damit dem Kläger das Risiko zuweisen würde, im Versorgungsfall für die Dienstzeit bis zum 31. Dezember 1999 schlechtere Leistungen zu erhalten als beim Verbleib im Versorgungssystem der Beklagten, obwohl allein die Sparkasse selbst – als Arbeitgeberin – durch ihre Kündigung diese Situation unmittelbar herbeigeführt hat. Das bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung, da die Individualvereinbarung eine solche Rechtsfolge nicht vorsieht.
Zwar ist die Vereinbarung ausweislich ihrer Ziffern 1 und 2 im Hinblick auf das durch die Sparkasse zu schaffende „eigenständige Versorgungswerk” geschlossen worden und enthält – in Ziffer 2 Satz 2 – den Hinweis, daß die von der Beklagten zu leistende Versicherungsrente auf die von der Sparkasse zu erbringenden Versorgungsleistungen „grundsätzlich angerechnet” werde. Auch sieht Ziffer 5 die Unwirksamkeit der Vereinbarung vor, wenn die – als Anlage im Entwurf beigefügte – Verzichtsvereinbarung zwischen dem Mitarbeiter und der Beklagten nicht rechtswirksam sein sollte. Künftige Versorgungsansprüche des Klägers gegenüber der Sparkasse werden davon jedoch nicht berührt.
Das ergibt sich schon aus der Präambel der VO 2000 und deren § 1, nach denen jeder Mitarbeiter der Sparkasse, der am 31. Dezember 1999 in einem regelmäßigen Beschäftigungsverhältnis zur Sparkasse steht, mit dem Tag seines Eintritts in die Sparkasse eine Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen nach Maßgabe der Versorgungsordnung erwirbt. Eine einzelvertragliche Vereinbarung (§ 1 Abs. 2 c VO 2000), durch die ein Mitarbeiter von der Aufnahme in den Kreis der Versorgungsberechtigten ausgeschlossen werden kann, liegt mit der Vereinbarung vom 23. August 1999 offensichtlich nicht vor.
Dem Kläger entgehen bei Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 23. August 1999 lediglich die in Ziffer 4 genannten Vorteile. Nach Ziffer 4 verpflichtet sich die Sparkasse, Lohnsteuerzahlungen, die der Kläger in der Vergangenheit auf die Umlage an die Beklagte geleistet hat, beim Finanzamt geltend zu machen und zuzüglich eines Betrages von 30 DM je Umlagejahr seit 1974 unter Abzug individueller Steuern und Abgaben zu erstatten.
Ein auf die Steuererstattung gemäß Ziffer 4 gerichtetes Interesse am Zustandekommen des Erlaßvertrages mit der Beklagten hat der Kläger aber weder geltend gemacht noch näher beziffert. Selbst wenn ein solches Interesse berücksichtigt werden könnte, wäre es allein nicht ausreichend, den mit der Klage geltend gemachten Anspruch zu rechtfertigen.
c) Auf ein wirtschaftliches Interesse seiner Arbeitgeberin an dem Erlaß kann der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen.
Unterschriften
Terno, Dr. Schlichting, Seiffert, Ambrosius, Felsch
Fundstellen
Haufe-Index 737953 |
NVersZ 2002, 373 |
VersR 2002, 831 |