Leitsatz (amtlich)
Auf die Abwicklung einer kooperativen Einrichtung, die durch Beschluß ihrer Trägerbetriebe aufgelöst worden ist, sind die Vorschriften der §§ 69 Abs. 3 Satz 4, 42 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG i.V.m. §§ 82 ff. GenG anzuwenden.
Normenkette
GenG § 90; LwAnpG §§ 42, 69
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Aktenzeichen 11 U 48/98) |
LG Dessau (Aktenzeichen 6 O 981/97) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 21. Juli 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende kooperative Einrichtung in Liquidation begehrt von der beklagten Agrargenossenschaft, einem ihrer Trägerbetriebe, die Rückzahlung eines an diese nach Beschluß über die Auflösung der Klägerin ausgezahlten Geldbetrages.
Die von insgesamt zehn landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (künftig: LPG) als Trägerbetrieben gegründete Klägerin war im LPG-Register des Kreises Z. als kooperative Einrichtung (künftig: KE) eingetragen und betrieb eine Jungrinderaufzuchtanlage. Im Juli 1991 veräußerte sie die Anlage einschließlich der vorhandenen Tiere für ca. 1,6 Mio. DM an das Ehepaar A.. Die Käufer verpflichteten sich zusätzlich zur Kaufpreiszahlung, die in Höhe von 664.698,53 DM zuzüglich Zinsen gegenüber der D.-Bank bestehenden Altkreditverbindlichkeiten der Klägerin abzulösen oder die Voraussetzungen für den Erlaß der Verbindlichkeiten zu schaffen. Zur Sicherung dieser Verpflichtung der Käufer behielt sich die Klägerin das Eigentum an einem Teil des Viehbestandes im Wert von 707.000,– DM vor. Am 8. August 1991 beschloß die Beteiligtenversammlung der Klägerin deren Auflösung und die Einstellung des Betriebes zum 1. September 1991. Der von den Käufern für die Aufzuchtanlage gezahlte Kaufpreis wurde von einem „Treuhänder” der Klägerin zu 80 % an die Trägerbetriebe ausgekehrt. Die Beklagte erhielt davon am 26. September 1991 einen Betrag von 57.702,10 DM, dessen Rückzahlung die Klägerin mit der Klage begehrt. Im August 1993 hob die Treuhandanstalt einen am 29. Oktober 1991 ergangenen Bescheid über einen Teilerlaß der Altschulden der Klägerin wieder auf. Die Käufer der Aufzuchtanlage erfüllten ihre Verpflichtung zur Ablösung der Altkreditverbindlichkeiten nicht und veräußerten nach und nach auch den noch im Eigentum der Klägerin befindlichen Viehbestand an Dritte. Den Verkaufserlös transferierten sie überwiegend in die Türkei, wohin sie sich schließlich auch selbst absetzten. Die Klägerin versucht, den Betrag von 707.000,– DM über ein türkisches Inkassobüro beizutreiben.
Landgericht und Oberlandesgericht (Urt. abgedr. in NZG 1999, 37) haben die Beklagte zur Rückzahlung der 57.702,10 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht der vom Berufungsgericht zugesprochene Rückzahlungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Auszahlungsverbot des § 90 Abs. 1 GenG zu.
I. Das Berufungsgericht hält in entsprechender Anwendung der §§ 69 Abs. 3 Satz 4 und 42 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG auf das Liquidationsverfahren der Klägerin die für die Auflösung der eingetragenen Genossenschaften geltenden Vorschriften, insbesondere § 90 Abs. 1 GenG, für anwendbar. Das hält den Angriffen der Revision stand.
1. Bei der Klägerin handelt es sich um eine im früheren LPG-Register eingetragene KE, mithin um eine rechtsfähige juristische Person (§ 13 Abs. 3 LPG-Gesetz). Für die Abwicklung derartiger KE trifft § 69 Abs. 3 Satz 4 LwAnpG eine ausdrückliche Regelung, nach der die für die Abwicklung der LPG geltende Vorschrift des § 42 LwAnpG anzuwenden ist, die ihrerseits – unter anderem – auf die §§ 82 bis 93 GenG verweist.
2. Die Verweisungskette über die §§ 69 Abs. 3 Satz 4 und 42 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG gilt für die Klägerin ungeachtet des Umstandes, daß sie nicht erst kraft Gesetzes zum 1. Januar 1992, sondern bereits durch Beschluß ihrer Trägerbetriebe vom 8. August 1991 aufgelöst worden ist. Die Regelung des § 69 Abs. 3 Satz 4 LwAnpG bezieht sich zwar nach ihrer systematischen Stellung unmittelbar nur auf die in § 69 Abs. 3 Satz 1 LwAnpG kraft Gesetzes angeordnete Auflösung von LPG und KE. Sie ist aber auf den vorliegenden Fall einer Auflösung durch Beschluß der Trägerbetriebe entsprechend anwendbar.
a) Die Auflösung einer KE durch Beschluß der Trägerbetriebe war bereits vor dem 1. Januar 1992 zulässig. Zwar enthält das LwAnpG für die KE keine ausdrückliche Regelung über die Möglichkeit der Auflösung durch Beschluß, wie sie in § 41 LwAnpG für die LPG vorgesehen ist. Eine solche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Auflösung war aber für die KE – anders als für die LPG (dazu BGH, Beschl. v. 1. Juli 1994 - BLw 7/94, WM 1994, 898) – nicht erforderlich. Im Gegensatz zur Situation bei der LPG war es den Trägerbetrieben bereits unter der Geltung des LPG-Gesetzes möglich, eine KE aufzulösen. Sie konnten den Rechtsstatus der KE verändern und sie von einer juristischen Person in eine unselbständige Einrichtung oder in einen Betriebsteil eines Trägerbetriebes umwandeln (vgl. Abschn. VIII Nr. 56 Abs. 1 des Musterstatuts für kooperative Einrichtungen vom 8. Juni 1988, GBl. DDR Sonderdruck Nr. 1310; Arlt/Krauß, Kommentar zum LPG-Gesetz 1989, § 13 Anm. 1 S. 65). Es kann nicht angenommen werden, daß durch das LwAnpG die Möglichkeit der Auflösung von KE eingeschränkt werden sollte.
b) Für die vor dem 1. Januar 1992 durch Beschluß aufgelösten KE fehlen Vorschriften über ein Abwicklungsverfahren. Entgegen der Auffassung der Revision enthält Abschn. VIII Nr. 56 des Musterstatuts für kooperative Einrichtungen (aaO) keine derartigen Verfahrensregeln.
Nach Nr. 56 Abs. 2 des Musterstatuts erfolgt dann, wenn eine KE ihre Tätigkeit aufgibt oder ein Trägerbetrieb seine Beteiligung beendet, die „Ablösung der materiellen und finanziellen Fonds … nach den Anteilen an den Fonds der kooperativen Einrichtung”, soweit die Trägerbetriebe nichts anderes beschließen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Bestimmung über die Höhe der den Trägerbetrieben jeweils zustehenden Anteile am Vermögen der KE. Ungeregelt bleibt hingegen das eigentliche Verteilungsverfahren mit Bestimmungen darüber, welche Person zu welchem Zeitpunkt die Anteile an die Trägerbetriebe auskehren kann, wie etwaige Verbindlichkeiten der KE zu regeln sind und in welchem Verhältnis die Verbindlichkeiten zu den Anteilen der Trägerbetriebe stehen. Auch dem von der Revision in Bezug genommenen Abs. 3 der Nr. 56 des Musterstatuts können derartige Regelungen nicht entnommen werden. Danach darf die Ablösung der Anteile eines Trägerbetriebes „nicht zur Beeinträchtigung der Aufgaben oder des finanziellen Reproduktionsprozesses der kooperativen Einrichtung führen”. Die Vorschrift betrifft folglich nicht die Beendigung oder Auflösung einer KE, sondern nur den Fall des Ausscheidens eines Trägerbetriebes und die damit verbundenen Folgen für den Fortbestand der KE. Sie gibt deshalb für das hier interessierende Liquidationsverfahren nach der Auflösung der KE nichts her.
c) Die Übereinstimmung der Interessenlagen gebietet es, auf die Abwicklung einer rechtsfähigen KE nach ihrer Auflösung durch Beschluß der Trägerbetriebe die Vorschriften über das Abwicklungsverfahren nach gesetzlich angeordneter Auflösung entsprechend anzuwenden (ebenso Ebbing, NZG 1999, 38, 39). Auch bei der LPG werden die Rechtsfolgen beider Auflösungsarten gleich behandelt: § 42 LwAnpG, auf den § 69 Abs. 3 Satz 4 LwAnpG verweist, regelt in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich die Abwicklung der gemäß § 41 LwAnpG durch Beschluß ihrer Mitglieder aufgelösten LPG. Hingegen kommt, wie der Senat in seinem Urteil vom 17. Mai 1999 (II ZR 76/98) näher ausgeführt hat, für die rechtsfähigen KE – anders als für die unselbständigen (vgl. dazu zuletzt Sen.Urt. v. 21. April 1997 - II ZR 221/95, VIZ 1997, 548 m.w.N.) – eine entsprechende Anwendung der Auseinandersetzungsregeln der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die das Landgericht auf den vorliegenden Fall angewendet hat, nicht in Betracht.
II. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden – und von der Revision auch nicht gerügt – sind ferner die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß bei Zahlung des Betrages von 57.702,10 DM an die Beklagte im September 1991 die Auszahlungsvoraussetzungen des § 90 Abs. 1 GenG nicht vorgelegen haben und die Beklagte infolge dessen zur Rückzahlung verpflichtet ist.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Goette, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.05.1999 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538658 |
DStR 1999, 1282 |
NZG 1999, 841 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 501 |
WM 1999, 1507 |
WuB 1999, 1256 |
ZAP-Ost 1999, 422 |
AgrarR 2000, 52 |