Entscheidungsstichwort (Thema)
Kaufpreisdifferenz als Pachtvorauszahlung
Leitsatz (amtlich)
Vereinbart der Veräußerer eines Grundstücks, der dieses zugleich zur Fortführung seines Betriebs vom Erwerber pachtet, einen Nachlaß auf den ursprünglich vorgesehenen Kaufpreis mit der Maßgabe, daß sich zum Ausgleich hierfür der Pachtzins für einen bestimmten Zeitraum ermäßigt, so liegt in Höhe der Kaufpreisdifferenz eine Pachtvorauszahlung vor, die bei vorzeitiger Beendigung des Pachtverhältnisses nach §§ 581 Abs. 2, 557 a Abs. 1 BGB zu erstatten sein kann.
Normenkette
BGB § 557a Abs. 1
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 2 O 253/96) |
OLG Hamm (Aktenzeichen 33 U 2/97) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 33. Senats für Zivilsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. Juni 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war Miteigentümer eines im Wohnungsgrundbuch eingetragenen Grundstücks. Mit seinem Anteil war das Sondereigentum an einer Wohnung und an Gewerberäumen verbunden, in denen er eine Gaststätte betrieb.
Mit notariellem Vertrag vom 17. Juni 1994 erwarb der Beklagte den Miteigentumsanteil des Klägers nebst zugehörigem Sondereigentum. Der im notariellen Vertrag ausgewiesene Kaufpreis betrug 2,25 Mio. DM.
Zugleich trafen die Parteien eine mündliche Vereinbarung, derzufolge der Beklagte die Gaststätte ab 1. Juli 1994 an den Kläger verpachtete. Die Höhe des vereinbarten Pachtzinses ist zwischen den Parteien streitig.
Nach dem Vortrag des Klägers hatten der Kaufpreis ursprünglich 2,47 Mio. DM und der Pachtzins ursprünglich 6.250 DM monatlich betragen sollen. Der Kaufpreis sei sodann einverständlich auf 2,25 Mio. DM ermäßigt worden, mit der Maßgabe, daß der Kläger den Differenzbetrag von 220.000 DM über einen Zeitraum von fünf Jahren durch Ermäßigung des Pachtzinses um 3.750 DM monatlich solle „abwohnen” können. Demgegenüber macht der Beklagte geltend, es sei bei der Vereinbarung eines Pachtzinses von 6.250 DM monatlich verblieben. Die Ermäßigung des Kaufpreises beruhe auf anderen, im einzelnen dargelegten Gründen.
Im Januar 1995 erklärte der Beklagte die außerordentliche Kündigung des Pachtverhältnisses wegen Zahlungsrückstandes und verlangte in einem Vorprozeß Räumung sowie Zahlung rückständiger Pacht. Das Landgericht wies die Klage ab, weil die Beweisaufnahme nicht ergeben habe, daß die Parteien einen Pachtzins von 6.250 DM vereinbart hätten. Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht hinsichtlich des Zahlungsanspruchs zurück, weil es eine Verrechnungsvereinbarung mit dem um 220.000 DM ermäßigten Kaufpreis als erwiesen ansah. Dem Räumungsbegehren gab es hingegen mit der Begründung statt, mangels Einhaltung der Schriftform sei der Pachtvertrag jedenfalls infolge ordentlicher Kündigung spätestens zum 31. Dezember 1995 beendet worden. Dieses Urteil ist rechtskräftig.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger, der die Gaststätte Ende Mai 1996 an den Beklagten herausgegeben hat, Erstattung des nicht „abgewohnten” Differenzbetrages, den er mit 133.750 DM errechnet (220.000 DM Kaufpreisdifferenz abzüglich 86.250 DM als Pachtzinsnachlaß für 23 Monate tatsächlicher Nutzung à 3.750 DM).
Das Landgericht gab der Klage in Höhe von 111.242,72 DM statt und wies die weitergehende Klage mit der Begründung zurück, in Höhe von 22.507,28 DM sei die Klageforderung durch Hilfsaufrechnungen des Beklagten erloschen. Auf die Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage insgesamt ab. Eine vom Kläger angekündigte Anschlußberufung, mit der dieser zum einen das landgerichtliche Urteil angriff, soweit es Hilfsaufrechnungen in Höhe von mehr als 19.793,81 DM hatte durchgreifen lassen, und zum anderen klageerweiternd einen erstrangigen Teilbetrag von 19.793,81 DM aus einem Anspruch auf Kautionsrückzahlung nachschob, sah das Berufungsgericht als nicht erhoben an, weil der Kläger den entsprechenden Antrag nur für den Fall gestellt habe, daß der Beklagte mit weiteren Hilfsaufrechnungen durchdringe.
Der Kläger hat Revision eingelegt, mit der er nach wie vor Zahlung in Höhe des ursprünglich eingeklagten Betrages begehrt, und zwar in Höhe eines Teilbetrages von 19.793,81 DM nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Klageerweiterung und im übrigen unter Weiterverfolgung seines ursprünglich eingeklagten Anspruchs.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten vereinbart, daß der Kläger zum Ausgleich der Ermäßigung des Kaufpreises um 220.000 DM diesen Betrag über einen Zeitraum von fünf Jahren durch Ermäßigung des Pachtzinses um 3.750 DM monatlich solle abwohnen können, hält der revisionsrechtlichen Prüfung entgegen den Ausführungen der Revisionserwiderung stand.
1. Das Berufungsgericht zieht in Zweifel, ob eine nach § 557 a BGB zu erstattende Mietvorauszahlung überhaupt im Wege einer Verrechnungsabrede erbracht werden könne, läßt dies aber letztlich dahinstehen, weil die Anwendung dieser Vorschrift bereits an der Verknüpfung der Verrechnungsabrede mit dem Grundstückskaufvertrag scheitere, der mit dem Inhalt dieser mündlichen Abrede durch Eigentumsumschreibung im Grundbuch gemäß § 313 Satz 2 BGB wirksam geworden sei. Die dem Kläger geschuldete Möglichkeit, den Differenzbetrag über einen Zeitraum von fünf Jahren durch eine Ermäßigung der Pacht „abzuwohnen”, sei durch die vorzeitige Beendigung des Pachtvertrages im Sinne des § 325 Abs. 1 BGB teilweise unmöglich geworden. Ob der Beklagte diese Unmöglichkeit angesichts der von ihm ausgesprochenen Kündigung zu vertreten habe, könne dahinstehen, da dem Kläger allenfalls Schadensersatz wegen Nichterfüllung zustehen könne; der Kläger habe aber nicht dargelegt, daß ihm überhaupt ein Schaden entstanden sei.
2. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a) Der Senat vermag die Bedenken des Berufungsgerichts gegen die Anwendbarkeit des § 557 a BGB auf die hier festgestellte Fallgestaltung nicht zu teilen.
§ 557 a BGB gilt gemäß § 581 Abs. 2 BGB auch für Pachtverträge (vgl. Palandt/Putzo BGB 59. Aufl. § 557 a Rdn. 4; Schmidt-Futterer/Gather Mietrecht 7. Aufl. § 557 a Rdn. 1 m.w.N.).
Mietvorauszahlung im Sinne dieser Vorschrift ist jede Mieterleistung, die nach dem Inhalt des Mietvertrages Bezug zum Mietzins hat und mit ihm innerlich verbunden, also letztlich Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung der Mietsache ist (vgl. Erman/Jendrek BGB 9. Aufl. § 557 a Rdn. 5; Staudinger/Sonnenschein BGB [1995] § 557 a Rdn. 7), mithin jede Leistung des Mieters, durch die der Mietzins ganz oder teilweise als für eine bestimmte Zeit im voraus als erbracht gilt (vgl. Schmidt-Futterer/Gather aaO Rdn. 11).
Insoweit ist es nicht von Belang, ob diese Vorausleistung im Wege der Zahlung oder auf andere Weise, etwa im Wege der Verrechnung, erbracht wird. Es ist daher nicht ersichtlich, aus welcher rechtlichen Erwägung heraus die Verknüpfung des im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreisnachlasses mit der im Gegenzug vereinbarten Reduzierung des Pachtzinses der Annahme einer Mietvorauszahlung entgegenstehen soll.
Ebenso kommt es nicht darauf an, als was die Parteien die Mietvorauszahlung betrachtet oder bezeichnet haben. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 3. Februar 1959 – VIII ZR 91/58 – NJW 1959, 872, 873) hat eine Aufbauleistung des Mieters als Mietvorauszahlung beurteilt und keinen Unterschied zwischen einem von Mieter in Geld oder aber durch eigene Aufbauarbeiten geleisteten Vorschuß gemacht.
Bereits das Reichsgericht (WarnRspr. 1927 Nr. 52 = S. 77 f.) hat in einem Fall, in dem die Eigentümerin ihr Grundstück mit der Maßgabe veräußert hatte, noch ein Jahr lang eine Etage des Hauses ohne besondere Vergütung bewohnen zu dürfen, einen Mietvertrag mit vorzeitiger Mietzahlung gesehen und angenommen, die Erwerberin habe die Vergütung für die Gebrauchsüberlassung (§ 535 BGB) in Gestalt der niedrigeren Bemessung des Kaufpreises erhalten.
Der Annahme einer Mietvorauszahlung steht schließlich auch nicht entgegen, daß mit ihr im vorliegenden Fall nur ein Teil der künftig fällig werdenden Mietzinsraten getilgt werden sollte und der Restbetrag nach Zeitabschnitten hinzuzuzahlen war (vgl. Staudinger/Sonnenschein aaO Rdn. 5; Roquette Mietrecht § 557 a BGB Rdn. 5; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Februar 1959 aaO).
b) Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, infolge der Beendigung des Pachtvertrages sei die weitere Gebrauchsgewährung zum ermäßigten Pachtzins unmöglich geworden, begegnet Bedenken, da es dem Beklagten unbenommen war, der weiteren Nutzung durch den Kläger nicht zu widersprechen (§ 568 BGB) und davon abzusehen, die Räumung zu betreiben.
Darauf und auf die Frage, ob der Beklagte eine etwa eingetretene Unmöglichkeit angesichts der von ihm ausgesprochenen Kündigung zu vertreten hat, kommt es indes nicht an. Der Kläger selbst hat jedenfalls angesichts der vom Berufungsgericht festgestellten Pachtzinsabrede keinen Anlaß zur Beendigung des Pachtvertrages gegeben. Wenn der Auffassung des Berufungsgerichts zufolge auch in einem solchen Fall die Anwendbarkeit des § 557 a BGB infolge der Beendigung des Miet- oder Pachtvertrages durch die Regelung des § 325 Abs. 1 BGB verdrängt würde, wäre schwerlich vorstellbar, in welchen Fällen § 557 a BGB dann überhaupt noch eingreifen soll. Denn diese Vorschrift setzt gerade voraus, daß das Mietverhältnis beendet ist, und verweist zum Ausgleich dafür, daß die vom Mieter mit einer Mietvorauszahlung „erkaufte” Möglichkeit der Nutzung gegen geringeres laufendes Entgelt vorzeitig entfallen ist, auf die Rechtsfolgen der §§ 347, 812 ff. BGB.
3. Mit der gegebenen Begründung kann die angefochtene Entscheidung daher keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden, da sich das Berufungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – mit den weiteren Hilfsaufrechnungen des Beklagten nicht befaßt und hierzu keine Feststellungen getroffen hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es dies nachholen kann.
Damit erübrigt sich zugleich eine Entscheidung darüber, ob das Berufungsgericht die Anschlußberufung des Klägers zutreffend als nicht erhoben angesehen hat. In der erneuten Verhandlung wird der Kläger Gelegenheit haben, seinen Antrag insoweit klarzustellen.
Unterschriften
Blumenröhr, Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Bundesrichter Prof. Dr. Wagenitz ist im Urlaub und verhindert zu unterschreiben. Blumenröhr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.05.2000 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539611 |
DStZ 2000, 803 |
NJW 2000, 2987 |
NWB 2000, 2956 |
NZM 2000, 761 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1964 |
ZAP 2000, 883 |
ZMR 2000, 664 |
MDR 2000, 946 |
WuM 2000, 428 |