Entscheidungsstichwort (Thema)
Kaufanspruch ehemals volkseigenen Eigenheims bei Nutzung nur einer Wohnung
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Ankauf des Grundstücks steht dem Käufer eines ehedem volkseigenen Eigenheims auch dann zu, wenn er nur eine von zwei vorhandenen Wohnungen vertraglich genutzt hat.
Normenkette
SachenRBerG § 121 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. April 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger zu 1 schloß am 11. Juli 1988 mit dem V. Gebäudewirtschaft einen schriftlichen Mietvertrag über eine 2 ½-Zimmerwohnung auf dem damals volkseigenen Grundstück G. Straße in I. … Mit notariellem Vertrag vom 5. Februar 1990 mit dem Rechtsträger, dem Rat der Stadt, kauften die Kläger „das in I., G. Str. gelegene Eigenheim (1-Familienhaus)” und beantragten, ihnen ein Nutzungsrecht an dem Grundstück zu verleihen. Zur Durchführung des Kaufvertrags und zur Zuteilung des Nutzungsrechts kam es nicht mehr. Aufgrund eines am 2. September 1999 bestandskräftig gewordenen Restitutionsbescheides ist die Beklagte Eigentümerin des Grundstücks.
Die Kläger haben die Feststellung beantragt, daß sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ankauf des Grundstücks nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz haben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstreben. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Kläger auf Ankauf des Grundstücks nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG, da das Mietverhältnis der Kläger nur eine von mindestens zwei in dem Gebäude befindlichen Wohnungen zum Gegenstand gehabt habe.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
Nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG steht dem Nutzer ein Anspruch auf Ankauf des Grundstücks zu, wenn er a) aufgrund eines bis zum 18. Oktober 1989 abgeschlossenen Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrags ein Eigenheim am 18. Oktober 1989 genutzt, b) bis zum Ablauf des 14. Juni 1990 einen wirksamen Kaufvertrag mit einer staatlichen Stelle der DDR über dieses Eigenheim geschlossen hat und c) dieses Eigenheim am 1. Oktober 1994 zu eigenen Wohnzwecken nutzte.
Die Voraussetzungen zu b) stehen zwischen den Parteien außer Streit, die Voraussetzungen zu a) und c) sind, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, erfüllt, wenn es sich bei dem Gebäude um ein Eigenheim gehandelt hat.
1. Allerdings läßt der Wortlaut des Gesetzes auch die Auslegung des Berufungsgerichts zu, wonach sich das Mietverhältnis auf das Eigenheim als solches bezogen haben muß. Eigenheime sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SachenRBerG Gebäude, die für den Wohnbedarf bestimmt sind und eine oder zwei Wohnungen enthalten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, denen die Revision nicht entgegentritt, war Gegenstand des Mietvertrags, der sich nach § 100 Abs. 3 ZGB auch auf die Klägerin zu 2, die Ehefrau des Klägers zu 1, erstreckt hat, nur eine der vorhandenen Wohnungen. Die Kläger haben also am Stichtag des § 121 Abs. 2 Buchst. a SachenRBerG nicht das auf dem Grundstück errichtete Eigenheim, sondern nur einen Teil desselben, eine Wohnung, als Mieter genutzt. Dies genügt indessen nach Sinn und Zweck der Vorschrift und ihrer Entstehungsgeschichte zur Begründung des Bereinigungsanspruchs.
a) Der Gebäudekauf der Kläger erfolgte auf der Grundlage des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile und Gebäude für Erholungszwecke vom 19. Dezember 1973 (GBl. I, S. 578; Verkaufsgesetz 1973), das erst am 19. März 1990 – also nach dem Vertragsschluß – durch das Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl. I, S. 157; Verkaufsgesetz 1990) abgelöst wurde. In erster Linie das Verkaufsgesetz 1990 (Senatsurt. v. 22. Juni 2001, V ZR 202/00, WM 2001, 1911), daneben aber auch das vorangegangene Gesetz vom 19. Dezember 1973 bildeten die rechtliche Grundlage des Vertrauens, das § 121 Abs. 2 SachenRBerG schützt. § 121 Abs. 2 SachenRBerG schließt an einen Teilbereich des Verkaufsgesetzes 1990, nämlich den Verkauf volkseigener Ein- und Zweifamilienhäuser (§§ 2, 4 VerkG) und Miteigentumsanteile (§ 5 VerkG; Senat, Urt. v. 22. Juni 2001, aaO), und an den Regelungsgegenstand des Verkaufsgesetzes 1973, soweit dieses der Verbesserung der Wohnbedingungen (Vorspruch) diente, an. Dem Käufer, der vor Vollzug des Kaufvertrags mit dem Untergang der DDR den Vertragspartner verloren hatte, wird gegen den jetzigen Eigentümer ein gesetzliches Ankaufsrecht (oder ein gesetzliches Recht zum Erwerb eines Erbbaurechts) zu besonderen Bedingungen, §§ 68 ff SachenRBerG (§§ 43 ff SachenRBerG), eingeräumt. Bereits das Verkaufsgesetz 1973 zählte zu den volkseigenen Eigenheimen, sowohl Ein- als auch Zweifamilienhäuser (§ 1 Abs. 1 der Durchführungsbestimmung vom 19. Dezember 1973, GBl. I S. 590). Nach der damaligen Praxis war es im Falle des Erwerbs eines Zweifamilienhauses nicht erforderlich, daß der Erwerber beide Wohnungen zu eigenen Wohnzwecken nutzte; zulässig war auch der Erwerb zum Zwecke der Vermietung der weiteren Einheit (Richtlinie des Ministeriums der Finanzen der DDR vom 14. August 1985 zur Durchführung des Verkaufsgesetzes vom 19. Dezember 1973). Das Verkaufsgesetz 1990 nahm, was angesichts der zwischenzeitlichen Entwicklung ohnehin nicht anzunehmen gewesen wäre, hieran keine Einschränkungen vor. § 2 des Gesetzes enthielt, was den Erwerb volkseigener Ein- und Zweifamilienhäuser angeht, nicht einmal die ausdrückliche Voraussetzung, daß der Erwerb – jedenfalls auch – eigenen Wohnzwecken dienen mußte. § 4 der Durchführungsverordnung vom 15. März 1990 (GBl. I S. 158) holte dies allerdings insoweit nach, als der Verkauf an Bürger (nach § 2 des Gesetzes Bürger der DDR und Ausländer mit ständigem Wohnsitz in der DDR) erfolgen konnte, die die Gebäude zum Zeitpunkt des Verkaufs bewohnten oder durch die die künftige persönliche Nutzung dieses Wohnraums gewährleistet war. Eine Einschränkung dahin, daß der Verkauf volkseigener Zweifamilienhäuser (Wohngebäude, die zwei selbständige abgegrenzte Wohnungen enthalten, § 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung) nur an den gegenwärtigen oder künftigen Nutzer beider Wohnungen zulässig war, enthielten die Durchführungsbestimmungen nicht. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die – pauschale – Nachzeichnung dieser Rechtslage durch § 121 Abs. 2 SachenRBerG hieran Abstriche machen wollte (vgl. BT-Drucks. 12/7668, Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat; BT-Drucks. 12/8204, Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses). Der Senat hat zu § 121 Abs. 2 SachenRBerG entschieden, durch diese Regelung habe vermieden werden sollen, daß ein Nutzer ein Ankaufsrecht allein zum Zwecke der Vermietung, Verpachtung oder Weiterveräußerung ausübt (Urt. v. 14. September 2001, V ZR 410/00, VIZ 2002, 49, 50). Für den Erwerb eines Eigenheims mit zwei Wohnungen, teils zur Eigennutzung, teils zur Vermietung, bleibt indessen Raum.
b) Eine Bereinigung durch Begründung und Veräußerung von Wohnungseigentum, die das Sachenrechtsbereinigungsgesetz als besonderes Instrument der Bereinigung vorsieht (§§ 65 Abs. 2, 66 Abs. 2, 67 SachenRBerG; für den Fall des Erbbaurechts vgl. § 40 SachenRBerG), scheidet hier aus. Diese Vorschriften geben keine allgemeine Grundlage für die Aufteilung des Grundstücks in dem Fall ab, daß der nach § 120 Abs. 2 SachenRBerG berechtigte Nutzer nur eine von mehreren Wohnungen des Eigenheims angemietet hatte. Zwar bezeichnet § 65 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 1 SachenRBerG eine Abtrennung von Teilflächen zur Bereinigung des Restes (§§ 65 Abs. 1, 66 Abs. 1, 22 bis 27 SachenRBerG) u.a. dann als nicht möglich, wenn der Nutzer und der Grundstückseigentümer abgeschlossene Teile des Gebäudes unter Ausschluß des anderen nutzen; der Grundstückseigentümer kann in diesem Fall, wie der Nutzer, die Begründung und Veräußerung von Wohnungseigentum verlangen. Dies setzt aber voraus, daß der Grundstückseigentümer einen Tatbestand verwirklicht hat, der, wäre er Nutzer, ihm einen Anspruch auf Bereinigung verschaffte (vgl. Krauß in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, § 66 Rdn. 23). In Frage kommen vor allem vom Gesetz erfaßte Investitionen. Sie würden sich in dem von dem Nutzer zu erbringenden regelmäßigen Kaufpreis, der sich am Bodenwert orientiert (§§ 19, 68 Abs. 1 SachenRBerG), nicht niederschlagen. Liegt eine solche besondere Sachlage, die auch im Falle des § 120 Abs. 2 SachenRBerG zu berücksichtigen ist, nicht vor, bleibt es bei dem Recht des Nutzers, das Grundstück ungeteilt oder nach Abschichtung von Teilflächen (§ 66 Abs. 1 SachenRBerG) zu erwerben; unberührt bleiben die Fälle, in denen Wohnungseigentum deshalb gebildet wird, weil eine Abschreibung nicht genehmigungsfähig (§§ 66 Abs. 2 Satz 1, 120 SachenRBerG) oder nach § 66 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG unzweckmäßig ist.
2. Das Berufungsgericht hat, aus seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellung dazu getroffen, ob es sich bei dem von den Klägern gekauften Gebäude um ein Eigenheim gehandelt hat oder ob es mehr als zwei Wohnungen aufwies. Die im Berufungsurteil wiedergegebenen Zeugenaussagen lassen, jedenfalls für gewisse Zeitspannen, auch die Nutzung durch drei Mietparteien als möglich erscheinen. Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, das hierzu Erforderliche zu klären.
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Krüger, Klein, Lemke
Fundstellen
Haufe-Index 760838 |
BGHR 2002, 973 |
BGHR |
EWiR 2003, 77 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2002, 583 |
WM 2002, 1947 |
ZfIR 2002, 641 |
MDR 2002, 1186 |
NJ 2002, 483 |