Leitsatz (amtlich)
›1. Hat es ein Anwalt unter Außerachtlassung des den Umständen nach sichersten Weges unterlassen, Ansprüche seines Mandanten in verjährungsunterbrechender Weise geltend zu machen, und ist es deshalb zweifelhaft geworden, ob die Ansprüche verjährt sind, wird der Schaden des Mandanten, der sich außerstande sieht, der vom Gegner erhobenen Verjährungseinrede wirksam entgegenzutreten, auch dann vom Schutzbereich der verletzten Pflicht erfaßt, wenn die Verjährungseinrede zu Unrecht erhoben ist.
2. Zur Verjährung des Schadensersatzanspruchs eines Vermieters/Verpächters wegen Beschädigung der Miet-/Pachtsache.‹
Verfahrensgang
LG Darmstadt |
OLG Frankfurt am Main |
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten auf Schadensersatz in Anspruch.
Am 1. Februar 1974 verpachtete der Kläger ein Grundstück einschließlich der Gebäude, des Inventars und des werbenden Unternehmens R.-Maschinenfabrik (im folgenden: R.) an die T. KG und deren persönlich haftenden Gesellschafter A. P. Die Pächter übernahmen das Umlaufvermögen von R. und verpflichteten sich, das Anlagevermögen im Wert zu erhalten und das Grundstück zu keinem anderen Zweck als dem Betrieb von R. zu nutzen. Bei Beendigung der Pachtzeit sollte der Pachtgegenstand in ordnungsgemäßem Zustand zurückgegeben werden. Im Jahre 1983 stellten die Pächter den Betrieb in den gepachteten Räumen ein. Das Pachtverhältnis wurde zum 31. Dezember 1984 beendet. Am 7. Januar 1985 erhielt der Kläger die Sachwerte zurück.
Im Auftrag des Klägers fertigte der Beklagte den Entwurf einer Klage, die am 5. Juli 1985 beim Landgericht F. - bei dem der Beklagte nicht zugelassen war - durch einen anderen Anwalt eingereicht wurde. Damit begehrte der Kläger die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz wegen 46 einzeln aufgeführter Beschädigungen des Pachtobjekts. Als die Klage später durch einen anderen Anwalt erweitert und auf Zahlung umgestellt wurde, erhoben die Pächter die Einrede der Verjährung. Der Verlust des Geschäftswerts von R. war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Klage.
Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 9. Dezember 1987 zahlten die Pächter unter Berücksichtigung einer vom Kläger bereits in Anspruch genommenen Bankbürgschaft von 180000 DM zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche noch 250000 DM.
Seinen ungedeckten Schaden von angeblich 703378, 03 DM hat der Kläger von dem Beklagten ersetzt verlangt. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage im wesentlichen abgewiesen. In der Revisionsinstanz geht es, nachdem der Senat die Revision im übrigen nicht angenommen hat, nur noch um den Verlust des Geschäftswerts von R. Diesen beziffert der Kläger auf 246060 DM.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Anspruch wegen des verlorenen Geschäftswerts versagt, weil eine - allerdings vorliegende - Pflichtwidrigkeit des Beklagten für den Schaden nicht ursächlich geworden sei. Als der Kläger den gerichtlichen Vergleich abgeschlossen habe, sei der Anspruch auf Ersatz des Geschäftswerts noch nicht verjährt gewesen. Nach dem Vortrag des Klägers habe das Unternehmen R. bei Rückgabe der Pachtsache nicht mehr bestanden. In einem derartigen Fall sei die kurze Verjährungsfrist des § 558 BGB nicht anwendbar. Der Kläger habe also ohne Not im Vergleichsweg auf Ansprüche wegen des Geschäftswerts verzichtet.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß Schadensersatzansprüche wegen Schädigung des Geschäftswerts (good will) eines verpachteten Unternehmens grundsätzlich nach § 558 BGB in sechs Monaten verjähren (vgl. OLG Karlsruhe BB 1970, 147, 148; BGB-RGRK/Gelhaar, 12. Aufl. § 558 Rdnr. 2).
2. Richtig ist auch, daß von einer Veränderung oder Verschlechterung im Sinne des § 558 BGB dann nicht mehr die Rede sein kann, wenn die Miet- oder Pachtsache völlig zerstört ist. Es gelten dann die allgemeinen Regeln (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juni 1981 - VIII ZR 129/80, NJW 1981, 2406, 2407; v. 21. Juni 1988 - VI ZR 150/87, BGHR BGB § 558 Abs. 1 "Verschlechterung 1"; Staudinger/Emmerich, BGB 12. Aufl. 2. Bearb. § 558 Rdnr. 13 a; MünchKomm/Voelskow, BGB 2. Aufl. § 558 Rdnr. 9). Eine völlige Zerstörung liegt jedoch nur dann vor, wenn jedwede Rückgabe der Miet- oder Pachtsache ausgeschlossen ist. Das ist nicht der Fall, wenn noch Reste der zurückzugebenden Sache bestehen (BGH, aaO).
In der vorliegenden Sache ist nicht von einem völligen Untergang des Pachtgegenstandes auszugehen. Grundstück, Gebäude und zumindest Teile des Inventars waren noch vorhanden und sind zurückgegeben worden. Wenn R. als lebendes Unternehmen nicht mehr bestanden hat, kann dies der vollständigen Zerstörung der Pachtsache nicht gleichgeachtet werden.
III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
1. Der Beklagte hat pflichtwidrig gehandelt, indem er den Kläger nicht in die Lage versetzte, der von den Pächtern erhobenen Verjährungseinrede erfolgreich entgegenzutreten.
a) Nach dem Klagevorbringen war der Beklagte beauftragt, die Schadensersatzansprüche des Klägers geltend zu machen. Da er vertraglich verpflichtet war, vermeidbare Nachteile für seinen Auftraggeber zu verhindern (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1987 - IX ZR 41/86, NJW 1988, 1079, 1081; v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820; vom 6. Februar 1992 - IX ZR 95/91, WM 1992, 742, 743 f; v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92, z. V. b.), hatte er dessen Ansprüche vor der Verjährung zu sichern.
b) Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, daß dem Kläger gegen seine Pächter ein Schadensersatzanspruch zustand, weil sie das verpachtete Unternehmen schuldhaft haben untergehen lassen. Da das Berufungsgericht nichts Gegenteiliges festgestellt hat, ist der Vortrag des Klägers für die Revisionsinstanz zugrunde zu legen. Danach haben die Pächter den R.- Betrieb zum 31. März 1983 stillgelegt und die Arbeitskräfte entlassen. Eine von P. als Geschäftsführer geleitete B. L. GmbH stellte die Arbeiter ein und produzierte zunächst in denselben, später in anderen Räumen mit von R. übernommenen Maschinen. Inzwischen werden die früheren R.-Produkte von einem anderen P.-Betrieb hergestellt.
Ein derartiges Verhalten der Pächter lief der vertraglichen Verpflichtung, R. als werbendes Unternehmen zu erhalten, zuwider. Sie waren deshalb dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet.
c) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, mußte der Beklagte aufgrund des ihm bekannten Schreibens des Klägers an P. vom 10. April 1985 davon ausgehen, daß der Kläger von P. nicht etwa nur Rückgabe der Pachtsache (§§ 556, 581 Abs. 2 BGB) - dieser Anspruch wäre allerdings nicht der kurzen Verjährung unterstellt gewesen (vgl. Staudinger/Emmerich, aaO § 558 Rdnr. 14; Bub/Treier/Gramlich, aaO VI 18) -, sondern wegen des Firmenwerts Schadensersatz verlangen konnte. Der von dem Beklagten in der Revisionsverhandlung vorgetragenen Ansicht, in Ermangelung eines ausdrücklichen Hinweises des Klägers habe er - Beklagter - nicht darauf zu kommen brauchen, daß der Kläger durch Verlust des Geschäftswerts einen Schaden erlitten habe und diesen ersetzt haben wolle, folgt der Senat nicht. Aus dem erwähnten Schreiben ging hervor, daß R. die Produktion eingestellt sowie die Arbeiter entlassen hatte und daß die Pächter durch ein anderes Unternehmen mit den früheren Mitarbeitern von R. und mit früheren R.-Maschinen an anderer Stelle weiterproduzierten. Zwar hatte der Kläger mit dem genannten Schreiben die Pächter aufgefordert, "die Produktion ... einzustellen und die Firmenunterlagen mit Kundenkartei zurückzugeben, damit die Produktion bei R. weiter erfolgen kann"; es war jedoch keineswegs sicher, daß die Pächter diesem Ansinnen nachkamen (tatsächlich ist dies auch nicht geschehen). Selbst wenn sie die Produktion der von R. entwickelten Waren eingestellt und die gewünschten Unterlagen zurückgegeben hätten, wäre - nachdem der Betrieb "R. " bereits seit fast zwei Jahren ruhte - damit zu rechnen gewesen, daß zumindest ein Teil des Kundenstamms nicht wieder zur R.-Maschinenfabrik zurückfand und deren Geschäftswert damit irreparable Schäden erlitten hatte. Dafür, daß der Kläger insofern auf Schadensersatz verzichten wollte, hatte der Beklagte keine Anhaltspunkte. Es sprach vielmehr alles dafür, daß der Kläger - als rechtlicher Laie - den Umfang seiner Rechte nicht kannte. Dann war es Aufgabe des Beklagten, ihn darüber aufzuklären und auch die Ansprüche, an die der Kläger nicht gedacht hatte, vor einer Verjährung zu sichern.
d) Wann der Anspruch wegen des Verlusts des Geschäftswerts verjährte, war unklar. Wegen seiner Pflicht, vermeidbare Risiken für seinen Auftraggeber auszuschließen, hätte der Beklagte deshalb in Betracht ziehen müssen, daß sich das zur Entscheidung berufene Gericht der seinem Mandanten ungünstigeren Beurteilung anschloß. Er hätte daher seine Maßnahme so treffen müssen, daß der Auftraggeber auch in diesem Falle keinen Nachteil erlitt (BGH, Urt. v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3015). Dementsprechend hätte er so rechtzeitig für eine Unterbrechung der Verjährung sorgen müssen, daß auch bei der für den Kläger ungünstigsten Beurteilung der Verjährungsfrage diesem kein Nachteil entstand (vgl. BGH, Urt. v. 20. Dezember 1962 - III ZR 191/61, VersR 1963, 359, 360; v. 7. Februar 1967 - VI ZR 101/65, VersR 1967, 704, 705; v. 23. Juni 1981 - VI ZR 42/80, NJW 1981, 2741, 2742). Die kürzeste in Betracht kommende Verjährungsfrist war die Sechs-Monats-Frist des § 558 BGB.
Allerdings hat das Landgericht den hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruch nicht der kurzen Verjährung unterworfen, weil nach dem Klagevortrag die Pächter das Unternehmen vorsätzlich zugrunde gerichtet hätten. Die Auffassung, im Falle vorsätzlicher Schädigung des Vermieters/Verpächters sei § 558 BGB nicht anwendbar, ist aber umstritten (wie das Landgericht Soergel/Kummer, BGB 11. Aufl. § 558 Rdnr. 2; Palandt/Putzo, BGB 52. Aufl. § 558 Rdnr. 7; Palandt/Thomas, aaO § 852 RdNr. 1; Braun VersR 1985, 1119; a.A. BGH, Urt. v. 21. Juni 1988 - VI ZR 150/87, LM § 823 (L) BGB Nr. 25; OLG Hamm NJW-RR 1988, 794, 795; LG Konstanz ZMR 1985, 339; Erman/Jendrek, BGB 9. Aufl. § 558 Rdnr. 4; Emmerich/Sonnenschein, Miete 6. Aufl. § 558 BGB Rdnr. 3; der VIII. und der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs haben die Frage bisher offengelassen, vgl. BGHZ 71, 175, 180; 98, 235, 239) und nach zutreffender Ansicht wohl abzulehnen.
Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift dürfte zu entnehmen sein, daß sie auch für Fälle vorsätzlicher Schädigung gilt. Der Gesetzgeber wollte gewährleisten, daß sich die Parteien eines Gebrauchsüberlassungsvertrages rasch auseinandersetzen. Insbesondere sollten Ansprüche wegen des Zustandes der überlassenen Sache bei ihrer Rückgabe beschleunigt geklärt werden (Prot. II 177, 194; BGHZ 47, 53, 56; 86, 71, 78; 98, 235, 237; BGH, Urt. v. 14. Mai 1986 - VIII ZR 99/85, NJW 1986, 2103). Je längere Zeit nach Rückgabe der Sache verstreicht, um so schwerer wird es, ihren Zustand zu ermitteln. Zudem kann die Feststellung der konkreten Verantwortlichkeit des Mieters/Pächters für eine Verschlechterung der vermieteten/verpachteten Sache infolge der Neuvermietung/-verpachtung oder einer sonstigen Weitergabe zweifelhaft werden. Daraus folgt, daß die Vorschrift des § 558 BGB hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs weit auszulegen ist (BGHZ 47, 53, 57; 86, 71, 78; 98, 235, 237; Staudinger/Emmerich, aaO § 558 Rdnr. 1 a; MünchKomm/Voelskow, aaO § 558 Rdnr. 3; Bub/Treier/Gramlich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete VI 9, 15; Emmerich/Sonnenschein, aaO § 558 BGB Rdnr. 4). Neben den mietvertraglichen Ansprüchen, für die § 558 BGB unmittelbar gilt, verjähren in entsprechender Anwendung des § 558 BGB auch alle konkurrierenden Ansprüche aus demselben Sachverhalt. Dazu zählen insbesondere solche, die aus unerlaubter Handlung hergeleitet werden (Prot. II 194; BGHZ 47, 53, 55; 98, 235, 237 f; BGH, Urt. v. 8. Januar 1986 - VIII ZR 313/84, NJW 1986, 1608; v. 21. Juni 1988 - VI ZR 150/87, LM § 823 (L) BGB Nr. 25; v. 11. Dezember 1991 - XII ZR 269/90, BB 1992, 945). Da Veränderungen und Verschlechterungen der vermieteten oder verpachteten Sache regelmäßig Eigentumsverletzungen im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB sind und der Vermieter/Verpächter meist auch Eigentümer der überlassenen Sache ist, würde es zu einer Aushöhlung des durch § 558 BGB bezweckten Abwicklungsschutzes führen, wenn der Geschädigte nach Verjährung vertraglicher Schadensersatzansprüche auf die aus demselben Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Ansprüche ausweichen könnte (ebenso BGB-RGRK/Kreft, aaO § 852 Rdnr. 18; MünchKomm/Mertens, aaO § 852 Rdnr. 41). Zwischen vorsätzlich und fahrlässig begangenen unerlaubten Handlungen kann dabei kaum unterschieden werden. Zum einen ist die Grenze zwischen bewußter Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz fließend. Zum andern ist die - vorsätzliche oder fahrlässige - Art der Begehung auf das Schadensbild oft ohne Einfluß. Der Geschädigte kann deshalb nicht sicher beurteilen, ob der Mieter/Pächter ihn vorsätzlich oder nur fahrlässig geschädigt hat. Es wäre deshalb der Rechtssicherheit abträglich, wenn die Verjährung von der Art der Begehung abhinge. Davon abgesehen ist die Schwierigkeit, im nachhinein den Zustand der überlassenen Sache bei Rückgabe zu ermitteln, nicht geringer, wenn er vorsätzlich herbeigeführt worden war. Das Risiko einer vorsätzlichen Schädigung des Vermieters/Verpächters durch den Mieter/Pächter ist für die Miete oder Pacht auch nicht gänzlich untypisch.
Etwas anderes könnte freilich gelten, wenn sich die Handlung des Mieters/Pächters als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne von § 826 BGB darstellt. In diesem Falle hat der deliktische Anspruch mit den spezifischen Risiken des Miet- oder Pachtverhältnisses so wenig zu tun, daß vieles für die Annahme spricht, § 852 BGB werde hier nicht durch § 558 BGB verdrängt (vgl. Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung 1972 S. 393; MünchKomm/Mertens, aaO § 852 Rdnr. 41).
Ob § 558 den § 852 BGB bei einer vorsätzlichen oder gar sittenwidrig vorsätzlichen Schädigung verdrängt, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch wenn die Umstände eine vorsätzliche Entziehung des Geschäftswerts nahelegen mochten, konnte der Beklagte sich dessen nicht gewiß sein. Noch weniger konnte er als sicher davon ausgehen, daß die Pächter sittenwidrig gehandelt hatten. Er hatte deshalb seine Entschließungen aus Gründen anwaltlicher Vorsicht danach auszurichten, daß die Schadensersatzansprüche, deren Verfolgung der Kläger ihm aufgetragen hatte, sechs Monate nach Rückgabe der Pachtsache verjährten. Innerhalb dieser Frist hatte er verjährungsunterbrechende Maßnahmen zu veranlassen. Das ist für den Schadensersatzanspruch wegen Verlusts des Geschäftswerts nicht geschehen.
2. Die Pflichtwidrigkeit des Beklagten war schuldhaft. Es war sorgfaltswidrig, den Schadensersatzanspruch wegen Untergangs des Unternehmens zu übersehen oder ohne weiteres von einer geräumigeren Verjährungsfrist auszugehen.
3. Durch die schuldhafte Pflichtwidrigkeit des Beklagten ist dem Kläger ein Schaden entstanden, falls R. - wie für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist - überhaupt einen Geschäftswert hatte und eine dem Kläger durch den Vergleich etwa hierauf gezahlte Entschädigung hinter dem Geschäftswert zurückblieb.
Der im Vergleich vom 9. Dezember 1987 - ganz oder teilweise - ausgesprochene Verzicht auf einen entsprechenden Schadensersatzanspruch wäre nach dem Vorbringen des Klägers nicht erfolgt, wenn der Beklagte rechtzeitig verjährungsunterbrechende Maßnahmen getroffen hätte.
Ob der Anspruch wirklich verjährt war, ist unerheblich. Entscheidend ist, daß alle Beteiligten von einer Verjährung ausgingen, weil der Beklagte verjährungsunterbrechende Maßnahmen unterlassen hatte. Daß die Schadensersatzansprüche verjährt seien, war insbesondere auch die Meinung des damals mit der Sache befaßten Gerichts. Aufgrund seines entsprechenden Hinweises erklärte sich der Kläger seinerzeit zu einem vergleichsweisen Nachgeben bereit (Prot. v. 9. Dezember 1987, GA 65). Dieses Nachgeben war durch den Beklagten "herausgefordert" worden, weil er die Frist des § 558 BGB hatte verstreichen lassen, und stellte eine nicht ungewöhnliche Reaktion dar (vgl. BGH, Urt. v. 29. Oktober 1987 - IX ZR 181/86, WM 1988, 337, 341; v. 7. Januar 1988 - IX ZR 7/87, WM 1988, 392, 394; v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92, WM 1993, 510, 513; v. 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589).
Der Ursachenzusammenhang zwischen der vorstehend dargelegten Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt wird nicht dadurch "unterbrochen", daß später andere Anwälte das Mandat des Beklagten aufnahmen und ebenfalls nicht für eine Unterbrechung der möglicherweise noch laufenden Verjährung sorgten. Eine "Unterbrechung des Ursachenzusammenhangs kommt nur dann in Betracht, wenn ein Dritter in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt (BGH, Urt. v. 14. März 1985 - IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1331 m. Anm. Reithmann, EWiR 1985, 293; v. 7. Januar 1988 - IX ZR 7/87, NJW 1988, 1263 m. Anm. Reithmann, WuB VIII A. § 19 BNotO 1. 88; v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92, z. V. b.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die von dem Kläger nach dem Beklagten eingeschalteten Rechtsanwälte haben - wenn sie nicht den Anspruch für verjährt hielten - allenfalls den gleichen Fehler begangen wie der Beklagte.
4. Der Schaden wird vom Schutzzweck der verletzten Anwaltspflicht erfaßt.
Das bedarf keiner näheren Begründung für den Fall, daß der Anspruch wirklich dem § 558 BGB unterlag und infolgedessen verjährt war, als der Kläger den Vergleich schloß. Es gilt aber auch dann, wenn der Anspruch nicht verjährt war.
Ersatz kann nur für solche Schadensfolgen verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen. Dieser Grundsatz gilt in gleicher Weise für die Verletzung vertraglicher Pflichten; auch hier sind nur solche Nachteile zu ersetzen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen worden ist (BGH, Urt. v. 30. Januar 1990 - XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057, 2058; v. 17. Oktober 1990 - IV ZR 187/89, NJW-RR 1991, 627, 629; v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92, z. V. b.). Die Pflicht, zur Vermeidung der Verjährung von Ansprüchen des Mandanten den unter den gegebenen Umständen sichersten Weg einzuschlagen, sollte den Kläger auch davor beschützen, in eine rechtlich oder tatsächlich zweifelhafte Lage zu geraten, die das Risiko begründete, daß berechtigte Positionen nicht erfolgreich durchgesetzt werden konnten. Im vorliegenden Fall sah sich der Kläger aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten außerstande, der von den Pächtern - möglicherweise zu Unrecht - erhobenen Verjährungseinrede wirksam entgegenzutreten. Auch davor hätte der Beklagte ihn durch verjährungsunterbrechende Maßnahmen bewahren müssen.
5. Entgegen der in der Revisionsverhandlung geäußerten Meinung des Beklagten trifft den Kläger kein Mitverschulden - schon gar nicht in einem solchen Maße, daß jegliche Haftung des Beklagten entfiele.
Ob der Kläger selbst erkennen konnte, daß die von dem Beklagten entworfene Feststellungsklage den Anspruch auf Schadensersatz wegen des Verlusts des Geschäftswerts nicht erfaßte, ist unerheblich. Die rechtliche Bearbeitung des Falles obliegt allein dem hierzu eingeschalteten Anwalt; ein Mitverschulden des Mandanten kommt insofern nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820; v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92, z. V. b.).
Falls die von dem Kläger nach dem Beklagten beauftragten Anwälte ihrerseits durch Pflichtverstöße zum Schadenseintritt beigetragen haben sollten - sei es daß sie ebenfalls den Anspruch übersahen, sei es daß sie ihn fälschlich als bereits verjährt betrachteten -, braucht sich der Kläger diese Fehler im Verhältnis zum Beklagten nicht als Mitverschulden anrechnen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92, z. V. b.). Daß die später eingeschalteten Anwälte dazu bestellt worden sind, den erkannten oder für möglich gehaltenen Fehler des Beklagten zu beheben, ist nach dem Vortrag der Parteien auszuschließen.
IV. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben.
Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif. Die Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO) gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit zu prüfen, wie hoch sich der Firmenwert belief, in welchem Umfang der Kläger dafür im Vergleichswege entschädigt worden ist und ob er weitergehende Ansprüche gegen die Pächter hätte durchsetzen können, wenn sie nicht verjährt gewesen wären.
Fundstellen
Haufe-Index 2993211 |
DB 1993, 2117 |
NJW 1993, 2797 |
BGHR BGB § 558 Abs. 1 Konkurrenz 2 |
BGHR BGB § 675 Anwaltshaftung 15 |
DRsp I(125)399d |
WM 1993, 1798 |
ZMR 1993, 458 |
MDR 1993, 1126 |
VersR 1993, 1525 |
WuM 1993, 535 |