Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage einer möglichen Erbschaftsteuertilgung im Falle, dass die Lebensversicherungsgesellschaft die Versicherungssumme nach dem Tode der Erblasserin an das zuständige Finanzamt auszahlt.
Normenkette
ErbStG § 19; BGB § 130 Abs. 2, §§ 151, 153
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 20.05.1997) |
LG Bielefeld (Urteil vom 07.10.1996) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Mai 1997 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 7. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerinnen sollten nach dem Testament der Erblasserin, der am 13. Mai 1994 verstorbenen E. R., je ein Barvermächtnis von 150.000 DM erhalten. Der Beklagte, der Testamentsvollstrecker, hat ihnen je 108.840 DM gezahlt. Den Restbetrag in Höhe von jeweils 41.160 DM – das ist die jeweils auf den Vermächtnisbetrag festgesetzte Erbschaftsteuer – nebst Zinsen sowie jeweils weitere Verzugsschadensbeträge verlangen die Klägerinnen mit der vorliegenden Klage.
In ihrem notariellen Testament vom 4. März 1994 hatte die Erblasserin unter Ziffer II für mehr als 20 namentlich aufgeführte Vermächtnisnehmer –darunter die Klägerinnen an erster und zweiter Stelle – Bar- und auch Sachvermächtnisse ausgesetzt, die den Nachlaß aufzehren. Unter II. d) heißt es im Testament „Die Erbschaftsteuer trägt jeder Bedachte selbst”. Gemäß Ziffer III. hatte der Beklagte als Testamentsvollstrecker die Nachlaßgrundstücke zu veräußern und die Vermächtnisse zu erfüllen.
Ihrem Antrag vom 27. August 1969 entsprechend hatte die Erblasserin eine Lebensversicherung abgeschlossen. Im Antrag hatte sie als Bezugsberechtigten für den Todesfall genannt „zuständiges Finanzamt zur Begleichung der Erbschaftsteuer”. Ihrem weiteren Antrag vom 19. November 1970 folgend bestätigte der Versicherer am 2. Dezember 1970, daß der für die Erbschaftsteuer nicht benötigte Teil der Lebensversicherungssumme an den Bruder der Erblasserin ausgezahlt werde. Am 23. September 1991 schrieb die Erblasserin dem Versicherer, daß sie die Bezugsberechtigung ihres Bruders mit sofortiger Wirkung aufhebe und weiter „Ein neuer Bezugsberechtigter wird nicht bestimmt. Ich bitte um Bestätigung der Änderung meines Versicherungsvertrages”. Die Lebensversicherungsgesellschaft antwortete am 10. Oktober 1991
„Das zu der obigen Versicherung vorgemerkte Bezugsrecht zugunsten Herrn P. P. R. haben wir gelöscht. Der Anspruch auf die Versicherungsleistungen steht Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmer zu. Die bei Ihrem Ableben fälligen Leistungen werden Nachlaßbestandteil. Verwenden Sie bitte die beiliegende Erklärung, wenn Sie erneut ein Bezugsrecht bezeichnen möchten.”
Die Lebensversicherungssumme zahlte die Gesellschaft nach dem Tode der Erblasserin an das zuständige Finanzamt aus. Dieses hatte gegen jede Klägerin bereits im Januar 1995 41.160 DM als Erbschaftsteuer festgesetzt und für die erbetene Stundung jeweils 616,50 DM Zinsen berechnet. Nun verrechnete das Finanzamt die Versicherungssumme auf die Steuerschuld. Außerdem erließ es am 3. April 1995 einen geänderten Erbschaftsteuerbescheid. Darin wurde die ursprünglich festgesetzte Erbschaftsteuer als sonstiger Erwerb berücksichtigt und ein weiterer noch zu zahlender Erbschaftsteuerbetrag von jeweils 15.270 DM festgesetzt. Weil die Klägerinnen diesen weiteren Steuerbetrag zunächst nicht zahlten, wurden ihnen Säumniszuschläge in Höhe von je 456 DM berechnet.
Der Beklagte hatte Anfang Juli 1995 an jede Klägerin als Abschlag 80.000 DM gezahlt. Daraus beglichen die Klägerinnen die vom Finanzamt festgesetzten Beträge von je 15.270 DM und 456 DM. Bei seiner späteren Abrechnung am 26. Oktober 1995 sah der Beklagte die vom Finanzamt bereits verrechnete Erbschaftsteuer als Zahlung aus dem Nachlaß an und zahlte nur noch einen Restbetrag von 28.840 DM.
Mit ihrer Klage verlangten die Klägerinnen jeweils den verrechneten Erbschaftsteuerbetrag, die Stundungszinsen und die Säumniszuschläge, jeweils nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr bis auf die Stundungszinsen stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Wiederherstellung des klagabweisenden Urteils des Landgerichts.
1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerinnen hätten die zu ihren Gunsten geschehene Verrechnung der Lebensversicherungssumme mit der Erbschaftsteuerschuld mit Rechtsgrund, nämlich aufgrund einer Schenkung der Erblasserin erlangt. Deren Schenkungsangebot sei den Klägerinnen dadurch zugegangen, daß sie durch das Finanzamt von der „Erbschaftsteuerversicherung” erfahren hätten. Einer Annahmeerklärung habe es gemäß § 151 BGB nicht bedurft. Der Tod der Erblasserin vor dem Zugang des Angebots sei nach §§ 130 Abs. 2, 153 BGB ohne Bedeutung. Das Finanzamt sei niemals Bezugsberechtigter, sondern immer nur Zahlungsempfänger zugunsten möglicher Erbschaftsteuerschuldner gewesen. Die Regelung im Testament, daß jeder Bedachte die Erbschaftsteuer selbst trägt, lasse die außerhalb des Erbrechts liegende Begünstigung der Klägerinnen über die „Erbschaftsteuerversicherung” unberührt.
2. Der Beklagte hat gegenüber den Klägerinnen am 26. Oktober 1995 zutreffend abgerechnet. Das Berufungsgericht verkennt, daß es im Zeitpunkt des Erbfalls keine „Erbschaftsteuerversicherung” gab.
a) Allerdings war entgegen den Ausführungen im Berufungsurteil ursprünglich das Finanzamt Bezugsberechtigter aus der Lebensversicherung. Der Versicherer hat den so lautenden Antrag der Erblasserin auf Abschluß einer Lebensversicherung ohne Änderung angenommen. Auch nach der Festsetzung der Restbezugsberechtigung des Bruders gemäßden Erklärungen vom 19. November und 2. Dezember 1970 änderte sich nichts an dieser echten Bezugsberechtigung des Finanzamts (Senatsurteil vom 24. März 1982 – IVa ZR 156/80 – VersR 1982, 665 unter I 1 m.w.N.).
b) Jedoch ist diese Bezugsberechtigung durch Vereinbarung der Parteien des Lebensversicherungsvertrages schon 1991 ersatzlos aufgehoben worden. Das haben die Vorinstanzen nicht beachtet.
Der Beklagte hat im Rechtsstreit von Anfang an die Auffassung vertreten, schon der Antrag der Erblasserin vom 23. September 1991 habe nicht nur das Ersatzbezugsrecht ihres Bruders, sondern auch das Bezugsrecht des Finanzamts wegfallen lassen. So habe die – stets von ihrem Steuerberater, also dem Beklagten beratene – Erblasserin selbst ihren Antrag verstanden.
Das ist richtig. Weil weitere Auslegungsumstände als die im folgenden ausgeführten nicht in Betracht kommen, kann der Senat selbst zu diesem Auslegungsergebnis kommen. Die ursprünglich in § 19 ErbStG mit der Steuerfreiheit der Lebensversicherungssumme für bestimmte Erben gegebene Steuerersparnis war schon 1974 gestrichen worden. Jedoch gab es eine Überleitungsvorschrift. Gemäß Art. 6 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts (BGBl. I 1974, 933, 946) minderte sich die steuerfreie Versicherungssumme beginnend mit dem Jahr 1974 um 5% pro Jahr. Deshalb war 1991 die mögliche Steuerersparnis im Fall der Erblasserin schon um 90% auf nur noch 10% der Lebensversicherungssumme geschrumpft. Die Lebensversicherung hatte als sogenannte Erbschaftsteuerversicherung keinen Sinn mehr. Folgerichtig verstand der Versicherer das Schreiben der Erblasserin vom 23. September 1991 zutreffend als Aufhebung jeder Bezugsberechtigung. Aus diesem Grunde wurden durch die beiden letzten Sätze des von der Erblasserin ausdrücklich erwünschten Bestätigungsschreibens des Versicherers alle ursprünglich für den Todesfall vereinbarten Bezugsberechtigungen, also gerade auch die des Finanzamts, aufgehoben. Das wird besonders deutlich in dem letzten Satz des Bestätigungsschreibens: Wären nicht alle Bezugsberechtigungen aufgehoben worden, dann hätte der Versicherer keinen Anlaß gehabt, für den Fall der Bestellung eines neuen Bezugsrechts ein Formular mitzusenden. Die Erblasserin hat dieser von ihr ausdrücklich erwünschten Bestätigung nicht widersprochen. Das gebietet den Rückschluß, daß sie so verstanden werden wollte.
Die Lebensversicherungssumme sollte demgemäß, wenn sie nicht im Erlebensfall 1998 an die Erblasserin auszuzahlen war, in den Nachlaß fallen. Folgerichtig hat die Erblasserin in das Testament ausdrücklich den Satz aufgenommen, daß jeder Bedachte die Erbschaftsteuer selbst trägt.
c) Danach sind die Klägerinnen ohne Rechtsgrund in den Genuß der Erbschaftsteuertilgung durch die an das Finanzamt ausgezahlte Versicherungssumme gelangt. Der Versicherer hätte die Lebensversicherungssumme an den Beklagten als Testamentsvollstrecker auszahlen müssen, jedenfalls nicht an das Finanzamt auszahlen dürfen. Dieses hatte nach ersatzloser Aufhebung seiner früheren Bezugsberechtigung keine rechtlich begründbare Zahlungsempfängerstellung. Demgemäß hat der Versicherer an einen Nichtberechtigten ausbezahlt, der seinerseits nichtberechtigt durch Aufrechnung gegen die Erbschaftsteuerschuld über diesen Teil der ausbezahlten Lebensversicherungssumme verfügt hat. Diese Verfügungen hat der Beklagte mit seiner Abrechnung vom 26. Oktober 1995, spätestens aber mit seinem Prozeßverhalten genehmigt. Dadurch hat er seinerseits die Verfügungen als seine Restauszahlung angesehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 – VII ZR 211/85 – LM BGB § 816 Nr. 31 = NJW 1986, 2430 unter II 1 mit Bezug auf BGHZ 85, 267, 272 f.).
d) Auch Schadensersatzforderungen stehen den Klägerinnen gegen den Beklagten nicht zu. Im Urteil des Landgerichts ist zutreffend ausgeführt, daß der Vortrag der Klägerinnen nicht ausreicht, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ersatz der Säumniszuschläge oder auf sonstigen Vermögensschaden schlüssig darzulegen. Immerhin mußte der Beklagte die Nachlaßgrundstücke erst einmal zu Geld machen. Auch für die nachträgliche Erhöhung der Erbschaftsteuerschuld um jeweils 15.270 DM kann der Beklagte nicht verantwortlich gemacht werden. Dem Vortrag der Klägerinnen kann nicht entnommen werden, daß etwa der Beklagte diese unberechtigte Steuerfestsetzung veranlaßt oder gar verschuldet hat.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Dr. Zopfs, Dr. Ritter, Terno, Seiffert
Fundstellen
Haufe-Index 1129033 |
NJW-RR 1998, 1297 |
WM 1998, 1945 |
ZEV 1998, 383 |
NVersZ 1998, 76 |