Leitsatz (amtlich)
a) Eine Werbung, die sprachlich von einer durchgängigen Verwendung der direkten Ansprache in der zweiten Person Singular und überwiegend kindertypischen Begrifflichkeiten einschließlich gebräuchlicher Anglizismen geprägt wird, richtet sich in erster Linie gezielt an Kinder.
b) Mit der im Sinne von "Kauf Dir ..." oder "Hol Dir ..." zu verstehenden Formulierung "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse 'Etwas'" werden die mit der Werbung angesprochenen Kinder im Sinne der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unmittelbar aufgefordert, selbst die beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu erwerben. Dem steht nicht entgegen, dass die Preise und Merkmale der einzelnen Produkte und Dienstleistungen nicht auf der Internetseite, die die Werbeaussage enthält, sondern erst auf der nächsten durch einen elektronischen Verweis verbundenen Seite dargestellt werden.
Normenkette
UWG Nr. 28 Anh. zu § 3 Abs. 3
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 30.01.2012; Aktenzeichen 24 U 139/10) |
LG Berlin (Urteil vom 29.06.2010; Aktenzeichen 16 O 438/09) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des KG vom 30.1.2012 aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin vom 29.6.2010 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen
im Rahmen des Online-Spiels "Runes of Magic" mit der Aufforderung "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse 'Etwas'" für den kostenpflichtigen Erwerb von Spielgegenständen zu werben oder werben zu lassen;
2. an den Kläger 100 EUR zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte bietet im Internet unter der Bezeichnung "Runes of Magic" ein Fantasierollenspiel an. Die für die Spielteilnahme erforderliche Software steht zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. Die Ausstattung der Spielcharaktere kann durch virtuelle Gegenstände erweitert werden, die entgeltlich erworben und u.a. per Kreditkarte auf Guthabenbasis oder per SMS bezahlt werden können.
Rz. 2
Die Beklagte wirbt auf ihrer Internetseite für den Erwerb virtueller Gegenstände u.a. mit folgenden Aussagen:
Pimp deinen Charakter-Woche (Überschrift) Ist Dein Charakter bereit für kommende Abenteuer und entsprechend gerüstet? Es warten tausende von Gefahren in der weiten Welt von Taborea auf Dich und Deinen Charakter. Ohne die entsprechende Vorbereitung kann die nächste Ecke im Dungeon der letzte Schritt gewesen sein. Diese Woche hast Du erneut die Chance Deinen Charakter aufzumotzen! Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse 'Etwas'! Von Montag, den 20.4.17:00 bis Freitag, den 24.4.17:00 hast du die Chance, Deinen Charakter aufzuwerten!
Rz. 3
Die unterstrichenen Wörter "Deinen Charakter aufzuwerten" sind durch einen elektronischen Verweis (Link) mit einer Internetseite verbunden, auf der die Beklagte im Einzelnen dargestellte "Zubehörartikel" zum Kauf anbietet.
Rz. 4
Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, hat dies als wettbewerbswidrig beanstandet. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, sieht er darin einen Verstoß gegen Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG sowie gegen § 4 Nr. 1 und 2 UWG.
Rz. 5
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen des Online-Spiels "Runes of Magic" mit der Aufforderung "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse 'Etwas'" für den kostenpflichtigen Erwerb von Spielgegenständen zu werben oder werben zu lassen.
Rz. 6
Außerdem hat der Kläger die Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 100 EUR verlangt.
Rz. 7
Die Beklagte ist der Auffassung, die Werbung enthalte keine direkte Aufforderung zum Kauf bestimmter Waren und spreche Kinder nicht ausdrücklich an.
Rz. 8
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Rz. 9
Die ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Der Kläger beantragt, über sein Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder unter dem Gesichtspunkt einer an Kinder gerichteten unmittelbaren Kaufaufforderung noch wegen einer wettbewerbsrechtlich unzulässigen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Umworbenen zu. Hierzu hat es ausgeführt:
Rz. 11
Die Werbung der Beklagten enthalte lediglich eine mittelbare, nach Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht tatbestandsmäßige Kaufaufforderung. Die angegriffene Aussage "Schnapp Dir..." erfülle auch in Verbindung mit den Produktangaben, auf die mittels eines Links verwiesen werde, nicht die Voraussetzungen einer unmittelbaren Aufforderung an Kinder zum Erwerb einer beworbenen Ware. Die Notwendigkeit, den Link zu betätigen, stehe der erforderlichen Produktbezogenheit trotz des unmittelbaren Anschlusses im Text an den Appell "Schnapp Dir..." entgegen. Diese Aufforderung sei auch nicht in eine Werbung einbezogen. Dass erst die Befolgung des Appells den Zugang zu der Produktwerbung eröffne, reiche nicht aus, zumal die Vorschrift nicht jedwede an Kinder gerichtete Werbung verbieten wolle und deshalb nicht extensiv ausgelegt werden könne.
Rz. 12
Die Werbung der Beklagten verstoße auch nicht gegen § 4 Nr. 1 UWG. Dass mit der Spielteilnahme der Spieltrieb von Kindern angesprochen werde, qualifiziere die Werbung nicht schon als unangemessen unsachlich beeinflussend, selbst wenn sie den Eindruck erwecke, dass der Erwerb der angepriesenen Ausrüstungsgegenstände für das Spiel entweder erforderlich oder aber nützlich sei.
Rz. 13
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verurteilung der Beklagten.
Rz. 14
I. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. nur BGH, Urt. v. 17.8.2011 - I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rz. 10 = WRP 2012, 198 - Auftragsbestätigung).
Rz. 15
II. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag zu Unrecht abgewiesen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, § 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.
Rz. 16
1. Nach Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, der die Regelung in Nr. 28 des Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umsetzt und demgemäß richtlinienkonform auszulegen ist (vgl. Köhler in Köhler/, UWG, 31. Aufl., § 3 Rz. 26 sowie Anh. zu § 3 III Rz. 0.3 und 28.2), ist die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen, stets unzulässig i.S.v. § 3 Abs. 3 UWG.
Rz. 17
a) Bei der angegriffenen Aussage "Schnapp Dir ..." handelt es sich, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, um eine an Kinder gerichtete Kaufaufforderung im Sinne der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.
Rz. 18
aa) Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der auslegungsbedürftige Begriff "Kinder", der weder gesetzlich noch in der Richtlinie 2005/29/EG definiert ist, alle noch nicht volljährigen Werbeadressaten (so etwa Mankowski, WRP 2007, 1398 [1403 f.]; Wirtz in Götting/Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 3 Rz. 176) oder nur Minderjährige bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres erfasst (dafür etwa Fezer/Scherer, UWG, 2. Aufl., Anhang UWG Nr. 28 Rz. 9; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., Anhang zu § 3 Abs. 3 Rz. 59; Köhler, WRP 2008, 700 [702 f.]; in der Tendenz ebenso ders. in Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh. zu § 3 III Rz. 28.5).
Rz. 19
Die in Rede stehende Aufforderung richtet sich aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Personen von vornherein nicht nur an einen begrenzten Adressatenkreis von Minderjährigen über 14 Jahre (nach deutschem Rechtsverständnis also an "Jugendliche" i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG), sondern nach der Art des beworbenen Produkts allgemein an nicht volljährige Spieler. Ob das von der Beklagten beworbene Rollenspiel auch von Erwachsenen gespielt wird, und diese von der angegriffenen Werbung ebenfalls angesprochen werden, ist nicht entscheidend. Nach dem beworbenen Produkt und der gesamten Art und Weise der Ansprache ist davon auszugehen, dass in erster Linie Minderjährige und darunter gerade auch Minderjährige, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gezielt angesprochen werden (vgl. BGH, Urt. v. 6.4.2006 - I ZR 125/03, GRUR 2006, 776 Rz. 20 = WRP 2006, 885 - Werbung für Klingeltöne, zu § 4 Nr. 2 UWG; Urt. v. 17.7.2008 - I ZR 160/05, GRUR 2009, 71 Rz. 12 = WRP 2009, 45 - Sammelaktion für Schoko-Riegel, zu § 4 Nr. 2 UWG und § 1 UWG a.F.). Es handelt sich also nicht nur um eine - nicht tatbestandsmäßige - an jedermann gerichtete Werbung, von der sich auch Minderjährige angesprochen fühlen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh. zu § 3 III Rz. 28.7; Mankowski, WRP 2008, 421 [426]), und auch nicht um eine im Schwerpunkt eindeutig an Jugendliche gerichtete Werbung, von der auch das eine oder andere Kind unter 14 Jahren angesprochen wird. Für diese Beurteilung genügt für sich allein genommen zwar nicht schon die mittlerweile auch bei der werblichen Ansprache von Erwachsenen nicht mehr unübliche Anrede mit "Du" (vgl. Mankowski, WRP 2008, 421, 424 mit Fn. 33; T. Fuchs, WRP 2009, 255 [258]). Die streitgegenständliche Werbung ist jedoch im Gesamtzusammenhang zu beurteilen. Sie wird sprachlich von einer durchgängigen Verwendung der direkten Ansprache in der zweiten Person Singular und überwiegend kindertypischen Begrifflichkeiten einschließlich gebräuchlichen Anglizismen geprägt (vgl. BGH, GRUR 2009, 71 Rz. 12 - Sammelaktion für Schoko-Riegel; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, a.a.O., Anh. zu § 3 Abs. 3 Rz. 61). Dies reicht aus, um eine gezielte Ansprache Minderjähriger, und zwar auch Minderjähriger unter 14 Jahren, zu bejahen.
Rz. 20
bb) Die konkrete Art und Weise der beanstandeten Aussage "Schnapp Dir ..." enthält zugleich eine "Aufforderung zum Erwerb" im Sinne der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Entscheidend ist, ob ein Kaufappell vorliegt. Dafür ist eine Ansprache in der grammatikalischen Form eines Imperativs zwar nicht unerlässlich, aber doch ausreichend (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh. zu § 3 III Rz. 28.8; Fezer/Scherer, a.a.O., Anh. UWG Nr. 28 Rz. 17; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, a.a.O., Anh. zu § 3 Abs. 3 Rz. 61; Mankowski, WRP 2008, 421 [423 f.]; Wirtz in Götting/Nordemann, a.a.O., § 3 Rz. 176 f.; Stuckel in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., Anh. § 3 Abs. 3 Rz. 8; weitergehend Baukelmann, in FS Ullmann, 2006, S. 587, 589; Seichter in Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl., Anh. zu § 3 Abs. 3 Nr. 28 Rz. 6). Dies ist bei der im Sinne von "Kauf Dir..." oder "Hol Dir..." zu verstehenden Formulierung "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse 'Etwas'!" der Fall.
Rz. 21
Eine gezielte persönliche Ansprache von Kindern im Rahmen einer Verkaufsveranstaltung ist nicht erforderlich, da der Anwendungsbereich der Vorschrift andernfalls weitgehend leerliefe und der Schutzzweck damit nicht erreicht würde (ebenso etwa Fezer/Scherer, a.a.O., Anh. UWG Nr. 28 Rz. 14; Mankowski, WRP 2008, 421 [423]; a.A. Steinbeck, WRP 2008, 865 [868]; offen gelassen von OLG Köln WRP 2013, 92 [93]; vgl. auch Köhler, NJW 2008, 3032 [3033]). Werbung gegenüber Kindern erfolgt typischerweise in Print- und Telemedien. Die dadurch drohende leichte Beeinflussung bei einer Kaufentscheidung ist nicht geringer als bei einer Direktansprache. Denn gerade bei einer Ansprache über das Internet lässt sich der so geweckte Erwerbsentschluss besonders schnell realisieren.
Rz. 22
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Appell "Schnapp Dir ..." erfülle (auch) in Verbindung mit dem elektronischen Verweis auf eine weitere Internetseite, auf der "Zubehörartikel" zum Kauf angeboten würden, nicht die Voraussetzungen einer produktbezogenen "unmittelbaren Aufforderung" an Kinder zum Erwerb der beworbenen Ware. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insbesondere kann der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zugestimmt werden, im Streitfall sei die Aufforderung "Schnapp Dir ..." nicht "in eine Werbung einbezogen", weil erst die Befolgung des Appells durch Anklicken eines elektronischen Verweises den Zugang zu der Produktwerbung eröffne.
Rz. 23
aa) Der Begriff der Werbung im Sinne der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist weder im Gesetz noch in der Richtlinie 2005/29/EG definiert. Er geht zurück auf die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung (heute Art. 2 Buchst. a RL 2006/114/EG). Danach bedeutet Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich auch ohne die Darstellung konkreter Produkte mit hinreichender Deutlichkeit, dass die angegriffene Aussage "Schnapp Dir ..." im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit der Beklagten steht, die unzweifelhaft auf den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet ist (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rz. 2.23). In diese Werbeaussage ist die Aufforderung "Schnapp Dir..." inhaltlich integriert und damit einbezogen.
Rz. 24
bb) Entgegen der weiteren Annahme des Berufungsgerichts fordert die angegriffene Aussage die angesprochenen Kinder unmittelbar im Sinne der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG dazu auf, selbst die beworbenen Produkte zu erwerben.
Rz. 25
(1) Das Unmittelbarkeitskriterium dient der Abgrenzung von bloß mittelbaren oder indirekten - und damit nicht tatbestandsmäßigen - Aufforderungen, die sich für die Werbeadressaten erst aus den Umständen ergeben und bei denen ein zusätzlicher, vom Umworbenen (gedanklich) zu vollziehender Schritt zwischen Aufforderung in der Werbung und Entstehung des Erwerbsentschlusses erforderlich ist (vgl. OLG Köln WRP 2013, 92 [93]; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh. zu § 3 III Rz. 28.8; ders., WRP 2008, 700 [702]; Fezer/, a.a.O., Anh. UWG Nr. 28 Rz. 15 ff.; dies., NJW 2009, 324 [330]; dies., WRP 2008, 430 [433]; T. Fuchs, WRP 2009, 255 [264]; weitergehend Mankowski, WRP 2008, 421 [424]; Wirtz in Götting/Nordemann, a.a.O., § 3 Rz. 177). Dass durch die angegriffene Aussage direkt zum Kauf aufgefordert wird, ergibt sich - wie bereits dargelegt - mit hinreichender Deutlichkeit aus dem imperativen Appell "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit" und nicht erst aus den sonstigen Umständen. Unerheblich ist, dass diese "günstige Gelegenheit" im unmittelbaren Kontext der Werbung selbst (noch) nicht näher hinsichtlich der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen konkretisiert ist. Das steht der Annahme einer "unmittelbaren Aufforderung" im Sinne der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG im Streitfall nicht entgegen.
Rz. 26
Im Schrifttum wird allerdings unter Hinweis auf die Legaldefinition in Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG - eine "Aufforderung zum Kauf" ist danach jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen - die Auffassung vertreten, für die Anwendung der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG sei es erforderlich, dass in der Werbung bereits der Preis und die Merkmale des beworbenen Produkts genannt werden, weil die Umworbenen nur durch die essentiellen Produktinformationen in die Lage versetzt würden, sich für oder gegen den Kauf zu entscheiden (dafür etwa Fezer/Scherer, a.a.O., Anh. UWG Nr. 28 Rz. 13; dies., WRP 2008, 430 [433]; dies., NJW 2009, 324 [330]; Stuckel in Harte/Henning, a.a.O., Anh. § 3 Abs. 3 Rz. 7; ebenso T. Fuchs, WRP 2009, 255 [264]). Nach anderer Ansicht, die sich maßgeblich auf die Entstehungsgeschichte und sprachlich abweichende Fassungen der Richtlinie 2005/29/EG in der englischen und in der französischen Sprachfassung stützt, ist zwar wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts die konkrete Angabe der "beworbenen Ware", nicht aber - auch im Blick auf die Schutzbedürftigkeit der angesprochenen Kinder - die Angabe von Preis und Merkmalen des beworbenen Produkts in der Werbung erforderlich (dafür etwa Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh. zu § 3 III Rz. 28.11; ders., WRP 2008, 700 [703]; ders., NJW 2008, 3032 [3033]; in diesem Sinne wohl auch Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, a.a.O., Anh. zu § 3 Abs. 3 Rz. 61; ders., WRP 2008, 1014 [1026]).
Rz. 27
(2) Der Senat braucht den Meinungsstreit nicht zu entscheiden. Sowohl die nach erstgenannter Ansicht erforderliche Angabe von Produktmerkmalen und -preis als auch die nach letztgenannter Ansicht erforderliche konkrete Produktangabe sind im Streitfall gegeben. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich zwar nicht schon aus der angegriffenen Aussage selbst ein Produktbezug im Sinne der Angabe einer konkreten Ware oder Dienstleistung. Die Revision rügt aber mit Recht, dass das Berufungsgericht eine Aufteilung der Werbung in einen mit dem Link versehenen nur allgemein gehaltenen Kaufappell und eine davon getrennte konkrete Produktwerbung ohne Kaufappell vorgenommen und damit ein einheitliches Werbegeschehen entgegen den Gewohnheiten der angesprochenen Verkehrskreise künstlich aufgespalten hat.
Rz. 28
Nach Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG müssen die Merkmale des Produkts und der Preis in einer Weise angegeben werden, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu bereits entschieden, dass die Frage, in welchem Umfang ein Gewerbetreibender im Rahmen einer Aufforderung zum Kauf über die wesentlichen Merkmale eines Produkts informieren muss, durch die nationalen Gerichte im Einzelfall unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie des verwendeten Kommunikationsmediums zu erfolgen hat. Dies habe vor dem Hintergrund zu geschehen, ob der Verbraucher hinreichend informiert sei, um das Produkt im Hinblick auf eine geschäftliche Entscheidung identifizieren und unterscheiden zu können. Dabei könne nicht unabhängig von der Form, in der die kommerzielle Kommunikation erfolge, derselbe Grad an Genauigkeit in der Beschreibung eines Produkts verlangt werden (EuGH, Urt. v. 12.5.2011 - Rs. C-122/10, GRUR 2011, 930 Rz. 45 und 48 = WRP 2012, 189 - Konsumentenombudsmannen/Ving).
Rz. 29
Dies ist auch bei der Auslegung der hier maßgeblichen Vorschrift der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG zu berücksichtigen. Aus dem sprachlichen Gesamtzusammenhang der angegriffenen Werbeaussage in Verbindung mit dem zusätzlich unterstrichenen verlinkten sprachlichen Hinweis "Deinen Charakter aufzuwerten", der zu einer Internetseite führt, auf der die Produkte nebst Preisen im Einzelnen aufgeführt sind, wird der erforderliche Bezug zu den angebotenen Waren und Dienstleistungen hergestellt. Dies ist ausreichend für eine unmittelbare Aufforderung zum Erwerb im Sinne der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.
Rz. 30
Ob eine Werbung eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf von Produkten enthält, ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Konsumentengruppe, mithin eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Kindes zu beurteilen (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2007 - I ZR 82/05, GRUR 2008, 183 Rz. 15 = WRP 2008, 214 - Tony Taler; GRUR 2006, 776 Rz. 19 - Werbung für Klingeltöne; GRUR 2009, 71 Rz. 14 - Sammelaktion für Schoko-Riegel, m.w.N.; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh. zu § 3 III Rz. 28.8). Der angesprochene Spielerkreis, der mit den Funktionalitäten des Spiels vertraut ist, erkennt aufgrund der angegriffenen Aussage im Gesamtzusammenhang mit dem sonstigen Werbeinhalt hinreichend deutlich, dass er zu einem entgeltlichen Erwerb von Ausrüstungsgegenständen aufgefordert wird, auch wenn die einzelnen Waren oder Dienstleistungen noch nicht an dieser Stelle, sondern erst auf der nächsten, durch einen Link verbundenen Seite dargestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Kunden - hier die angesprochenen Kinder - auf dieser mit der angegriffenen Werbeaussage verknüpften Seite nicht nur über die beworbenen Produkte informieren, sondern sie dort auch gleich erwerben können.
Rz. 31
Im Streitfall kommt noch die besondere Form der Bereitstellung der erforderlichen Produktinformationen hinzu. Bei einer Werbung im Internet sind die Gewohnheiten der Internetnutzer zu berücksichtigen, die mit den Besonderheiten des Internets vertraut sind und wissen, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehreren Seiten verteilt sein können, die untereinander durch elektronische Verweise verbunden sind (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.2007 - I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Rz. 30 = WRP 2008, 98 - Versandkosten; Urt. v. 6.6.2013 - I ZR 2/12, juris Rz. 17 - Pflichtangaben im Internet; vgl. auch Urt. v. 20.7.2006 - I ZR 228/03, GRUR 2007, 159 Rz. 20 = WRP 2006, 1507 - Anbieterkennzeichnung im Internet). Dies trifft für die hier angesprochene Gruppe der Teilnehmer an einem Online-Rollenspiel umso mehr zu. Ein solcher Verbraucher verfügt erfahrungsgemäß über die Fähigkeit, einen derartigen Verweis zu erkennen. Er wird dabei gerade diejenigen über einen elektronischen Verweis verknüpften Seiten durch einen einfachen "Klick" aufrufen, die er zur Information über die Ausstattung seines Spiel-Charakters benötigt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein am Ende des Werbetextes platzierter Verweis nicht nur dazu einlädt, sondern gerade dazu auffordert, diesen Link anzuklicken, um nähere Informationen zu erhalten (vgl. auch BGH, Urt. v. 12.5.2011 - I ZR 119/10, GRUR 2012, 81 Rz. 14 f. = WRP 2012, 962 - Innerhalb 24 Stunden; Urt. v. 6.6.2013 - I ZR 2/12, juris Rz. 17 - Pflichtangaben im Internet). Die durch einen elektronischen Verweis miteinander verbundenen Internetseiten sieht der von der Werbung der Beklagten angesprochene Verbraucher als zusammengehörig an (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2004 - I ZR 222/02, GRUR 2005, 438 = WRP 2005, 480 - Epson-Tinte; Urt. v. 7.4.2005 - I ZR 314/02, GRUR 2005, 690 [692] = WRP 2005, 886 - Internet-Versandhandel; Urt. v. 6.6.2013 - I ZR 2/12, juris Rz. 17 - Pflichtangaben im Internet; OLG Köln, GRUR-RR 2007, 329 [330]). Hat er diese Seite aufgerufen, wird er über die Preise und die Beschaffenheit der angebotenen Ausstattungsgegenstände hinreichend informiert, ohne dass es dazu noch weiterer Zwischenschritte oder eines Suchens bedarf (vgl. auch EuGH GRUR 2011, 930 Rz. 56 - Konsumentenombudsmannen/Ving, zu Art. 7 Abs. 4 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG; BGH GRUR 2007, 159 Rz. 22 - Anbieterkennzeichnung im Internet).
Rz. 32
Nach den im Streitfall gegebenen Umständen stellt sich die Notwendigkeit der Betätigung des Links - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - nicht als ein zusätzlich zu überwindender Schritt dar, der zwischen Aufforderung und Erwerbsentschluss vom Umworbenen erst noch vollzogen werden muss. Anderenfalls könnte die dem Schutz von Kindern dienende Bestimmung der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG leicht dadurch umgangen werden, dass die Informationen über das beworbene Produkt auf zwei durch einen Link verbundene Seiten verteilt werden, an den die Verbraucher gewöhnt sind und der für sie regelmäßig kein Hindernis darstellt, um an notwendige Produktinformationen zu gelangen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Internet es dem kindlichen Verbraucher ermöglicht, einen auf den angegriffenen Appell hin gefassten Erwerbsentschluss sogleich in die Tat umzusetzen. Eine zum Kauf auffordernde Werbung im Internet ist in ihrer suggestiven Wirkung für den kindlichen Verbraucher einer entsprechenden Werbung in den Printmedien deutlich überlegen, weil die Umsetzung des Kaufentschlusses nicht erst den Besuch eines Geschäftslokals oder - im Falle des Versandhandels - eine schriftliche oder telefonische Bestellung voraussetzt. Nach den Feststellungen des LG, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, kann die Bezahlung im Falle eines Erwerbs auch ohne besondere Schwierigkeiten über Kommunikationsmittel wie SMS abgewickelt werden.
Rz. 33
III. Da dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus § 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG zusteht, kann offenbleiben, ob die angegriffene Werbung auch gem. § 4 Nr. 1 oder 2 UWG zu untersagen ist. Eines Rückgriffs auf die Beispielstatbestände des § 4 UWG bedarf es nicht, wenn die beanstandete geschäftliche Handlung schon einem Per-se-Verbot gemäß dem Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG unterliegt.
Rz. 34
IV. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten folgt in der geltend gemachten Höhe aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Rz. 35
C. Der angefochtene Beschluss ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ist nicht erforderlich, weil der Senat auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts selbst beurteilen kann, ob die Klage begründet ist, und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung über die Auslegung von Nr. 28 des Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG ist nicht geboten. Wie sich aus den vorangegangenen Darlegungen ergibt, sind Fragen zu den grundsätzlich auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen im Streitfall nicht entscheidungsbedürftig oder im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls vom Senat selbst zu beurteilen.
Rz. 36
Die Beklagte ist danach unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils antragsgemäß zu verurteilen.
Rz. 37
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 2 ZPO.
Fundstellen
BB 2014, 193 |
DB 2014, 6 |
NJW 2014, 1014 |
EBE/BGH 2014 |
CR 2014, 196 |
EWiR 2014, 161 |
GRUR 2014, 298 |
GRUR 2014, 7 |
JZ 2014, 141 |
MDR 2014, 289 |
VuR 2014, 4 |
WRP 2014, 164 |
GRUR-Prax 2014, 59 |
ITRB 2013, 197 |
K&R 2014, 196 |
MMR 2014, 169 |
JMSR 2014, 7 |
Mitt. 2014, 185 |