Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige
Tenor
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 18. Januar 2000 mit den Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte in den Fällen II 2 bis 5, 7 und 8 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
- soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen „wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen, davon in einem Fall mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in 14 Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei Fällen und wegen Abgabe oder Überlassen von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in 14 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung sichergestellter Gegenstände und den Verfall von 450 DM Bargeld angeordnet.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich gegen die Verurteilung in den Fällen II 3, 4 und 8 der Urteilsgründe und beanstandet, daß der Angeklagte insoweit nicht jeweils wegen Bestimmens von Minderjährigen zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG) verurteilt worden ist.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde teilweise Erfolg; im übrigen ist es unbegründet. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen entschloß sich der betäubungsmittel- und medikamentenabhängige Angeklagte, Drogen in größeren Mengen aufzukaufen, um durch deren Verkauf seinen Eigenbedarf zu finanzieren und seine Rente aufzubessern. In dem Zeitraum Ende August 1998 bis 18. Mai 1999 bezog er von seinen Lieferanten in fünfzehn Fällen (II 1, 2, 5, 7 der Urteilsgründe) Haschisch, in einigen der Fälle zugleich auch Marihuana, Ecstasy-Pillen, Kokain, und LSD-Pappen. Der Angeklagte verbrauchte jeweils einen Teil der Betäubungsmittel selbst und veräußerte sie im übrigen – mit Ausnahme der im Mai bei ihm sichergestellten Restmengen – mit Gewinn. Im März/April 1999 kaufte der Angeklagte jeweils für den Eigenkonsum 10 Ecstasy-Pillen sowie 5 g Amphetamin (Fälle II 6 der Urteilsgründe). Zwischen dem 1. Juli 1999 und dem 27. Juli 1999 erwarb er „auf Kommission” 200 Ecstasy-Pillen, von denen 141 Pillen sichergestellt wurden (Fall II 8 der Urteilsgründe).
In dem Zeitraum zwischen dem 1. November 1998 und dem 17. März 1999 bat die damals minderjährige Beatrice F. den Angeklagten, ihr Drogen zu überlassen, die sie verkaufen wollte, um Geld zu verdienen. Der Angeklagte war „hiermit einverstanden.” Beatrice F., der die „Verkaufskonditionen” bekannt waren, „entnahm” in acht Fällen (II 3 der Urteilsgründe) aus dem Bestand des Angeklagten insgesamt 100 g Haschisch sowie „eine unbekannte geringere Menge” Marihuana. „Sie wußte, daß sie einen Grammpreis von mindestens 10, 00 DM für Haschisch beim Verkauf verlangen mußte.”
Zwischen dem 1. November 1998 und dem 27. Juli 1999 wollte die damals minderjährige Claudia K. ihr Taschengeld durch den Verkauf von Drogen aufbessern und bat den Angeklagten, ihr zu helfen. Der Angeklagte riet von dem Drogenverkauf ab, „war aber letztlich damit einverstanden.” Er vereinbarte mit Claudia K., der die „Verkaufskonditionen” bekannt waren, daß der Gewinn geteilt werden sollte. In fünf Fällen (II 4 der Urteilsgründe) übergab er ihr „eine unbestimmte Menge – jeweils abgepackte Mengen zwischen 2 g und 20 g, insgesamt 100 g – Cannabisprodukte sowie eine geringe Menge Amphetamin.” Anfang Juli 1999 entnahm Claudia K., die dies zuvor mit dem Angeklagten telefonisch abgesprochen hatte, aus dem Bestand des Angeklagten 25 Ecstasy-Pillen und veräußerte sie mit Gewinn. Nach der Veräußerung der Drogen übergab Claudia K. dem Angeklagten jeweils „die vereinbarten Geldbeträge.”
II.
Revision des Angeklagten:
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge ergibt folgendes:
a) Kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten liegt vor, soweit er in den Fällen II 1 der Urteilsgründe (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln) und II 6 der Urteilsgründe (unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln in zwei Fällen) verurteilt worden ist.
b) Die Verurteilung in den Fällen II 2, 5 und 7 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil insoweit die Annahme jeweils rechtlich selbständiger Taten durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet:
Eine Bewertungseinheit (vgl. BGHSt 30, 28, 31; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4 und 11) kommt nicht nur beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, sondern bei allen Absatzdelikten in Betracht, also auch beim Veräußern und Abgeben (BGH NStZ 1997, 243 m. N.). Demgemäß ist, soweit ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung ist, auch bei der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige eine Tat im Sinne einer Bewertungseinheit anzunehmen (vgl. BGH StV 1997, 636. 637; 1999, 431). Das Landgericht hat dies zwar nicht verkannt. Es hat aber lediglich die Veräußerung von 25 Ecstasy-Pillen an die minderjährige Claudia K. im Juli 1999 (Fall 22 der Anklageschrift) und das 200 Ecstasy-Pillen betreffende Betäubungsmittelgeschäft (Fall 38 der Anklageschrift) zu einer Bewertungseinheit zusammengefaßt und den Angeklagten insoweit wegen „Abgabe oder Überlassen” von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt.
Allerdings gebietet es der Zweifelssatz nicht, festgestellte Einzelveräußerungen zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, daß die veräußerten Betäubungsmittel ganz oder teilweise aus demselben Verkaufsvorrat stammen (vgl. BGH StV 1999, 431; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 14, jew. m. w. N.). Es ist jedoch rechtsfehlerhaft, allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte abzustellen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die an sich selbständigen Veräußerungen von Rauschgift dieselbe Erwerbsmenge betreffen. So liegt es hier: Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Beatrice F. in acht und Claudia K. in fünf Fällen überlassenen Cannabisprodukte aus anderen als den festgestellten, jeweils auch Cannabisprodukte betreffenden Erwerbsgeschäften stammten, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
Nach den Feststellungen kommt allerdings hinsichtlich der bereits Ende August 1998 vom Angeklagten erworbenen 30 g Haschisch (Fall II 1 der Urteilsgründe) wegen des erheblichen zeitlichen Abstandes die Annahme einer Bewertungseinheit mit in den Zeitraum ab dem 1. November 1998 fallenden Veräußerungsgeschäften nicht in Betracht. Hinsichtlich der übrigen auch Cannabisprodukte betreffenden Erwerbsgeschäfte, die das Landgericht in den Fällen II 2, 5 und 7 der Urteilsgründe jeweils als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie in einem Fall als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet hat, liegt es jedoch im Hinblick auf die möglichen zeitlichen Überschneidungen und auf die Aufbewahrung der jeweiligen Vorräte in der Wohnung des Angeklagten nahe, daß die den Minderjährigen überlassenen Cannabisprodukte aus einem oder mehreren dieser Verkaufsvorräte stammten. Die Beurteilung, ob selbständige Rauschgiftgeschäfte zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen sind, ist zwar in erster Linie Sache des Tatrichters, dessen Wertung das Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen hat (vgl. BGH StV 1997, 636, 637 m. N.). Da sich das Urteil aber zu der Frage der Beurteilung der Konkurrenzen in diesen Fällen nicht verhält, entzieht es sich insoweit der revisionsrechtlichen Überprüfung und unterliegt daher insoweit schon aus diesem Grunde der Aufhebung.
c) Auch die Verurteilung in den – zutreffend – als eine Bewertungseinheit zusammengefaßten Fällen 22 und 38 der Anklageschrift kann nicht bestehen bleiben, weil der Schuldumfang unklar ist, den das Landgericht zugrunde gelegt hat. Dem Gesamtzusammenhang läßt sich lediglich entnehmen, daß der Angeklagte von den „auf Kommission” erworbenen 200 Ecstasy-Pillen an Claudia K. 25 Pillen und vier Pillen an andere Abnehmer gewinnbringend veräußert hat. Unklar bleibt nach den bisherigen Feststellungen, ob der Angeklagte einen Teil der Pillen – ebenso wie in anderen Fällen – zum Eigenverbrauch erwarb, so daß nach den bisherigen Feststellungen möglicherweise nur hinsichtlich eines Teils der erworbenen Gesamtmenge der Tatbestand des Handeltreibens des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG und im übrigen tateinheitlich der des Erwerbs erfüllt ist.
d) In den genannten Fällen bestehen im übrigen Unklarheiten zum Schuldumfang. Aus der hinsichtlich der Fälle 4 bis 8 der Anklageschrift unter II 2 der Urteilsgründe zusammengefaßten Sachdarstellung ergibt sich insoweit nur, daß der Angeklagte in diesen fünf Fällen insgesamt 500 g Haschisch erwarb, von denen er 150 bis 200 g für den Eigenverbrauch behielt und den Rest gewinnbringend veräußerte. Zudem lassen sich die in einigen dieser Fälle zugleich mit Haschisch erworbenen Mengen anderer Drogen keinem bestimmten Einzelfall zuordnen. Hinsichtlich der Fälle II 5 der Urteilsgründe hat das Landgericht bezüglich der in den sieben Fällen jeweils erworbenen Einzelmengen lediglich mitgeteilt, der Angeklagte habe „jeweils 3, 5 g bis 100 g Marihuana” sowie eine „unbestimmte Menge Haschisch” erworben und im übrigen festgestellt, daß der Angeklagte in diesen Fällen insgesamt 750 g „Cannabisprodukte”, überwiegend Marihuana, bezogen habe. Auch insoweit lassen sich die in einigen Fällen zugleich erworbenen anderen Drogen keinem bestimmten Einzelfall zuordnen. Das Landgericht hätte insoweit zu den Einzelfällen nähere Feststellungen treffen müssen. Für die Beurteilung des (Mindest-)Schuldumfangs der Einzeltaten sind Feststellungen zu dem (Mindest-)Umfang des einzelnen Rauschgiftgeschäftes unentbehrlich (vgl. Weber BtMG Vor §§ 29 ff. Rdn. 489, 491). Lassen sich hierzu Feststellungen auf andere Weise nicht treffen, so kann die Menge der jeweils durch eine Handlung erworbenen Betäubungsmittel vom Tatrichter auf der Grundlage vorhandener Beweisanzeichen geschätzt werden (BGH NStZ – RR 1997, 121; vgl. auch BGHSt 40, 374, 376).
Im Fall 34 der Anklageschrift (II 7 der Urteilsgründe) ist zwar hinreichend belegt, daß in dem erworbenen Haschisch (113, 15 g) und Marihuana (100 g) insgesamt 13,54 g THC enthalten waren. Damit ist aber die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich in diesem Fall des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht, schon deshalb nicht belegt, weil der Angeklagte nach den Feststellungen „das Marihuana größtenteils konsumierte”. Die Platte Haschisch (THC – Anteil 1,64 g) wurde bei dem Angeklagten sichergestellt. Dazu, ob dieses Haschisch gewinnbringend veräußert werden sollte oder ob – wie in anderen Fällen – ein Teil für den Eigenverbrauch vorgesehen war, verhält sich das Urteil nicht. Da nach den bisherigen Feststellungen die für den Handel bestimmte Menge nicht schon für sich den Grenzwert überschreitet, liegt nur unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben vor.
3. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung in den vorgenannten Fällen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die in den Fällen II 1 und 6 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen können jedoch aufrechterhalten bleiben; ebenso die Anordnungen der Einziehung und des Verfalls.
4. Keinen Bestand hat das Urteil ferner, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist. Nach den Feststellungen zur Drogen- und Medikamentenabhängigkeit des Angeklagten sowie wegen der in der Haft aufgetretenen Entzugserscheinungen, die eine Behandlung erforderten, lag die Prüfung der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nahe. Daß der Drogenkonsum des Angeklagten nicht zu einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit geführt hat, steht der Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB im Hinblick auf den Krankheitswert der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten nicht entgegen. Daß bei dem Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges nicht besteht (vgl. BVerfGE 91, 1, ff.), ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen; vielmehr zeigte er sich nach den Feststellungen therapiebereit. Die Anordnung nach § 64 StGB geht einer möglichen Entscheidung nach § 35 BtMG vor (Weber BtMG Vor §§ 29 ff. Rdn. 728).
III.
Revision der Staatsanwaltschaft:
1. Nach dem Revisionsvorbringen ist das Rechtsmittel zwar entgegen dem darin gestellten unbeschränkten Aufhebungsantrag auf die Anfechtung der Verurteilung in den Fällen II 3, 4 und 8 der Urteilsgründe beschränkt, denn die Staatsanwaltschaft wendet sich letztlich nur dagegen, daß das Landgericht in diesen Fällen jeweils ein „Bestimmen” im Sinne des § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG verneint hat. Die Beschränkung ist aber nur wirksam, soweit danach die Verurteilung in den Fällen II 1 und 6 der Urteilsgründe von der Anfechtung ausgenommen ist. Im übrigen kann die Verurteilung in den angefochtenen Fällen nicht losgelöst von der Verurteilung in den die Erwerbsgeschäfte betreffenden Fällen II 2, 5 und 7 der Urteilsgründe beurteilt werden, da insoweit nach den bisherigen Feststellungen aus den obengenannten Gründen (II 2 b) eine Zusammenfassung zu Bewertungseinheiten in Betracht kommt.
2. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; es führt in demselben Umfang wie das Rechtsmittel des Angeklagten zur Aufhebung des Urteils.
Die Feststellungen zu den Fällen der Abgabe von Drogen an die beiden Minderjährigen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung sind lückenhaft und widersprüchlich. Das Urteil weist zudem Erörterungsmängel auf, die sich hinsichtlich der Verurteilung in den Fällen der Abgabe von Drogen an die beiden Minderjährigen zugunsten des Angeklagten ausgewirkt haben können:
a) Soweit das Landgericht meint, die Veräußerung der Drogen an die beiden Minderjährigen erfülle jeweils den Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, hält die Verurteilung nach dieser Vorschrift rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob in diesen Fällen nicht jedenfalls auch der dem Grunddelikt des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG vorgehende (Weber aaO § 30 Rdn. 99) Qualifikationstatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt ist, der eine erhöhte Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Zwar handelt der Täter gewerbsmäßig im Sinne dieser Vorschrift nur dann, wenn er sich eine fortlaufende Einnahmequelle durch wiederholte Vornahme gerade solcher Handlungen verschaffen will, die einen der Tatbestände des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfüllen (BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Gewerbsmäßig 1, 2), wobei es jedoch nicht erforderlich ist, daß der Täter die erstrebten Einnahmen ausschließlich aus Rauschgiftgeschäften mit Minderjährigen erzielen will (vgl. BGHR aaO Nr. 2 m.N.).
Der Angeklagte hat eingeräumt, daß er sich durch wiederholten Ankauf größerer Drogenmengen und den gewinnbringenden Verkauf eine fortlaufende Einnahmequelle, unter anderem zur Finanzierung seines Eigenbedarfs, verschaffen wollte. Zwar hat das Landgericht nicht ausreichend festgestellt, daß der Angeklagte sich diese Einnahmequelle darüber hinaus – auch – durch den wiederholten Verkauf von Drogen an Minderjährige schaffen wollte. Daß der Angeklagte insoweit zumindest bedingten Vorsatz (vgl. BGHR aaO) hatte, liegt nach den bisherigen Feststellungen aber nicht fern. Der Angeklagte hatte danach jedenfalls mit Claudia K. die Teilung des Gewinns vereinbart und diesen auch jeweils erhalten. Hinsichtlich der Überlassung von Drogen an Beatrice F. sind die Urteilsausführungen widersprüchlich. Das Landgericht hat im Rahmen der Sachdarstellung ausgeführt, zu diesen acht Fällen der Entnahme von Drogen aus Beständen des Angeklagten durch die Minderjährige hätten „weitere” Feststellungen nicht getroffen werden können. Demgegenüber deuten die Hinweise, daß die Minderjährige gewußt habe, „daß sie einen Grammpreis von mindestens 10, 00 DM für Haschisch beim Verkauf verlangen mußte,” und daß „in dieser Zeit” Schulden der Minderjährigen bei dem Angeklagten in Höhe von 300 bis 400 DM aufgelaufen seien, darauf hin, daß der Angeklagte die Drogen auch in diesen Fällen entgeltlich – möglicherweise gewinnbringend – veräußert hat. Insbesondere auch im Hinblick auf die insgesamt an die Minderjährigen abgegebenen Mengen hätte daher die Frage einer Strafbarkeit des Angeklagten nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG der Erörterung bedurft.
b) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht in den vorgenannten Fällen jeweils die Voraussetzungen einer Strafbarkeit des Angeklagten nach § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG verneint hat, halten ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Auch für den Begriff „Bestimmen” in § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG gelten die allgemeinen, zu § 26 StGB entwickelten Grundsätze (vgl. dazu im einzelnen BGHSt 45, 373 = NStZ 2000, 321, 322 m.N.). Danach ist es gleich, in welcher Form und durch welches Mittel die Einflußnahme auf den Willen eines anderen erfolgt, die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten, hier dem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, bringt. Es genügt die bloße Mitursächlichkeit. Der Annahme der Mitursächlichkeit steht hier nicht entgegen, daß die Initiative zu dem ersten Veräußerungsgeschäft von den Minderjährigen ausging, die „bereits fest entschlossen” waren und einen festen Abnehmerkreis hatten. Zwar kann der zu einer konkreten Tat bereits fest Entschlossene nicht mehr zu ihr „bestimmt” werden. So verhält es sich jedoch nicht, wenn ein Minderjähriger erst durch die Übergabe des Rauschgifts mit der Anweisung, dieses zu bestimmten Bedingungen – etwa zu einem bestimmten Preis und für Rechnung des Täters – zu verkaufen, zu konkreten Taten des unerlaubten Handeltreibens veranlaßt worden ist. In einem solchen Fall „benutzt” der Täter einen Minderjährigen zum Betäubungsmittelverkehr auch dann, wenn dieser hierzu von vornherein (allgemein) bereit war und die Bereitschaft dem Täter gegenüber auch aufgezeigt hat (BGH aaO).
Mit seiner Wertung des Beweisergebnisses, es habe nicht zweifelsfrei festzustellen vermocht, „daß der Angeklagte den beiden Zeuginnen K. und F. die Betäubungsmittel übergab und sie zugleich angewiesen hat, unter ganz bestimmten Bedingungen für ihn zu verkaufen” (UA 16), setzt sich das Landgericht zudem, soweit es die Fälle der Veräußerung von Drogen an Claudia K. betrifft (II 4 der Urteilsgründe), in Widerspruch zu den hierzu getroffenen Feststellungen. Danach wurden die Verkaufsbedingungen festgelegt und unter anderem die Teilung des Gewinns vereinbart; der dem Angeklagten danach zustehende Anteil wurde an diesen in allen Fällen ausgekehrt. Auf der Grundlage dieser Feststellungen erfüllt das Verhalten des Angeklagten jedenfalls hinsichtlich des ersten Veräußerungsgeschäftes, das nach den zuvor hinsichtlich der Teilung des Gewinns getroffenen Vereinbarungen auf Kommissionsbasis, mithin zu den Bedingungen des Angeklagten, durchgeführt wurde, nach den obengenannten Grundsätzen die Tathandlung des „Bestimmens” im Sinne des § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG. Hinsichtlich der weiteren, nach den bisherigen Feststellungen zu denselben Bedingungen abgewickelten Veräußerungsgeschäften wird der neue Tatrichter im einzelnen zu prüfen haben, ob jeweils erneut auf den Willen des Minderjährigen Einfluß genommen wurde, so daß auch insoweit das Verhalten des Angeklagten als eine „Benutzung” Minderjähriger zur Durchführung des Betäubungsmittelverkehrs anzusehen ist (vgl. BGH aaO). Jedenfalls dann, wenn die Initiative zu dem jeweiligen Folgegeschäft wiederum von der Minderjährigen ausging und der Angeklagte auch sonst nicht in besonderer Weise auf die Willensentschließung der Minderjährigen einwirkte, sondern lediglich die bestellten Drogen lieferte, wird jedoch ein solches Verhalten nicht als erneutes „Bestimmen” gewertet werden können.
Die bisherigen Feststellungen lassen aber auch hinsichtlich der Fälle der Veräußerung von Drogen an Beatrice F. eine Nachprüfung der rechtlichen Würdigung nicht zu. Dies gilt insbesondere für die Erwägung des Landgerichts, in dem Verhalten des Angeklagten sei auch, „soweit in der weiteren Folge mehr oder weniger zwischen dem Angeklagten und den Zeuginnen Tatmodalitäten – Kaufpreis und Gewinn – besprochen wurden” (UA 16), kein Bestimmen zu sehen; denn insoweit wird das Beweisergebnis nicht mitgeteilt, insbesondere auch nicht, ob und wie sich der Angeklagte zu der Frage eingelassen, zu welchen Bedingungen er der Entnahme von Drogen aus seinen Beständen zustimmte und wann die „Tatmodalitäten” besprochen wurde.
c) Auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil hinsichtlich der unterbliebenen Anordnung der Unterbringung aufzuheben.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Die Richter am BGH Dr. Kuckein und Dr. Ernemann sind wegen Urlaubs an der Unterzeichnung verhindert. Meyer-Goßner, Athing, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen
Haufe-Index 512529 |
NStZ 2001, 41 |