Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsergänzung
Leitsatz (amtlich)
- Der schenkweise Erlaß einer Geldforderung ist wie die Schenkung einer verbrauchbaren Sache zu bewerten (§ 2325 II BGB).
- Die Frist des § 2325 III BGB beginnt erst dann, wenn der Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre lang zu tragen hat und der schon im Hinblick auf diese Folgen von einer "böslichen" Schenkung abhalten kann (Abweichung von BGH, NJW 1970, 1638).
- Erläßt der Erblasser schenkweise seinen Anspruch auf eine ihm zustehende Rente für die Zukunft uneingeschränkt, dann beginnt damit die Frist des § 2325 III BGB.
Normenkette
BGB § 2325 Abs. 3
Tatbestand
Der beklagte Fabrikant ist der testamentarische Alleinerbe seiner am 2. Januar 1982 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Die Klägerin ist das einzige Kind des vorverstorbenen Sohnes H. der Erblasserin; sie beansprucht ihren Pflichtteil.
Der Beklagte ist auch Alleinerbe seines 1969 vorverstorbenen Vaters. Auf diese Weise erlangte er das von seinem Vater gegründete Unternehmen. Dieser hatte den Beklagten in seinem Testament mit einem Rentenvermächtnis zugunsten der Erblasserin in Höhe von monatlich 4 000 DM beschwert; Rentenbeträge, die nicht bis zu drei Monaten abverlangt und ausgezahlt seien, sollten nach dem Testament des Vaters verfallen. Die Erblasserin hat diese Rente nicht voll für sich in Anspruch genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Erblasserin habe bis Ende 1973 vom Beklagten monatlich 4 000 DM erhalten; erst an Heiligabend 1973/74 habe sie dem Beklagten die ihr vermachte Rente bis auf 1 000 DM monatlich für die Zukunft schenkweise erlassen. Sie hat diesen Teilerlaß mit 233 028 DM bewertet und verlangt von dem Beklagten hiervon ein Viertel als Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzung. Der Beklagte hat eine solche Schenkung zu Heiligabend 1973/74 bestritten. Er hat behauptet, er habe die für die Erblasserin ausgesetzte Rente von Anfang an nicht aufbringen können; die Erblasserin habe sich deshalb seit 1970 mit monatlich 1 000 DM zufrieden gegeben und den Mehrbetrag am Geburtstag seiner Ehefrau am 19. September 1970 für alle Zukunft und bedingungslos schenkweise erlassen.
Das Landgericht hat eine Schenkung der Erblasserin an den Beklagten durch Teilerlaß der vermachten Rente nicht feststellen können. Nichtausgezahlte Rentenbeträge seien aber infolge der Verfallklausel des Testaments im wesentlichen erloschen. Lediglich für die letzten drei Monate vor dem Tode der Erblasserin habe noch ein Rentenanspruch von 9 000 DM bestanden. Aufgrund dessen hat es der Klägerin als Pflichtteil lediglich 2 250 DM nebst Zinsen zuerkannt. Das Berufungsgericht hat der Klägerin weitere 56 007 DM nebst Zinsen zugesprochen, hat den Beklagten verurteilt, seine Auskunft über den Nachlaß an Eides Statt zu versichern und hat die Anschlußberufung des Beklagten zurückgewiesen (vgl. FamRZ 1985, 967). Die Revision des Beklagten führte, soweit sie zur Entscheidung angenommen ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält den eingeklagten Zahlungsanspruch gemäß § 2325 BGB für begründet. Dabei geht es davon aus, daß die Erblasserin dem Beklagten das Rentenvermächtnis bis auf monatliche Zahlungen in Höhe von 1 000 DM schenkweise erlassen hat.
Zu welchem Zeitpunkt der Erlaß zustandegekommen ist, läßt das Berufungsgericht offen. Darauf komme es nicht an. Zwar habe der Bundesgerichtshof (Urteil vom 25. Mai 1970 - III ZR 141/68 - NJW 1970, 1638) die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB schon von dem Augenblick an laufen lassen, in dem der Schenker alles getan habe, was von seiner Seite für den Erwerb des Leistungsgegenstandes durch den Beschenkten erforderlich sei. Dem sei aber nicht zu folgen. Vielmehr müsse es für die Leistung im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB auf die "wirtschaftliche Ausgliederung" des Geschenks aus dem Vermögen des Erblassers ankommen. Bei dem schenkweisen Erlaß eines Anspruchs auf laufende Rentenbeträge trete die wirtschaftliche Folge aber nicht sogleich, sondern erst nach und nach mit jeder Rate fortschreitend ein. Deshalb müßten die erlassenen Rentenbeträge, die innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB fällig geworden wären, in die Pflichtteilsergänzung auch dann einbezogen werden, wenn der Erlaß vorher stattgefunden habe.
Dieser Auffassung vermag der Senat nicht in vollem Umfang zu folgen.
II.
1.
Geht man mit dem Berufungsgericht davon aus, daß die Erblasserin ihren Anspruch auf die ihr vermachte Rente gegen den Beklagten durch Erlaßvertrag mit diesem schenkweise erlassen hat, dann kann ein pflichtteilsberechtigter, aber enterbter Abkömmling wie die Klägerin neben ihrem Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 BGB) im Hinblick auf die Minderung des Erblasservermögens um den verschenkten Gegenstand auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB gegen den Erben haben. Gemäß § 2325 Abs. 3 Halbsatz 1 BGB bleibt die Schenkung jedoch unberücksichtigt, wenn beim Erbfall bereits zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind. Ob der Pflichtteilsberechtigte auf den Nachlaß oder gemäß § 2329 BGB auf den verschenkten Gegenstand Zugriff nehmen kann, hängt daher - auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2325 Abs. 1 BGB - vielfach davon ab, was unter der "Leistung" im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB zu verstehen ist.
Wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes am 25. Mai 1970 unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 518 BGB entschieden, daß die Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB schon dann zu laufen beginne, wenn der Schenker alles getan hat, was von seiner Seite für den Erwerb durch den Beschenkten erforderlich ist. Diese Entscheidung ist im wissenschaftlichen Schrifttum vielfach auf Ablehnung gestoßen; stattdessen wird von vielen Seiten auf den Eintritt des "Leistungserfolges" oder aber jedenfalls auf den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Ausgliederung des verschenkten Gegenstandes aus dem Vermögen des Erblassers abgehoben (vgl. z.B. Flume, Personengesellschaft S. 409 ff.; Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen S. 253 ff.; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts S. 464; Johannsen WM 1977, 302, 307; Reuter JuS 1971, 289 ff.; Peters FamRZ 1973, 169; Finger NJW 1975, 535 f.; Speckmann NJW 1978, 358 f.; Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB 12. Aufl. § 2325 Rdn. 27 f.; Soergel/Dieckmann, BGB 11. Aufl. § 2325 Rdn. 15; MünchKomm/Frank § 2325 Rdn. 24; Paulus RPfleger 1986, 206). Der frühere IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes, auf den das Erbrecht vom III. Zivilsenat damals übergegangen war, hat sich von der genannten Entscheidung des III. Zivilsenats in seinem Urteil vom 16. Oktober 1974 (IV ZR 85/73 = NJW 1975, 535; vgl. auch BGHZ 65, 75, 76) deutlich abgesetzt ("selbst wenn man ihnen folgt"; siehe auch Johannsen aaO). Auch in der (veröffentlichten) Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (vgl. außer dem angefochtenen Urteil: OLG Schleswig NJW 1975, 315; OLG Hamm NJW 1969, 2148) wird die Rechtsauffassung des III. Zivilsenats abgelehnt.
2.
Der erkennende Senat tritt der angeführten Rechtsauffassung des Urteils vom 25. Mai 1970 nicht bei; sie führt zu unbefriedigenden Ergebnissen.
Die Bedeutung des Wortes "Leistung" in dem genannten Zusammenhang kann anerkanntermaßen nicht allein nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bestimmt werden; dieser ist zu vielgestaltig und zu wenig fest, als daß er für eine derartige Festlegung einen ausreichenden Anhalt bieten könnte. Aber auch der spezifisch juristische Sinn, der dem Wort "Leistung" nach dem derzeitigen Stand der Rechtsentwicklung etwa auf den Gebieten des Schuldrechts (z.B. § 812, § 518 BGB) oder des Erbrechts (vgl. § 2301 BGB) beigelegt wird, erscheint zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage wenig geeignet. Das zeigt sich schon daran, daß sich der Begriff der Leistung in § 518 Abs. 2 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht einmal mit demjenigen in § 2301 BGB (vgl. Senatsurteil vom 5. Marx 1986 - IVa ZR 141/84 - NJW 1986, 2107, 2108 unter II; Herrmann MDR 1980, 883; vgl. auch BGHZ 87, 19, 24) völlig deckt. Vielmehr kann die Bedeutung des Wortes "Leistung" im Bereich des bürgerlichen Rechts nur unter Beachtung des jeweiligen Regelungszusammenhanges der betreffenden Vorschrift und des mit ihr verfolgten gesetzgeberischen Zweckes erschlossen und entwickelt werden.
Mit Recht hat der III. Zivilsenat in der genannten Entscheidung daher auf den Zweck von § 2325 Abs. 3 BGB abgestellt. Er hat den Hauptgrund und den Hauptzweck von § 2325 Abs. 3 Halbsatz 1 BGB darin gesehen, daß nicht auf Vorgänge zurückgegriffen werde, die sich schon vor vielen Jahren zugetragen haben. Auch nehme der Zusammenhang zwischen dem verschenkten Gut und dem eigentlichen Nachlaß im Lauf der Zeit immer mehr ab. Zudem solle zumindest im Falle des § 2329 BGB die Rechtslage nicht zu lange in der Schwebe bleiben. Wenn die Protokolle zum Bürgerlichen Gesetzbuch darauf abstellten, in der Zwischenzeit würden sich Erblasser und Pflichtteilsberechtigte an den durch die Vermögensminderung geschaffenen Zustand gewöhnen, dann spreche auch dies, richtig verstanden, für die Auffassung des III. Zivilsenats. Der erkennende Senat hält es für mindestens zweifelhaft, daß die Gesetzesmaterialien zu § 2325 BGB in dieser Weise verstanden werden wollen.
Eine zeitliche Grenze, durch die der außerordentliche Pflichtteil bei der Berücksichtigung von Schenkungen des Erblassers beschränkt wird, wurde erst bei den Beratungen für den Zweiten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches beschlossen. Der Erste Entwurf enthielt eine solche noch nicht, weil jede Zeitschranke willkürlich sein müsse, zumal der Pflichtteilsberechtigte sein Recht bei Lebzeiten des Erblassers nicht wahren könne, und weil dolose Schenkungen ausgenommen werden müßten, was die Gesamtregelung unpraktikabel gestalte (Motive V 453 f.). Zu den Gründen für die Einführung der Zeitschranke heißt es in den Protokollen:
"Für die Aufnahme einer Frist, über welche hinaus die weiter zurückliegenden Schenkungen dem Angriffe der Pflichtteilsberechtigten entzogen sein sollten, spreche schon die billige Rücksicht auf den Beschenkten, dessen Recht nicht zu lange im Schwebezustand gehalten werden dürfe. Es bestehe aber auch ein innerer Grund für die Fristbestimmung darin, daß während einer längeren Zwischenzeit zwischen der Vornahme der Schenkung und dem Tode des Erblassers nicht nur der Letztere selbst, sonder auch seine pflichtteilsberechtigten Angehörigen sich in den durch die eingetretene Vermögensminderung geschaffenen Zustand eingewöhnt hätten. Die ganze Lebenshaltung der Familie werde sich inzwischen den veränderten Verhältnissen angepaßt, die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge würden andere Verhältnisse vielleicht gar nicht gekannt haben. Sie würden daher die auf eine weit zurückliegende Schenkung zurückzuführende Verringerung ihres Pflichtteils nicht als Schädigung empfinden. Der Umstand, daß bei solchen Schenkungen der Erblasser selbst noch längere Zeit hindurch deren Folgen zu tragen habe, biete zugleich eine Sicherheit dafür, daß der Erblasser bei der Vornahme der Schenkung sich von guten Gründen und nicht von der Absicht habe leiten lassen, die Pflichtteilsberechtigten zu benachteiligen (von der weiteren Darstellung wird abgesehen) Hinsichtlich des Beginns der Frist erscheine die Bestimmung gerechtfertigt, daß bei Schenkungen an den Ehegatten des Erblassers die Frist erst von der Auflösung der Ehe an laufen solle. Bei Schenkungen unter Ehegatten bleibe der verschenkte Gegenstand tatsächlich gemeinschaftliches Vermögen, der Schenker habe also während der Ehe auch nach der Schenkung den Genuß desselben nicht zu entbehren, (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)" (Protokolle V 587, 588).
Diese Begründung läßt deutlich erkennen, daß die Einführung der Zeitschranke darauf angelegt ist, bei der Bemessung des außerordentlichen Pflichtteils nur solche Schenkungen des Erblassers auszunehmen, deren Folgen er selbst längere Zeit hindurch zu tragen, in die er und seine Familie sich daher einzugewöhnen hatten und die deshalb und dadurch eine (gewisse) Sicherheit vor solchen Benachteiligungen der Pflichtteilsberechtigten bieten, die nicht von guten Gründen getragen sind. Darüberhinaus spricht die Begründung zu § 2325 Abs. 3 Halbsatz 2 BGB dafür, daß solche Schenkungen, bei denen der Schenker den Genuß des verschenkten Gegenstandes auch nach der Schenkung tatsächlich nicht entbehren muß, wie es bei Schenkungen unter Ehegatten die Regel sein dürfte, und die den Erblasser deshalb nicht schon wegen ihrer Folgen von "böslichen" Schenkungen abhalten mögen, auch im Sinne von § 2325 Abs. 3 Halbsatz 1 BGB noch nicht als "geleistet" gelten sollen.
3.
Hinzu kommt, daß sich die Rechtsauffassung, die dieser Entscheidung zugrunde liegt, aus der Sicht zahlreicher gewichtiger Äußerungen aus der Rechtswissenschaft und der Praxis und auch nach der Beurteilung durch den Senat nicht selten zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Dieser Gesichtspunkt gibt den Ausschlag.
Im Schrifttum ist bereits frühzeitig erkannt worden, daß die Entscheidung des III. Zivilsenats vom 25. Mai 1970 dem Erblasser die Möglichkeit eröffnet, sein Vermögen unter Benachteiligung aller, einiger oder auch nur eines einzigen Pflichtteilsberechtigten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden planmäßig z.B. durch Schenkung von Todes wegen in erheblichem Umfang "am Nachlaß vorbei" ohne für ihn fühlbares eigenes Vermögensopfer weiterzuleiten (z.B. Wieser, MittBay Not 1970, 135 - für nichteheliche Kinder -), sofern er nur rechtzeitig vor seinem Tode tätig wird. Dieser Weg wird von den Erläuterungsbüchern offen gewiesen und auch nicht selten genutzt. Auf diesem Wege wird das Recht der Pflichtteilsberechtigten auf eine angemessene Beteiligung an dem Vermögen des Erblassers in einem Ausmaß gefährdet, das schwerwiegende Fehlentwicklungen befürchten läßt. Der Senat hat das Interesse der Pflichtteilsberechtigten stets besonders beachtet (z.B. BGHZ 88, 102, 106; 88, 269, 272; Senatsurteil vom 7. März 1984 - IVa ZR 152/822 = NJW 1984, 2939, 2940); es steht in einem gewissen Umfang auch unter dem Schutz des Art. 14 GG (vgl. BVerfGE 25, 167, 188, 174; 44, 1, 18, 30 f.; 58, 377, 389 für nichteheliche Kinder, aber auch sonst: BVerfGE 67, 329 = NJW 1985, 1455, 1456). Dementsprechend erscheint es geboten, von der früheren Auffassung nunmehr ausdrücklich abzuweichen: Für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB reicht es demgemäß nicht schon aus, wenn der Erblasser alles getan hat, was von seiner Seite für den Erwerb durch den Beschenkten erforderlich ist. Nötig ist vielmehr, daß der Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre lang zu tragen hat und der schon im Hinblick auf diese Folgen von einer "böslichen" Schenkung abhalten kann. Dazu bedarf es, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, jedenfalls einer "wirtschaftlichen Ausgliederung" des Geschenks aus dem Vermögen des Erblassers.
Im Hinblick auf diese Änderung der Rechtsprechung, die der Senat ohne Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen vornehmen kann (BGHZ 28, 16, 29), ist das angefochtene Urteil nicht schon deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht (bewußt) von der Rechtsprechung des III. Zivilsenats abgewichen ist.
III.
Dennoch kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.
1.
Der Senat kann sich der Auffassung des Berufungsgerichts, die erlassenen Rentenbeträge, die innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB fällig geworden wären, müßten in die Pflichtteilsergänzung auch dann einbezogen werden, wenn der Erlaß vorher zustande gekommen sei, auch auf der Grundlage der geänderten Rechtsprechung nicht anschließen.
Das Berufungsgericht nimmt an, daß der Anspruch der Erblasserin gemäß § 2174 BGB auf Zahlung einer Rente in Höhe von monatlich 4 000 DM durch vertraglichen Teilerlaß (§ 397 BGB) dauerhaft auf monatlich 1 000 DM gekürzt worden ist. Auch wenn man davon ausgeht, war der verschenkte Gegenstand entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mit dem schenkweisen Erlaß bereits im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB "geleistet". Wer einen Anspruch auf eine ihm zustehende fortlaufende Rente erläßt, hat - jedenfalls wenn der Erlaß auch für die Zukunft uneingeschränkt erfolgt - sein Rentenrecht damit im Umfang des Erlasses vollständig aufgegeben. Dem Erlaß kommt dementsprechend dingliche und nicht bloß, wie das Berufungsgericht erwogen hat, verpflichtende Wirkung zu. Eine derartige Rentenkürzung, wie sie das Berufungsgericht als schon 1970 geschehen unterstellt hat, ist auch ein durchaus fühlbares Opfer, an das im Sinne der Protokolle "Gewöhnung" eintreten kann, deren Folgen die Erblasserin über zehn Jahre lang selbst zu tragen hatte und das schon aus diesem Grunde von der Schenkung hätte abhalten können. Daß der "Umfang des Schenkungsvolumens", nämlich der Vorteil, den der Beklagte von der Schenkung hatte, erst mit dem Erbfall feststand, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Erblasserin in ihrer Lebensführung vom Zeitpunkt des Erlasses an volle zehn Jahre lang auf die gekürzte Rente einzustellen hatte.
Demgemäß kann es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durchaus darauf ankommen, wann ein etwaiger schenkweiser Erlaß vereinbart worden ist. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)
Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, daß der Erlaß einer Geldforderung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (RGZ 80, 135 ff; vgl. z.B. Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB 12. Aufl. § 25 Rdn. 65) wie die Schenkung einer verbrauchbaren Sache zu behandeln ist (§ 2325 Abs. 2 Satz 1 BGB), so daß es gegebenenfalls einer Bewertung des erlassenen Rententeils auf den Stichtag der Schenkung bedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 1456326 |
BGHZ, 226 |
NJW 1987, 122 |
DNotZ 1987, 315 |
JZ 1987, 150 |