Entscheidungsstichwort (Thema)
sexuelle Nötigung
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 7. April 1999 insoweit mit den Feststellungen aufgehoben, als von der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus neben der Strafe erstrebt wird.
Das wirksam auf die Entscheidung über die Nichtanordnung der Unterbringung beschränkte Rechtsmittel hat Erfolg. Die Ausführungen des Landgerichts zur Ablehnung der Unterbringung begegnen durchgreifenden Bedenken.
Das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte einen vorübergehenden 13jährigen Jungen in ein Gebüsch zerrte und ihn, während er ihn fest umklammerte, über der Kleidung an das Geschlechtsteil faßte und teilweise fest drückte. Dem Tatopfer gelang es schließlich, sich durch einen Stoß in den Unterleib des Angeklagten zu befreien und wegzulaufen.
Das Landgericht hat eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen. Sachverständig beraten hat es ausgeführt, daß der Angeklagte im intellektuellem Bereich eine Grenzbegabung aufweise, Alkoholmißbrauch betreibe und bei ihm pädophile Neigungen beständen. Dabei handele es sich um konstellative Faktoren, zu denen eine 1981 erworbene hirnorganische Schädigung hinzukomme. Diese hirnorganische Schädigung sei als krankhafte seelische Störung im Sinne von § 20 1. Alt. StGB anzusehen, die zu einer erheblichen Herabsetzung seines Hemmungsvermögens bei Begehung der Tat geführt habe. Die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten aufgrund des fortdauernden Defektzustands des Angeklagten hat das Landgericht unter Hinweis auf die erstmalige Straffälligkeit des zur Tatzeit 48jährigen Angeklagten verneint.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf allerdings nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für neuerliche schwere Störungen des Rechtsfriedens besteht. Daß der Täter trotz bestehenden Defekts lange Zeit keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten. Andererseits kann aber auch schon eine erste Straftat belegen, daß der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist. Ob dies der Fall ist, muß aufgrund einer umfassenden Würdigung der Person des Täters, seines Vorlebens und der Symptomtat unter Ausschöpfung der erreichbaren Beweismittel geprüft werden. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es ist in einem wichtigen Punkt lückenhaft.
Das Landgericht ist dem Sachverständigen bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten in vollem Umfang gefolgt. Dabei hat der Sachverständige ausgeführt, daß bei dem Angeklagten aufgrund seiner pädophilen Neigungen, zu deren Beherrschung er aufgrund seiner hirnorganischen Schädigung nur eingeschränkt in der Lage sei, die Gefahr „unangemessenen Verhaltens” bestehe. Ob darunter ein (sexualbezogenes) Fehlverhalten allenfalls an der Grenze der Erheblichkeitsschwelle (§ 184 c StGB) zu verstehen ist oder darüber hinausgehende – unter Umständen wie im vorliegenden Fall – mit Gewalt verbundene Handlungsweisen zu erwarten sind, ist in diesem Zusammenhang nicht erläutert worden. Auch bei der Prüfung der Gefährlichkeitsprognose teilt das Landgericht nicht mit, zu welcher Einschätzung der in der Hauptverhandlung gehörte Sachverständige gekommen ist. Der Wiedergabe und Auseinandersetzung damit hätte es hier aber umso mehr bedurft, als zu erwarten ist, daß der Sachverständige über eine breitere Beurteilungsgrundlage aufgrund der während der zahlreichen, teilweise längerfristigen Aufenthalte des Angeklagten in psychiatrischen Krankenhäusern gewonnenen Erkenntnisse verfügt.
Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus muß daher neu geprüft und entschieden werden.
Unterschriften
Niemöller, Theune, Bode, Otten, Rothfuß
Fundstellen