Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. Juni 1998 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagten gehörte ursprünglich ein mit einem Mietshaus bebautes Grundstück in B.-C., an dem durch Teilungserklärung vom 8. Dezember 1980 Sondereigentum an 11 Wohnungen und Teileigentum an 4 Gewerbeeinheiten gebildet worden war. Der Kläger erwarb die Wohnung Nr. 3 und die Gewerbeeinheiten. Fünf weitere Wohnungen verkaufte die Beklagte an Dritte.
Mit notariellem Vertrag vom 29. November 1982/14. Januar 1983 kaufte der Kläger die restlichen fünf Wohnungen. Nach der Teilungserklärung gehörte zu der von ihm gekauften Wohnung Nr. 10 ein Teil des Dachgeschosses. Nach den auch dem Kläger bekannten Planungen sollten das Dachgeschoß weiter ausgebaut und zwei zusätzliche Wohnungseinheiten geschaffen werden. Eine Baugenehmigung lag bereits vor; die Teilungserklärung sollte geändert werden. Der auf Anderkonto zu zahlende Kaufpreis sollte – nach Ablösung von Belastungen – an die Beklagte erst weitergeleitet werden, wenn u.a. die Durchführung der Änderung der Teilungserklärung gewährleistet, die bauliche Veränderung durch Beschluß der Eigentümergemeinschaft genehmigt und die Baugenehmigung dem Kläger ausgehändigt war.
Zwischenzeitlich hatten die Eigentümer in Gegenwart des Klägers in notarieller Verhandlung vom 16. Dezember 1982 die Änderung der Teilungserklärung mit dem Ziel der Schaffung der beiden Dachgeschoßwohnungen beschlossen und die Auflassung dieser Wohnungen an die Beklagte erklärt.
Nachdem der Kläger als Eigentümer der mit Vertrag vom 29. November 1982/14. Januar 1983 gekauften Wohnungen eingetragen worden war, trafen die Parteien am 16. Mai 1984 unter Bezugnahme auf den Kaufvertrag und die Änderung der Teilungserklärung vom 16. Dezember 1982 unter anderem folgende notarielle Vereinbarung:
2. …
Die Änderung der Teilungserklärung wie vorstehend angegeben soll nunmehr durchgeführt werden, da zwischenzeitlich sämtliche Gläubiger, die in den Wohnungsgrundbüchern dieser Wohnanlage eingetragen sind, der Änderung zugestimmt haben.
Dadurch, daß in der Urkunde am 16. Dezember 1982 die neu gebildeten Sondereigentumsrechte an die Verkäuferin aufgelassen wurden, andererseits aber die Verkäuferin durch den eingangs bezeichneten Kaufvertrag aus der Eigentümergemeinschaft ausgeschieden ist, ist eine Ergänzung des durch Angebot und Annahme zwischen Verkäuferin und Käufer zustandegekommenen Kaufvertrages erforderlich, weil nach dem Willen der Vertragsparteien dieses Kaufvertrages die noch zu gründenden Sondereigentumsrechte im Dachgeschoß mit auf den Käufer übertragen werden sollten, wie dies sich aus Seite 7. der Urkunde vom 29. November 1982 ergibt.
3. Dies vorausgeschickt, ergänzen Verkäuferin und Käufer den Vertrag vom 29. November 1982/14. Januar 1983 in der Weise, daß sie darüber einig sind, daß die neu gebildeten Sondereigentumsrechte an den Dachgeschoßwohnungen gemäß Urkunde vom 16. Dezember 1982 als mitverkauft gelten.
Vorsorglich erklärten sie hinsichtlich der neu zu bildenden Sondereigentumsrechte an den Dachgeschoßwohnungen die Auflassung.
Die Durchführung der Vereinbarung scheiterte daran, daß das Grundbuchamt die Anlegung neuer Grundbuchblätter für die Dachgeschoßwohnungen wegen Unvollständigkeit der Bewilligung und Überschneidungen mit dem bestehenden Sondereigentum ablehnte. Versuche des Klägers, eine den Beanstandungen des Grundbuchamtes Rechnung tragende Ergänzung der Vereinbarung herbeizuführen, scheiterten, weil sich durch Zwischenverkäufe die Zusammensetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft geändert hatte und die neuen Eigentümer an die Vereinbarung nicht gebunden waren.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe eines Teilbetrages von 250.000 DM nebst Zinsen geltend. Land- und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt er sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe die ihr aus dem Kaufvertrag vom 29. November 1982/14. Januar 1983 obliegenden Pflichten erfüllt, so daß ein Schadensersatzanspruch nach §§ 325, 440 BGB nicht gegeben sei. Es legt den Vertrag in Verbindung mit der Änderungsvereinbarung vom 16. Mai 1984 dahin aus, daß die Beklagte nicht die Verpflichtung übernommen habe, die in der Entstehung befindlichen zusätzlichen Dachgeschoßwohnungen zu Eigentum zu übertragen.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
1. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß die in den vertraglichen Vereinbarungen zum Ausdruck gekommenen Bemühungen der Parteien das Ziel hatten, dem Kläger Sondereigentum an den noch zu bildenden Dachgeschoßwohnungen zu verschaffen. Es schließt daraus aber nicht auf eine dahingehende von der Beklagten übernommene Verpflichtung. Diese Würdigung ist möglich und läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
1. Das Berufungsgericht geht bei der Auslegung des Ursprungsvertrages vom 29. November 1982/14. Januar 1983 vom Wortlaut aus. Dieser spricht sowohl in der Beschreibung des Kaufgegenstandes als auch hinsichtlich der konkreten Bestimmung der Verkäuferpflichten gegen die Annahme, die Beklagte habe sich auch zur Übereignung der im Dachgeschoß noch zu schaffenden zwei weiteren Eigentumswohnungen verpflichtet. Die Revision zeigt keine Umstände auf, aus denen zwingend auf einen weitergehenden Verpflichtungswillen zu schließen wäre oder die jedenfalls eine solche Deutung zuließen und mit denen sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt hätte. Die Auslegung ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht interessenwidrig, etwa weil sich die Beklagte danach auf eine möglicherweise nicht erfüllbare Kaufpreisauszahlungsbedingung eingelassen hätte. Allerdings führte die vertragliche Regelung, wonach der auf Anderkonto zu zahlende Kaufpreis u.a. erst dann an die Beklagte weiterzuleiten war, wenn die Durchführung der Änderung der Teilungserklärung gewährleistet war, zunächst zu einer Hemmung der Vertragsabwicklung. Deren Sinn lag erkennbar darin, den Kläger zu schützen. Der Kaufpreis sollte der Beklagten erst zur Verfügung stehen, wenn die von beiden Parteien gewollte und erwartete Schaffung der Dachgeschoßwohnungen sichergestellt war. Das bedeutet aber nicht, daß es nie zur Auszahlungsreife kam, wenn sich herausstellte, daß die Bildung von Sondereigentum an den Dachgeschoßwohnungen gescheitert war. Ausgehend davon, daß die Beklagte keine Verpflichtung zur Übertragung dieser Wohnungen traf, kann die Klausel dahin ausgelegt werden, daß sie nur solange ein Auszahlungshindernis bilden sollte, wie der Eintritt der Bedingung noch möglich war. Wenn aber das Sondereigentum nicht geschaffen werden konnte, entfiel der Grund für eine weitere Zurückhaltung des Kaufpreises. Für den Kläger hatte sich das Risiko, das der Vertrag für ihn hinsichtlich der Bildung von Sondereigentum an den Dachgeschoßwohnungen barg, verwirklicht. Der Vertrag war dann abzuwickeln, ohne daß der Kläger die zusätzlichen Wohnungen erhielt.
2. Es stellt auch keinen Rechtsfehler dar, daß das Berufungsgericht der Vertragsergänzung vom 16. Mai 1984 nicht die Bedeutung einer Erweiterung der Verkäuferpflichten auf die Übertragung der – vermeintlich – in der Entstehung begriffenen Dachgeschoßwohnungen beigemessen hat.
Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß der Wortlaut dieser Vereinbarung eine solche Sicht nahelegt. Wenn es heißt, „die neu gebildeten Sondereigentumsrechte an den Dachgeschoßwohnungen” sollen „als mitverkauft gelten”, so kann in dieser Fiktion ohne weiteres das gesehen werden, was Sinn einer jeden Fiktion ist, die Rechtsfolgen des fingierten Falles auch für den konkreten Fall anzuordnen, also die kaufvertraglichen Pflichten des Ursprungsvertrages auch hinsichtlich der Dachgeschoßwohnungen zu begründen, sei es erstmals oder sei es – wie die Revision erwägt – in Klarstellung dessen, was die Parteien eigentlich schon im Ursprungsvertrag hatten zum Ausdruck bringen wollen.
Ein solches Verständnis ist aber nicht zwingend. Das Berufungsgericht hat – wie es rechtlich geboten ist – die Vereinbarung nicht isoliert betrachtet, sondern vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich vorgenommenen Teilungsvereinbarung ausgelegt. Danach hatten die Miteigentümer die Bildung der Dachgeschoßwohnungen ins Werk gesetzt und diese an die Beklagte aufgelassen. Letzteres widersprach dem Zweck des Vertrages zwischen den Parteien. Es war daher folgerichtig, wenn die Beklagte – wie in der Vereinbarung vom 16. Mai 1984 geschehen – die Wohnungen an den Kläger aufließ. Denn diesem sollten die Wohnungen zufallen, auch wenn die Beklagte insoweit keine Verpflichtung übernommen hatte. Daß die Beklagte die Auflassung „vorsorglich” erklärte, ist unschädlich und eröffnet – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – keine Erkenntnismöglichkeit. Die Behebung der durch die in der Teilungsvereinbarung zugunsten der Beklagten erklärten Auflassung entstandene Fehlentwicklung stand nach allem ersichtlich im Vordergrund der Vertragsergänzung vom 16. Mai 1984.
Allerdings war die Fiktion des schuldrechtlichen Geschäfts („gelten als mitverkauft”) zur Erreichung dieses Zwecks überflüssig. Die Auflassung genügte. Sie war auch nicht rechtsgrundlos, fand ihren Behaltensgrund vielmehr in dem ursprünglichen Kaufvertrag, der auch die Übertragung der Dachgeschoßwohnungen rechtfertigte, falls diese zwischenzeitlich entstanden waren. Denn zwischen den Parteien bestand Einigkeit, daß dem Kläger diese Wohnungen ohne zusätzliche Gegenleistung zufallen sollten. Gleichwohl muß der schuldrechtlichen Regelung dann nicht die vom Wortlaut nahegelegte Bedeutung einer Erweiterung der Kaufvertragspflichten zuerkannt werden. Es ist auch möglich, daß die Parteien lediglich mit Blick auf das gewünschte Endergebnis alle aus ihrer Sicht möglicherweise („vorsorglich”) erforderlichen Maßnahmen treffen wollten, ohne aber – worauf das Berufungsgericht abstellt – die beiderseitigen Vertragspflichten anzutasten, etwa indem sie den Rechtsgrund der erweiterten Auflassung „anzupassen” versuchten. Angesichts der gesamten Umstände kann diese Möglichkeit nicht als fernliegend außer acht gelassen werden. Daß sie das Berufungsgericht – jedenfalls sinngemäß – in Betracht gezogen und eine Verpflichtung der Beklagten zur Übertragung der Dachgeschoßwohnungen verneint hat, stellt nach allem keinen Rechtsfehler dar.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Lambert-Lang, Tropf, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.12.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 557112 |
NZM 2000, 279 |