Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags. Ersatz tatsächlich entstandener Aufwendungen
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrags umfasst neben dem entgangenen Gewinn auch den Ersatz tatsächlich entstandener Aufwendungen, wenn der Schadensersatzberechtigte die Rentabilität seiner Aufwendungen konkret dargelegt hat.
Normenkette
BGB a.F. § 325 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 27.03.2000) |
LG Berlin (Urteil vom 23.01.1998) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. März 2000 aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin vom 23. Januar 1998 unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten teilweise geändert und neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.014,97 (60.660 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 1997 zu zahlen. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 37 % und die Beklagte 63 %, von den Kosten des zweiten Rechtszuges der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages vom 16. August 1996, mit dem sich die Beklagte verpflichtet hatte, ihm gegen ein einmaliges Entgelt von 3.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer für die Dauer von zunächst drei Jahren ab 20. November 1996 eine Fläche zum Aufstellen einer Werbeanlage zur Verfügung zu stellen.
Der Kläger errichtete das erforderliche Gerüst und versah es mit Werbetafeln, baute diese aber vor Inbetriebnahme der Anlage auf Verlangen des Tiefbauamtes wieder ab, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die vertraglich vereinbarte Fläche nicht zum Pachtgelände der Beklagten, sondern zum öffentlichen Straßenraum gehörte.
Das Landgericht gab seiner in Höhe von 96.273,86 DM erhobenen Klage auf Ersatz entgangenen Gewinns sowie der Kosten für Auf- und Abbau der Anlage sowie der Akquisitionskosten für die mit Dritten bereits abgeschlossenen Werbeverträge unter Abweisung im übrigen in Höhe eines Teilbetrages von 37.520 DM statt. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein. Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil zugunsten der Beklagten ab und verurteilte diese zur Zahlung von nur 27.708,82 DM. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, die der Senat angenommen hat und mit der er seinen Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt noch 60.660 DM (einschließlich des ihm vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrages) weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
1. Das Berufungsgericht sieht den Vertrag der Parteien als Rechtspacht an und hält die Beklagte dem Grunde nach aus § 325 Abs. 1 BGB a.F. oder aber aus §§ 581, 541 BGB a.F. für schadensersatzpflichtig. Insoweit läßt es dahinstehen, ob es der Beklagten von Anfang an unmöglich war, dem Kläger die vereinbarte Fläche zu überlassen, oder ob dieser daran bereits Besitz ergriffen hatte und ihm dieser Besitz durch das Tiefbauamt wieder entzogen wurde, was einen Rechtsmangel darstelle.
Dies wird weder von der Revision – als ihr günstig – noch von der Revisionserwiderung angegriffen und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Nach den – von den Parteien ebenfalls nicht angegriffenen – Feststellungen des Berufungsgerichts hätte der Kläger aus den drei von ihm bereits abgeschlossenen Werbeverträgen über die Laufzeit des Vertrages mit der Beklagten einen Nettoerlös von insgesamt 72.660 DM erzielt. Zugleich hätte er in dieser Zeit insgesamt 9.000 DM Nettopacht an die Beklagte zahlen müssen und für den Betrieb der Werbeanlage 3.000 DM Stromkosten (netto) aufwenden müssen. Für die Akquisition der drei Werbeverträge waren ihm bereits Akquisitionskosten in Höhe von netto 15.200 DM entstanden. Sein Aufwand für den Auf- und Abbau der Werbeanlage belief sich auf 20.413,86 DM.
Allerdings sieht das Berufungsgericht den zuletzt genannten Betrag, wie die Revision zutreffend rügt, als Bruttobetrag an und errechnet daraus einen Nettobetrag ohne Mehrwertsteuer von 17.751,18 DM, obwohl zwischen den Parteien unstreitig ist, daß es sich bei dem Betrag von 20.413,86 DM bereits um den Nettobetrag ohne Mehrwertsteuer handelt, wie schon das Landgericht zutreffend erkannt hatte.
II.
1. Zutreffend berechnet das Berufungsgericht den dem Kläger zu ersetzenden entgangenen Nettogewinn, indem es von dem zu erwartenden Erlös aus den drei Werbeverträgen (72.660 DM) zunächst den Pachtzins von 9.000 DM und die Stromkosten von 3.000 DM in Abzug bringt, die der Kläger infolge der Nichtdurchführung des Vertrages erspart hat, so daß sich als Zwischenergebnis ein Betrag von 60.660 DM ergibt.
2. Von diesem Betrag bringt das Berufungsgericht sodann auch die Akquisitionskosten von 15.200 DM sowie die Auf- und Abbaukosten mit dem vermeintlichen Nettobetrag von 17.751,18 DM in Abzug und gelangt so zu dem von ihm zugesprochenen Betrag von 27.708,82 DM. Zur Begründung dieser weiteren Abzugspositionen führt es aus, diese Kosten wären dem Kläger auch bei Durchführung des Vertrages entstanden, und zwar einschließlich der Abbaukosten, da er nach Maßgabe des mit der Beklagten geschlossenen Pachtvertrages verpflichtet gewesen sei, die Werbeanlage nach Ablauf der Pachtzeit auf seine Kosten zu entfernen. Der Kläger könne aber nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn die Beklagte den Vertrag erfüllt hätte. Neben dem entgangenen Gewinn könne er diese Kosten, die ohnehin angefallen wären, deshalb nicht zusätzlich geltend machen, denn andernfalls würde er besser gestellt, als er bei Vertragserfüllung gestanden hätte.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes in BGHZ 143, 41, 49 f. = NJW 2000, 506, 508. Soweit der Bundesgerichtshof dort ausführe, der Gläubiger könne den Ersatz tatsächlich entstandener Aufwendungen zusätzlich verlangen, betreffe dies den vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil hier, anders als in dem dort entschiedenen Fall, keine Rentabilitätsvermutung gelte, sondern der Kläger die Rentabilität seiner Aufwendungen konkret dargelegt habe; für eine derartige Vermutung sei deshalb hier kein Raum.
3. Diese Auffassung greift die Revision mit Erfolg an.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Oktober 1999 aaO betrifft – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch die vorliegende Fallgestaltung. Denn was für den Fall nur vermuteter Rentabilität gilt, muß erst recht gelten, wenn die Rentabilität feststeht, weil unstreitig ist, daß der Kläger auch unter Berücksichtigung aller Kosten, die bei Durchführung des Vertrages angefallen wären, im Ergebnis einen Gewinn erzielt hätte.
Zwar sind bei der Berechnung des entgangenen Gewinns sämtliche zu seiner Erzielung erforderlichen Aufwendungen unabhängig davon in Rechnung zu stellen, ob sie tatsächlich angefallen oder nur hypothetische Natur sind (BGHZ aaO S. 49 unten). Sind sie indes tatsächlich entstanden, kann der Gläubiger sie zusätzlich – als weitere Schadensposition – neben dem entgangenen Gewinn verlangen. Andernfalls ginge die Differenzrechnung des § 249 Satz 1 BGB a.F. nicht auf (vgl. BGHZ aaO S. 50 oben), und zwar auch nicht im vorliegenden Fall, wie die nachstehende Vergleichsrechnung zeigt:
Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrages hätte der Kläger zwar sämtliche vom Berufungsgericht in Abzug gebrachten Kosten aufwenden müssen, nämlich neben 9.000 DM (Pachtzins) und 3.000 DM (Stromkosten) weitere 15.200 DM (Akquisitionskosten) + 20.413,86 DM (Auf- und Abbau; statt wie vom Berufungsgericht angenommen 17.751,18 DM) = insgesamt 35.613,86 DM netto. Mit dem zu erwartenden Nettoerlös von 72.660 DM hätte er jedoch nicht nur diese Kosten amortisieren können, sondern im Endergebnis einen Gewinn von 25.046,14 DM erzielt.
Infolge der Nichtdurchführung des Vertrages ist ihm hingegen nicht nur dieser Gewinn entgangen. Er hat vielmehr 35.613,86 DM aufgewandt und somit im Ergebnis statt eines Gewinns von 25.046,14 DM einen Verlust von 35.613,86 DM erlitten. Er steht sich damit um (25.046,14 DM + 35.613,86 DM =) 60.660 DM schlechter, als er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrages gestanden hätte. Diese Differenz hat die Beklagte ihm zu ersetzen.
Die vorstehende Berechnung zeigt zugleich, daß sich die irrtümliche Annahme des Berufungsgerichts, bei den Auf- und Abbaukosten von 20.413,86 DM handele es sich um den Bruttobetrag einschließlich Mehrwertsteuer, bei im übrigen zutreffender Schadensberechnung auf das Ergebnis nicht ausgewirkt hätte. Denn wenn diese Annahme richtig gewesen wäre und deshalb bei der Berechnung des entgangenen Gewinns – mit dem Berufungsgericht – nur ein Nettobetrag von 17.751,18 DM abzuziehen gewesen wäre, hätte der Kläger daneben auch nur diesen Betrag als tatsächlich erbrachten Aufwand für den Auf- und Abbau ersetzt verlangen können. So aber mindert sich sein entgangener Gewinn zwar um den höheren Betrag von 20.413,86 DM, was im Ergebnis dadurch ausgeglichen wird, daß ihm zusätzlich zum entgangenen Gewinn dieser höhere Nettobetrag zu ersetzen ist.
Unterschriften
Hahne, Sprick, Fuchs, Vézina, Dose
Fundstellen
Haufe-Index 1461943 |
GuT 2004, 54 |
NJOZ 2004, 436 |