Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Verkäufer seinen im Verzug befindlichen Käufer, der die Ware in Dollar zu bezahlen hat, mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, die aus Deckungsverkäufen erzielten Dollarbeträge seien durch einen während des Verzuges eingetretenen Kursverlust wertloser geworden, so hat der Käufer zu beweisen, daß der Verkäufer diese Dollar zur Tilgung alter Dollarverbindlichkeiten verwendet und aus diesem Grunde keinen Schaden erlitten hat.
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.05.1974) |
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.10.1973) |
Tenor
Auf die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Mai 1974 abgeändert.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 3. Oktober 1973 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens und die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens, soweit über sie noch nicht durch Beschluß des Senats vom 30. April 1975 entschieden worden ist.
Tatbestand
Die Beklagte zu 1 (im folgenden Beklagte) - eine Handelsgesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist - kaufte Anfang März 1971 von der Klägerin 2 Partien Walzdraht unterschiedlicher Abmessung zu je 1.500 to. Die Ware, die über eine weitere deutsche Handelsgesellschaft für einen griechischen Abnehmer bestimmt war, sollte in drei etwa gleich großen Lieferungen von je 1.000 to in den Monaten Mai, Juni und Juli 1971 von der Beklagten abgenommen und jeweils Zug-um-Zug durch Gestellung eines unwiderruflichen, übertragbaren Dokumentenakkreditivs bezahlt werden. Die Beklagte nahm in der Folgezeit nur etwa 1.000 to ab; den Abruf der ihr angebotenen Restmenge verweigerte sie mit dem Hinweis, daß die Erteilung der Importlizenzen für ihren Kunden fraglich geworden sei. Nachdem die Klägerin die Beklagte wiederholt vergeblich an die Abnahme der restlichen 463 und 1.500 to erinnert hatte, verkaufte sie schließlich im September 1971 beide Partien an eine israelische Firma, jedoch zu einem geringeren Preis als ursprünglich mit der Beklagten vereinbart.
Aufgrund dieses Sachverhalts nimmt die Klägerin die Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung auf Zahlung der Preisdifferenz in Höhe von 12.706,48 US-Dollar, auf Lagerspesen in Höhe von 1.668,24 US-Dollar sowie auf einen Kursverlust in Höhe von 5.822,58 US-Dollar in Anspruch. Letzterer ergebe sich aus dem Umstand, daß der US-Dollar zwischen den vereinbarten Lieferterminen und dem 8. November 1971 - dem Zeitpunkt der Verschiffung aus den Deckungsverkäufen - gegenüber dem österreichischen Schilling um 3,01 % gefallen sei. Unter Berücksichtigung des am 8. November 1971 maßgeblichen Umrechnungskurses (1 US-Dollar = 3,336 DM) verlangt die Klägerin von den Beklagten Zahlung von 67.378,19 DM nebst Zinsen.
Das Landgericht hat dem Klagebegehren entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich eines über 47.954,07 DM nebst Zinsen hinausgehenden Betrages - er betrifft den auf 19.424,12 DM umgerechneten Kursverlust - abgewiesen, im übrigen jedoch die Berufung zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage in vollem Umfang erstrebten, hat der Senat durch Beschluß vom 30. April 1975 als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer Anschlußrevision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten auch insoweit, als das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich des Kursverlustes abgewiesen hat.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision der Klägerin ist zulässig. Als unselbständige Anschlußrevision ist sie innerhalb der für die Beklagten laufenden Revisionsbegründungsfrist eingelegt und begründet worden (§ 556 ZPO). Durch den Umstand, daß der Senat mit Beschluß vom 30. April 1975 gemäß Art. 1 Nr. 2 BGHEntlG die Revision der Beklagten zurückgewiesen hat, wurde die Wirksamkeit der Anschlußrevision nicht berührt. Die Fälle, in denen die Anschließung ihre Wirkung verliert, sind in dem - gemäß § 556 Abs. 2 Satz 3 ZPO entsprechend anzuwendenden - § 522 Abs. 1 ZPO abschließend aufgeführt.
II.
Die Revision ist auch begründet. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin könne Ersatz für den Kursverlust deswegen nicht beanspruchen, weil sie mit dem aus dem Weiterverkauf erzielten Betrag von 193.441,07 US-Dollar ihren eigenen Lieferanten habe bezahlen müssen, dieser Betrag also nicht zu ihrer freien Verfügung gestanden habe und sie ihn demgemäß auch nicht zur Vermeidung von Kurseinbußen in Schillinge habe umtauschen können, erweist sich als von Rechtsfehlern beeinflußt.
1.
Nach den insoweit rechtsirrtumsfreien Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich die Beklagte mit der Abnahme und Bezahlung der 463 to aus dem ersten Auftrag seit dem 29. Juni 1971 und hinsichtlich der restlichen 1.500 to seit dem 23. August 1971 im Verzug.
Das stellen auch die Beklagten nicht in Abrede. Ihre Ansicht, sie seien gleichwohl deswegen nicht zur Schadensersatzleistung verpflichtet (§ 326 BGE), weil derartige Ansprüche durch ihre Einkaufsbedingungen ausgeschlossen seien, erweist sich als rechtsirrig. Zwar enthalten diese Einkaufsbedingungen, die unstreitig Vertragsinhalt geworden sind, in Nr. 4 folgende Bestimmung:
"Bei Eintritt anderer Umstände, die es uns unmöglich oder unzumutbar machen, an erteilten Bestellungen festzuhalten oder abgeschlossene Verträge zu erfüllen (als solche Umstände gelten z.B. ... Einfuhrverbote, Nichterteilung behördlicher Genehmigungen, begründete Abnahmeverweigerung unseres Kunden) können wir die Bestellung ... annullieren."
Auf diese Klausel können sich die Beklagten jedoch im vorliegenden Fall nicht berufen. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob die außerordentlich weitgehende Freizeichnung und die damit verbundene völlige Abwälzung des Risikos auf den Verkäufer hier ausnahmsweise deswegen hingenommen werden kann, weil - die Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten unterstellt - der Klägerin die Risiken des Ost-Westhandels sowie allgemein des Exports nach Griechenland bekannt waren; denn Abnehmer (Kunde) der Beklagten war hier nicht der griechische Importeur, sondern die ebenfalls in D. ansässige "S. und M. Handelsgesellschaft mbH". Daß diese als Vertragspartnerin der Beklagten dieser gegenüber zur Verweigerung der Abnahme berechtigt gewesen wäre, haben aber die Beklagten selbst nicht behauptet. Ihre Schreiben vom 13. und 23. Juli 1971 an diese Firma ergeben vielmehr das Gegenteil. Eine Auslegung der Freizeichnungsklausel dahin, daß - wie die Beklagten meinen - auch die Verweigerung der Importlizenz gegenüber einem späteren Glied der Handelskette, zu dem die Klägerin selbst keinerlei vertragliche Beziehungen unterhielt, die Beklagte von ihrer Abnahmepflicht freistellen sollte, ist aber weder mit dem Wortlaut dieser Klausel noch mit dem Grundsatz, daß formularmäßige Freizeichnungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eng auszulegen sind, zu vereinbaren.
2.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die Beklagten der Klägerin nicht nur den mit den Deckungsverkäufen verbundenen Mindererlös, sondern auch den durch den Kursverlust entstandenen Schaden zu ersetzen. Dabei ist - wie oben dargelegt - davon auszugehen, daß die Beklagte sich mit ihrer Abnahmepflicht bereits im Verzug befand, bevor der Dollar - nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Klägerin Ende August 1971 - gegenüber dem österreichischen Schilling wie auch gegenüber der Deutschen Mark eine Kurseinbuße von etwa 3 % erlitt. Andererseits ist die Klägerin unstreitig erst um den 8. November 1971 - und damit erst mehr als zwei Monate nach dem hier streitigen Kursverfall - in den Besitz der aus den Deckungsverkäufen erzielten Dollarbeträge gelangt. Bei einer derartigen Sachlage ergibt sich die Schadensersatzpflicht des Käufers aus dem Umstand, daß die aus den Deckungsverkäufen erzielten Dollarbeträge infolge des Kursverfalls für den Verkäufer entsprechend weniger wert waren als die nominal gleichen Beträge, die er bei fristgerechter Zahlung - d.h. vor dem Kursverfall - von dem Käufer zu beanspruchen gehabt hätte.
Dabei kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Klägerin - ihrer von der Zeugin Wa. bestätigten Gepflogenheit entsprechend - den fristgerecht eingegangenen Kaufpreis sofort in Schillinge eingetauscht oder aber - allgemein auf Dollarbasis abschließend - zur alsbaldigen Begleichung eigener Dollarverbindlichkeiten verwandt hätte; denn in beiden Fällen wäre sie bei vertragsgemäßem Verhalten der Beklagten durch den später eingetretenen Kursverlust des Dollars nicht berührt worden. Andererseits ist der Klägerin dadurch, daß sie den Kaufpreis aus den Deckungsverkäufen erst nach dem Kursverfall und damit Dollarbeträge mit geringerem Kurswert erhalten hat, in diesem Umfang ein entsprechender Schaden entstanden, und zwar auch insoweit unabhängig davon, ob die Klägerin die Beträge in Schillinge umtauschte oder zur Erfüllung neu eingegangener Dollarverbindlichkeiten verwandte.
3.
Etwas anderes würde dann gelten, wenn die Klägerin mit den aus den Deckungsverkäufen erzielten Dollarbeträgen alte, vor dem Kursverfall eingegangene Dollarverbindlichkeiten, mit denen sie noch nicht im Verzug war, zum Nominalbetrag erfüllt hätte; denn dann wäre ihr, obwohl sie Dollar mit geringerem Kurswert erhielt, im Endergebnis kein Schaden entstanden. Dafür fehlt es jedoch an einem hinreichenden Anhalt. Den Kaufpreis, den die Klägerin hinsichtlich der hier streitigen Lieferung ihrem Vorlieferanten schuldete, hatte sie - das wird auch von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen - bereits längere Zeit vor dem Kursverfall aus eigenen Mitteln bezahlt. Daß die Klägerin sonst mit den im November 1971 eingegangenen Dollarbeträgen alte langfristige Verbindlichkeiten getilgt hätte, haben die Beklagten aber weder substantiiert behauptet noch unter Beweis gestellt.
Das geht zu Lasten der Beklagten, die insoweit beweispflichtig sind. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Gläubigers, den ihm entstandenen Schaden nachzuweisen. Den Schuldner trifft jedoch dann die Darlegungs- und Beweislast, wenn er während seines Verzuges die Kaufpreisforderung seines Gläubigers durch inzwischen entwertete Zahlungsmittel mit geringerem Kurswert getilgt hat, sich aber darauf beruft, diesem sei gleichwohl ein Vermögensschaden nicht entstanden, weil er gerade diese Beträge zur Begleichung alter Verbindlichkeiten verwandt habe. Entsprechendes gilt von dem Einwand, der Gläubiger sei unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) in der Lage und auch verpflichtet gewesen, das bereits entwertete Geld auf diese Weise schuldtilgend zu verwenden. Ihre Rechtfertigung findet diese Umkehr der Beweislast in dem Umstand, daß die verspätete Zahlung mit entwerteten Zahlungsmitteln in aller Regel einen Schaden für den Gläubiger zur Folge hat und sich die Möglichkeit, mit ihnen alte Verbindlichkeiten noch zum Nominalbetrag zu erfüllen, als Ausnahmefall darstellt. Daß hier die Beklagten nicht selbst ihre Schuld mit den im Kurswert gesunkenen Dollar erfüllt haben, vielmehr die Klägerin sie aus den Deckungsverkäufen erhalten hat, ist ohne entscheidende Bedeutung.
4.
Die Höhe des durch diesen Kursverlust entstandenen Schadens, den die Klägerin auf 5.822,58 US-Dollar (3,01 % des Erlöses aus den Deckungsverkäufen in Höhe von 193.441,07 US-Dollar) errechnet, haben die Beklagten, nachdem die Klägerin eine Bestätigung der Bankkommanditgesellschaft Wi. & Co. in W. vom 14. Oktober 1971 über den Kursverlauf des US-Dollars in der Zeit vom 31. Mai bis 8. November 1971 vorgelegt hatte, nicht mehr substantiiert bestritten. Schließlich war die Klägerin, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf BGHZ 14, 212 zutreffend ausgeführt hat, auch nicht gehindert, den am 8. November 1971 eingetretenen Schaden - und zwar zu einem Kurs von damals unstreitig 1: 3.336 - in DM umzurechnen und nunmehr in Höhe von 19.424,12 DM geltend zu machen.
III.
Der Anspruch auf Ersatz des der Klägerin durch den Kursverfall entstandenen weiteren Schadens ist mithin begründet. Der klageabweisende Teil des - im übrigen rechtskräftigen - Berufungsurteils konnte daher keinen Bestand haben. Da der Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung bedarf, konnte der Senat gemäß § 565 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und das Urteil des Landgerichts wiederherstellen. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsrechtszuges sowie des Revisionsverfahrens, soweit über sie noch nicht im Beschluß vom 30. April 1975 entschieden ist, beruht auf § 91, § 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3018712 |
DB 1976, 716-717 (Volltext mit red./amtl. LS) |
NJW 1976, 848 |
NJW 1976, 848 (amtl. Leitsatz) |
MDR 1976, 661-662 (Volltext mit amtl. LS) |