Leitsatz (amtlich)
1. Den bei der Zwangsversteigerung auf den nicht valutierten Teil der Grundschuld entfallenden Übererlös hat der Grundschuldgläubiger aufgrund des Sicherungsvertrages herauszugeben.
2. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Rückgewähranspruchs, insbesondere für das Nichtbestehen der gesicherten Forderung, trägt grundsätzlich der Sicherungsgeber. Steht die Höhe der Forderung bei Bestellung der Grundschuld nicht fest, so muß jedoch der Sicherungsnehmer Umfang und Höhe der gesicherten Forderung darlegen und beweisen.
Bei Realkrediten kann eine Bank ohne Angaben zur Schadenshöhe Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz als Verzugsschadensersatz nur verlangen, wenn der Kredit nicht zu für Realkredite üblichen Bedingungen gewährt worden ist.
Normenkette
BGB §§ 252, 286 Abs. 1, § 288 Abs. 2, § 1191; ZPO § 287 Abs. 1; VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 19.02.1991) |
LG Stuttgart |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. Februar 1991 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre Berufung gegen die Abweisung der Klage in Höhe eines Teilbetrags von 34.140,92 DM nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des Übererlöses, den die beklagte Bank als Gläubigerin einer Sicherungsgrundschuld über 1 Mio. DM zuzüglich Zinsen aus der Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks der Klägerin erhalten hat. Die Klägerin hat den streitigen Teil des Übererlöses auf 354.065,05 DM beziffert. Sie hat geltend gemacht, die Grundschuld habe nur den Dispositionskredit ihres Ehemannes aus dem Jahre 1983, nicht aber den ebenfalls in laufender Rechnung gewährten Kredit vom 19. Januar 1987 gesichert.
Hilfsweise bestreitet die Klägerin die Höhe der gesicherten Forderung unter Einschluß des letztgenannten Kredits, den die Beklagte zum 30. Oktober 1987 fällig gestellt hat. Ausgehend vom Schreiben der Beklagten vom 20. Juli 1988, in dem die gesicherte Gesamtforderung mit 1.143.310,59 DM zuzüglich 222,31 DM Zinsen pro Tag (= 7 % p.a.) ab 1. August 1988 beziffert ist, habe die Kreditschuld ihres Ehemannes bei Auszahlung des Versteigerungserlöses am 30. April 1989 nicht, wie von der Beklagten angegeben, 1.237.475,32 DM, sondern nur 1.196.664,99 DM (1.143.310,59 DM + 53.354,40 DM Zinsen), d.h. 40.810,33 DM weniger betragen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 354.065,05 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Die Revision hat der Senat unter Berücksichtigung eines Rechenfehlers – die Klägerin hat die Zinsen von 7 % aus 1.143.310,59 DM für den Zeitraum vom 1. August 1988 bis zum 30. April 1989 mit 53.354,40 DM statt richtig mit 60.023,81 DM berechnet – nur in Höhe eines Teilbetrages von 34.140,92 DM aus dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch über 40.810,33 DM zuzüglich Zinsen angenommen. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg; sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung, soweit sie sich auf den angenommenen Teilbetrag bezieht, ausgeführt: Für den geltend gemachten Bereicherungsanspruch fehle ausreichend substantiierter Tatsachenvortrag der Klägerin. Sie habe nicht dargelegt, wie sich die gesicherte Forderung der Beklagten seit dem 1. August 1988 entwickelt und im April 1989 zusammengesetzt habe.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht läßt außer acht, daß nicht nur ein bereicherungsrechtlicher, sondern auch ein vertraglicher Rückgewähranspruch der Klägerin in Betracht kommt, und verkennt die Darlegungs- und Beweislast.
a) Ein Übererlös des Grundschuldgläubigers und Sicherungsnehmers ist aufgrund des geschlossenen Sicherungsvertrages herauszugeben. Der Übererlös resultiert aus der über den Sicherungszweck hinausgehenden dinglichen Belastung des Grundstücks und gebührt nach dem Sicherungsvertrag deshalb nicht dem Sicherungsnehmer, sondern dem Sicherungsgeber. Dessen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingter Anspruch auf Rückgewähr des nicht valutierten Teils der Grundschuld wandelt sich nach deren Erlöschen in der Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks in einen Anspruch auf Herausgabe des Übererlöses um (st.Rspr.; BGHZ 98, 256, 261; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1984 – IX ZR 111/82, WM 1984, 1577, 1579; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 – IV b ZR 70/87, WM 1988, 1834, 1837 jeweils m.w.Nachw.).
Die Aktivlegitimation der Klägerin für einen solchen Anspruch ist gegeben, gleichgültig, ob mit der Revision angenommen wird, die Klägerin sei an dem Sicherungsvertrag aus dem Jahre 1983 beteiligt gewesen, oder ob von der – angegriffenen – Feststellung des Berufungsgerichts ausgegangen wird, alleiniger Sicherungsgeber sei der Ehemann der Klägerin gewesen. Die Klägerin hat nämlich unwidersprochen vorgetragen: Ihr Ehemann und sie hätten ihre Ansprüche auf einen etwaigen Übererlös an die D. K. H.bank AG abgetreten. Diese habe sie weiter übertragen auf die D. Bank e.G., die sie an sie, die Klägerin, abgetreten habe. Die Klägerin ist danach Einzelrechtsnachfolgerin des Sicherungsgebers.
b) Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Rückgewähranspruchs, insbesondere für das Nichtbestehen der gesicherten Forderung, trägt grundsätzlich der Sicherungsgeber (BGHZ 109, 197, 204; Senatsurteil vom 19. Februar 1991 – XI ZR 202/89, WM 1991, 668, 669). Eine Ausnahme macht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aber dann, wenn die Höhe der zu sichernden Forderung bei Bestellung der Grundschuld noch nicht feststand. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Grundschuld für eine künftige Kontokorrentschuld bestellt wurde oder – wie im Falle einer erweiterten Zweckbestimmungserklärung – außer einer der Höhe nach feststehenden auch alle künftigen Forderungen des Sicherungsnehmers aus einer bestimmten Geschäftsverbindung sichern sollte. In derartigen Ausnahmefällen muß der Grundschuldgläubiger den Umfang und die Höhe der gesicherten Forderung darlegen und gegebenenfalls beweisen (BGH, Urteil vom 27. Februar 1976 – V ZR 50/75, WM 1976, 666, 667; BGH, Urteil vom 10. Juli 1986 – III ZR 77/85, WM 1986, 1355, 1356; Senatsurteil vom 13. November 1990 – XI ZR 217/89, WM 1991, 60, 61).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Bei dem gesicherten Dispositionskredit aus dem Jahre 1983 handelte es sich ebenso wie bei dem vom 19. Januar 1987 um einen Kredit in laufender Rechnung. Die Höhe der zu sichernden Forderung stand bei Einräumung der Sicherheit, d.h. bei Abtretung der Grundschuld, noch nicht fest. Es war danach, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, Sache der Beklagten, die gesicherte Forderung darzulegen.
3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Die Beklagte hat ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht genügt. Soweit die Klägerin die Höhe der gesicherten Forderung bestritten hat, d.h. hinsichtlich des 1.203.334,40 DM (1.143.310,59 DM zuzüglich 7 % Zinsen für den Zeitraum vom 1. August 1988 bis zum 30. April 1989) übersteigenden Betrages, fehlt nachvollziehbarer Vortrag der Beklagten über die Entwicklung der gesicherten Forderung und deren Zusammensetzung am 30. April 1989.
4. Das Berufungsurteil war daher, soweit es von der Klägerin noch angegriffen wird, aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat konnte nicht in der Sache selbst entscheiden, da der Rechtsstreit, obgleich die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht genügt hat, nicht zur Entscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zu Unrecht für ausreichend gehalten und die Beklagte im Termin womöglich in ihrem Rechtsirrtum über die Darlegungslast bestärkt. Die Beklagte muß deshalb Gelegenheit erhalten, ihren Vortrag zu ergänzen (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO; BGH, Urteil vom 31. Oktober 1986 – V ZR 61/80, NJW 1987, 1142, 1143).
Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
Nach Kündigung des Kredits zum 30. Oktober 1987 stand der Beklagten nicht mehr der Vertragszins zu, sondern – bei abstrakter Schadensberechnung – der marktübliche Wiederanlagezins (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2, 289 Satz 2 BGB; BGHZ 104, 337, 344 ff.). Bei einem Verbraucherkredit kann die Beklagte Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz beanspruchen, ohne Angaben zur Schadenshöhe machen zu müssen (Senatsurteil vom 8. Oktober 1991 – XI ZR 259/90, WM 1991, 1983, 1984 f., zur Veröffentlichung in BGHZ 115, 268 bestimmt). Bei einem Realkredit ist letzteres, anders als die Revisionserwiderung meint, nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Das vorgenannte Senatsurteil beruht auf den §§ 252 BGB, 287 ZPO sowie auf den Ergebnissen der Untersuchung, die § 11 Abs. 1 des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) zugrunde liegen (vgl. Begründung zu § 10 des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 11/5462, abgedruckt bei Seibert, Handbuch zum Verbraucherkreditgesetz S. 137, 138). Auf Grundpfandkredite, die erfahrungsgemäß in der Regel niedriger verzinslich sind als Verbraucherkredite, sind die vorgenannten Ergebnisse über die Refinanzierungskosten sowie den Kreditbearbeitungsaufwand einer Bank nicht ohne weiteres übertragbar. Der Gesetzgeber hat deshalb grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite von der Regelung des § 11 VerbrKrG ausgenommen, wenn sie zu den für solche Kredite üblichen Bedingungen gewährt sind (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG). Die wertende Feststellung des Gesetzgebers, § 11 Abs. 1 VerbrKrG passe für solche Kredite nicht, weil die Verzugszinsregelung für die Bank „in vielen Fällen des Realkredits zu günstig” wäre (vgl. Begründung zu § 2 des Regierungsentwurfs, Seibert a.a.O. S. 126), kann bei der Schadensschätzung nach §§ 252 BGB, 287 ZPO nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Senatsurteil a.a.O.), auch wenn § 3 Abs. 2 Nr. 2 und § 11 Abs. 1 VerbrKrG nur für seit dem 1. Januar 1991 abgeschlossene Kreditverträge, nicht aber für Altverträge gelten (Art. 9 Abs. 1, 10 des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 – BGBl. I, 2840). Ohne Nachweis eines entsprechenden Verzögerungsschadens gemäß den in BGHZ 104, 337, 344 ff. niedergelegten Grundsätzen kann die Beklagte bei abstrakter Schadensberechnung Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank daher nur dann beanspruchen, wenn der gekündigte Kredit nicht zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt worden sein sollte.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Halstenberg, RiBGH Dr. Schramm ist urlaubsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Schimansky, Nobbe, Dr. van Gelder
Fundstellen
Haufe-Index 1825795 |
BB 1992, 1166 |
NJW 1992, 1620 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1992, 389 |
ZIP 1995, 1584 |
DNotZ 1993, 112 |
ZBB 1992, 151 |