Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 17.01.1992) |
Tenor
1.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 17. Januar 1992 im Kostenpunkt voll und in der Sache insoweit aufgehoben, als dem - im Berufungsverfahren erhobenen - Feststellungsantrag der Erfolg versagt wurde.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom beklagten Rechtsanwalt, der sie in ihrem Ehescheidungsverfahren vertrat, Schadensersatz mit der Behauptung, ein Beratungsfehler des Beklagten habe sie zum Verzicht auf nachehelichen Unterhalt ab 1. Juni 1990 in dem anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleich vom 29. November 1989 veranlaßt.
Im ersten Rechtszuge hatte die Klägerin Ersatz entgangenen Unterhalts für die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit im Jahre 1990 begehrt. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat die Klägerin im Berufungsverfahren diese Zahlungsforderung weiterverfolgt, Ersatz entgangenen Unterhalts auch für die Zeit ihrer Erwerbslosigkeit im Jahre 1991 verlangt und beantragt festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, für den Fall einer von ihr unverschuldeten Beendigung des Probearbeitsverhältnisses in einer Arztpraxis monatlich Unterhalt in Höhe von 1.168,52 DM ab Beendigung des Probearbeitsverhältnisses zu leisten. Das Berufungsgericht hat die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Diese verfolgt mit der Revision ihren Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
Sie rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht seine Entscheidung über den Feststellungsantrag nicht mit Gründen versehen habe (§ 551 Nr. 7 ZPO).
I.
1.
Es hat diesen Antrag beschieden, indem es ihm im angefochtenen Urteil den Erfolg versagt hat.
Zwar bezieht sich der Ausspruch des Berufungsurteils nicht ausdrücklich darauf. Der Antrag wird auch in den Entscheidungsgründen zur Hauptsache nicht erwähnt. Diese behandeln nur - gemäß dem Zahlungsanspruch - einen Schadensersatzanspruch wegen bereits entgangenen Unterhalts. Der Feststellungsantrag betrifft dagegen eine Pflicht zum Ersatz eines künftigen Schadens.
Das Berufungsgericht wollte jedoch dem gesamten Klagebegehren den Erfolg versagen; davon gehen auch die Parteien im Revisionsverfahren aus. Das Berufungsurteil ist nicht als Teilurteil bezeichnet; die Entscheidung über den Feststellungsantrag wurde darin nicht vorbehalten. Im Urteilsausspruch wurde der Wert der Beschwer auf 150.852,62 DM festgesetzt; darin sind nach dem letzten Abschnitt der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils 140.222,40 DM wegen des Feststellungsantrags enthalten.
2.
Die Entscheidung über diesen Antrag ist nicht mit Gründen versehen, so daß das Berufungsurteil insoweit weder für die Parteien noch für das Revisionsgericht nachprüfbar ist. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, aus welchen Erwägungen das Feststellungsbegehren erfolglos geblieben ist. Insbesondere ist nicht zu erkennen, ob dieser Antrag als unzulässig oder als unbegründet abgewiesen wurde. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Zahlungsbegehren lassen sich nicht auf den Feststellungsantrag übertragen.
II.
Danach ist insoweit das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).
Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:
Die Erweiterung der Klage um den Feststellungsantrag im Berufungsverfahren war zulässig (§§ 263, 264 Nr. 2, 267, 523 ZPO).
Das Feststellungsbegehren selbst ist ebenfalls zulässig (§ 256 ZPO). Die von der Klägerin beantragte Feststellung einer Pflicht des Beklagten zum Ersatz eines Schadens, der infolge des Unterhaltsverzichts gegenüber dem geschiedenen Ehemann bei einem künftigen, unverschuldeten Verlust ihrer Arbeitsstelle entsteht, betrifft nach dem - vom Berufungsgericht als richtig unterstellten - Klagevortrag eine Verbindlichkeit des Beklagten wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages und damit ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis (vgl. BGH, Urt. v. 23. September 1987 - IVa ZR 59/86, NJW 1988, 774). Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, weil der Beklagte den Ersatzanspruch bestreitet, der Ablauf der Verjährungsfrist des § 51 BRAO drohte und die geltend gemachte künftige Schadensfolge möglich ist, selbst wenn ihr Eintritt noch ungewiß ist (vgl. BGHZ 116, 60, 75; BGH, Urt. v. 11. Juli 1989 - VI ZR 234/88, BGHR ZPO § 256 Abs. 1 - Feststellungsinteresse 12; v. 28. September 1989 - IX ZR 180/88, BGHR ZPO § 256 Abs. 1 - Schadensersatz 1; v. 10. Oktober 1991 - IX ZR 38/91, WM 1992, 276, 277).
Die Begründetheit des Feststellungsantrags hängt zunächst von der Klärung der Streitfrage ab, ob der Vergleich mit dem darin enthaltenen Unterhaltsverzicht auf einen schuldhaften Beratungsfehler des Beklagten zurückzuführen ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 15. Dezember 1960 - III ZR 141/59, VersR 1961, 276, 278; v. 5. Januar 1968 - VI ZR 137/66, VersR 1968, 450; v. 28. Juni 1990 - IX ZR 209/89, WM 1990, 1917; v. 6. Februar 1992 - IX ZR 95/91, WM 1992, 742; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht 2. Aufl. BGB § 675 Rdnr. 11 f; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars 4. Aufl. Rdnr. I 476 f; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. § 20 Nr. 6; Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht 1989 Rdnr. 175 f, 615 f). Sollte die Klägerin dies beweisen, so ist zu prüfen, ob in einem - gemäß § 287 ZPO festzustellenden - haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang ein Schaden entstehen kann, weil die Klägerin bei einer künftigen, unverschuldeten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann mehr hätte. Es ist fraglich, ob ein solcher Anspruch, wie im Rechtsstreit bisher geltend gemacht und erörtert, aus § 1573 Abs. 1, 2 BGB herzuleiten ist. Bedenken ergeben sich daraus, daß eine künftige Erwerbslosigkeit nicht mehr in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit der Ehescheidung (29. November 1989) stehen könnte; gegebenenfalls wäre auf einen Anspruch aus § 1573 Abs. 4 BGB abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 25. März 1987 - IVb ZR 32/86, NJW 1987, 2229, 2231; v. 16. März 1988 - IVb ZR 40/87, NJW 1988, 2034, 2035). Sollten die Haftungsvoraussetzungen erfüllt sein, so ist dem Feststellungsantrag stattzugeben, wenn die Entstehung eines zu ersetzenden Schadens wahrscheinlich ist (BGH, Urt. v. 25. November 1977 - I ZR 30/76, NJW 1978, 544; v. 28. September 1989 - IX ZR 180/88 a.a.O.).
Fundstellen
Haufe-Index 3018904 |
NJW-RR 1993, 706 (Volltext mit red. LS) |