Leitsatz (amtlich)
›a) Zur Frage der Anforderungen an den Tatsachenvortrag, wenn geltend gemacht wird, ein massiertes Vorgehen gegen behauptete Rabattverstöße zahlreicher Kfz-Händler sei rechtsmißbräuchlich.
b) Personenkraftwagen der Mittelklasse mit üblichen Ausstattungsmerkmalen sind Waren des täglichen Bedarfs im Sinn des § 1 Abs. 1 RabattG.
c) Benutzt ein Kraftfahrzeughändler im Verkaufsgespräch bei der Zusammenstellung der vom Kunden gewählten Ausstattung und des daraus folgenden Preises die Listen der Hersteller, die unverbindlich empfohlene Preise enthalten, so entnimmt der Kunde aus der Angabe des aus der Zusammenstellung folgenden Preises im allgemeinen noch nicht ohne weiteres die Angabe des Normalpreises des Händlers.‹
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth |
OLG Nürnberg |
Tatbestand
Der klagenden Verein, in den sich alle Vertragshändler der Firma V. AG und A. N. A.-U AG zusammengeschlossen haben, hat sich in § 2 seiner Satzung u.a. die Aufgabe gestellt, die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs im Kraftfahrzeughandel zu überwachen und Verstöße zu verfolgen.
Die Beklagte vertreibt als selbständiges Automobilhandelsunternehmen Kraftfahrzeuge der Firma A. O. AG.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte verstoße beim Verkauf der Fahrzeuge gegen die Vorschriften des Rabattgesetzes. Er hat hierzu behauptet, die Beklagte biete die Fahrzeuge üblicherweise zu den von der Herstellerin empfohlenen Preisen an, wie Testkäufer festgestellt hätten. Hiervon weiche sie im Einzelfall ab. Ein Angestellter der Beklagten habe dem Zeugen Sch. am 18. März 1982 zunächst die Herstellerpreisliste für die Modelle R. und A. mit den ausgerechneten Preisen von 18.725 DM und 16.670 DM ausgehändigt. Der Angestellte habe dann anhand eigener Unterlagen und unter Berücksichtigung der Frachtkosten einen Preis von 17.242,50 DM und 15.726,40 DM errechnet und diesen als den maßgeblichen Preis bezeichnet. Am 6. Mao 1982 habe der Geschäftsführer der Beklagten der Zeugin E., die sich für die Modelle K. und A. interessiert haben, die Preislisten der Herstellerin ausgehändigt und ihr gesagt, er werde ihr bei einem späteren Besuch einen günstigen Preis berechnen. Das habe er dann auch getan, wobei die Preise mehr als 3 % von den unverbindlich empfohlenen Listenpreise der Herstellerin abgewichen sein. Am gleichen Tage habe der Geschäftsführer der beklagten dem Zeugen D. telefonisch auf Anfrage Preise für die zwei A.-Modelle genannt und dabei erklärt, diese Preise seien die derzeit gültigen Preise der Herstellerin, auf die die Beklagte im Gegensatz zu anderen Händlern einen Rabatt von 8 % gewähre.
Der Kläger hat in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften des Rabattgesetzes gesehen und beantragt
der Beklagten unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel zu untersagen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Verkauf einzelner Personenkraftwagen Preisnachlässe für Barzahlung von mehr als 3 v. H. des Preises zu gewähren und/oder anzukündigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger wolle mit der Klage, die er und andere Verbände in ähnlicher Form gegen viele Kraftfahrzeughändler erhoben hätten, in Wahrheit erreichen, daß die unverbindlichen Preisempfehlungen der Kraftfahrzeughersteller sich als Festpreis am Markt durchsetzen. Sie hat weiter vorgetragen, sie habe Hauspreise gebildet, die generell unter den unverbindlich empfohlenen Preise der Herstellerin lägen. Sie habe lediglich im Interesse einer Preistransparenz und zur erleichterten Kalkulation auf die Preislisten der Herstellerin Bezug genommen.
Das Landgericht habe nach einer Beweisaufnahme, der es entnommen hat, die Beklagte habe in Einzelfällen einen 3 % übersteigenden Barzahlungsrabatt gewährt, die Beklagte nach dem Antrag verurteilt.
Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage abzuweisen, weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Prozeßführungsbefugnis des Klägers bejaht; Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger durch sein Vorgehen die unverbindlichen Preisempfehlungen der Kraftfahrzeughersteller in eine Preisbindung umfunktionieren wolle, hat das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtet. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte in zwei Fällen unzulässige Rabatte angeboten. Die Beklagte heb, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, zunächst Preise - gestützt auf unverbindliche Preisempfehlung - genannt und dem Nachlässe bzw. Skonti zugesagt. Für die Kaufinteressenten habe kein Zweifel bestehen können, daß die Beklagte die in den unverbindlichen Preisempfehlungen enthaltenen Zahlen als ihre Normalpreise vorstellen und hierauf Rabatt gewähren wolle. Im Fall des Zeugen Sch. ergebe sich dies aus dem Eingehen auf die Frage nach einem Nachlaß und dem Verweisen auf die Möglichkeit, den "Nachlaß" selbst auszurechnen. Im Fall des Zeugen D. habe die Formulierung "8 % Skonto" und insbesondere die Bitte um vertrauliche Behandlung vom Käufer in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise darauf hingewiesen, daß die Beklagte von ihren allgemeinen Preisen - offenbar sogar im Bewußtsein der Ungesetzlichkeit - habe abweichen wollen.
Kaufinteressenten würden auch nicht dadurch, daß die Beklagte bei in den Verkaufsräumen ausgestellten Fahrzeugen nicht den Preisangaben der Hersteller folge, deutlich darauf hinweisen, daß sie allgemein nicht die von der Herstellerin empfohlenen Preise verlange. Wegen der Vielfalt der Typen und Ausstattungsmerkmale würden nämlich die Fahrzeuge in aller Regel besonders bestellt.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat den Kläger rechtsfehlerfrei als einen nach § 12 Abs. 1 RabG zur Prozeßführung befugten Verband angesehen.
Der Einwand des Rechtsmißbrauchs, den die Revision der Prozeßführungsbefugnis des Klägers entgegenhält, ist nicht begründet. Das gemeinsame Vorgehen von Kraftfahrzeug-Händlern und ihrer Organisationen, um Rabattverstöße in ihrer Branche zu unterbinden, enthält grundsätzlich keinen Verstoß gegen das GWB; das GWB sichert allein den Bestand eines schutzwürdigen Wettbewerbs (vgl. dazu BGHZ 36, 105, 111 ff. - Export ohne WBS). Daran ändert sich grundsätzlich auch nichts durch den Umstand, daß in einem erheblichen Umfang, gewissermaßen massiert, gegen Rabattverstöße vorgegangen wird. Das Vorbringen der Beklagten, der klagende Verband verfolge deshalb keine schutzwürdige Interessen, weil er in Wirklichkeit lediglich - im planmäßigen Zusammenwirken mit anderen Verbände - die unverbindlichen Preisempfehlungen der Kraftfahrzeughersteller als Festpreise am Markt durchsetzen wolle, ist nicht in ausreichendem Maße mit konkreten Tatsachen belegt. Diese ergeben sich insbesondere nicht aus dem von der Revision im Bezug genommenen schriftsätzlichen Vortrag im Verlaufe des Rechtsstreits. Ebensowenig kann sich die Revision hierzu auf das Schreiben der 5. Beschlußabteilung des Bundeskartellamts vom 19.1.1994 (Az. B5-71 20 22-0Z-1040/82, veröffentlicht in BB 1984, 231) stützen. Das dortige Verfahren ist, wie die Parteien übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, vorläufig ausgesetzt worden. Es richtet sich zudem nicht gegen Kraftfahrzeughändler und ihre Verbände, sondern gegen die Hersteller. Das vorgelegte Schreiben enthält auch keine konkreten Tatsachen dafür, der Kläger handele im Streitfall rechtsmißbräuchlich und wolle unter Verstoß gegen die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nur scheinbar gegen Rabattverstöße Unterlassungsansprüche durchsetzen.
Der Senat konnte über die Frage eines Mißbrauchs der Klagebefugnis entscheiden, ohne das Verfahren - entsprechend den Antrag der Revision - an den Kartellsenat abgeben zu müssen. Allein durch allgemein gehaltene Einwendungen, die keine fallbezogene kartellrechtlich beachtlichen Tatsachen enthalten, wird die Zuständigkeit des Kartellsenats nicht begründet.
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Verstoß der Beklagten gegen §§ 1, 2 RabG begründet hat, halten dagegen den Angriffen der Revision nicht stand.
a) Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die im Streitfall angebotenen Personenkraftwagen den Waren des tatsächlichen Bedarf im Sinne des § 1 Abs. 1 RabG zugerechnet (s. bereits BGH, Urt. v. 20.5.1960 - I ZR 93/59, GRUR 1960, 558, 562 = WRP 1960, 235 - Eintritt in Kundenbestellung). die Höhe des Kaufpreises ist für sich allein kein geeignetes Abgrenzungsmerkmal), wenn es sich - wie hier - um eine Ware handelt, an deren Erwerb in breiten Kreisen der Bevölkerung jederzeit ein Bedarf eintreten kann (vgl. auch BGH, Urt. v. 3.3.1961 - I ZR 83/60, GRUR 1961, 367 = WRP 1961, 223 - Schlepper). Es ist aus Rechtsgründen ferner nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, für Personenkraftwagen, für die die Zeugen sich interessierten, habe sich im Geschäftsbetrieb der Beklagten ein Normalpreis bilden können, obwohl die Fahrzeuge in der verlangten Ausstattung bei ihr noch nicht vorhanden waren. Die Zeugen interessierten sich nämlich für Wagen mit üblichen Ausstattungsmerkmalen, wie sie von Herstellern serienmäßig produziert und an die Händler ausgeliefert werden.
b) Rechtlichen Bedenken unterliegt dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Zeugen unzulässige Rabatte einräumen wollen.
Für die angebotenen Personenkraftwagen bestehen unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller. Die Verbraucher sehen darin regelmäßig eine Preisinformation, die ihnen bei der Bildung der Preisvorstellung zustatten kommt und sie in die Lage versetzt, das Angebot der Händler in preislicher Hinsicht besser prüfen zu können (BGH, Urt. v. 23.6.1983 - ZR 75/81, GRUR 1983, 658, 660 = WRP 1983, 556 - Herstellerpreisempfehlung in Kfz-Händlerwerbung). Die Kunden, die sich für den Kauf eines Kraftfahrzeuges interessieren, wissen insbesondere aus der Herstellerwerbung, daß die von den Herstellern empfohlenen Preise für den Verkauf durch die Händler im Einzelfall zunächst unverbindlich sind. Dann aber erwarten sie auch nicht ohne weiteres bei einer Bezugnahme im Verkaufsgespräch auf die Preislisten der Hersteller, daß der Händler damit bereits seinen eigenen, für den Verkauf maßgeblichen Normalpreis nenne. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung, daß die Kunden davon ausgehen, die im Verkaufsgespräch über Kraftfahrzeuge verwandten Herstellerpreislisten seien Kalkulationsgrundlagen, um daraus eine Preisvorstellung begründen zu können. Kraftfahrzeuge werden nämlich nicht nur in vielfältiger Ausstattung angeboten, sondern die einzelnen Ausstattungsmerkmale lassen sich auch in verschiedener Weise miteinander verbinden. Bei den Verkaufsgesprächen wird daher der Händler eine Liste der Hersteller bereits deshalb verwenden, um daraus im Einzelfall die Möglichkeiten des Angebots aufzeigen zu können und gleichzeitig die Möglichkeit zu haben, dem Kunden eine preisliche Vorstellung zu vermitteln. Bei dieser Sachlage geht der Verbraucher nach der Lebenserfahrung im allgemeinen noch nicht ohne weiteres davon aus, daß die unter Heranziehung der Herstellerpreisliste errechneten Preise die eigenen Normalpreise des Händlers sind. Hinweise des Händels auf einen Rabatt oder prozentualen Abschlag von dem errechneten Preis werden daher auch nicht ohne weiteres als ein Nachlaß vom Normalpreis des Händlers verstanden. Es bedarf daher regelmäßig der Feststellung weiterer Umstände, die den Schluß daraus zulassen, daß die unverbindlich empfohlenen Preise der Hersteller dem Verkehr als Normalpreise des anbietenden Händlers erscheinen.
Das Berufungsurteil läßt nicht hinreichend deutlich erkennen, ob es dieser Ausgangslage bei der Würdigung des Beweisergennisses Rechnung getragen oder der Heranziehung der Herstellerpreislisten in den Verkaufsgesprächen eine nicht zukommende Bedeutung beigemessen hat. Für letzteres könnte sprechen, daß es das Berufungsgericht im Fall des zeugen Sch. besonders darauf abgestellt hat, daß ausschließlich von einem "Nachlaß" auf die in der Händlerpreisliste (gemeint ist ersichtlich die Liste mit den unverbindlich empfohlenen Endverbraucherpreisen des Herstellers, vgl. Berufungsurteil S. 7, Landgerichtsurteil S.8) angegebenen Preise und nicht von allgemein gültigen Hauspreisen der Beklagten gesprochen worden sei. Auch im Fall des Zeugen D ist nicht eindeutig, ob das Berufungsgericht nicht bereits der Heranziehung der unverbindlich empfohlenen Preise eine zu große Bedeutung beigemessen hat, wenn es bereits in dem Hinweis auf die "derzeit gültigen Preise, auf die 8 % Skonto gewährt werde", eine eigene Normalpreisangabe mit einem unzulässigen, weil 3 % übersteigenden, Rabatt gesehen hat. die zusammenfassende Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe in beiden Fällen zunächst Preise - gestützt auf unverbindliche Preisempfehlungen - genannt und dann Nachlässe zugesagt, erscheint danach nicht hinreichend belegt. Allein die Aussage der empfohlenen Preise anhand der Preislisten des Herstellers und die Zusage eines Nachlasse auf diese Preise läßt noch nicht überzeugend und ohne weiteres den Schluß darauf zu, daß sich die Beklagte die Listenpreise zu eigen machen wollte. Die erbetene vertrauliche Behandlung der zugesagten Nachlässe kann zwar dafür sprechen, läßt sich aber auch daraus er klären, daß die Beklagte ihre Abweichen von den unverbindlich empfohlenen Preisen nicht bei der Konkurrent bekannt werden lassen wollte.
III. Das angefochtene Urteil konnte danach keine Bestand haben; den Rechtsstreit war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben. weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob die Beklagte in den erörterten und den behaupteten weiteren Fällen gegen das Rabattgesetz verstoßen hat. Dem Berufungsgericht war auch die Kosten der Revision zu übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992785 |
BB 1985, 1684 |
NJW 1985, 2950 |
DRsp II(237)194d-e |
GRUR 1985, 983 |
JuS 1986, 67 |
MDR 1986, 120 |