Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juli 2000 wird verworfen.
2. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und gerichtlichen Auslagen des Rechtsmittels aufzuerlegen.
Von Rechts wegen
Gründe
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren verurteilt und das sichergestellte Springmesser eingezogen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
II. Verfahrensrügen
Von den beanstandeten Verfahrensverstößen bedarf allein die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§§ 222 b, 338 Nr. 1 b StPO) der Erörterung. Die weiteren auf § 244 Abs. 3 und Abs. 2 StPO gestützten Verfahrensrügen sind im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Die Besetzungsrüge ist im wesentlichen auf folgendes gestützt:
An der Hauptverhandlung, die der ordentliche Vorsitzende der 3. Großen Strafkammer (Jugendkammer) geleitet hat, haben als Beisitzer die Richter Dr. M., welcher der 8. Strafkammer, und R., welcher der 28. Strafkammer angehört, teilgenommen. Nach dem Geschäftsverteilungsplan werden die Beisitzer der 3. Strafkammer primär von Mitgliedern der 8. Strafkammer, sodann der 25. Strafkammer und danach von Mitgliedern der Strafkammern in aufsteigender Reihenfolge, beginnend mit der 26. Strafkammer, vertreten. Die Richter Dr. M. und R. durften an der Hauptverhandlung nur mitwirken, wenn die ordentlichen Beisitzer, Richter S. und Richterin St., verhindert waren. Bezüglich Richter R. mußten zusätzlich sämtliche Mitglieder der vorrangig vertretenden Strafkammern verhindert gewesen sein. Hinsichtlich der Beisitzer hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung den Besetzungseinwand form- und fristgerecht erhoben. Dieser wurde durch Beschluß der Kammer zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Richter Dr. M. und R. seien nicht seine gesetzlichen Richter. Eine Verhinderung der ordentlichen Beisitzer sei weder offensichtlich noch für ihn erkennbar durch den Präsidenten des Landgerichts festgestellt. Aus den beiden, in der Revision dargelegten, Überlastungsanzeigen des Vorsitzenden sei eine Verhinderung nicht zu entnehmen. Ferner seien Richter Dr. Mü. und Richterin B. aus der 26. Strafkammer zu Unrecht in der Reihenfolge der Vertretung übersprungen worden, weil bei ihnen nur eine Terminskollision von einem Tag vorgelegen hat.
2. Die Besetzungsrüge hat keinen Erfolg.
a) Soweit die Revision die Rüge auf die fehlende Verhinderung der ordentlichen Beisitzer der 3. Großen Strafkammer stützt, kann dahinstehen, ob die Rüge unzulässig ist. Denn sie ist jedenfalls unbegründet, weil eine offenkundige Verhinderung der Beisitzer aus tatsächlichen Gründen gegeben ist. In einem solchen Fall ist die Feststellung der Verhinderung durch den Landgerichtspräsidenten entbehrlich, auch wenn sie sich auf andere Kammern auswirkt (vgl. BGHSt 18, 162).
Die Beisitzer waren in einer parallel laufenden Schwurgerichtssache tätig, aus der sich nach dem Revisionsvortrag jedenfalls an zwei Sitzungstagen eine Terminskollision mit dem hiesigen Verfahren ergab, nämlich am 16. Mai und am 8. Juni 2000. Terminskollisionen stellen zwar nicht grundsätzlich einen Fall der offenkundigen Verhinderung dar, hier lassen jedoch die besonderen Umstände des Einzelfalles die Annahme von Offensichtlichkeit zu. Bei den parallel laufenden Verfahren handelte es sich jeweils um sehr umfangreiche Verfahren. Die Schwurgerichtssache war von November 1999 bis Anfang Juni 2000 terminiert. Im hiesigen Verfahren wurde von Anfang Mai bis Mitte Juli 2000 verhandelt. Das Beschleunigungsgebot nach § 72 Abs. 5 JGG mußte in der vorliegenden Jugend-/Haftsache berücksichtigt werden. Die Terminierung in den Parallelverfahren erfolgte durch verschiedene Vorsitzende. Anhaltspunkte für eine willkürlich herbeigeführte Terminskollision sind nicht ersichtlich.
Richter Dr. M. aus der ersten Vertreterkammer durfte daher als geschäftsplanmäßiger Vertreter ohne weiteres an die Stelle eines verhinderten Beisitzers treten.
b) Soweit der Besetzungseinwand damit begründet wird, Richter R. sei in der Reihe der Nachfolgenden nicht der ordnungsgemäß berufene Vertreter, genügt das Revisionsvorbringen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Die Revision teilt den Beschluß der Kammer, durch den diese den Besetzungseinwand zurückgewiesen hat, nicht vollständig mit. Die vollständige Wiedergabe gehört aber zum notwendigen Revisionsvorbringen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Besetzungsrüge 2). Der mitgeteilte Inhalt des Beschlusses ist in sich unverständlich. Die Äußerungen der 27. und 28. Strafkammer zur Vertretungsmöglichkeit werden in der Revisionsbegründung ebenfalls nicht mitgeteilt. Auch fehlt die Bekanntgabe der im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Frankfurt am Main für das Jahr 2000 getroffenen Rangordnung zwischen Sitzungstätigkeit in der eigenen Kammer und Inanspruchnahme als Vertreter. Für das Revisionsgericht ist daher nicht überprüfbar, ob Richter R. der ordnungsgemäß berufene Vertreter war.
III. Sachrüge
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Überzeugungsbildung von der Täterschaft des Angeklagten im Falle des Totschlags beruht auf der vorgenommenen Gesamtwürdigung und geht von einer festen Tatsachengrundlage aus. Die Glaubwürdigkeitsprüfung der Belastungszeugen L. und K. läßt zwar in ihrer Darstellung Unbehelflichkeiten erkennen, enthält aber im Ergebnis keinen Rechtsfehler. Rechtsbedenkenfrei ist auch die Annahme, der Angeklagte habe mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt. Aus der Wucht des Stiches und dem Nachlaufen mit dem Messer in der Hand, in Kenntnis dessen, daß das Opfer bereits verletzt war, hat der Tatrichter rechtsfehlerfrei auf direkten Tötungsvorsatz geschlossen. Bei dem alkoholgewöhnten Angeklagten und diesem Tatgeschehen bedurfte der Einfluß des Alkohols auf die konkrete Vorstellung vom Taterfolg keiner Erörterung. Für den Tatrichter bestand bei nachvollziehbar begründetem dolus directus kein Anlaß, sich mit bewußter Fahrlässigkeit auseinanderzusetzen, auch wenn das Tatmotiv nicht aufgeklärt werden konnte.
Unterschriften
Jähnke, Otten, Rothfuß, Fischer, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 599833 |
NStZ 2001, 491 |
www.judicialis.de 2001 |