Leitsatz (amtlich)
Zur getrennten Abrechnung von erbrachten und nicht erbrachten Leistungen nach Kündigung eines Bauvertrages.
Normenkette
VOB/B § 8 Nr. 1 Abs. 2
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 06.03.2001) |
LG Berlin |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. März 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt nach der Kündigung eines Bauvertrages Werklohn und Rückgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft. In der Revision geht es nur darum, ob die Klägerin prüfbar abgerechnet hat. Das Landgericht hat die Beklagten zu 2 bis 5 zur Zahlung von 59.334,82 DM Werklohn aus einem Zusatzauftrag über Innenputzarbeiten verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil die Forderung nicht prüfbar abgerechnet sei. Mit der Berufung hat die Klägerin zuletzt von den Beklagten zu 2 bis 5 Zahlung weiterer 897.706,67 DM nebst Zinsen, davon 69.507,50 DM Zug um Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft verlangt. Außerdem hat sie beantragt, die Beklagten zu 2 und 4 zu verurteilen, die Vertragserfüllungsbürgschaft über 201.480 DM an sie, hilfsweise an die Bank, herauszugeben. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Den Zahlungsantrag hat sie jedoch wegen einer am 16. Februar 2001 erfolgten Zahlung aus einer ihr übergebenen Bürgschaft in Höhe von 233.660,83 DM für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht hält den Zahlungsantrag für zur Zeit unbegründet. Folge der Kündigung sei die vorzeitige Beendigung des Pauschalvertrages. Der Vertrag zerfalle in einen erfüllten Teil, für den die vereinbarte Vergütung gemäß § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 6 Nr. 5 VOB/B zu zahlen sei, und in einen nicht erfüllten Teil, für den an die Stelle des Erfüllungsanspruchs ein Anspruch auf entgangenen Gewinn bzw. ein Schadensersatzanspruch trete, § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B. Es habe eine Gesamtabrechnung stattzufinden. Nachdem der Pauschalwert der erbrachten Teilleistungen sowie ein entgangener Gewinn ermittelt worden seien, seien diesem Wert etwaige Gegenansprüche wertmäßig gegenüberzustellen. Grundsätzlich sei eine Auflistung der erbrachten Teilleistungen nach dem Aufbau eines Einheitspreisvertrages unter Ansatz der hierauf entfallenden Teilvergütung erforderlich. Dem würden die mit Schriftsatz vom 8. März und 10. Mai 1999 überreichten Schlußrechnungen der Klägerin nicht gerecht. Es fehle an einer nachvollziehbaren Einheitspreisberechnung unter Ansatz der nach der Pauschalvereinbarung hierauf entfallenden Teilvergütung. Auch der Anspruch auf entgangenen Gewinn aus § 649 BGB i.V.m. § 8 Nr. 1 VOB/B sei nicht prüffähig dargetan. Die Berechnung weise eine Vielzahl von Mängeln und Unklarheiten auf.
Die Klägerin habe gegen die Beklagten zu 2 und 4 keinen Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Diese sichere auch Überzahlungen ab. Da eine prüfbare Abrechnung noch nicht vorgelegt sei, sei der Herausgabeanspruch unbegründet.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht verkennt die für den Anspruch der Klägerin maßgeblichen Regelungen der VOB/B. Es stellt zudem unzutreffende Anforderungen an die Prüfbarkeit einer Schlußrechnung.
1. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Werklohn nach einer Kündigung gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B geltend. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B. Danach kann der Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen. Er muß sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (§ 649 BGB). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beschränkt sich der Anspruch deshalb nicht auf den entgangenen Gewinn. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, der Anspruch der Klägerin folge aus § 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B. Diese Regelung betrifft die Abrechnung nach einer Kündigung, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt oder das Insolvenzverfahren beziehungsweise ein vergleichbares gesetzliches Verfahren beantragt oder ein solches Verfahren eröffnet wird oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird. Dieser Fall liegt nicht vor. Rechtsfehlerhaft ist zudem die Auffassung, die Schlußrechnung müsse die Ersparnis bezeichnen, die durch eine nicht vorgenommene Mängelbeseitigung erzielt werde (BGH, Urteil vom 25. Juni 1987 – VII ZR 251/86, BauR 1987, 689, 690 = ZfBR 1987, 238).
2. Die Klägerin hat den Anspruch aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B prüfbar abgerechnet.
a) Dieser Anspruch kann in der Weise abgerechnet werden, daß der Auftragnehmer die Vergütung für den Teil berechnet, der im Zeitpunkt der Kündigung erbracht ist und gesondert für den Teil, der noch nicht erbracht ist; denn nur bei diesem Teil kommt es auf die Ersparnis und den anderweitigen Erwerb an. Soweit der Unternehmer Vergütung für die erbrachten Leistungen verlangt, hat er die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen ist nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – VII ZR 91/98, BauR 1999, 632, 633 = ZfBR 1999, 194). Dazu ist in aller Regel eine Aufteilung der Gesamtleistung in Einzelleistungen notwendig und eine Bewertung, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, sich sachgerecht zu verteidigen (BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 – VII ZR 53/99, BauR 2000, 1182, 1187 = NZBau 2000, 375 = ZfBR 2000, 472). Aus der Aufteilung der Gesamtleistung in Einzelleistungen wird sich deshalb in der Regel ergeben müssen, welche Einzelleistungen erbracht und welche Leistungen nicht erbracht worden sind und wie diese Leistungen jeweils auf der Grundlage der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation bewertet werden. Soweit der Unternehmer Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen verlangt, hat er von den Vergütungsanteilen, die er den nicht erbrachten Leistungen zugeordnet hat, die ersparten Aufwendungen und den anderweitigen Erwerb abzuziehen. Die Abrechnung muß dem Auftraggeber die Prüfung ermöglichen, ob der Auftragnehmer ersparte Kosten auf der Grundlage der konkreten, dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation zutreffend berücksichtigt hat (BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 – VII ZR 342/98, BauR 1999, 1292, 1293 = ZfBR 1999, 339).
b) Diesen Anforderungen entspricht die Abrechnung der Klägerin. Die Klägerin hat die nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen in verschiedene Gewerke unterteilt und diese auf der Grundlage der dem Angebot zugrunde liegenden Kalkulation bewertet. Die Summe der den Teilleistungen zugeordneten Vergütungsteile ergibt unter Berücksichtigung der vereinbarten Änderungen und des gewährten Nachlasses den vereinbarten Pauschalpreis. Die Klägerin hat die in der Auftragsverhandlung vereinbarten Änderungen nachprüfbar aufgeschlüsselt und bei der Abrechnung berücksichtigt. Daß die Klägerin den vereinbarten Nachlaß nicht genau in Abzug gebracht, sondern zu ihren Gunsten auf 1,5 % abgerundet hat, berührt die Prüfbarkeit nicht.
aa) Zu Unrecht fordert das Berufungsgericht eine Abrechnung „nach dem Aufbau einer Einheitspreisberechnung”. Diese war unter Berücksichtigung der Informations- und Kontrollinteressen der Beklagten, die insoweit auch keine Beanstandungen erhoben haben, nicht erforderlich. Die Aufteilung nach Gewerken und die entsprechende Bewertung reichte aus (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – VII ZR 91/98, BauR 1999, 632, 634 = ZfBR 1999, 194).
bb) Soweit das Berufungsgericht einzelne Positionen der Abrechnung der erbrachten Leistungen beanstandet, weist die Revision zutreffend darauf hin, daß damit durchweg die Richtigkeit und nicht die Prüfbarkeit der Schlußrechnung bezweifelt wird. Das betrifft insbesondere die Punkte, unter denen das Berufungsgericht die fehlende Nachvollziehbarkeit der Abrechnung beanstandet. Die vom Berufungsgericht angenommene fehlende Nachvollziehbarkeit bezieht sich nicht auf die in sich stimmige Abrechnung der Klägerin, sondern auf die jeweiligen Ansätze in der Kalkulation. Ob diese richtig sind, ist keine Frage der Prüfbarkeit. Für die Prüfbarkeit ist es nicht entscheidend, ob die Berechnung sachlich richtig oder falsch ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – VII ZR 399/98, BGHZ 140, 365, 369). Die vom Berufungsgericht wiederholt beanstandeten Rechenfehler und Unstimmigkeiten, wie sie sich z.B. daraus ergeben, daß sich aus Einzelpreisen von 125,38 DM/qm und 21 DM/qm kein Gesamtpreis von 146,30 DM/qm ergibt, können die Prüfbarkeit der Rechnung ebenfalls nicht in Frage stellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – VII ZR 91/98, BauR 1999, 632, 633 = ZfBR 1999, 194).
cc) Die Klägerin hat auch die Abrechnung ihrer Vergütung für nicht erbrachte Leistungen prüfbar vorgenommen. Zu Unrecht beanstandet das Berufungsgericht, wie auch schon zuvor bei der Abrechnung der erbrachten Leistungen, Abweichungen der Angebotskalkulation von den tatsächlich mit den Subunternehmern vereinbarten Preisen. Die Klägerin hat von vornherein darauf hingewiesen, daß ihre ohnehin nur grobe Angebotskalkulation erheblich korrigiert werden mußte, weil die Vergaben an die Subunternehmer nicht zu den kalkulierten Preisen erfolgen konnten, und daß sie die einzelnen Gewerke teils mit höheren, teils mit niedrigeren Preisen vergeben hat. Sie hat gleichzeitig dargelegt, wie sich der Pauschalpreis nach den von der Angebotskalkulation abweichenden Vergaben an die Subunternehmer zusammensetzt. Ob diese Behauptung und die auf dieser Grundlage durchgeführte Abrechnung zutrifft, ist ebenfalls keine Frage der Prüfbarkeit, sondern der Richtigkeit der Schlußrechnung.
dd) Nicht zu beanstanden ist es, daß die Klägerin ihre tatsächliche Ersparnis auf der Grundlage der Vergaben an die Subunternehmer abrechnet. Diese Abrechnung gewährleistet, daß der Auftragnehmer durch die Kündigung keine Vorteile und keine Nachteile hat (BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 – VII ZR 237/98, BauR 1999, 1294, 1297 = ZfBR 2000, 30).
ee) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, aufgrund der Vielzahl von Beanstandungen und des Fehlens des Aufmaßes stelle sich die Schlußrechnung insgesamt nicht als prüfbar dar. Die Beklagten seien nicht verpflichtet, die Prüfbarkeit der Schlußrechnung dadurch herbeizuführen, daß sie sich deren jeweils stimmige Teile sowie die von der Klägerin aktuell geltend gemachten Beträge und vorgenommenen Abzüge aus einer mehrfach korrigierten Schlußrechnung mit einer Vielzahl von Anlagen einerseits sowie diversen Schriftsätzen mit weiteren Anlagen andererseits zusammensuchen.
Ein Aufmaß war schon deshalb nicht notwendig, weil die von der Klägerin vorgenommene Ermittlung des Umfangs der erbrachten Leistungen nicht streitig war (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 369). Zutreffend weist die Revision zudem darauf hin, daß die Prüfbarkeit einer Rechnung, aus der die Klageforderung geltend gemacht wird, nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß der Auftragnehmer zuvor abweichende Berechnungen vorgelegt hat (BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 – VII ZR 237/98, BauR 1999, 1294, 1296 = ZfBR 2000, 30). Zusätzlich zu der Rechnung ist im Prozeß der schriftsätzliche Vortrag, mit dem diese erläutert, ergänzt oder berichtigt wird, zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1997 – VII ZR 222/96, BauR 1998, 185, 186 = ZfBR 1998, 79). Auch wenn die zur Erläuterung der Rechnung eingereichten Kalkulationsunterlagen umfangreich und teilweise geändert worden sind, muß das Gericht sie zur Kenntnis nehmen und bei der Beurteilung berücksichtigen. In der erneuten mündlichen Verhandlung wird das Berufungsgericht zudem die Ausführungen der Revision zu beachten haben, mit der die angenommenen Unstimmigkeiten widerlegt werden sollen. Es wird außerdem zu beachten haben, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Mehrwertsteuer auf die Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen nicht verlangt werden kann (BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 – VII ZR 237/98, BauR 1999, 1294, 1297 = ZfBR 2000, 30).
3. Keinen Bestand hat nach allem auch die Abweisung des Antrags auf Herausgabe der Bürgschaft.
Unterschriften
Ullmann, Hausmann, Kuffer, Kniffka, Bauner
Fundstellen
NJW 2002, 2780 |
BGHR 2002, 867 |
BauR 2002, 1403 |
IBR 2002, 594 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1562 |
ZfBR 2002, 667 |
BTR 2002, 39 |
NZBau 2002, 507 |