Leitsatz (amtlich)
Zur öffentlich-rechtlichen c.i.c. und zur Amtshaftung ggü. dem Vorhabenträger im Verfahren betreffend die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans.
Normenkette
BGB § 276 a.F., § 839; BauGB § 12
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 22.09.2004; Aktenzeichen 13 U 68/99) |
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 08.01.1999; Aktenzeichen 17 O 396/96) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Brandenburg vom 22.9.2004 aufgehoben und das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Frankfurt/O. vom 8.1.1999 weiter abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1]Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Mitte 1999 zusammengebrochenen D. GmbH. Die Schuldnerin hatte seit 1991 die Errichtung eines Einkaufszentrums im Gebiet der beklagten Gemeinde geplant. Parallel dazu plante auch eine Konkurrentin ein derartiges Zentrum auf einem nahe gelegenen Grundstück. Da aus Gründen der Raumordnung nur eines der beiden Projekte verwirklicht werden konnte, entschied sich die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 13.4.1992 mit 17 zu 7 Stimmen zugunsten des Projekts der Schuldnerin.
[2]In der Folgezeit erwarb die Schuldnerin das für das Projekt benötigte Grundstück und ließ nacheinander zwei Vorhaben- und Erschließungspläne erarbeiten, die jedoch beide auf raumordnungsrechtliche Bedenken des zuständigen Landesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung stießen. Am 25.8.1993 stellte die Schuldnerin bei einer Besprechung im Ministerium über die Realisierbarkeit des Projekts ein verändertes Konzept vor. Anschließend ließ sie den Entwurf für den Vorhaben- und Erschließungsplan entsprechend umarbeiten. Am 30.9.1993 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten, zu dem neuen Entwurf die Beteiligung der Bürger und der betroffenen Träger öffentlicher Belange durchzuführen. Der Entwurf wurde vom 10. bis zum 24.11.1993 öffentlich ausgelegt. Zum Beschluss des Plans selbst kam es jedoch ebenso wenig wie zum Abschluss eines Durchführungsvertrages zum Vorhaben- und Erschließungsplan. Nachdem im Dezember 1993 eine Kommunalwahl stattgefunden hatte, beschlossen die neu gewählten Stadtverordneten am 6.7.1994, das Projekt der Schuldnerin nicht weiter zu verfolgen.
[3]Der Kläger nimmt nunmehr die Beklagte auf Ersatz der im Vertrauen auf das Zustandekommen des Plans getätigten Aufwendungen der Schuldnerin in Anspruch, die er auf 904.486,04 DM nebst Zinsen beziffert. Das LG hat die Klageforderung dem Grunde nach für berechtigt erklärt, das Berufungsgericht nur für die der Schuldnerin ab dem 25.8.1993 im Zusammenhang mit der von ihr geplanten Errichtung eines Einkaufszentrums entstandenen Aufwendungen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
[4]Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.
[5]1. Das Berufungsgericht hält den dem Grunde nach - allerdings nur in zeitlich eingeschränktem Umfang - zuerkannten Schadensersatzanspruch aus den rechtlichen Gesichtspunkten der öffentlich-rechtlichen c.i.c. und der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) für gerechtfertigt. Es ist der Auffassung, die Beklagte habe einen qualifizierten Vertrauenstatbestand geschaffen, weil sich die Stadtverordneten in der Sitzung vom 13.4.1992 mit überwiegender Mehrheit für das Vorhaben der Schuldnerin und gegen dasjenige ihrer Konkurrentin entschieden hätten. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung seien alle maßgeblichen Behörden an dem geplanten Vorhaben beteiligt gewesen und hätten ihre grundsätzliche Zustimmung erklärt. Die Parteien hätten dann während einer Zeitdauer von 21/4 Jahren in Verhandlungen gestanden, die auf Abschluss eines Durchführungsvertrages gerichtet gewesen seien. Die Schuldnerin habe sich aufgrund des weiteren Verhaltens der Beklagten darauf verlassen dürfen, dass diese - soweit keine zwingenden Gründe vorlagen - an ihrem im Jahre 1992 gefassten Beschluss festhalten und diesen jedenfalls nicht aus sachfremden Gründen aufgeben werde. Mit der Aufgabe des Projekts und der Entscheidung für dasjenige der Konkurrentin habe die Beklagte diese vorvertraglichen Verpflichtungen - und damit zugleich ihre Amtspflicht zu konsequentem Verhalten - verletzt.
[6]Hiergegen wendet sich die Revision zu Recht.
[7]2. a) Die Realisierung des in Aussicht genommenen Vorhaben- und Erschließungsplans beurteilte sich noch nach § 7 BauGB-MaßnG in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.4.1993 (BGBl. I, 622; jetzt gilt § 12 BauGB). Dies bedeutet, dass für ihn § 2 Abs. 3 BauGB in der damals einschlägigen Fassung vom 8.12.1986 (BGBl. I, 2253) entsprechend galt (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BauGB-MaßnG; jetzt gilt unmittelbar § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.9.2004 BGBl. I, 2414). Auch auf den Erlass einer Satzung über einen Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 7 Abs. 1 BauGB-MaßnG oder eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestand (und besteht) - wie vom rechtlichen Ansatzpunkt her auch das Berufungsgericht nicht verkennt - daher kein Anspruch. Darüber hinaus war bereits vor Schaffung des neuen § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB, der dies ausdrücklich ausspricht, in der übereinstimmenden Rechtsprechung des BVerwG und des BGH anerkannt, dass vertragliche Zusagen einer Gemeinde, einen inhaltlich näher bestimmten Bebauungsplan aufzustellen oder doch zumindest die Aufstellung in Übereinstimmung mit dem Vertragspartner zu fördern, der Wirksamkeit entbehrten (vgl. BVerwGE 42, 331, 333; BVerwG DVBl. 1977, 529 f.; Senatsurteil BGHZ 76, 16, 22; Senatsurteil vom 11.5.1989 - III ZR 88/87 = NJW 1990, 245).
[8]b) Diese von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze gelten zwar vorliegend schon deshalb nicht uneingeschränkt, weil das Gesetz die Umsetzung eines vom Vorhabenträger erarbeiteten Vorhaben- und Erschließungsplans vom Abschluss eines öffentlich-rechtlichen, nach § 57 VwVfG der Schriftform unterliegenden Durchführungsvertrages abhängig macht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB-MaßnG; § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Ein solcher Vertrag ist jedoch nicht zustande gekommen. Zwar trifft es durchaus zu, dass im Unterschied zum "regulären" Aufstellungsverfahren die planerische Initiative beim Investor liegt und die Planerstellung des Vorhabenträgers von der Gemeinde (nur) "aktiv begleitet" wird. Der sich daraus notwendigerweise ergebende Abstimmungs- und Kooperationsbedarf lässt jedoch die gemeindliche Verantwortung für die städtebauliche Planung unberührt (vgl. Senatsurteil vom 1.12.1983 - III ZR 38/82 = LM BGB § 133C Nr. 54). Auch nach Einleitung des Bebauungsplanverfahrens kann die Gemeinde in Ausübung ihrer Planungshoheit das Verfahren wieder einstellen. Ein Anspruch auf Abschluss eines Durchführungsvertrages oder auf Erlass eines dem Vorhabenträger günstigen vorhabenbezogenen Bebauungsplans besteht nicht (vgl. Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB 9. Aufl. 2005 § 12 Rz. 3, 22; s. auch denselben in Ernst/Zinkahn/Bielenberg BauGB Loseblattausgabe Stand Januar 2006 § 12 Rz. 111, 114 ff.; Gaentzsch in BerlKomm. BauGB Loseblattausgabe Stand August 2002 § 12 Rz. 16; vgl. auch VGH Bad.-Württ. ZfBR 2000, 417).
[9]3. Dies bedeutet, dass eine Haftung aus c.i.c. in diesem Bereich nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht kommen kann. Eine Haftung der beklagten Gemeinde kann insb. nicht schon deshalb bejaht werden, weil - wie hier - der (neu gewählte) Gemeinderat eine andere Planungskonzeption entwickelt und das frühere Planaufstellungsverfahren aufgehoben hat. Das lag in seinem Planungsermessen, das im Übrigen nur durch die gesetzlichen Bindungen der Bauleitplanung eingeschränkt war. Angesichts dieser (relativen) Planungsfreiheit des Ortsgesetzgebers kann sich hier die im allgemeinen bürgerlichen Recht zu prüfende und vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellte Frage, ob der Vertragspartner den Vertragsschluss "grundlos" verweigert hat, sinnvoll nicht stellen (Senatsurteil BGHZ 71, 386, 395 f.; Senatsurteil vom 1.12.1983 - III ZR 38/82 = LM BGB § 133C Nr. 54 unter III. der Entscheidungsgründe). Ein Verschulden kann in solchen Fällen daher grundsätzlich nur in einem Verhalten der Gemeinde gesehen werden, das außerhalb der eigentlichen Bauleitplanung liegt, namentlich einem Verhalten, das dem Vertragspartner unrichtige, seine Vermögensdispositionen nachteilig beeinflussende Eindrücke über den Stand der Bauleitplanung vermittelt (Senatsurteil BGHZ 71, 386, 396).
[10]4. Deswegen kann es - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht darauf ankommen, ob dem Gemeinderat der Beklagten ein triftiger, sachlich gerechtfertigter Grund zur Seite gestanden hatte, um von der früheren Planungskonzeption abzugehen. Denn die Beklagte war aufgrund ihrer Planungsfreiheit berechtigt, das Projekt nicht weiterzuverfolgen, solange sie sich nur im Rahmen ihres Planungsermessens hielt. Ein schuldhaftes Verhalten der Gemeinde, das - im Sinne der vorzitierten Rechtsprechungsgrundsätze des Senats - außerhalb der eigentlichen Bauleitplanung lag, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und lässt sich auch dem Sachvortrag des Klägers nicht entnehmen. Insbesondere war der Beklagten ein Abgehen von der bisherigen Planungskonzeption im Hinblick auf eine mögliche Zerschneidung des Plangebots durch die Trasse der neuen Ortsumgehung entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht schon deshalb verwehrt, weil bereits 1991 für die Beteiligten erkennbar war, dass es insoweit Probleme geben könnte.
[11]5. Eine konkludente vertragliche Risikoübernahme, wie sie der Senat im Urteil vom 1.12.1983 (III ZR 38/82 = LM BGB § 133C Nr. 54 unter IV. der Entscheidungsgründe) in Erwägung gezogen hat, lässt sich hier nicht feststellen. Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 13.4.1992, in dem das Berufungsgericht die wesentliche Grundlage für das angeblich schutzwürdige Vertrauen der Schuldnerin erblickt, war in einer streitigen Abstimmung gefallen, und das zu einem Zeitpunkt, wo auch nach - zutreffender - Auffassung des Berufungsgerichts für ein Vertrauen der Schuldnerin schon deshalb kein Raum war, weil die seinerzeitige Konzeption aus Rechtsgründen nicht realisierbar gewesen war. Nach dem Beginn des vom Berufungsgerichts angesetzten Schadenszeitraums (25.8.1993) stand immer noch die Möglichkeit im Raum, dass das Vorhaben mit der Planung einer Umgehungsstraße kollidierte. Unter diesen Umständen fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die Stadtverordnetenversammlung - sei es auch stillschweigend - für die Beklagte eine Verpflichtung zu einem finanziellen Ausgleich für das enttäuschte Vertrauen der Schuldnerin hatte übernehmen wollen. Deswegen bedarf es keiner Entscheidung, ob an der Senatsrechtsprechung zur konkludenten Risikoübernahme für Fallkonstellationen wie die hier zu beurteilende, bei der ein Anspruch aus c.i.c. aus Rechtsgründen scheitert, überhaupt noch festgehalten werden kann.
[12]6. Daraus folgt zugleich, dass auch für einen Amtshaftungsanspruch wegen Verletzung der Amtspflicht zu konsequentem Verhalten kein Raum ist. Die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten besagt, dass die Behörde verpflichtet ist, eine in bestimmter Weise geplante und begonnene Maßnahme auch entsprechend durchzuführen. Sie darf sich nicht zu dem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch setzen, wenn die gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der Betroffenen es gebietet, das von diesen in den Bestand der Maßnahme gesetzte Vertrauen zu schützen (Staudinger/Wurm BGB 13. Bearb. 2002 § 839 Rz. 141 m.w.N.). Solange sich die Gemeinde jedoch im Rahmen des ihr gesetzlich zustehenden Planungsermessens hält, kann ihr der mit der Sanktion des Schadensersatzes bewehrte Vorwurf einer amtspflichtwidrigen Inkonsequenz nicht gemacht werden. Insbesondere ist der vorliegende Fall nicht mit demjenigen vergleichbar, der dem Senatsurteil BGHZ 76, 343, 351 zugrunde gelegen hatte, wo der Senat im Ergebnis eine Verletzung der Amtspflicht zu konsequentem Verhalten bejaht hat: Die dort in Rede stehende Bauleitplanung hatte die Grundlage für eine - ansonsten nach § 34 BBauG zu beurteilende - Baugenehmigung bilden sollen, die die Gemeinde vorher durch zahlreiche rechtliche Teilschritte, insb. eine Bodenverkehrsgenehmigung, soweit gefördert hatte, dass lediglich der Abschluss eines Erschließungsvertrages fehlte, den sie dann grundlos abgelehnt hatte. Immerhin hatte der Senat sogar dort in Erwägung gezogen, dass ein Verschulden der Gemeinde hätte ausscheiden können, wenn dem ins Auge gefassten Vertrag die Grundlage dadurch entzogen worden wäre, dass der Gemeinderat eine andere Planungskonzeption entwickelt und das bisherige Planaufstellungsverfahren aufgegeben hätte (a.a.O. S. 349).
[13]7. Das Berufungsurteil kann nach alledem keinen Bestand haben. Da weitere Tatsachenfeststellungen nicht in Betracht kommen, ist die Sache im Sinne einer Klageabweisung entscheidungsreif, ohne dass es einer Zurückverweisung bedarf.
Fundstellen