Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 1999 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Werklohn für vor Abschluß beendete Reparaturarbeiten an einer durch einen Brand beschädigten Kesselanlage.
Nachdem die Mitarbeiter L. und Lü. der Klägerin die Kesselanlage besichtigt und den voraussichtlichen Reparaturaufwand ermittelt hatten, erteilte die Beklagte der Klägerin einen entsprechenden Auftrag. Nach Beginn der Arbeiten ließ die Beklagte diese stoppen, weil bei der Demontage ein größerer Schaden als angenommen festgestellt worden sei, und veranlaßte schließlich den Abriß des gesamten Kessels.
Die Klägerin hat mit der Behauptung, die Beklagte habe den Werkvertrag gekündigt, Zahlung von 144.844,80 DM für bereits erbrachte Leistungen verlangt. Die Beklagte hat eine Kündigung und Leistungen in dem behaupteten Umfang bestritten. Sie hat der Klägerin eine fehlerhafte Beratung vorgeworfen und behauptet, die Kesselanlage sei nur zu Kosten zu reparieren gewesen, die an die Aufwendungen für eine neue Anlage herangereicht hätten.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme im wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten verworfen, weil sie nicht ordnungsgemäß begründet worden sei.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, der die Klägerin entgegentritt.
Entscheidungsgründe
Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht hinreichend begründet worden ist.
1. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Die Begründung muß demnach zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr.; Sen.Beschl. v. 1.10.1991 – X ZB 4/91, NJW-RR 1992, 383; BGH, Urt. v. 4.10.1999 – II ZR 361/98, NJW 1999, 3784, Urt. v. 24.1.2000 – II ZR 172/98, NJW 2000, 1576). Dem genügt die Berufungsbegründung der Beklagten nicht, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat.
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte greife den vom Landgericht zuerkannten Vergütungsanspruch dem Grunde nach nicht mehr an. In der Berufungsbegründung habe sie den Anspruch zwar der Höhe nach bestritten, sich jedoch mit der Begründung des Landgerichts nicht im einzelnen auseinandergesetzt, sondern sich auf formelhafte Wendungen beschränkt.
Diese von der Revision nicht angegriffene Beurteilung ist zutreffend. Die Auseinandersetzung mit dem landgerichtlichen Urteil beschränkt sich auf die Bemerkung, das Landgericht habe zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs nach § 649 BGB unzutreffenderweise die Darlegungen der Klägerin zugrunde gelegt und die Ausführungen der Beklagten negiert; zur Schadenshöhe berufe sich das Landgericht lediglich auf die Ausführungen des Zeugen L.. Das geht über ein Referat der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils nur insofern hinaus, als diese als „unzutreffend” bezeichnet werden; eine solche Rüge genügt den dargestellten Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht.
3. Dem Berufungsgericht ist aber auch darin zu folgen, daß die Beklagte die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs ebensowenig in zulässiger Weise angegriffen hat. Das Landgericht hat einen solchen Anspruch mit der Begründung verneint, die Beklagte habe den Beweis für eine fehlerhafte Ermittlung der Reparaturkosten durch die Klägerin nicht geführt. Die Berufungsbegründung bringt nicht zum Ausdruck, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen das Ersturteil in diesem Punkt unzutreffend sein soll.
a) In der Berufungsbegründung wird dazu ausgeführt, der von dem Versicherer beauftragte Gutachter habe Reparaturkosten in Höhe von 1.085.736,80 DM ermittelt und festgestellt, daß die Anlage nicht reparaturwürdig sei. Es sei fehlerhaft, wenn sich das Landgericht über die Feststellungen des sachverständigen Zeugen mit der Begründung hinwegsetze, der sachverständige Zeuge habe keine ausreichenden Feststellungen treffen können, und auch den angebotenen Sachverständigenbeweis nicht einhole. Das stellt nur eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und Beweiserbietens dar und enthält keine Auseinandersetzung mit der Erwägung des erstinstanzlichen Urteils, das Gutachten des Versicherungssachverständigen erfasse nur den Zustand nach der vollständigen Demontage der Anlage und sei deshalb nicht aussagekräftig und wegen der Demontage und Beseitigung der Anlagenteile komme auch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht in Betracht. Ist in dem erstinstanzlichen Urteil ausgeführt, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ein bestimmtes Beweismittel nicht berücksichtigt worden ist, darf die Berufungsbegründung dieses Beweismittel nicht lediglich als übergangen rügen, sondern muß sich mit der Begründung befassen, die das Erstgericht hierfür gegeben hat. Daran fehlt es.
b) Nichts anderes gilt für das weitere Berufungsvorbringen, daß die Anlage nicht reparaturwürdig gewesen sei, ergebe sich auch aus dem Umstand, daß die Gebäudebrandversicherung sonst nicht ohne weiteres auf Totalschadensbasis reguliert hätte; weiter sei hierfür das Faktum maßgeblich, daß die Klägerin selbst mit ihrem Angebot vom 24. September 1997 die Reparaturkosten nachträglich auf 855.000,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer beziffert habe. Das Landgericht hat aus diesen bereits erstinstanzlich unstreitigen Umständen zugunsten der Beklagten nichts hergeleitet, weil mit der auf die Beklagte zurückgehenden Reparaturkostenangabe dem Versicherer ein höherer Schaden vorgetäuscht worden sei; auch darauf geht die Berufungsbegründung nicht ein.
c) Ebenso verhält es sich mit der von der Berufungsbegründung zitierten Aussage des Zeugen S. über eine ihm gegenüber gefallene Äußerung des Zeugen W., die das Landgericht berücksichtigt, aber für unerheblich gehalten hat, wozu die Berufungsgründe nicht Stellung nehmen.
d) Schließlich wird in der Berufungsbegründung noch ausgeführt, Ziel der Klägerin sei es eindeutig gewesen, einen Reparaturauftrag zu erlangen. So habe der Zeuge L. bekundet: „Für uns war es ganz eindeutig, daß sich eine Reparatur der Anlage gelohnt hätte.” Angesichts der Sachverständigenfeststellungen habe der Zeuge in seiner Einschätzung – sei es bewußt oder unbewußt – falsch gelegen. Das Motiv hierfür liefere in seiner Einvernahme der Zeuge Lü., wenn er angebe, für ihn sei eine Reparatur in erster Linie von Interesse gewesen, die Frage der Reparaturwürdigkeit habe sich bei der ersten Besichtigung nicht gestellt. Somit stehe fest, daß die Klägerin bei ihrer Begutachtung die Frage der Reparaturwürdigkeit – sei es bewußt oder unbewußt – falsch beurteilt habe.
Das bringt nicht unmittelbar zum Ausdruck, aus welchen Gründen die Berufungsbegründung die tatsächliche Würdigung des erstinstanzlichen Urteils für unrichtig hält, die Zeugen L. und Lü. hätten die zu erwartenden Reparaturkosten zutreffend festgestellt. Denn das Landgericht hat sowohl die Ausführungen des Gutachters berücksichtigt, die es aus den dargelegten Gründen für nicht aussagekräftig gehalten hat, als auch erwogen, daß sich die Zeugen L. und Lü. dahin erklärt hätten, die Frage der Reparaturwürdigkeit habe sich für sie im Grunde nicht gestellt. Die Berufungsbegründung stellt hierzu keinen Bezug her und sagt nicht, aus welchen Gründen die Würdigung des Landgerichts gleichwohl unzutreffend sein soll.
Die Revision meint, die Beklagte werfe der Klägerin im Kern vor, pflichtwidrig die Frage des wirtschaftlichen Totalschadens und der Reparaturunwürdigkeit der Anlage von vornherein nicht ins Auge gefaßt zu haben, und habe dies durch Bezugnahme auf die zitierten Zeugenaussagen begründet. Die Berufungsgründe seien in jedem Fall geeignet, die Glaubhaftigkeit der Zeugen L. und Lü. in Zweifel zu ziehen, auf denen das erstinstanzliche Urteil beruhe.
Daraus ergibt sich jedoch noch nicht, daß die Berufungsbegründung auch zum Ausdruck gebracht hat, das Landgericht habe die Glaubwürdigkeit der Zeugen L. und Lü. oder die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen unzutreffend beurteilt, indem es das Ziel der Klägerin, einen Reparaturauftrag zu erhalten, nicht oder nicht genügend berücksichtigt habe. Selbst wenn man dies jedoch zugunsten der Beklagten dem Gesamtzusammenhang der Berufungsgründe entnehmen wollte, änderte das im Ergebnis nichts. Denn auch einer so verstandenen Berufungsbegründung wäre damit nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die tragende Erwägung des Landgerichts unzutreffend sein sollte,die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis für eine fehlerhafte Ermittlung der Reparaturkosten durch die Klägerin nicht erbracht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Jestaedt, Melullis, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.09.2001 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 645033 |
NJW 2002, 1578 |
NJW-RR 2002, 209 |
NZBau 2001, 683 |
KammerForum 2002, 195 |