Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der hinreichenden Bestimmtheit eines Klagantrags, wenn der Kläger die Erhöhung des Pachtzinses anstrebt auf Grund einer Vertragsklausel, nach der bei grundlegender Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse der Pachtzins unter Berücksichtigung aller für das Vertragsverhältnis maßgebenden Umstände nach billigem Ermessen festzusetzen ist.
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 07.06.1971) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Auf die Revision der Zweitbeklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Juni 1971 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Zweitbeklagten erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin verpachtete durch schriftlichen Vertrag vom 15. November 1963 ihr Tankstellengrundstück in D. auf die Dauer von 20 Jahren und zu einem monatlichen Pachtzins von 2.000 DM an die jetzt am Rechtsstreit nicht mehr beteiligte Erstbeklagte. Nach § 9 des Vertrages durfte die Erstbeklagte unter Fortdauer ihrer Haftung für den Pachtzins ihre Rechte und Pflichten aus dem Vertrag mit der Wirkung an einen Dritten übertragen, daß dieser an ihrer Stelle Pächter wurde. Auf Grund dieser Klausel ist die Zweitbeklagte in den Pachtvertrag eingetreten. Dessen § 11 lautet auszugsweise:
"Jede Vertragspartei kann von der anderen eine Überprüfung der Höhe des Mietzinses verlangen, wenn sich die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse während der Laufzeit des Vertrages grundlegend ändern. Der Mietzins ist dann unter Berücksichtigung aller für das Vertragsverhältnis maßgebenden Umstände nach billigem Ermessen neu festzusetzen".
Unter Berufung auf diese Klausel strebt die Klägerin eine Erhöhung des Pachtzinses mit Wirkung vom 1. Januar 1970 an. Sie trägt vor, allein der Lebenshaltungsindex aller Privathaushalte sei seit Vertragschluß bis Oktober 1969 um 16,2 % gestiegen. Im ersten Rechtszug hat sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, ihre Zustimmung dazu zu geben, daß der Pachtzins des Vertrages vom 15. November 1963 unter Berücksichtigung aller für das Vertragsverhältnis maßgebenden Umstände nach billigem Ermessen neu festgesetzt wird, hilfsweise, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ab 1. Januar 1970 einen angemessenen erhöhten Pachtzins zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin folgende Anträge gestellt:
Das Oberlandesgericht hat die Berufung, soweit sie sich gegen die Abweisung der gegen die Erstbeklagte erhobenen Klage richtet, zurückgewiesen, und die Zweitbeklagte verurteilt, bei der Anpassung des Pachtzinses an die veränderten Umstände für die Zeit ab 1. Januar 1970 mitzuwirken.
Die Zweitbeklagte strebt mit der Revision die Abweisung der Klage an. Die Klägerin begehrt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision rügt, die Verurteilung der Zweitbeklagten (im folgenden Beklagte) sei unzulässig. Sie sei zu unbestimmt und nicht vollstreckbar. Außerdem fehle für sie das Rechtsschutzbedürfnis.
Damit hat sie Erfolg.
Die Verurteilung nach dem Hauptantrag der Klägerin krankt an dem Mangel, daß sie den Gegenstand der begehrten Leistung nicht bestimmt angibt. Es handelt sich um ein bloßes "Rahmenurteil", dessen Inhalt sich erst im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO ergeben wird, wenn die Klägerin nämlich die Beklagte durch gerichtlich zu verhängende Geld- oder Haftstrafen dazu anhält, an der Anpassung des Pachtzinses mitzuwirken.
Was mit dieser Mitwirkung gemeint ist, kann der Urteilsformel nicht entnommen werden. Es folgt aber auch nicht mit hinreichender Bestimmtheit aus den Entscheidungsgründen. Das Berufungsgericht versteht unter dieser Mitwirkung zwar ersichtlich eine Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten. In welchem Umfang die Beklagte hierzu aber verpflichtet sein soll, bleibt unklar. Das Berufungsgericht meint selbst, die Auswahl der Mittel, die zur Erzielung einer Einigung über den neuen Pachtzins erforderlich seien, müsse nach billigem Ermessen getroffen werden. Ob das richtig ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Auf jeden Fall müßte also im Zwangsvollstreckungsverfahren geklärt werden, was die Beklagte im einzelnen zu offenbaren hat und auf welche Weise, ob beispielsweise eine bloße Auskunft genügt, ob sie ihre Bücher vorzulegen hat, oder ob gegebenenfalls ein Sachverständiger (Buchsachverständiger) zuzuziehen ist. Alle diese Fragen gehören aber nicht ins Zwangsvollstreckungsverfahren, sondern ins Erkenntnisverfahren (BGH-Urteil vom 25. Mai 1959 - II ZR 115/58 = LM ZPO § 253 Nr. 21 = NJW 1959, 1371 = WM 1959, 909; Stein/Jonas, ZPO, 19.Aufl. § 253 Anm. III 2 a).
Falls die Klägerin, wovon das Berufungsgericht auszugehen scheint, zur Festsetzung des neuen Pachtzinses zunächst Klarheit über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten benötigt und hierauf einen Anspruch zu haben glaubt, muß dieser in der durch § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geforderten Bestimmtheit durch Klage auf Auskunft geltend gemacht werden. Der von ihr bisher gestellte Hauptantrag genügt diesen Erfordernissen nicht, so daß eine Verurteilung insoweit nicht hätte ergehen dürfen.
II.
Das führt aber nicht zur Abweisung der Klage, weil die Klägerin Hilfsanträge gestellt hat, die entweder den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen oder jedenfalls hinreichend bestimmt hätten gestellt werden können, wenn das Berufungsgericht, worum es von der Klägerin gebeten worden war, von seinem Frage- und Hinweisrecht (§ 139 ZPO), den richtigen Gebrauch gemacht hätte.
1.
Unter Nr. 2 a hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dabei mitzuwirken, daß ein von der Industrie- und Handelskammer zu bestellender Sachverständiger den Pachtpreis neu festsetzt. Dieser Antrag war bei sachgemäßer Auslegung dahin zu deuten, die Beklagte solle - zusammen mit der Klägerin - einen Antrag bei der Industrie- und Handelskammer auf Bestellung eines Sachverständigen zur Ermittlung des Pachtpreises stellen. Der Antrag war hinreichend bestimmt und konnte gegebenenfalls nach § 894 ZPO, der sich nicht nur auf Willenserklärungen im Sinne des bürgerlichen Rechts bezieht, vollstreckt werden.
2.
Darüber hinaus hat die Klägerin weiter hilfsweise beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines nach dem Ermessen des Gerichtes festzusetzenden Pachtpreises zu verurteilen.
a)
Dieser Antrag war zwar deshalb nicht hinreichend bestimmt, weil die Klägerin ihn nicht beziffert hat. Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung bei Zahlungsklagen einen unbestimmten Antrag zuläßt, waren hier nicht gegeben. Die ziffernmäßige Festlegung der Forderung der Klägerin hängt nicht entscheidend von richterlicher Schätzung (§ 287 ZPO) oder richterlichem Ermessen ab (BGHZ 4, 138, 141; 45, 91, 93mit Anm. von Hauß in LM ZPO § 253 Nr. 41).
Ein Fall der Schadenschätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO) liegt überhaupt nicht vor. Im übrigen wäre es selbst dann erforderlich, daß zumindest die Tatsachen, die die Schätzung der Schadenhöhe ermöglichen, vorgetragen werden (BGH-Urteil vom 4. November 1969 - VI ZR 85/68 = NJW 1972, 281 = LM ZPO § 253 Nr. 56). In Frage käme hier allenfalls eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO. Indessen sind auch die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift nicht gegeben. Der von der Beklagten etwa zu zahlende erhöhte Mietzins ist nach objektiven Merkmalen, notfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen, feststellbar. Die insoweit erforderliche vollständige Aufklärung der maßgebenden Umstände würde auch nicht mit Schwierigkeiten verbunden sein, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen (§ 287 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Ersichtlich strebt die Klägerin eine Erhöhung des Mietzinses etwa in Höhe der seit Vertragsbeginn bis Ende 1969 eingetretenen Steigung der Lebenshaltungskosten um rund 16 % an. Das ergäbe für die Zeit ab 1. Januar 1970 bis zum Vertragsende (November 1983) bei einem Anfangsmietzins von monatlich 2.000 DM einen Gesamtbetrag von weit über 50.000 DM.
Auch eine Entscheidung nach richterlichem Ermessen steht hier nicht in Frage. Sie käme bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden dann in Betracht wenn die Parteien, wie das in Wertsicherungsklauseln häufig geschieht, einen Dritten als Schiedsgutachter zur Ermittlung des Pachtpreises nach billigem Ermessen eingesetzt hätten und dieser die Bestimmung nicht treffen kann, nicht treffen will oder verzögert (§ 319 Abs. 1 Satz 2 BGB; BGH-Urteil vom 18. Oktober 1968 = WM 1969, 62). Dann nämlich hätte das Gericht selbst nach billigem Ermessen zu entscheiden. So ist es hier aber nicht. Auch liegt kein Fall der Ermessensentscheidung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. BGB vor. Er hätte zur Voraussetzung, daß der Kläger nach §§ 315, 316 BGB zur Bestimmung des neuen Pachtzinses berechtigt wäre (siehe dazu die Ausführungen unter II 2 b), diese Bestimmung aber nicht trifft. Dann aber hätte, umgekehrt wie hier, der Beklagte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. BGB stellen müssen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob in den Fällen der §§ 315 Abs. 3 Satz 2, 319 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich ein unbezifferter Klagantrag genügt.
Eine Ermessensentscheidung im Sinne der Urteile BGHZ 4, 141 und 45, 93 ist hier auch nicht etwa deswegen gegeben, weil nach § 11 des Vertrages der Mietzins "unter Berücksichtigung aller für das Vertragsverhältnis maßgebenden Umstände nach billigem Ermessen neu festzusetzen" ist; denn diese Klausel richtet sich an die Parteien, nicht an das Gericht. Es ist nicht einzusehen, warum in einem solchen Fall der Kläger anders gestellt werden sollte als in den Fällen der §§ 315, 316 BGB, in denen er die Bestimmung der Gegenleistung nach billigem Ermessen zu treffen hat. Auch dort muß er sich der Höhe nach festlegen und unter Umständen in Kauf nehmen, daß im Wege der Nachprüfung durch das Gericht (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) eine Herabsetzung erfolgt.
b)
Es bedarf keiner abschließenden Prüfung, ob dann, wenn die Parteien eine Vereinbarung über die Art und Weise, wie die Anpassung des Pachtzinses erfolgen soll, nicht getroffen haben, der Vertrag aber Anhaltspunkte für dessen Bemessung enthält, der Gläubiger nach §§ 316, 315 Abs. 1 BGB eine gerichtlich nachprüfbare (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen hat (Senatsurteil vom 4. Oktober 1967 - VIII ZR 51/66 = LM BGB § 535 Nr. 35 = WM 1967, 1201), oder ob der neue Pachtzins durch Auslegung (§ 157 BGB) zu ermitteln ist, wobei wiederum das ordentliche Gericht darüber entscheidet, ob die vom Gläubiger für richtig gehaltene Auslegung zutrifft (Senatsurteil vom 8. April 1968 - VIII ZR 18/66 = WM 1968, 575). Welches Vorgehen der Gläubiger im Einzelfall wählen muß, hängt jeweils vom Inhalt des Vertrages ab. In einem wie im anderen Falle ist er aber in der Lage, den nach seiner Meinung richtigen Pachtzins im Klageantrag zu beziffern. Dem Risiko, mit seiner Auffassung im Prozeß (ganz oder teilweise) mit entsprechender Kostenlast zu unterliegen, weil die getroffene Bestimmung nicht der Billigkeit entspricht (§ 315 Abs. 3 BGB) oder im Vertrag keine Stütze findet (§ 157 BGB), kann er nicht dadurch entgehen, daß er sich auf einen unbestimmten Antrag beschränkt (Rosenberg-Schwab, ZPR, 10. Aufl. § 98 II 3 b beta).
c)
Daß die Klägerin ihren Zahlungsantrag nicht beziffert hat, kann aber prozessual nicht zu ihrem Nachteil ausschlagen, weil sie ausdrücklich um Hinweise nach § 139 ZPO gebeten hatte, falls gegen ihre Anträge Bedenken bestünden. Solche Hinweise sind - zu Unrecht - nicht gegeben worden. Die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (S. 9) genannten Hinweise bezogen sich nicht auf den Inhalt, sondern lediglich auf die Reihenfolge der gestellten Anträge.
3.
Unzulässig ist, worauf es aber für das Ergebnis des Rechtsstreits in der Revisionsinstanz nicht ankommt, der Antrag Nr. 2 b. Es kann schon zweifelhaft sein, ob die dort begehrte Feststellung, daß die Voraussetzungen für eine Überprüfung des Pachtzinses vorliegen, überhaupt ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO zum Gegenstand hat. Auf jeden Fall fehlt es für eine Feststellungsklage an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin entweder auf Auskunft klagen kann (oben Nr. I), auf Benennung eines Sachverständigen (oben Nr. II 1), oder auf Zahlung des erhöhten Pachtzinses (oben Nr. II 2 b)
III.
Im weiteren Berufungsverfahren wird sich die Klägerin zu entscheiden haben, welche der an sich zulässigen Anträge sie nunmehr stellen will, um ohne unnötige Verzögerungen eine Entscheidung über die Höhe des zu zahlenden Mietzinses herbeizuführen. Regelmäßig bietet sich hier in erster Linie die bezifferte Zahlungsklage an (vgl. die Ausführungen unter Nr. II 2).
Andererseits wird die Beklagte Gelegenheit haben, ihre materiell-rechtlichen Bedenken neu vorzutragen gegen die dem erkennenden Senat allerdings zutreffend erscheinende Auffassung des Berufungsgerichts, wonach bei einer Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 16,2 Punkte gegenüber der Zeit des Vertragschlusses die Voraussetzungen für eine Überprüfung der Höhe des Pachtzinses vorliegen.
IV.
Vom Ausgang der Hauptsache hängt auch die Entscheidung über die Kosten der Revision ab. Sie war deshalb dem Berufungsgericht zu übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018677 |
JZ 1973, 61-63 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1973, 217 |
MDR 1973, 217 (Volltext mit amtl. LS) |