Leitsatz (amtlich)
›a) Der Eintritt eines weiteren Mieters in einen bereits bestehenden, schriftlich auf längere Zeit als ein Jahr abgeschlossenen Mietvertrag bedarf der Schriftform.
b) Der formlos beigetretene neue Mieter kann den Mietvertrag nach §§ 566 Satz 2, 565 BGB kündigen. Der ursprüngliche Mieter bleibt dagegen für die vereinbarte Vertragszeit gebunden.
c) Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn der Mieter einen formgerecht geschlossenen Mietvertrag, der später formlos durch Senkung des Mietzinses geändert worden ist, vorzeitig mit der Begründung kündigt, der gesamte Mietvertrag entbehre wegen dieser Änderung nunmehr der Schriftform.‹
Tatbestand
Die Klägerin vermietete durch schriftlichen Vertrag vom 30. Oktober 1967 für die Zeit vom 9. November 1967 bis 31. Oktober 1977 Räume in dem ihr gehörenden Hause in Berlin, L.-Straße 31 an die Erstbeklagte, eine GmbH, zum Betrieb einer Weinstube. Der Mietzins wurde auf monatlich 2.000 DM festgesetzt, die Nebenkosten auf 120 DM und die Heizkosten auf 125 DM. § 21 Nr. 4 des Vertrages lautet:
›Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages gelten nur bei schriftlicher Vereinbarung.‹
Nachdem die unterkapitalisierte Beklagte zu 1 in Zahlungsschwierigkeiten geraten war, vereinbarten bei einer Besprechung am 2. April 1968 der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin, B., sowie der Beklagte zu 2, der Mitgesellschafter der Erstbeklagten und deren Geschäftsführer ist, eine Herabsetzung des Mietzinses auf 1.600 DM. Der übrige Inhalt der Besprechung ist streitig. Am 4. April 1968 schrieb die Klägerin an den Zweitbeklagten:
›Wir bestätigen Ihnen die während Ihres Besuches in Berlin am 2. d. M. mit unserem Geschäftsführer, Herrn B., getroffene Vereinbarung, wonach Sie in den Mietvertrag eintreten, der am 30. Oktober 1967 zwischen der (Beklagten zu 1) und uns geschlossen wurde, bzw. wir diesen Mietvertrag mit Wirkung vom 1. April 1968 auf Sie überschreiben.
Wir bestätigen gleichzeitig die vereinbarte Ermäßigung der monatlichen Miete von DM 2.000 auf DM 1.600 mit Wirkung vom 1. April 1968 als Äquivalent dafür, daß, wie Sie während des Gespräches dargelegt haben, ihre Anlaufkosten mit der Weinstube unvorhergesehen hoch sind, und wir Ihnen bei der Überbrückung dieser Anlaufzeit helfen wollen.
Diese Regelung gilt bis auf weiteres, mindestens aber für die Dauer eines Jahres, entsprechend dem Vorschlag unseres Herrn B., nach Ablauf eines Jahres die Miete auf DM 1.800 festzulegen und um nach Ablauf eines weiteren Jahres auf den ursprünglich vereinbarten Mietbetrag von DM 2 000 zu kommen. ...‹
Diesem unstreitig dem Zweitbeklagten zugegangenen Schreiben wurde nicht widersprochen. Am 9. Mai 1969 schrieb der Zweitbeklagte an die Klägerin:
›Bei unserer Unterredung vom 7. Mai 1969 habe ich erstmals von Ihrem Schreiben vom 4. 4. 1968 erfahren, welches in meiner Buchhaltung abgelegt worden ist. Ich darf darauf hinweisen, daß ich Ihnen bereits früher erklärt habe, daß die beiden Gesellschafter der GmbH ausgeschieden sind und ich als alleiniger Gesellschafter die GmbH weiterführe. Der Mietvertrag vom 30. 10. 1967 besteht daher weiterhin mit der (Beklagten zu 1).
Hinzu kommt, daß auch nach § 21 Abs. 4 des erwähnten Vertrages nachträgliche Änderungen und Ergänzungen nur bei schriftlicher Vereinbarung gelten, die jedoch nicht abgeändert werden können wie in Ihrem Schreiben vom 4. 4. 68 enthalten ist. ...‹
In einem weiteren Brief vom 16. Mai 1969 teilte der Zweitbeklagte mit, den Pächtern der Weinstube sei zum 30. Juni 1969 gekündigt worden. Weiter heißt es:
›Es ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, daß das Lokal zum 30. Juni 1969 geschlossen werden muß. ...‹
Um für Sie den Schaden möglichst gering zu halten, bitte ich Sie, sich schnellstens nach einem neuen Pächter umzusehen. Bei dem derzeitigen Umsatz sollte es Ihnen möglich sein, in Berlin jemanden zu finden, der das Lokal übernimmt. ...‹
Aus den Ihnen am 7. Mai 1969 vorgetragenen und nunmehr schriftlich niedergelegten Gründen ist die (Beklagte zu 1) ab 30. Juni 1969 nicht mehr in der Lage, das Pachtverhältnis aufrechtzuerhalten. ...‹
Der Versuch, die Weinstube für 60.000 DM an die Eheleute D. zu veräußern scheiterte, weil diese den Vertrag anfochten. Am 30. Juni 1969 stellte die Erstbeklagte den Betrieb der Weinstube ein und leistete fortan keine Zahlungen mehr an die Klägerin. Seit 1. November 1971 sind die Räume anderweitig vermietet.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin den Mietzins zuzüglich Neben- und Heizkosten für die Zeit vom 1. August 1969 bis 30. Juni 1970. Sie hat beide Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch genommen und Zahlung von 24.695 DM nebst Zinsen verlangt.
Die Erstbeklagte hat im Wege der Widerklage beantragt festzustellen, daß der Klägerin keine die Summe des Klageantrags übersteigenden Mietzinsansprüche zustehen, und die Klägerin zu verurteilen, das Inventar der Weinstube herauszugeben. Der Zweitbeklagte hat um Feststellung gebeten, daß zwischen ihm und der Klägerin kein Mietverhältnis , hilfsweise seit 1. Januar 1970 kein Mietverhältnis besteht. Den Antrag auf Herausgabe hat die Erstbeklagte im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht mehr gestellt und insoweit die Rücknahme der Widerklage erklärt.
Das Landgericht hat durch Teilurteil die Erstbeklagte zur Zahlung von Mietzins und Nebenkosten für die Zeit vom 1. August 1969 bis 30. Juni 1970 in Höhe von 18.920 DM verurteilt und insoweit den weitergehenden Zahlungsanspruch abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Erstbeklagten wurde vom Kammergericht rechtskräftig zurückgewiesen. Durch das Schlußurteil wurden der Klägerin Heizkosten in Höhe von 834,41 DM zugesprochen. Der Zweitbeklagte wurde verurteilt, gesamtschuldnerisch mit der Erstbeklagten 19.754,41 DM (18.920 DM + 834,41 DM) nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Die Widerklagen hat das Landgericht abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen, jedoch wurde das Landgerichtsurteil im Kostenpunkt aufgehoben und die Sache insoweit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, streben die Beklagten die vollständige Klagabweisung und die Verurteilung der Klägerin nach den zuletzt gestellten Widerklageanträgen an.
Entscheidungsgründe
A. Zur Klage
Die Entscheidung darüber, ob die Erstbeklagte für die Zeit vom 1. August 1969 bis 30. Juni 1970 Heizkosten, der Zweitbeklagte für denselben Zeitraum Mietzins, Heiz- und Nebenkosten zu zahlen haben, hängt zunächst davon ab, ob beide Beklagten nach dem 31. Juli 1969 Mieter der Klägerin waren.
Das Berufungsgericht bejaht das, jedoch hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.
I. Zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten wurde ein am 31. Oktober 1977 ablaufender Mietvertrag fest abgeschlossen. Streitig ist, ob der Beklagte zu 2 aufgrund einer am 2. April 1968 mündlich getroffenen Vereinbarung zu den für die Erstbeklagte geltenden Bedingungen gleichfalls Mieter geworden ist.
1. Dazu stellt das Berufungsgericht aufgrund der Beweisaufnahme fest, der Zweitbeklagte sei dem Mietvertrag vom 30. Oktober 1967 mit der Wirkung beigetreten, daß beide Beklagten Mieter mit allen Rechten und Pflichten aus dem Vertrag wurden.
Hiergegen wendet sich die Revision mit Verfahrensrügen, die jedoch nur darauf hinauslaufen, daß die Beklagten das Beweisergebnis anders gewürdigt haben wollen. Das Berufungsgericht hat sich indessen an die ihm glaubhaft erscheinenden Aussagen des Zeugen Koch, des Leiters der Grundstücksabteilung der Klägerin, und des Geschäftsführers der Klägerin, B, gehalten und hat dabei unterstützend das Bestätigungsschreiben vom 4. April 1968 herangezogen. Darin liegt kein Rechtsfehler. Da der Wortlaut des Bestätigungsschreibens der vom Berufungsgericht vorgenommenen Würdigung zumindest nicht widerspricht, steht für das Revisionsgericht fest, daß der Beklagte zu 2 seit 1. April 1968 neben der Erstbeklagten Mieter war. Ob dasselbe rechtliche Ergebnis auch daraus folgt, daß der Zweitbeklagte dem Bestätigungsschreiben vom 4. April 1968 nicht widersprochen hat, ist danach unerheblich.
2. Der Eintritt des Zweitbeklagten in den Vertrag war nicht etwa deshalb unwirksam, weil er nur mündlich vereinbart worden ist, obwohl § 21 Nr. 4 des Mietvertrages für nachträgliche Änderungen und Ergänzungen die Schriftform vorschreibt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, auch des erkennenden Senats, kann die Schriftformvereinbarung stillschweigend aufgehoben werden, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit der formlosen Abrede übereinstimmend wollen. Das gilt selbst dann, wenn sie hierbei an das Schriftformerfordernis nicht gedacht haben (BGH Urteile vom 26. November 1964 - VII ZR 111/63 = NJW 1965, 293, vom 26. Oktober 1966 VIII ZR 173/65 = WM 1966, 1335 und vom 29. November 1973 - VII ZR 205/71 = WM 1974, 105). Das Berufungsgericht folgert daraus, daß die vom Zweitbeklagten vertretene Erstbeklagte seit dem 2. April 1968 nur noch den ermäßigten Mietzins gezahlt hat und daß diese Ermäßigung nach dem Vortrag der Beklagten die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes der Weinstube war, die Maßgeblichkeit des am 2. April 1964 Vereinbarten. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
3. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht indessen die Anwendbarkeit des § 566 BGB.
a) Nach dieser Vorschrift bedarf ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, der Schriftform. Ungeachtet der Tatsache, daß zwischen der Erstbeklagten und der Klägerin bereits ein langfristiger Mietvertrag bestand, haben auf jeden Fall der Zweitbeklagte und die Klägerin am 2. April 1968 erstmals einen Mietvertrag miteinander geschlossen. Warum für diesen Vertrag das gesetzliche Schriftformerfordernis nicht gelten soll, ist nicht einzusehen.
Das Berufungsgericht meint unter Hinweis auf Rechtsprechung und Schrifttum allerdings, der Zweitbeklagte sei lediglich dem zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten bestehenden Vertrag beigetreten und dieser Beitritt stelle sich als Abtretung eines Teiles der Rechte des Erstmieters, nämlich der Beklagten zu 1, an den Beklagten zu 2 sowie als Mitübernahme der der Erstbeklagten aus dem Vertrag zustehenden Verpflichtungen dar.
Ob dem gefolgt werden könnte, ist zweifelhaft, kann aber dahinstehen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die vom Berufungsgericht angeführten Schrifttums- und Rechtsprechungsnachweise (Staudinger, BGB, 11. Aufl. § 566 Nr. 13; Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl. § 566 Nr. 16; Planck, BGB, 4. Aufl. § 566 Anm. 3; Mittelstein, Die Miete, 4. Aufl. S. 170; OLG Hamburg DJZ 1907, 1091, KG Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts 1927, 31; OLG Breslau JW 1930, 3244) fast ausnahmslos den Fall zum Gegenstand haben, daß an die Stelle des bisherigen Mieters ein neuer Mieter tritt. In derartigen Fällen wird aaO. mit der Begründung, der Inhalt des ursprünglichen schriftlichen Mietvertrages bleibe unberührt, es liege nur ein Fall der Rechtsnachfolge vor, das Erfordernis der Schriftform nach § 566 BGB verneint. Das ist nicht unbedenklich; denn zu den wesentlichen Bestandteilen eines Mietvertrages gehört neben Mietobjekt, Mietzeit und Mietzins auch die Bezeichnung der Vertragsparteien. Überzeugende Gründe, warum eine Änderung insoweit nicht formbedürftig sein soll, sind nicht erkennbar.
Das Reichsgericht hält in den Fällen des Mieterwechsels die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform nicht für erforderlich, in denen schon im ursprünglichen Vertrag ein Mietnachfolger vorgesehen war und der Vermieter sich dort mit dem Eintritt eines neuen Mieters einverstanden erklärt hatte (RG JW 1924, 798). Von Soergel/Siebert wird aaO. die Auffassung vertreten, die Zustimmung des Vermieters zu einem zwischen Mieter und Nachfolger vereinbarten Mieterwechsel sei wegen § 182 Abs. 2 BGB nicht formbedürftig. Abgesehen davon, daß auch in dem letztgenannten Falle offensichtlich davon ausgegangen wird, daß jedenfalls die Nachfolgevereinbarung selbst der Schriftform bedarf (so ausdrücklich Erman, BGB, 5. Aufl. § 566 Anm. 1) und nur die Zustimmung formfrei ist, liegt der vorliegende Sachverhalt in zwei wesentlichen Punkten anders als die von Rechtsprechung und Schrifttum aaO. behandelten Fälle. Einmal handelt es sich nicht um einen Fall des Mieterwechsels. Der Gesichtspunkt, es handle sich um eine bloße Rechtsnachfolge in einen bestehenden Vertrag, scheidet also aus. Überdies ist der Beitritt des Beklagten zu 2 nicht zwischen ihm und der Erstbeklagten mit nachfolgender Zustimmung der Klägerin getroffen worden, sondern es liegt eine dreiseitige Vereinbarung aller Beteiligten vor. Daß nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit ein Mieterwechsel auf diese Weise vereinbart werden kann, hat der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen (Urteile vom 29. Oktober 1957 - VIII ZR 292/56 = LM BGB § 581 Nr. 16 und vom 7. November 1962 - V ZR 120/60 = WM 1963, 218). Für den Fall der Mieterhäufung kann nichts anderes gelten.
Bei lebensnaher Betrachtungsweise kann nicht bezweifelt werden, daß dann, wenn in einem solchen Fall an die Stelle eines Mieters deren zwei treten, der bisherige Vertrag seinen Inhalt ändert, auch wenn sonst alle Bestimmungen des alten Vertrages bestehenbleiben. Es ist ein nicht nur rechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Unterschied, ob zwei Mieter Anspruch auf Überlassung der Mietsache haben und ob dem Vermieter statt einem zwei Mieter den Mietzins schulden. Außerdem sind bei einem Dauerschuldverhältnis wie der Miete nicht nur die persönlichen Eigenschaften des oder der Mieter, sondern auch deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von erheblicher Bedeutung. Daraus folgt weiter, daß es sich bei einer Mieterhäufung auch nicht um eine nebensächliche Vertragsänderung handelt, die deshalb möglicherweise nicht der Beurkundung bedürfte (Senatsurteile vom 28. November 1962 - VIII ZR 142/61 = WM 1963, 172 f, vom 26. Oktober 1966 - VIII ZR 173/65 = WM 1966, 1335 und vom 18. Juni 1969 - VIII ZR 88/67 = WM 1969, 920 f). Vielmehr hätte der Eintritt des Zweitbeklagten in den Mietvertrag auch unter dem Gesichtspunkt des ›bloßen‹ Vertragsbeitritts unter Einhaltung der Schriftform der §§ 566, 126 BGB geschehen müssen.
b) Da dieses Formerfordernis nicht erfüllt ist, konnte der Zweitbeklagte den zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen Vertrag nach Ablauf des ersten Vertragsjahres, d.h. ab 30. März 1969 wie einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrag kündigen: § 566 Satz 2 BGB.
Es kann dahingestellt bleiben, ob schon in dem Schreiben des Zweitbeklagten vom 16. Mai 1969, in welchem er der Klägerin mitteilte, das Lokal müsse zum 30. Juni 1969 geschlossen werden, die Klägerin möge sich nach einem anderen ›Pächter‹ umsehen, eine Kündigung gesehen werden kann, oder ob diese erst in der Einstellung des Betriebes am 30. Juni 1969 und der Einstellung der Mietzahlungen in Verbindung mit dem vorangegangenen Schreiben vom 16. Mai 1969 zu sehen ist. Nach § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB konnte der Zweitbeklagte, weil es sich um ein Mietverhältnis über Geschäftsräume handelt, ohnehin nur zum Schluß des Kalendervierteljahres kündigen, und zwar spätestens am 3. Werktag des Vormonats. Demnach ist der Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Zweitbeklagten so oder so erst mit Ablauf des 30. September 1969 beendet worden.
c) Diese Kündigung verstößt nicht gegen Treu und Glauben. § 566 BGB ist im Hinblick auf § 571 BGB zum Schutz eines etwaigen Grundstückserwerbers geschaffen, um diesem die Möglichkeit zu geben, sich anhand der ihm vom Veräußerer zu überreichenden Urkunden (§ 444 BGB) möglichst umfassend über etwa bestehende Mietverhältnisse unterrichten zu können. Fehlt es an dieser Unterrichtungsmöglichkeit, weil der Mietvertrag nicht schriftlich geschlossen wurde, so erlaubt § 566 Satz 2 BGB, das Mietverhältnis nach Ablauf eines Vertragsjahres zu kündigen. Mit Rücksicht hierauf hat der Senat wiederholt ausgesprochen, daß nur unter ganz besonderen Umständen in der Berufung auf die Kündigungsmöglichkeit des § 566 Satz 2 HGB ein Verstoß gegen § 242 BGB liegt (Urteile vom 28. November 1962 VIII ZR 142/61 = WM 1963, 172 f, vom 27. November 1963 - VIII ZR 116/62 = WM 1964, 184, 186, vom 5. Juli 1967 - VIII ZR 124/65 = WM 1967, 907, vom 4. November 1970 - VIII ZR 76/69 = WM 1970, 1480 und BGHZ 50, 39, 45).
Solche besonderen Umstände sind hier nicht erkennbar. Der Zweitbeklagte hat sich nicht etwa einer mündlich verabredeten Beurkundung des Nachtragsvertrages entzogen (vgl. dazu das Urteil vom 27. November 1963 aaO.) und es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß die Beurkundung des Vertragsbeitritts vom Zweitbeklagten in anderer Weise vereitelt worden ist. Umgekehrt lag es für die in Mietsachen bewanderte Klägerin nahe, den für sie wichtigen Vertragseintritt des Zweitbeklagten dadurch rechtlich abzusichern, daß das mündlich Vereinbarte in der vom Gesetz vorgeschriebenen Schriftform wiederholt wurde. Wenn sie hiervon absah, besteht keine Veranlassung, sie entgegen der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 566 BGB gegen eine Kündigung des Zweitbeklagten zu schützen.
d) Da die Klägerin sich mit der Herabsetzung des Mietzinses auf monatlich 1 600 DM durch die Vorinstanzen abgefunden hat, kann sie vom Zweitbeklagten lediglich
2 x 1.600 DM (Mietzins für August und September 1969) 3.200,-- DM
2 x 120 DM (Nebenkosten für August und September 1969) 240,-- DM
2/11 der unstreitig in der Zeit vom 1. August 1969 bis 30. Juni 1970 angefallenen Heizkosten (834,41 DM : 11 x 2) 151,71 DM
zusammen also 3.591,71 DM, nebst Zinsen verlangen.
e) Mehr steht ihr auch nicht nach den Grundsätzen der sog. ›Durchgriffshaftung‹ zu. Ob die Voraussetzungen für einen ›Durchgriff‹ auf den Zweitbeklagten überhaupt angenommen werden könnten, wozu das Berufungsgericht neigt, kann dahinstehen. Das Oberlandesgericht lehnt selbst eine Haftung des Beklagten zu 2 aus diesem Gesichtspunkt mit der Begründung ab, es gehe hier nur um Ansprüche, die nach dem 2. April 1968 entstanden seien. Zu diesem Zeitpunkt sei der Klägerin die desolate finanzielle Lage der Erstbeklagten bekannt gewesen. In Kenntnis dieser Lage habe sie den Vertrag mit der Erstbeklagten fortgesetzt und den Zweitbeklagten als mithaftenden Mieter aufgenommen.
Bei einem solchen Sachverhalt fehlt es in der Tat an einem Grund, der es aus dem für einen Durchgriff hier allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt von Treu und Glauben rechtfertigen könnte, über die Rechtsfigur der juristischen Person hinwegzugehen und eine persönliche Inanspruchnahme des Gesellschafters und Geschäftsführers der Erstbeklagten, des Zweitbeklagten, für Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1 zuzulassen. Dabei ist gleichgültig, daß die Klägerin trotz der Vereinbarung vom 2. April 1968 den Zweitbeklagten im Ergebnis nur begrenzt in Anspruch nehmen kann (s. oben). An sich war die vereinbarte Aufnahme des Zweitbeklagten in den Mietvertrag das richtige Mittel, um sich gegen den Fall der Insolvenz der Erstbeklagten zu sichern. Daß dieses Mittel nur von begrenzter Wirkung bleibt, hat die Klägerin selbst verursacht, indem sie trotz ihrer Erfahrung in Grundstücksmietverträgen die für sie wichtige Vereinbarung nicht in der vom Gesetz vorgeschriebenen, und im übrigen aus rein praktischen Erwägungen ohnehin naheliegenden Schriftform abschloß.
II. Im Ergebnis zutreffend ist das angefochtene Urteil jedoch, soweit die Erstbeklagte zur Zahlung verurteilt worden ist. Diese hatte einen den Vorschriften der §§ 566, 126 BGB entsprechenden Vertrag bis 31. Oktober 1977 - bis dahin also unkündbar - fest abgeschlossen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung und allgemeiner Meinung im Schrifttum entbehrt allerdings ein schriftlich geschlossener Vertrag, der nachträglich formlos geändert wird, nunmehr insgesamt der Schriftform (BGHZ 50, 39 m.w.Nachw.). Daß in der Aufnahme des Zweitbeklagten in den zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten bestehenden Mietvertrag eine Vertragsänderung liegt, wurde bereits ausgeführt. Der erkennende Senat hat jedoch eine Ausnahme für einen Verlängerungsvertrag zugelassen (BGHZ 50, 39) und dabei erwogen, daß dieser in den Inhalt des bereits bestehenden, formgültigen, ursprünglichen Vertrages während dessen Laufzeit in keiner Weise eingreift, sondern nur zur Folge hat, daß der vereinbarten Mietzeit, bei der es nach dem Willen der Vertragsschließenden bleibt, ein weiterer Zeitabschnitt vertraglich angefügt wird. Der Gedanke, daß der als unteilbare Einheit aufgefaßte Inhalt des Vertrages formgültig nur abgeändert werden kann, wenn er insgesamt von der Schriftform umfaßt wird, treffe dann nicht mehr in vollem Umfang zu, wenn die Änderung nur in einer den sonstigen Inhalt nicht berührenden Verlängerung besteht. Daraus folge, daß nur der Verlängerungsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und deshalb kündbar ist, während der ursprüngliche formgültige Vertrag bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit fest abgeschlossen bleibt.
Diese Grundsätze können auf den hier vorliegenden Fall übertragen werden, soweit es sich um den Vertragsbeitritt des Zweitbeklagten handelt. Die Rechtsstellung der Erstbeklagten sollte grundsätzlich dadurch nicht geändert werden. Sie sollte und wollte Mieterin mit allen sich aus dem Vertrag vom 30. Oktober 1967 ergebenden Rechten und Pflichten bis 31. Oktober 1977 bleiben. Lediglich ein neuer Mieter trat hinzu. Bei einer solchen Fallgestaltung sind keine Gründe erkennbar, warum die Erstbeklagte ihre schuldrechtlichen Verpflichtungen durch eine vorzeitige Kündigung praktisch nur deshalb sollte beenden können, weil ein Zusatzvertrag nicht den Formvorschriften entspricht, der den Eintritt eines weiteren Mieters zum Gegenstand hat, im übrigen aber ihre Rechtsbeziehungen zur Klägerin nicht berührt.
2. Allerdings enthält die Vereinbarung vom 2. April 1968 außerdem eine Mietzinssenkung um monatlich 400 DM. Diese verändert, und das ist der Unterschied zum Vertragseintritt des Zweitbeklagten, unmittelbar die Rechtstellung der Erstbeklagten als Mieterin. Gleichwohl bedarf es keiner Entscheidung, ob diese Abrede etwa deshalb nicht der Schriftform bedurfte und darum die Formgültigkeit des gesamten Vertrages nicht berührt wurde, weil sie einen unwesentlichen Nebenpunkt betraf, obgleich sie nach der Feststellung des Berufungsgerichts für längere Zeit als ein Jahr galt (vgl. das Senatsurteil vom 18. Juni 1969 - VIII ZR 88/67 = WM 1969, 920, 921). Offen bleiben kann auch, ob nachträgliche Mietzinssenkungen etwa deshalb nicht schriftlich vereinbart zu werden brauchen, weil es sich insoweit um eine teilweise Aufhebung einer Verpflichtung handelt und die Aufhebung eines Mietvertrages nach allgemeiner Meinung der Schriftform nicht bedarf (vgl. Müller JR 1970, 86, 87). Auf keinen Fall könnte die Erstbeklagte unter Berufung auf die etwa eingetretene Formungültigkeit des Mietvertrages vorzeitig kündigen.
Das ergibt sich aus § 242 BGB. Die Mietzinssenkung war eine Abrede, die zu einer Schlechterstellung der Klägerin führte und einseitig die Erstbeklagte begünstigte. Es verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Erstbeklagte aus dieser ihr vorteilhaften Abrede nur deshalb, weil sie nicht in der vorgeschriebenen Schriftform geschlossen wurde, den weiteren Vorteil ziehen will, sich nunmehr von dem ihr lästig gewordenen Mietvertrag zu lösen, obgleich die Formvorschrift, aus der sie dieses Recht ableitet, jedenfalls nach ihrem ursprünglichen Zweck nicht ihren, sondern den Schutz eines Dritten, nämlich eines etwaigen Erwerbers des Mietgrundstücks im Auge hat.
III. Die Beklagten können, soweit sie zur Zahlung verpflichtet sind, nicht einwenden, die Klägerin habe treuwidrig die Vermietung der Weinstube an die Eheleute D. zum 1. Juli 1969 dadurch unmöglich gemacht, daß sie diesen zu hohe Umsatzzahlen mitgeteilt und dadurch die Anfechtung des Kaufvertrages über das Inventar und das Abstandnehmen vom Abschluß eines Mietvertrages verschuldet habe.
Mit diesem Einwand können die Beklagten schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin überhaupt nicht verpflichtet war, mit einem Mietnachfolger abzuschließen. Sie konnte sich, da eine Nachfolgerklausel nicht vereinbart war, auf den Mietvertrag berufen (§ 552 BGB). Ob etwas anderes dann gelten würde, wenn die Beklagten den Mietnachfolger beigebracht hätten, kann auf sich beruhen. So war es hier aber nicht. Die Eheleute D. sind mit den Beklagten und der Klägerin durch die von der Klägerin beauftragte Firma WA-LA-Vermittlung in Verbindung gekommen. Wenn es dabei wegen der angeblich von der Klägerin mitgeteilten zu hohen Umsatzzahlen zur Vertragsanfechtung gekommen ist, so rechtfertigt das nicht eine Zahlungsverweigerung unter Berufung auf einen Verstoß der Klägerin gegen § 242 BGB. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob es wirklich die Klägerin war, die die falschen Umsatzzahlen den Eheleuten D. mitgeteilt hat, oder ob es sich dabei nicht, wie die Klägerin behauptet, um eine Mitteilung der Firma WA-LA handelte.
IV. Gegen die Verurteilung zur Zahlung von Heizkosten wenden die Beklagten ein, solche Kosten seien für die Zeit, in der sie die Mieträume nicht benutzt hätten, nicht zu entrichten. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Beklagten haben sich verpflichtet, während der Vertragszeit Heizkosten zu zahlen. Daß die Räume nicht mehr benutzt wurden, bedeutete nicht, daß sie nicht geheizt wurden und eine Beheizung nicht erforderlich war.
B. Zur Widerklage
I. Die Widerklage der Erstbeklagten
1. Die Widerklage der Erstbeklagten hat das Berufungsgericht insoweit als unzulässig abgewiesen, als sie die Verpflichtung zur Mietzinszahlung für die Zeit vom 1. Juli 1970 bis 30. September 1971 umfaßt. Dieser Mietzins ist in einem weiteren Rechtsstreit, über den der Senat gleichzeitig entscheidet (VIII ZR 279/74), zu einem Zeitpunkt eingeklagt worden, als die vorliegende Sache noch beim Landgericht anhängig war. Damit ist das Rechtsschutzinteresse an der verlangten Feststellung insoweit entfallen (RGZ 151, 65). Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung zulässig erscheinen lassen könnten (vgl. des Senatsurteil vom 18. Oktober 1967 - VIII ZR 9/66 = NJW 1968, 50), liegen nicht vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist deshalb nicht zu beanstanden.
2. Im übrigen ist die Widerklage mit Recht als unbegründet abgewiesen worden. Daß die Erstbeklagte aus dem Mietverhältnis weiterhin verpflichtet bleibt und deshalb die im Vertrag festgelegten Zahlungen zu leisten hat, ergibt sich aus den Ausführungen unter A II. Der Mietvertrag ist, wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt, mangels einer Kündigungsmöglichkeit der Erstbeklagten über den 30. September 1971 hinaus bestehen geblieben, und zwar bis zur Neuvermietung der Räume am 1. November 1971. Zu diesem Zeitpunkt endete kraft stillschweigender Übereinkunft der Parteien der Mietvertrag. Bis dahin aber war die Erstbeklagte verpflichtet, Mietzins, Heizungskosten und Nebenkosten zu zahlen.
II. Die Widerklage des Zweitbeklagten
Insoweit ergibt sich aus den Ausführungen unter A I, daß der Zweitbeklagte seit 1. Oktober 1969 nicht mehr Mieter der Räume der Weinstube ist. Die Feststellungswiderklage ist deshalb für die Zeit ab 1. Oktober 1969 begründet. Im übrigen hatte es bei ihrer Abweisung zu bleiben.
C. Die Kostenentscheidung
Über die Kosten des Rechtsstreits ist gemäß §§ 92, 100 ZPO zu entscheiden. In diese Entscheidung sind auch die Kosten der von der Erstbeklagten in erster Instanz zurückgenommenen Widerklage einzubeziehen. Das Landgericht hatte über diese Kosten mit der Begründung nicht entschieden, es fehle insoweit an einem Antrag der Klägerin. Das Berufungsgericht glaubte sich an einer Entscheidung deshalb gehindert, weil in Wirklichkeit keine Rücknahme der Widerklage vorliege.
Dem kann nicht zugestimmt werden. Wie sich aus der Begründung der Kostenentscheidung des Urteils erster Instanz ergibt, sah das Landgericht die den Herausgabeanspruch betreffende Widerklage als wirksam zurückgenommen an. Offensichtlich hat es das Verhalten des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 1971, in welcher die Beklagte zu 1 die Widerklagerücknahme erklärte, als die nach § 271 Abs. 1 ZPO erforderliche Zustimmung der Klägerin-Widerbeklagten beurteilt. Da die Zustimmung zur Klagerücknahme auch durch schlüssige Erklärung erfolgen kann, ist diese Würdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Der Senat tritt ihr bei. Unrichtig ist aber die Auffassung des Landgerichts, über die Kosten der zurückgenommenen Widerklage könne nur aufgrund eines Antrags nach § 271 Abs. 3 Satz 3 ZPO entschieden werden. Ein solcher Antrag ist nur erforderlich, wenn außerhalb des Urteilsverfahrens über die Kosten einer zurückgenommenen Klage entschieden werden soll.
Demnach war über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden. Der Erstbeklagten waren dabei die Kosten der zurückgenommenen Widerklage aufzuerlegen. Ob hierdurch eine Schlechterstellung der Erstbeklagten gegenüber dem Berufungsurteil eintritt, kann dahinstehen; denn in der Rechtsmittelinstanz unterliegt die Kostenentscheidung nicht dem Verbot der nachteiligen Änderung (BGH Beschl. vom 11. Januar 1965 - VII ZR 167/65 - KostRspr § 308 Nr. 4).
Fundstellen
Haufe-Index 2992685 |
BGHZ 65, 49 |
BGHZ, 49 |
NJW 1975, 1653 |
WuM 1976, 26 |