Eigenbedarfskündigung kann vertraglich ausgeschlossen werden
Vorsicht beim Immobilienkauf: Der Erwerber einer Eigentumswohnung tritt in die bisherigen Rechte und Pflichten eines von dem Voreigentümer mit dem Mieter der Wohnung geschlossenen Vertrag ein. Dies gilt auch für einen zwischen Mieter und Voreigentümer vereinbarten Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarfs.
Vertraglicher Ausschluss der Eigenbedarfskündigung
In dem vom LG Berlin entschiedenen Fall hatten die Mieter und der Wohnungseigentümer vertraglich einen Ausschluss der Kündigung wegen Eigenbedarfs durch den Vermieter vereinbart. Der Kündigungsausschluss war nicht bereits im ursprünglichen Mietvertrag, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt in einer gesonderten Vereinbarung als Ergänzung des Mietvertrags fixiert worden.
Neue Eigentümerin machte Eigenbedarf geltend
Eine spätere Käuferin der Wohnung, die die Wohnung zu eigenen Zwecken nutzen wollte, erklärte den Mietern die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Da die Mieter die Kündigung nicht akzeptierten, erhob die neue Vermieterin Räumungsklage. Sie stand auf dem Standpunkt,
- die Vereinbarung zum Ausschluss einer Kündigung wegen Eigenbedarfs sei ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter, da sie als Rechtsnachfolgerin des bisherigen Vermieters hierdurch in ungerechtfertigter Weise in ihren Rechten beeinträchtigt würde.
- Darüber hinaus bezweifelte sie die Rechtsgültigkeit der Mietvertragsergänzung wegen der zwischen der Unterschrift des damaligen Vermieters und der Unterschrift der Mieter liegenden Zeitspanne von 6 Wochen.
Kündigungsausschluss ist kein Vertrag zulasten Dritter
Das LG sah in der Mietvertragsergänzung keine unzulässige Vereinbarung zulasten Dritter. Mit der Mietvertragsergänzung seien lediglich Rechte und Pflichten der am damaligen Mietverhältnis beteiligten Mietparteien fixiert worden. Über die beteiligten Parteien hinaus habe der vereinbarte Ausschluss der Eigenbedarfskündigung zunächst keine Wirkung gehabt. Es sei Sache eines späteren Käufers, sich vor dem Kauf über die Konditionen eines bestehenden Mietverhältnisses zu informieren. Er könne ggf. vom beabsichtigten Erwerb der Wohnung Abstand nehmen.
Zeitlicher Abstand der Unterschriften ist unschädlich
Der zeitliche Abstand von 6 Wochen zwischen den Unterschriften von Mieter und Vermieter unter die Vertragsergänzung ändert nach der Entscheidung des LG an der Wirksamkeit der Vereinbarung nichts. Gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB müsse ein Vertragsangebot unter Anwesenden zwar sofort angenommen werden, gem. § 147 Abs. 2 BGB unter Abwesenden in angemessener Zeit. Die Klägerin verkenne jedoch, dass die Unterschriften unter die Vertragsergänzung möglicherweise lediglich der Erfüllung des Schriftformerfordernisses gem. § 550 BGB gedient hätten und – was in solchen Fällen nicht unüblich sei – die zugrundeliegende Vereinbarung anderweitig zustande gekommen sei.
Käufer müssen Konditionen eines Mietverhältnisses mit dem Veräußerer klären
Im Ergebnis folgen nach der Entscheidung des LG im Fall eines bestehenden Mietverhältnisses die Rechte und Pflichten eines Wohnungserwerbers unabhängig von dem geschlossenen Kaufvertrag unmittelbar aus der gesetzlichen Vorschrift des § 566 BGB. Der hieraus folgende Eintritt des Erwerbers in einen bestehenden Mietvertrag habe nicht zur Voraussetzung, dass der Erwerber sämtliche Bestimmungen eines bestehenden Mietvertrages kennt. Die Klärung der dort vereinbarten Konditionen sei allein Sache zwischen ihm und dem Veräußerer.
Eigenbedarfskündigung war unwirksam
Im Ergebnis hat damit der vereinbarte Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung auch zwischen dem Mieter und dem neuen Erwerber weiterhin Bestand. Das LG wies die Räumungsklage der neuen Eigentümerin ab.
(LG Berlin II, Urteil v. 16.5.2024, 64 S 198/22)
Hintergrund:
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs im Mietverhältnis sowohl zeitlich begrenzt als auch zeitlich unbegrenzt vertraglich ausgeschlossen werden kann, allerdings zwingend in Schriftform (BGH, Urteil v. 4.4.2007, VIII ZR 223/06). Das Schriftstück muss eindeutig als Ergänzung eines konkreten Mietvertrags bezeichnet oder mit diesem in einer Urkunde verbunden sein (BGH, Urteil v. 15.11.2006, XII ZR 92/04). Im Hinblick auf mögliche Probleme bei der Inhaltskontrolle von AGB (Stichwort: Abweichung vom gesetzlichen Regelfall) sollte ein solcher Ausschluss grundsätzlich im Wege einer Individualvereinbarung und nicht in einem vielfach verwendeten Vertragsvordruck erfolgen.
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