Leitsatz (amtlich)
Fordert der Besteller den Unternehmer zur Mängelbeseitigung innerhalb einer bestimmten Frist auf und erklärt er zugleich, daß er nach fruchtlosem Fristablauf zwar Nachbesserung durch den Unternehmer ablehnen, aber lediglich zur Ersatzvornahme schreiten und zunächst einen angemessenen Vorschuß auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten anfordern werde, so liegt darin bei verständiger Würdigung keine Ablehnungsandrohung i.S.d. § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB sondern die bloße Ankündigung, daß der Besteller von seinem Selbsthilferecht gem. § 633 Abs. 3 BGB Gebrauch machen wolle (im Anschluß an Senatsurteil NJW 1983, 1731).
Normenkette
BGB §§ 633-634
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.12.1985; Aktenzeichen 10 U 233/84) |
LG Wiesbaden (Urteil vom 09.08.1984; Aktenzeichen 2 O 416/82) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Dezember 1985 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagten errichteten in einem im Jahre 1903 gebauten Haus vier Eigentumswohnungen. Mit „Kaufverträgen” vom 18. April 1978 bzw. 17. Februar 1978, in denen sie sich zur schlüsselfertigen Erstellung des Vertragsobjekts verpflichteten (§ 4 Abs. 1), veräußerten sie eine Wohnung an die Kläger zu 1 und 2 sowie eine Wohnung an den Kläger zu 3. In den Verträgen ist in § 7 unter „Abnahme und Sachmängel” geregelt, daß das Vertragsobjekt in einer förmlichen Abnahmeverhandlung abgenommen wird und der Veräußerer im Rahmen der VOB/B haftet. Die Kläger bezogen die Wohnungen noch im Jahre 1978; eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums fand bisher nicht statt.
Wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum beantragten die Kläger im November 1980 und Januar 1981 die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens. Anschließend forderten sie – unter Bezugnahme auf das in diesem Verfahren am 1. Juli 1981 erstattete Sachverständigengutachten – mit (gleichlautenden) Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 15. Februar 1982 die Beklagten auf, bis spätestens 31. März 1982 „die gutachtlich bestätigten Mängel jetzt vollständig zu beseitigen”. Weiter führte der Anwalt in diesen Schreiben aus:
„Sollten Sie die Frist ergebnislos verstreichen lassen, d. h. weder die Mängelbeseitigung vorgenommen haben noch wegen eines bis dahin etwa unerledigten Rests mit meiner Mandantschaft eine verbindliche Absprache zur Ausführung getroffen haben, werden meine Mandanten eine Nachbesserung durch Sie ablehnen, zur Ersatzvornahme durch von ihnen beauftragte Unternehmen schreiten und Ihnen die Kosten aufgeben.
Auf diese Kosten würde zunächst ein angemessener Vorschuß unter Zugrundelegung der Ansätze des Gutachters angefordert und notfalls eingeklagt werden.”
Da die Beklagten untätig blieben, verlangten die Kläger mit Schreiben ihres Anwalts vom 15. Juni 1982 an den inzwischen von den Beklagten beauftragten Anwalt einen Kostenvorschuß in Höhe von 200.000,– DM. Zuvor heißt es in dem Schreiben:
„Da Ihre Mandanten innerhalb der gesetzten Frist nicht zur Mängelbeseitigung geschritten sind, lehnen meine Mandanten die Beseitigung der Mängel durch Ihre Mandanten ab, um die notwendigen Arbeiten (einschließlich Restarbeiten zur Fertigstellung des Objekts) durch von ihnen bestellte Unternehmer besorgen lassen.”
Die Beklagten leisteten den Vorschuß nicht. Die Kläger forderten deshalb mit der Klage als Gesamtgläubiger Zahlung von 200.000,– DM.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 177.696,36 DM stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie ganz abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, die die Beklagten zurückzuweisen bitten, erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht nimmt an, die Kläger seien als Wohnungseigentümer befugt, die aus dem Vertragsverhältnis mit dem Veräußerer herrührenden, auf Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum gerichteten Ansprüche selbständig zu verfolgen. Sie könnten somit nach § 633 Abs. 3 BGB auch Vorschußzahlung verlangen. Diesen Anspruch hätten sie jedoch verloren, weil sie mit ihren Schreiben vom 15. Februar 1982 und 15. Juni 1982, die eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung enthielten und – weil eindeutig – einer Auslegung nicht zugänglich seien, die Rechte aus §§ 634, 635 BGB geltend gemacht hätten. Die Kläger könnten deshalb Nachbesserungskosten nur noch als Schadensersatz verlangen. Einen solchen Schadensersatzanspruch machten sie nicht geltend; hierfür fehle auch ein entsprechender Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Den Klägern steht weiterhin der Erfüllungsanspruch auf Nachbesserung gemäß § 633 Abs. 2 BGB zu. Sie können deshalb nach § 633 Abs. 3 BGB von den Beklagten einen die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten deckenden Vorschuß verlangen. Die Vorschriften der VOB/B sind insoweit nicht anwendbar; denn § 7 Abs. 2 der „Kaufverträge” verweist nur im Zusammenhang mit der Sachmängelhaftung der Beklagtennach Abnahme auf die VOB/B, nicht aber hinsichtlich des Erfüllungsanspruchs. Deshalb kann hier auch auf sich beruhen, inwieweit es überhaupt möglich ist, die Gewährleistungsregelung der VOB/B in einem Bau- oder Bauträgervertrag „isoliert” zu vereinbaren (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 96, 129 und v. 4. Dezember 1986 – VII ZR 354/85 – zur Veröffentlichung bestimmt).
1. Die Beklagten kamen der in den Schreiben des Rechtsanwalts der Kläger vom 15. Februar 1982 enthaltenen Aufforderung, die von dem Sachverständigen in dem Beweissicherungsverfahren im einzelnen festgestellten Mängel bis 31. März 1982 zu beseitigen, nicht nach. Aufgrund dieser Mahnung sind sie spätestens am 1. April 1982 mit der Beseitigung der Mängel in Verzug geraten. Die Kläger haben daher nach § 633 Abs. 3 BGB einen Anspruch auf Kostenvorschuß.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dieser Anspruch nicht verloren; denn die Kläger machten mit den Schreiben ihres Anwalts vom 15. Februar 1982 und 15. Juni 1982 nicht die Rechte aus §§ 634, 635 BGB geltend. Wann eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung i.S.d. § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB anzunehmen ist, wie also eine entsprechende Erklärung des Bestellers zu verstehen ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen (Senatsurteil NJW 1983, 1731, 1732).
a) So hat der Senat in BGHZ 74, 258, 260 ausgesprochen, daß Wohnungseigentümern die Ansprüche nach § 633 Abs. 2, 3 BGB dann nicht mehr zustehen, wenn sie durch Fristsetzung Nachbesserung verlangt und damit die Erklärung verbunden haben, daß sie nach fruchtlosem Ablauf der Frist eine Mängelbeseitigung ablehnen und stattdessen Schadensersatz verlangen werden. In diesem Fall, in dem dem Veräußerer – und zwar vonallen Wohnungseigentümern – ausdrücklich ein auf § 635 BGB gestützter Schadensersatzanspruch angedroht worden war, hatten die Wohnungseigentümer gemäß § 634 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz BGB den Nachbesserungsanspruch gemäß § 633 Abs. 2 BGB verloren. Damit war auch das Selbstbeseitigungsrecht der Wohnungseigentümer nach § 633 Abs. 3 BGB mit der daraus herzuleitenden Pflicht des Veräußerers entfallen, einen Vorschuß auf voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten zu leisten (aaO S. 262).
b) Im Streitfall liegt eine vergleichbare Erklärung der Kläger, die zu einem Verlust des Anspruchs auf Kostenvorschuß führen könnte, nicht vor.
Mit den (gleichlautenden) Schreiben ihres Anwalts vom 15. Februar 1982 drohten die Kläger den Beklagten nach ergebnislosem Ablauf der gesetzten Frist nicht etwa die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen an. Sie erklärten vielmehr, sie würden dann zur „Ersatzvornahme” durch von ihnen beauftragte Unternehmen schreiten und den Beklagten die Kosten aufgeben. Weiter führten sie aus, daß sie auf diese Kosten zunächst einen angemessenen Vorschuß bei ihnen anfordern würden. Diese Sätze lassen erkennen, daß die Kläger bei Verzug der Beklagten mit der Mängelbeseitigung auf die ihnen nach § 633 Abs. 3 BGB zustehenden Rechte, nämlich Ersatzvornahme und Geltendmachung eines Kostenvorschußanspruchs, zurückgreifen und die Beklagten zunächst darauf hinweisen wollten (vgl. a. Senatsurteil NJW 1986, 713, 715, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 96, 146). Dementsprechend forderten sie denn mit dem Schreiben ihres Anwalts vom 15. Juni 1982 auch einen Vorschußbetrag von 200.000,– DM und nicht etwa Schadensersatz. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gibt es beim Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB keinen Anspruch auf „Vorschuß” (Senatsurteil BGHZ 61, 28).
Bei dieser Sachlage kann die – in dem Schreiben ihres Anwalts vom 15. Juni 1982 ebenfalls enthaltene – weitere Erklärung der Kläger, sie lehnten eine Nachbesserung durch die Beklagten ab, nicht als Ablehnungsandrohung i.S.d. § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB verstanden werden. Dieser Satz darf nicht – wie vom Berufungsgericht vorgenommen – aus dem Zusammenhang gerissen und allein für sich betrachtet werden. Er ist vielmehr unter Würdigung des übrigen Inhalts der Anwaltsschreiben vom 15. Februar 1982 dahin zu verstehen, daß die Kläger – gestützt auf das ihnen nach § 633 Abs. 3 BGB zustehende Selbsthilferecht – nach fruchtlosem Fristablauf auf eine Mängelbeseitigung durch die Beklagten keinen Wert mehr legen, sondern durch Aufträge an andere Unternehmen selbst tätig werden wollen.
Es kann daher offenbleiben, ob die Kläger überhaupt zur Ablehnungsandrohung i.S.d. § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB befugt waren oder ob es bereits dazu eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer bedurft hätte (so z. B. Palandt/Bassenge, BGB, 45. Aufl., Überbl. v. § 1 WEG Anm. 5 b; Locher/Koeble, Baubetreuungs- und Bauträgerrecht, 4. Aufl., Rdn. 237, 239).
3. Sind die Kläger nach alledem an sich noch berechtigt, von den Beklagten Kostenvorschuß gemäß § 633 Abs. 3 BGB zu verlangen, kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Das Berufungsgericht hat über die von den Klägern behaupteten, von den Beklagten im einzelnen bestrittenen Mängel am Gemeinschaftseigentum keine Feststellungen getroffen. Der Senat ist daher nicht in der Lage, nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden. Die Sache ist somit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
G, D, B, W, Q
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.12.1986 durch Werner, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512618 |
NJW 1987, 889 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1987, 364 |