Leitsatz (amtlich)
Bei Bestellung einer Grundschuld und gleichzeitiger Abtretung der Ansprüche auf Rückgewähr vorrangiger Grundschulden ist die formularmäßige Zweckerklärung, die vorrangigen Rechte sollten als weitere Sicherheit dienen, dahin auszulegen, daß der Gläubiger nur den Vorrang ausnutzen darf, nicht aber über die Höhe seiner nachrangigen Grundschuld hinaus Befriedigung verlangen kann.
Normenkette
AGBG § 5; BGB §§ 398, 1191
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 15.04.1988) |
LG Trier (Urteil vom 27.11.1986) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. April 1988 aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 27. November 1986 wird zurückgewiesen.
Dieses Urteil wird jedoch in der Hauptsache wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte aus den im Grundbuch von M. Band …, Blatt 723 A in Abt. III Nrn. 4 bis 7 eingetragenen Grundschulden nur wegen eines Betrages von 60.000 DM nebst 18 % Zinsen seit dem 30. September 1981 die Zwangsvollstreckung betreiben darf.
3. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin bestellte in notarieller Urkunde vom 30. September 1981 der Beklagten eine Briefgrundschuld von 60.000 DM nebst 18 % Zinsen und unterwarf sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück. Die Grundschuld wurde in Abt. III des Grundbuches unter Nr. 7 im Rang nach sechs anderen Grundpfandrechten eingetragen. Die Urkunde enthält u.a. folgenden vorgedruckten Text:
„Zusätzlich tritt der Besteller seine Ansprüche auf Rückübertragung vor- und gleichrangiger Grundschulden und Grundschuldteile nebst Zinsen sowie seine Ansprüche auf Erteilung einer Löschungsbewilligung, einer Verzichtserklärung, einer Nichtvalutierungserklärung sowie seine Ansprüche auf Auszahlung des Übererlöses im Verwertungsfalle, soweit ihm diese Ansprüche gegenwärtig oder künftig zustehen, an die Bank ab. …”
Am 22. Oktober 1981 unterzeichnete die Klägerin ein ihr von der Beklagten vorgelegtes Formular einer „Zweckbestimmungserklärung zur Grundschuld”. Nach Nr. 1 diente die Grundschuld zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen gegen die Klägerin und gegen die Firma A.-S. GmbH & Co. sowie gegen die Eheleute Helmut und Edith S. die Tochter der Klägerin. Anlaß der Grundschuldbestellung war die Gewährung eines Ratenkredits von 40.000 DM und eines Kontokorrentkredits von 20.000 DM für die Zwecke der von dem Schwiegersohn betriebenen Firma A.-S. Nr. 9 der Zweckerklärung bestimmt:
„Falls der Grundschuld gegenwärtig und künftig andere Grundschulden im Range vorgehen oder gleichstehen, werden Ihnen – soweit nicht bereits geschehen – hiermit abgetreten:
- die Ansprüche auf Rückübertragung vor- und gleichrangiger Grundschulden und Grundschuldteile nebst Zinsen sowie die Ansprüche auf Erteilung einer Löschungsbewilligung, einer Verzichtserklärung, einer Nichtvalutierungserklärung sowie die Ansprüche auf Auszahlung des Übererlöses im Verwertungsfalle;
…
… Vor- und gleichrangige Grundschulden nebst Zinsen, die Ihnen abgetreten werden, sowie Übererlöse dienen als weitere Sicherheit für die in Nr. 1 bezeichneten Ansprüche mit der Maßgabe, daß für diese weitere Sicherheit die Bestimmungen dieser Erklärung sinngemäß gelten.”
Die unter Nrn. 4 bis 6 voreingetragenen Grundschulden von insgesamt 26.500 DM wurden von deren Gläubigerin nach Tilgung der gesicherten Forderungen an die Beklagte abgetreten.
Die Beklagte betreibt aus der Grundschuld Nr. 7 die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Sie ist der Ansicht, das Grundstück hafte auch aus den ihr abgetretenen, vollstreckbaren Grundschulden Nrn. 4 bis 6.
Die Klägerin hat die Feststellung beantragt, daß die Beklagte aus der Grundschuld Nr. 7 sowie aus den ihr in der Bestellungsurkunde abgetretenen „Sicherungsrechten”, betreffend die Grundschulden Nrn. 4 bis 6, die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Betrages von 60.000 DM nebst 18 % Zinsen seit dem 30. September 1981 betreiben dürfe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen (Urteilsabdruck in WM 1988, 1049 = ZIP 1988, 1109).
Mit der – zugelassenen – Revision will die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte sei berechtigt, sowohl aus der Grundschuld Nr. 7 von 60.000 DM als auch aus den ihr abgetretenen Grundschulden Nrn. 4 bis 6 von insgesamt 26.500 DM die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Die Einrede mangelnder Valutierung (§ 1157 BGB) sei unbegründet, weil die Grundschulden Nrn. 4 bis 6 nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Sicherungsvertrag als weitere Sicherheit für alle Forderungen der Beklagten gegen den Schwiegersohn der Klägerin und dessen Unternehmen gedient hätten. Das ergebe sich aus Nr. 9 der formularmäßigen Zweckerklärung vom 22. Oktober 1981. Diese Bestimmung verstoße nicht gegen das AGB-Gesetz.
Dagegen wendet sich die Revision zu Recht.
1. Von der Zulässigkeit der Klage geht das Berufungsgericht stillschweigend aus. Klageziel ist die Feststellung, daß die Beklagte aus den vier Grundschulden insgesamt nur in einem Umfang von 60.000 DM nebst 18 % Zinsen seit 30. September 1981, also nicht über Betrag und Zinsen der Grundschuld Nr. 7 hinaus vollstrecken dürfe. Sprachlich kommt das in dem Antrag und in dem ihm entsprechenden Urteil des Landgerichts nur unvollkommen zum Ausdruck. Denn dort ist die Feststellung der Vollstreckungsbeschränkung auf die in der notariellen Urkunde vom 30. September 1981 „abgetretenen Sicherungsrechte” bezogen, d.h. auf die Rückgewähransprüche. Gemeint ist aber die Vollstreckung aus den von diesen Ansprüchen betroffenen Grundschulden selbst. In diesem Sinne ist der Klageantrag auszulegen. Er ist auch zulässig (§ 256 ZPO). Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO i.V. mit §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 795 ZPO hätte die Klägerin bei der Art der von ihr geltend gemachten Einwendung nicht erheben können, da hiernach aus jeder der vier Grundschulden die Vollstreckung zulässig bleibt und nur der Gesamtumfang des Verwertungsrechts begrenzt sein soll. Demgemäß besteht ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung.
2. In der Sache prüft das Berufungsgericht die Feststellungsklage unter dem Gesichtspunkt einer Einrede nach §§ 1192 Abs. 1, 1157 BGB. Richtig ist, daß der Klägerin eine solche Einrede nicht zusteht, denn sie hat die einredebegründenden Rückgewähransprüche aus der Sicherungsabrede mit der ursprünglichen Gläubigerin der Grundschulden Nrn. 4 bis 6 wirksam an die Beklagte abgetreten. Die Wirksamkeit dieser Abtretung unterliegt auch keinen Bedenken nach dem AGB-Gesetz. Auf die irrige Ansicht des Berufungsgerichts, die in der Bestellungsurkunde – einem von der Beklagten stammenden Formular – enthaltene Abtretungsklausel sei keine Allgemeine Geschäftsbedingung, weil die Beklagte an der Beurkundung nicht beteiligt gewesen sei, braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Davon zu unterscheiden ist jedoch, was das Berufungsgericht im Ansatz nicht auseinanderhält, das der Abtretung der Rückgewähransprüche zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und eine sich daraus ergebende Einrede gegen die Verwertung der Grundschulden Nrn. 4 bis 6. Darum geht es hier.
Die Abtretung der Rückgewähransprüche an den Gläubiger der nachrangigen Grundschuld kann entweder zur Verstärkung dieser Sicherheit oder zur Erhöhung des Sicherungsumfanges im Interesse der Ausweitung des Kreditrahmens dienen (BGHZ 104, 26, 29 f). Ob das eine oder das andere gewollt ist, beurteilt sich nach dem Inhalt der Sicherungsabrede. Das Berufungsgericht entnimmt aus Nr. 9 der Grundschuldzweckerklärung vom 22. Oktober 1981, die Abtretung habe eine Erhöhung des Sicherungsumfanges bezweckt. Dieser Auslegung, die in Anbetracht der überregionalen Verwendung der Formularurkunde uneingeschränkter revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (BGHZ 98, 256, 258), folgt der Senat nicht.
Fraglich ist, ob Nr. 9 der Zweckerklärung überhaupt herangezogen werden kann. Diese Klausel enthält einleitend die Bestimmung, daß „hiermit” die Rückgewähransprüche, „soweit nicht bereits geschehen”, abgetreten werden. Die Klägerin aber hatte diese Ansprüche schon in der Grundschuldbestellungsurkunde vom 30. September 1981 der Beklagten abgetreten. Ob dennoch auch für diese Zession die in Nr. 9 Abs. 2 getroffene Zweckregelung gilt, kann indessen dahingestellt bleiben, weil die Klausel jedenfalls nicht mit ausreichender Klarheit den ihr vom Berufungsgericht beigemessenen Sinn ergibt.
Die Formulierung, die vorrangigen Grundschulden seien eine „weitere” Sicherheit, steht nicht der Auslegung entgegen, daß diese Sicherheit nur zur Verstärkung der nachrangigen Grundschuld dient. Dieser Zweck wird nicht nur dadurch erreicht, daß der Gläubiger der nachrangigen Grundschuld die Löschung der vorgehenden Rechte herbeiführt und damit den Rang des eigenen Rechts verbessert. Der Gläubiger hat auch die Möglichkeit, aus der rangbesseren statt aus seiner nachrangigen Grundschuld bis zu deren Höhe vorzugehen, was im Hinblick auf eingetragene Zwischenrechte und auf die Gefahr eines Wertverfalls des Grundstücks vorteilhaft sein kann. Er erhält auch damit eine „weitere” Sicherheit für die sonst nur durch die nachrangige Grundschuld abgedeckte persönliche Forderung. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Kreditpraxis mit dieser Klausel den Zweck einer Erhöhung des Sicherungsumfanges verfolgt. Maßgebend ist der Sinn, der sich einem durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Sicherungsgeber aus dem objektiven Inhalt der Formularregelung erschließt (vgl. BGHZ 79, 117, 118/119; 98, 256, 260). Ein solcher Sicherungsgeber aber muß die Klausel nicht dahin verstehen, daß er – nach Fälligkeit des abgetretenen Rückgewähranspruchs – mit seinem Grundstück über Betrag und Zinsen der bestellten Grundschuld hinaus haften soll (ebenso BGH Urt. v. 3. Dezember 1987, III ZR 261/86, NJW 1988, 707, 708 für den ähnlichen Fall der dieselbe Forderung wie die Grundschuld sichernden persönlichen Haftungsübernahme durch den Eigentümer; anders wohl BGHZ 99, 274, 280). Ihm kommt bei dem mehrdeutigen Wortlaut nach der Unklarheitenregel des § 5 AGBG die ihm günstigere Auslegungsmöglichkeit zugute, also die einer bloßen Verstärkung der Grundschuldsicherheit.
Klarheit läßt sich auch nicht aus dem in der Revisionserwiderung hervorgehobenen Umstand gewinnen, daß die Abtretung vor einem Notar erklärt worden ist. In der notariellen Urkunde ist der Sicherungszweck nicht angegeben. Anhaltspunkte dafür, daß der Notar schon im Vorgriff auf die spätere Zweckerklärung die Klägerin über den möglichen Sinn der fraglichen Klausel belehrt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, daß in der notariellen Urkunde die Abtretung nicht auf den Löschungsanspruch beschränkt worden ist, besagt nichts, da auch der Zweck einer bloßen Verstärkung der nachrangigen Grundschuld in dem hier aufgezeigten Sinn die umfassende Abtretung der Rückgewähransprüche erforderte.
Somit ist die Beklagte nicht berechtigt, aus den vier Grundschulden über Betrag und Zinsen des ihr am 30. September 1981 bestellten Grundpfandrechts hinaus zu vollstrecken. Auf die fragwürdige Ansicht des Berufungsgerichts, die Zweckerklärung verstoße bei dem hier gegebenen Anlaß der Sicherung eines in bestimmter Höhe einem Dritten gewährten Kredits nicht gegen das Verbot überraschender Klauseln nach § 3 AGBG (krit. Clemente, EWiR 1988, 989; Erman/Räfle, BGB 8. Aufl., § 1191 Rdn. 30), kommt es demnach nicht an.
3. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und das Urteil des Landgerichts mit der nach den Ausführungen zu 1 gebotenen Neufassung wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung für die Berufungs- und die Revisionsinstanz beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO.
Unterschriften
Hagen, Vogt, Räfle, Wenzel, Tropf
Fundstellen
Haufe-Index 1830926 |
BGHZ |
BGHZ, 108 |
BB 1990, 587 |
NJW 1990, 1177 |
BGHR |
JR 1990, 337 |
JR 1990, 465 |
KTS 1990, 534 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1990, 298 |
DNotZ 1990, 559 |