Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrung der Abrechnungsfrist über Betriebskostenvorauszahlungen durch eine lediglich formell ordnungsgemäße Abrechnung. Verwendung eines mietvertraglich nicht vereinbarten Umlageschlüssels stellt einen inhaltlichen Mangel dar. Korrektur von inhaltlichem Mangel auch nach Ablauf der Abrechnungsfrist noch möglich
Leitsatz (redaktionell)
Die in § 556 Abs. 3 S. 2 BGB angeordnete einjährige Abrechnungsfrist ist mit Mitteilung einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung gewahrt, inhaltliche Fehler können auch nach Fristablauf korrigiert werden. Weist die Betriebskostenabrechnung einen anderen als den im Mietvertrag vereinbarten Umlageschlüssel aus, liegt ein inhaltlicher Mangel der Abrechnung vor. Nach Ablauf der Abrechnungsfrist ist der Mieter vor einer Berichtigung zu seinen Lasten durch § 556 Abs. 3 S. 3 BGB geschützt, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten.
Normenkette
BGB § 556 Abs. 3 Sätze 2-3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Potsdam v. 18.3.2004 aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG Potsdam v. 17.7.2003 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 218,53 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 28.3.2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Vermieter, die Beklagte Mieterin einer Eigentumswohnung in T. Nach § 4 Nr. 2 des Mietvertrages v. 18.12.1996 sollen die Betriebskosten, die von der Beklagten gesondert zu zahlen sind, auf der Basis der Miteigentumsanteile errechnet und umgelegt werden. Im Jahre 2002 erstellte die Hausverwaltung des Klägers die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2001. Als Umlageschlüssel wurde das Verhältnis der Wohnfläche der Mietsache zur Gesamtfläche des Hauses verwendet. Dabei ergab sich eine Nachforderung ggü. der Beklagten von 218,53 EUR. Auf den Widerspruch der Beklagten erstellte die Hausverwaltung eine neue Betriebskostenabrechnung, in der als Umlageschlüssel die Miteigentumsanteile zu Grunde gelegt wurden. Mit Schreiben v. 6.2.2003 erhielt die Beklagte die geänderte Abrechnung, die mit einer Nachforderung von 227,97 EUR endete.
Der Kläger hat die Nachforderung von 218,53 EUR geltend gemacht. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er die Nachforderung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:
Der Kläger sei mit seiner Nachforderung für das Jahr 2001 gem. § 556 Abs. 3 S. 3 BGB i.V.m. Art. 229 § 3 Abs. 9 EGBGB ausgeschlossen, weil er die in § 556 Abs. 3 BGB angeordnete einjährige Abrechnungsfrist versäumt habe. Zwar könne eine vor Fristablauf erfolgte formell ordnungsgemäße, in Umfang und Inhalt an § 259 BGB orientierte, aber an inhaltlichen Mängeln leidende Abrechnung in gewissen Grenzen nach Fristablauf nachgebessert werden. Das ursprüngliche Rechenwerk müsse jedoch wenigstens den Mindestanforderungen einer ordnungsgemäßen Abrechnung genügen. Daran fehle es hier, so dass eine auf die spätere Änderung gestützte Nachforderung ausscheide. Die Nichtverwendung des vertraglich vereinbarten Umlageschlüssels stelle einen schwer wiegenden strukturellen Mangel der Abrechnung dar mit der Folge, dass die Erklärung des Vermieters nicht mehr als Abrechnung qualifiziert werden könne und eine Behebung des Fehlers mit rechtswahrender Wirkung nach Fristablauf ausgeschlossen sei.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat gem. § 4 Nr. 2 des Mietvertrags Anspruch auf Zahlung weiterer Betriebskosten für das Jahr 2001i.H.v. 218,53 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Nach § 556 Abs. 3 S. 1 BGB ist über die Vorauszahlungen für Betriebskosten jährlich abzurechnen. Die Abrechnung ist dem Mieter gem. § 556 Abs. 3 S. 2 BGB, der in der seit dem 1.9.2001 geltenden Fassung auf den am 31.12.2001 endenden Abrechnungszeitraum Anwendung findet (arg. Art. 229 § 3 Abs. 9 EGBGB), spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Dieser Verpflichtung ist der Kläger mit der der Beklagten noch im Jahr 2002 übermittelten Abrechnung, die für das Jahr 2001 mit einem Betrag von 218,53 EUR endete, nachgekommen. Die Abrechnung war formell ordnungsgemäß und deshalb entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zur Wahrung der Abrechnungsfrist genügend.
1. Für die Einhaltung der Abrechnungsfrist kommt es nach einhelliger Ansicht auf die materielle Richtigkeit der Abrechnung nicht an. Die Frist wird mit einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung gewahrt, inhaltliche Fehler können auch nach Fristablauf korrigiert werden (Gies, NZM 2002, 514 [515]; Langenberg, WuM 2001, 523 [527]; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 BGB Rz. 465; Weitemeyer in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 556 Rz. 66; Ehlert in Bamberger/Roth, BGB, § 556 Rz. 38; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 556 Rz. 11; Staudinger/Weitemeyer, BGB, 2003, § 556 Rz. 108). Die Gefahr, dass der Vermieter durch sog. Alibi-Abrechnungen kurz vor Fristablauf, die er später untermauert, die gesetzliche Regelung unterlaufen könnte (Sternel, ZMR 2001, 937 [939]), besteht dadurch nicht. Denn formell ordnungsgemäß ist eine Betriebskostenabrechnung nur, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind, sind in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen: Eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zu Grunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters (BGH, Urt. v. 17.11.2004 - VIII ZR 115/04, unter II 1a; Urt. v. 27.11.2002 - VIII ZR 108/02, MDR 2003, 382 = BGHReport 2003, 267 = NJW-RR 2003, 442, unter III 1; v. 23.11.1981 - VIII ZR 298/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 573, unter I 2a aa). Diesen Anforderungen wurde die Abrechnung des Klägers in vollem Umfang gerecht.
2. Sie war allerdings insofern fehlerhaft, als der verwendete und angegebene Verteilungsschlüssel "Wohn-/Nutzfläche" nicht der Vereinbarung im Mietvertrag v. 18.12.1996 entsprach, nach der die Umlegung weitestgehend nach Miteigentumsanteilen erfolgen sollte. Nach einer im Schrifttum (Langenberg, WuM 2003, 670 [673]; Tonner, jurisPK-BGB, 2. Aufl., § 556 Rz. 86) vertretenen Auffassung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, stellt die Abweichung von dem vertraglich vereinbarten Umlageschlüssel einen formellen Mangel der Betriebskostenabrechnung dar, der zu deren Unwirksamkeit führt. Die Erklärung des Vermieters könne nicht mehr als Abrechnung qualifiziert werden, wenn ein anderer als der vertraglich vereinbarte Umlageschlüssel verwendet worden sei, die Behebung des Fehlers mit rechtswahrender Wirkung nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB sei deshalb ausgeschlossen.
Diese Ansicht teilt der Senat nicht. Weist die Abrechnung - wie hier - den tatsächlich verwendeten Umlageschlüssel aus, handelt es sich um eine formell ordnungsgemäße Abrechnung, die alle Anforderungen des § 259 BGB erfüllt. Sie verliert ihren Charakter und ihre Funktion als Rechnungslegung nicht dadurch, dass die aufgeführten Betriebskostenarten anders umgelegt werden, als dies im Mietvertrag vereinbart ist, also der Sache nach falsch zugeordnet werden. Dieser Fehler stellt vielmehr einen inhaltlichen Mangel der Abrechnung dar (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 8. Aufl., Rz. 3247; OLG Düsseldorf, GE 2003, 879; LG Hamburg, WuM 1998, 727).
Der Zweck des § 556 Abs. 3 BGB gebietet es nicht, die Abrechnung in einem solchen Fall als formell unwirksam anzusehen. Die Abrechnungsfrist und der durch § 556 Abs. 3 S. 3 BGB angeordnete Ausschluss von Nachforderungen nach Fristablauf dienen der Abrechnungssicherheit und sollen Streit vermeiden (BT-Drucks. 14/4553, 37). Sie gewährleisten eine zeitnahe Abrechnung, damit der Mieter in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abrechnungszeitraum entweder über ein sich bei der Abrechnung zu seinen Gunsten ergebendes Guthaben verfügen kann oder Gewissheit darüber erlangt, ob und in welcher Höhe er mit einer Nachforderung des Vermieters rechnen muss. Dieses Ziel wird nicht allein deshalb verfehlt, weil der in der Abrechnung verwendete und angegebene Umlageschlüssel nicht mit dem vertraglich vereinbarten übereinstimmt. Die Abrechnung soll den Mieter in die Lage versetzen, den Anspruch des Vermieters nachzuprüfen, also gedanklich und rechnerisch nachzuvollziehen. Für einen durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter, auf dessen Verständnis es insoweit ankommt (BGH, Urt. v. 27.11.2002 - VIII ZR 108/02, MDR 2003, 382 = BGHReport 2003, 267 = NJW-RR 2003, 442, unter III 2; v. 23.11.1981 - VIII ZR 298/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 573, v. 23.11.1981 - VIII ZR 298/80, MDR 1982, 483 = NJW 1982, 573), ist bei einer derartigen Kontrolle der Abrechnung klar erkennbar, dass diese im Hinblick auf den verwendeten Umlageschlüssel einen inhaltlichen Fehler aufweist und insoweit der Korrektur bedarf. Er kann zwar - anders als etwa bei bloßen Rechenfehlern innerhalb der Abrechnung - möglicherweise den tatsächlich geschuldeten Betrag nicht selbst berechnen, weil er die dafür maßgeblichen Bezugsdaten - wie beispielsweise hier die jeweiligen Miteigentumsanteile - nicht kennt. Er ist jedoch in der Lage, vom Vermieter gezielt eine Neuberechnung auf der Grundlage des vertraglich vereinbarten Umlageschlüssels zu verlangen, wie dies die Beklagte vorliegend getan hat. Innerhalb der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB kann die gebotene inhaltliche Korrektur zu seinen Lasten ausfallen, nicht anders, als wenn die fehlerhafte Abrechnung insgesamt als (formell) unwirksam qualifiziert würde. Nach Ablauf der Abrechnungsfrist ist der Mieter vor einer Berichtigung zu seinen Lasten durch § 556 Abs. 3 S. 3 BGB weitgehend geschützt (s. dazu unten unter 2).
3. Der Kläger ist deshalb mit seinem Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten nicht schon grundsätzlich wegen Fehlens einer wirksamen Abrechnung vor Ablauf der gem. § 556 Abs. 3 S. 2 BGB am 31.12.2002 endenden Abrechnungsfrist ausgeschlossen. Dass sich bei einer vertragsgemäßen Umlage nach Miteigentumsanteilen materiell eine Nachforderung in der aus der korrigierten Abrechnung zu entnehmenden Höhe von 227,97 EUR ergibt, hat die Beklagte nicht in Zweifel gezogen. Der Kläger kann diese Nachforderung allerdings nur noch geltend machen, soweit die Betriebskosten nach Grund und Höhe vor dem 31.12.2002 abgerechnet worden sind. Das war hier lediglich mit einem Betrag von 218,53 EUR der Fall, den der Kläger auch nur begehrt.
III.
Auf die Revision des Klägers ist daher das Berufungsurteil aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach Letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist der Klage i.H.v. 218,53 EUR stattzugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 1317229 |
WuM 2005, 200 |
WuM 2005, 448 |
Info M 2005, 135 |
IWR 2005, 66 |