Verfahrensgang

OLG Hamm (Entscheidung vom 20.08.1984)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. August 1984 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die Anschlußrevision des Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Berufungsurteil in Absatz 2 des Urteilsausspruchs wie folgt gefaßt wird:

Der Beklagte wird verurteilt, ab 20. Juni 1984 an die Klägerin eine monatlich im voraus fällige Unterhaltsrente von 900 DM zu zahlen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.

Ihre im Jahre 1937 geschlossene Ehe wurde durch - seit 1. Februar 1962 rechtskräftiges - Urteil auf die Widerklage des Beklagten gemäß § 44 EheG a.F. ohne Schuldausspruch geschieden.

Am 12. Oktober 1962 erwirkte die Klägerin ein Urteil des Amtsgerichts, durch das der Beklagte antragsgemäß verurteilt wurde, ihr ab 14. Mai 1962 über freiwillig gezahlte 170 DM hinaus weitere 80 DM Unterhalt (jeweils monatlich) zu zahlen. Die Berufung des Beklagten gegen diese Entscheidung wurde durch Urteil des Landgerichts vom 26. Juli 1963 zurückgewiesen. Das Landgericht führte aus, die einkommens- und vermögenslose Klägerin habe nach § 61 Abs. 2 i.V. mit § 44 EheG einen echten Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten, so daß dieser für ihren Lebensbedarf in vollem Umfang aufkommen müsse. Ausgehend davon, daß einer geschiedenen Ehefrau, die einen echten Unterhaltsanspruch habe, eine Quote von 1/3 bis 2/5 des anrechenbaren Einkommens des geschiedenen Ehemannes zustehe, sei der von der Klägerin beanspruchte monatliche Unterhalt, der etwas mehr als 1/3 des anrechenbaren Einkommens des Beklagten betrage, angemessen und für den Beklagten tragbar. Dessen standesgemäße Lebenshaltung werde bei dem ihm verbleibenden Einkommen nicht gefährdet.

In der Folgezeit verklagte die Klägerin den Beklagten zweimal erfolglos auf Zahlung einer höheren Unterhaltsrente. Die erste Klage vom 19. Juli 1974 wurde durch Urteil vom 31. März 1976 abgewiesen, weil die Prozeßfähigkeit der Klägerin zweifelhaft geblieben war. Ihre weitere Klage vom 26. September 1977, mit der die Klägerin für die Zeit von August 1974 bis September 1977 einen Unterhaltsrückstand von 7.500 DM und ab 1. Oktober 1977 eine monatliche Unterhaltsrente von insgesamt 700 DM geltend machte, wurde durch Urteil des Amtsgerichts vom 23. November 1978 abgewiesen, weil sie prozeßunfähig sei. Ihr Antrag auf Bewilligung des Armenrechts für eine Berufung gegen dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht mit Beschluß vom 25. Februar 1980 zurückgewiesen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin mit ihrer zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärten Klage vom 8. Dezember 1980 für die Zeit von August 1974 bis November 1980 einen Unterhaltsrückstand von 10.432 DM und ab Dezember 1980 über freiwillig gezahlte 653 DM hinaus weitere 447 DM Unterhalt (jeweils monatlich) begehrt. Nachdem für die Klägerin schließlich Pflegschaft angeordnet, ein Pfleger bestellt und Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, hat sie im Verhandlungstermin vom 14. November 1983 den Antrag aus der Klageschrift "mit der Maßgabe" gestellt, daß das Urteil des Amtsgerichts vom 12. Oktober 1962 entsprechend abgeändert werde. Das Amtsgericht hat dem teilweise entsprochen und das Urteil vom 12. Oktober 1962 dahin abgeändert, daß der Beklagte an die Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 1978 bis 30. November 1980 einen Unterhaltsrückstand von 1.848 DM sowie - "abzüglich freiwillig erbrachter Zahlungen" - vom 1. Dezember 1980 bis 31. Dezember 1981 eine monatliche Unterhaltsrente von 750 DM und ab 1. Januar 1982 von 900 DM zu zahlen habe. Auf die Berufung des Beklagten, mit der dieser die Abweisung der Klage erstrebt hat, hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil teilweise abgeändert. Unter Abweisung der weitergehenden Klage und Zurückweisung der weitergehenden Berufung hat es das Urteil vom 12. Oktober 1962 dahin abgeändert, daß der Beklagte ab 20. Juni 1984 an die Klägerin eine monatliche Unterhaltsrente von 900 DM zu zahlen habe, wobei diese Unterhaltsverpflichtung bis einschließlich August 1984 durch Zahlung erfüllt sei. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin (zugelassene) Revision eingelegt, mit der sie die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils und die vollständige Zurückweisung der Berufung erstrebt. Der Beklagte hat Anschlußrevision eingelegt, mit der er sein auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, soweit das Oberlandesgericht auf die Berufung des Beklagten die Klage für die Zeit vom 1. Dezember 1978 bis 19. Juni 1984 abgewiesen hat. Die Anschlußrevision hat in der Sache keinen Erfolg, nur ist das Urteil aus prozessualen Gründen anders zu fassen.

1.

Der Bestand des angefochtenen Urteils wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß das Amtsgericht einen Titel über den Gesamtbetrag des der Klägerin zustehenden Unterhalts geschaffen hat, obwohl die Klägerin mit ihrem Abänderungsbegehren im ersten Rechtszug nur eine Titulierung des über den freiwillig bezahlten Sockelbetrag von 153 DM monatlich hinausgehenden Spitzenbetrages erstrebt hat. Der darin liegende Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO ist dadurch geheilt worden, daß die Klägerin im Berufungsverfahren die Zurückweisung der gegnerischen Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil beantragt, sich den Urteilsausspruch des Amtsgerichts damit zu eigen gemacht und ihr Klagebegehren entsprechend erweitert hat (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 1981 - IVb ZR 513/80 - FamRZ 1981, 944, 945 m.w.N.). Danach hat das Oberlandesgericht insoweit zu Recht keine Veranlassung zur Teilaufhebung des amtsgerichtlichen Urteils gesehen, sondern ist bei seiner Entscheidung von einem entsprechend erweiterten Klageantrag ausgegangen.

2.

Das Oberlandesgericht hat - ebenso wie das Amtsgericht - die Klage als Abänderungsklage für zulässig erachtet. Es hat ausgeführt, soweit die Klägerin die Abänderung des Urteils vom 12. Oktober 1962 für die Zeit vor der Zustellung der Klage begehre, stehe dem jedoch die Regelung des § 323 Abs. 3 ZPO entgegen. Die Klage sei hier erst während des Berufungsverfahrens am 20. Juni 1984 zugestellt worden. Zuvor sei auch keine Heilung des Zustellungsmangels eingetreten, weil der Beklagte das Fehlen der Zustellung ausdrücklich gerügt habe. Damit sei die Abänderung des früheren Titels erst ab 20. Juni 1984 zulässig.

Der Auffassung des Oberlandesgerichts über die Zulässigkeit der Klage kann nicht gefolgt werden. Wie der Senat - nach Erlaß des Berufungsurteils - mit Urteil vom 30. Januar 1985 (IVb ZR 67/83 - FamRZ 1985, 371) dargelegt hat, entscheidet ein Urteil, das, wie das vom 12. Oktober 1962, eine Unterhaltsrente über einen freiwillig bezahlten Betrag hinaus zuspricht, über eine Teilklage und stellt den Unterhaltsanspruch nur in Höhe des titulierten Teiles, nicht dagegen im Umfang der freiwilligen Zahlung fest. Will der Unterhaltsgläubiger in einem solchen Fall den Anspruch auf den freiwillig geleisteten Teil der Unterhaltsrente titulieren lassen, so muß er ihn im Wege der Leistungs-(Nachforderungs-)Klage geltend machen; eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO ist insoweit nicht gegeben. Ebensowenig ist Raum für eine Abänderung nach § 323 ZPO, wenn der Unterhaltsgläubiger mehr Unterhalt will als die Summe des nicht titulierten Sockelbetrages und des titulierten Spitzenbetrages (a.a.O. S. 373).

Hiernach kann die Klägerin ihr Begehren nicht mit der Abänderungsklage, sondern nur im Wege der (selbständigen) Leistungsklage geltend machen. In eine solche Klage läßt sich ihr Begehren indessen umdeuten. Insoweit können die Grundsätze herangezogen werden, nach denen der Senat im Urteil vom 1. Juni 1982 (IVb ZR 365/81 - FamRZ 1983, 892, 893 f.) in einem vergleichbaren Fall, in dem das Unterhaltsbegehren gleichfalls nicht im Wege der Abänderungsklage, sondern nur durch Leistungsklage durchgesetzt werden konnte, das Abänderungsbegehren in eine Leistungsklage umgedeutet hat. Die Klägerin erstrebt die Titulierung ihres Unterhaltsanspruchs und ist dabei im Wege der Klage nach § 323 ZPO vorgegangen, weil sie im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens zu der Auffassung gelangt ist, daß das der prozessual richtige Weg zur Durchsetzung ihres Begehrens sei. Aus diesem Grunde hat sie ihre ursprünglich verfolgte Leistungsklage im Verhandlungstermin vom 14. November 1983 gegen den Widerstand des Beklagten, aber vom Amtsgericht als sachdienlich erachtet, in eine Klage nach § 323 ZPO geändert. Daß die Klägerin ihr Unterhaltsbegehren weiterhin im Wege der Leistungsklage verfolgt hätte, wenn sie diese als das prozessual allein zulässige Mittel erkannt hätte, steht unter diesen Umständen außer Zweifel. Auch werden die bisher vorgebrachten klagebegründenden Tatsachen der Verfolgung des Unterhaltsbegehrens im Wege der Leistungsklage gerecht (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 63/83 - FamRZ 1985, 376, 377 f.). So hat der Klagevortrag nicht nur die derzeitigen Einkommens- und Lebensverhältnisse der Parteien zum Gegenstand; vielmehr betrifft er ebenfalls die Verhältnisse während der zurückliegenden Zeit, auf die sich das Unterhaltsbegehren ebenfalls erstreckt. Schließlich stehen der Umdeutung keine schutzwürdigen Interessen des Beklagten entgegen. Dieser ist der Klage bereits vor ihrer Änderung in eine Klage nach § 323 ZPO im einzelnen sachlich entgegengetreten und hat, nachdem das Amtsgericht - entgegen § 323 Abs. 3 ZPO - auch für die zurückliegende Zeit sachlich über die Klage entschieden hatte, im zweiten Rechtszug zu dem Unterhaltsbegehren der Klägerin gleichfalls umfassend Stellung genommen. Im übrigen ist der Rechtsstreit, wie noch darzulegen sein wird (s. unten 4.), insoweit, als das Unterhaltsbegehren die Zeit vor dem 20. Juni 1984 betrifft, an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, so daß dem Beklagten insoweit die Möglichkeit weiteren Sachvortrages erhalten bleibt. Was die Zeit ab 20. Juni 1984 betrifft, ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte dem im Wege der Leistungsklage verfolgten Unterhaltsbegehren der Klägerin noch mit weiterem Vorbringen als bisher entgegentreten könnte.

3.

In materiellrechtlicher Hinsicht hat das Berufungsurteil Bestand, soweit das Oberlandesgericht den Beklagten ab 20. Juni 1984 zu Unterhaltsleistungen von 900 DM monatlich verurteilt hat. Die dagegen gerichtete Anschlußrevision bleibt ohne Erfolg.

a)

Insoweit hat das Berufungsgericht ausgeführt, da das (Renten-)Einkommen der Klägerin bis 30. Juni 1983 nur monatlich 202,60 DM und danach monatlich 211,90 DM betrage, stehe ihr ein Ergänzungsunterhaltsanspruch gemäß § 61 Abs. 2 EheG zu. Dieser sei nach dem Einkommen des Beklagten zu bemessen, da die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien allein durch das Einkommen des Beklagten geprägt gewesen seien.

Dieser Ausgangspunkt, der für die Beurteilung des Unterhaltsbegehrens im Rahmen der Leistungsklage uneingeschränkt Gültigkeit hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b)

Weiter hat das Berufungsgericht das monatliche Nettoeinkommen des Beklagten, bestehend aus Pensionsbezügen samt anteiligem Weihnachtsgeld und Renteneinkommen, für Juni 1984 mit 2.865,61 DM und ab 1. Juli 1984 mit 2.861,26 DM festgestellt und ist unter Abzug der vom Beklagten geltend gemachten Sonderaufwendungen für die Beschäftigung einer Zugehfrau in Höhe von 300 DM und 80 DM Eigenanteil an Arzt- und Arzneimittelkosten zu einem anzurechnenden monatlichen Einkommen des Beklagten von 2.485,61 DM für den erstgenannten Zeitraum und von 2.481,26 DM für die Zeit ab 1. Juli 1984 gelangt. Auch das läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten erkennen.

c)

Das Oberlandesgericht hat ferner dargelegt, daß der von der Klägerin im Berufungsrechtszug weiterverfolgte monatliche Unterhaltsanspruch von 900 DM sich im Rahmen der Bemessungsgrundlagen halte, die dem Urteil vom 12. Oktober 1962 zugrunde lägen. Im übrigen entspreche dieser Anteil an dem anrechenbaren Einkommen des Beklagten auch den Erfordernissen, die aus heutiger Sicht an eine "Erstbeurteilung" nach § 61 Abs. 2 EheG zu stellen seien. Er sei "auch unter Berücksichtigung der an die Klägerin gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente deren billiger Unterhaltsanspruch im Sinne von § 61 Abs. 2 EheG, zumal dieser Unterhaltsbetrag zuzüglich der Rente der Klägerin nicht den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmenden Unterhaltsbedarf der Klägerin" erreiche. Dem Beklagten verbleibe selbst nach Absetzung der Ausgaben für die Zugehfrau und des Eigenanteils an Arzt- und Arzneikosten immer noch ein Betrag, der eine Gefährdung seiner standesgemäßen Lebenshaltung nicht befürchten lasse.

Damit hat das Berufungsgericht das Unterhaltsbegehren der Klägerin auch unabhängig von den Bemessungsgrundlagen der früheren Unterhaltsentscheidung beurteilt. Gegen seine Unterhaltsbemessung ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Auch die Anschlußrevision führt insoweit keine näheren Angriffe.

4.

Soweit die Klage die Zeit vor dem 20. Juni 1984 betrifft, hat das Oberlandesgericht das Unterhaltsbegehren sachlich nicht geprüft, sondern die Klage wegen der zeitlichen Beschränkung nach § 323 Abs. 3 ZPO abgewiesen. Auf diese Regelung kommt es wegen der Umdeutung der Klage in eine Leistungsklage nicht mehr an, vielmehr ist insoweit die materielle Rechtslage maßgebend. Damit kann das von der Revision angegriffene Urteil nicht bestehen bleiben, soweit die Klage - über den Ausspruch des amtsgerichtlichen Urteils hinaus - abgewiesen worden ist. In diesem Umfang ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Damit erhalten die Parteien auch Gelegenheit, ihren Sachvortrag gegebenenfalls dahin zu ergänzen, inwieweit die sich aus § 64 EheG ergebende materiell-rechtliche zeitliche Beschränkung im vorliegenden Fall eingreift.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018857

NJW-RR 1986, 1260 (Volltext mit red. LS)

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