Leitsatz (amtlich)
§ 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO ist nicht auf einen Versicherungsfall anzuwenden, der sich vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung (1. März 1999) ereignet hat.
Normenkette
BNotO § 19a
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 07.08.2001) |
LG München I |
Tenor
Auf die Revisionen beider Parteien wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. August 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten als Haftpflichtversicherer eines Notars Zahlung von 368.852,92 DM nebst Zinsen.
Die Klägerin hat den Notar wegen einer Amtspflichtverletzung bei der Abwicklung eines von ihm am 17. Januar 1994 beurkundeten Grundstückskaufvertrages auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Durch ein rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil ist er verurteilt worden, an die Klägerin 480.000 DM nebst Zinsen zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche auf Darlehensrückzahlung gegen den Käufer und Übertragung von Grundschulden. Die Klägerin hat die Ansprüche des Notars aus seiner bei der Beklagten aufgrund gesetzlicher Verpflichtung unterhaltenen Berufshaftpflichtversicherung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Gegenüber dem Notar ist die Beklagte nach § 6 Nr. 1 i.V. mit § 5 Nr. 2 der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVB) von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil er seine Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalles verletzt hat.
Die Beklagte beruft sich auf den – an sich auch gegenüber der Klägerin durchgreifenden – Leistungsausschluß der Schadenstiftung durch wissentliche Pflichtverletzung des Notars nach § 4 Nr. 5 AVB und auf Verjährung. Die Klägerin meint, auf eine wissentliche Pflichtverletzung komme es nicht an. Nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO könne der Berufshaftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten den Ausschlußgrund der wissentlichen Pflichtverletzung nicht geltend machen, sondern sei auf den Regreß gegen den Vertrauensschadenversicherer verwiesen. Diese Vorschrift sei zwar erst am 1. März 1999 in Kraft getreten, aber rückwirkend anzuwenden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Parteien führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht sieht Verfahrensfehler des Landgerichts darin, daß es ein Geständnis der Klägerin nicht beachtet und außerdem gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen habe. Die Klägerin habe in erster Instanz zugestanden, der Notar habe bei Auszahlung des Treuhandbetrages von 480.000 DM am 17. Februar 1994 gewußt, daß die Treuhandauflage, nämlich die Eintragung einer Auflassungsvormerkung, noch nicht erfüllt gewesen sei. Außerdem habe das Landgericht aufgrund der Zeugenaussage des Notars nicht annehmen dürfen, ein bewußter Verstoß gegen die Treuhandauflage sei nicht bewiesen. Da es hierfür auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen abgestellt habe, hätten die erkennenden Richter den Zeugen selbst vernehmen und sich nicht auf das Vernehmungsprotokoll des beauftragten Richters stützen dürfen, der nicht einmal an dem Urteil mitgewirkt habe.
II. Dagegen wenden sich beide Parteien zu Recht mit der Verfahrensrüge aus § 539 ZPO a.F.. Die vom Berufungsgericht angenommenen Verfahrensfehler waren bei zutreffender rechtlicher Würdigung nicht entscheidungserheblich. Auf die Frage der wissentlichen Pflichtverletzung kommt es zwar an, aber aus anderen tatsächlichen Gründen, als das Berufungsgericht, das Landgericht und die Parteien bisher gemeint haben.
1. Gegen eine aufhebende und zurückverweisende (kassatorische) Entscheidung des Berufungsgerichts kann mit der Revision nur geltend gemacht werden, daß die ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung gegen das Gesetz verstößt. Dabei kann eine Rüge zu § 539 ZPO a.F. zulässigerweise auch so lauten, daß die nach dieser Vorschrift ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung verfahrensfehlerhaft sei, weil das Berufungsgericht bei korrekter Anwendung des materiellen Rechts selbst in der Sache hätte entscheiden müssen, mithin für ein Vorgehen nach § 539 ZPO a.F. mangels Entscheidungserheblichkeit des angenommenen Verfahrensverstoßes kein Raum bestanden habe (BGH, Beschluß vom 18. Februar 1997 – XI ZR 317/95 – NJW 1997, 1710 f.). Ein Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts, der sich auf das Ergebnis der Entscheidung rechtlich nicht ausgewirkt hat, rechtfertigt keine Zurückverweisung der Sache gemäß § 539 ZPO a.F.. Das Berufungsgericht muß die rechtliche Relevanz des Verfahrensfehlers im Rahmen seiner Sachentscheidungskompetenz nach § 537 ZPO a.F. umfassend prüfen. Die Richtigkeit dieser materiell-rechtlichen Prüfung als Voraussetzung seiner kassatorischen Entscheidung ist revisibel (BGH, Urteil vom 9. Mai 1996 – VII ZR 259/94 – NJW 1996, 2155 unter III 1 m.w.N.).
2. Beide Parteien rügen im Ergebnis zu Recht, daß es nach dem Sach- und Streitstand am Schluß der mündlichen Verhandlung auf die vom Berufungsgericht angenommenen Verfahrensfehler bei zutreffender materiell-rechtlicher Beurteilung nicht ankam und daß das Berufungsgericht deshalb in der Sache selbst hätte entscheiden müssen. Zwar ist der von den Parteien jeweils vertretene materiell-rechtliche Standpunkt nicht richtig (dazu unten III.). Die Klägerin meint, die Neufassung des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO gelte auch für den vor ihrem Inkrafttreten eingetretenen Haftpflicht- und Versicherungsfall, so daß die Beklagte sich nicht auf den Risikoausschluß der wissentlichen Pflichtverletzung berufen könne. Die Beklagte meint, der Anspruch sei verjährt. Das ändert aber nichts daran, daß die Verfahrensrügen in zulässiger Weise erhoben worden sind und der Senat nach der oben zitierten Rechtsprechung ohne Bindung an die unzutreffenden Rechtsansichten der Parteien selbst zu prüfen hat, ob die vom Berufungsgericht angenommenen Verfahrensfehler bei zutreffender materiell-rechtlicher Beurteilung entscheidungserheblich waren.
a) Das Berufungsgericht hat die Frage der Bindungswirkung des Haftpflichturteils rechtsfehlerhaft offengelassen. Das Haftpflichturteil entfaltet Bindungswirkung zudem nicht nur, wie das Berufungsgericht meint, zur Schadenshöhe, sondern auch zum Haftungsgrund. Das Haftpflichturteil konkretisiert den schadenverursachenden Pflichtverstoß des Versicherungsnehmers, hier des Notars. Nur ein im Haftpflichtprozeß festgestellter Pflichtverstoß kann die Grundlage für den Risikoausschluß der wissentlichen Pflichtverletzung (hier nach § 4 Nr. 5 AVB) bilden; auf eine andere schadenverursachende Pflichtwidrigkeit kann der Versicherer sich im Deckungsprozeß nicht berufen (Senatsurteil vom 20. Juni 2001 – IV ZR 101/00 – VersR 2001, 1103 unter II m.w.N.; zuletzt Senatsurteil vom 17. Juli 2002 – IV ZR 268/01 – NJW-RR 2002, 1539 unter II und III).
b) Bisher ist rechtsfehlerhaft nicht beachtet worden, daß nur der dem Versäumnisurteil gegen den Notar zugrunde liegende Pflichtverstoß die Grundlage für den Risikoausschluß nach § 4 Nr. 5 AVB bilden kann. Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Landgericht und die Beklagte in zweiter Instanz angenommen, die Amtspflichtverletzung des Notars liege darin, daß er am 17. oder 18. Februar 1994 über das Treuhandgeld verfügt habe, ohne daß eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers eingetragen war. Da das Versäumnisurteil keine Entscheidungsgründe enthält und damit keine Feststellungen zum Pflichtverstoß getroffen hat, muß auf die Klageschrift zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 21. Februar 1963 – II ZR 71/61 – VersR 1963, 421 unter I). In der Klageschrift vom 14. Juli 1997 hatte die Klägerin dem Notar nicht vorgeworfen, sich dadurch pflichtwidrig verhalten zu haben, daß er am 17. oder 18. Februar 1994 über die Gelder verfügt hatte, obwohl noch keine Auflassungsvormerkung eingetragen gewesen war. Im Kern hat die Klägerin dem Notar damals (wie auch heute) als schadensursächliche Pflichtverletzung vorgeworfen, nicht dafür gesorgt zu haben, daß die Grundschulden am alleinigen Wohnungseigentum des Käufers bestellt worden sind, was bei einer Teilungserklärung nach § 3 WEG der Fall gewesen wäre, sondern daß es wegen der Teilung nach § 8 WEG dazu gekommen sei, daß die Grundschulden am Bruchteilseigentum am Gesamtgrundstück bestellt worden sind. Zwar wird in der Klageschrift auf Seite 12 im letzten Absatz und auf Seite 13 im letzten Absatz auch auf den Widerruf des Treuhandauftrags mit Schreiben vom 22. Februar 1994 hingewiesen. Es wird aber nicht behauptet, daß der Notar erst nach Zugang des Widerrufs über das Treuhandgeld verfügt habe. Der Zeitpunkt der Verfügung war damit im Haftpflichtprozeß offengeblieben. Im vorliegenden Deckungsprozeß ist nach der Beweiserhebung in erster Instanz, insbesondere nach der Vorlage von Unterlagen, unstreitig, daß der Notar die Treuhandgelder schon am 17. oder 18. Februar 1994 überwiesen hat. Damit wirft die Beklagte dem Notar jedenfalls nicht mehr als Pflichtverletzung vor, über das Treuhandgeld nach Kenntnis des Widerrufs vom 22. Februar 1994 verfügt zu haben.
Die Beklagte hat in den Vorinstanzen die Ansicht vertreten, sie sei an das Versäumnisurteil nicht gebunden, weil die Klägerin ihre Verpflichtung nach § 158d Abs. 2 VVG, die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen, mit der Rechtsfolge des § 158e Abs. 1 Satz 1 VVG verletzt habe. Richtig daran ist, daß die Klägerin der Beklagten die Erhebung der Klage gegen den Notar nicht unverzüglich angezeigt hat. Dennoch ist die Beklagte an das Versäumnisurteil gebunden, weil ihr durch den Anwalt der Klägerin mit Schreiben vom 12. November 1997 und schon Ende Oktober 1997 durch die Notarkammer mitgeteilt worden war, daß gegen den Notar am 29. September 1997 ein Versäumnisurteil ergangen sei. Tatsächlich ist das nach §§ 331 Abs. 3, 310 Abs. 3 ZPO erlassene Versäumnisurteil erst durch die Zustellung an den Notar am 28. Mai 1998 existent geworden (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1996 – VIII ZR 108/95 – VersR 1997, 130 unter II). Mit Ablauf des 18. Juni 1998 wurde es rechtskräftig. Die Beklagte hatte damit rechtzeitig von der Erhebung der Haftpflichtklage Kenntnis und hätte aufgrund ihrer Vollmacht nach § 5 Nr. 3 c AVB den Prozeß für ihren Versicherungsnehmer weiterführen können (vgl. dazu BGHZ 101, 276, 282 ff.). Deshalb muß die Beklagte das gegen ihren Versicherungsnehmer ergangene rechtskräftige Versäumnisurteil für sich als verbindlich anerkennen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1956 – II ZR 137/55 – VersR 1956, 707 f.; BGH, Urteil vom 19. Februar 1959 – II ZR 171/57 – VersR 1959, 256 unter 2 bis 4).
c) Die Beklagte hat bisher nicht vorgetragen, welchen im Haftpflichtprozeß festgestellten objektiven Pflichtverstoß der Notar wissentlich begangen haben soll. Es liegt damit kein rechtlich erheblicher und damit geständnisfähiger Tatsachenvortrag für den Leistungsausschluß nach § 4 Nr. 5 AVB vor. Da der Prozeß in den Vorinstanzen schon vom rechtlichen Ansatz her fehlerhaft geführt worden ist, ist beiden Parteien durch eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, zur Pflichtverletzung ergänzend vorzutragen. Abschließende Feststellungen zur Bindungswirkung kann der Senat nicht treffen, weil die Akten des Haftpflichtprozesses in den Vorinstanzen nicht beigezogen worden sind und deshalb nicht auszuschließen ist, daß es neben der Klageschrift weiteren Vortrag der Klägerin im Haftpflichtprozeß zu Pflichtverstößen des Notars gibt.
III. Der Senat kann nicht aus anderen Gründen abschließend entscheiden.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es der Beklagten nicht verwehrt, sich auf den Leistungsausschluß nach § 4 Nr. 5 AVB zu berufen. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO hier nicht anzuwenden ist. Die Bestimmung ist durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 (BGBl. I 2585) in die Bundesnotarordnung eingefügt worden und am 1. März 1999 in Kraft getreten. Sie entfaltet keine Rückwirkung.
Schuldverhältnisse sind in der Regel dem Recht der Entstehungszeit unterworfen, wie sich schon aus Art. 170 EGBGB ergibt „Für ein Schuldverhältnis, das vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs entstanden ist, bleiben die bisherigen Gesetze maßgebend.”; vgl. auch Art. 232 § 1 EGBGB; BGHZ 44, 192 ff.; BGH, Urteil vom 3. November 1970 – VI ZR 76/69 – VersR 1971, 180 f.; BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 – I ZR 27/95 – NJW-RR 1997, 1393 unter II 1; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. Einl. vor § 241 Rdn. 19 m.w.N.). Der Haftpflichtfall und der Versicherungsfall sind hier lange vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung eingetreten. Der Versicherungsvertrag endete 1997 mit dem Ausscheiden des Notars aus dem Amt. Gegen eine Anwendung der Neuregelung auf vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung verwirklichte Haftpflicht- und Versicherungsfälle spricht die Regelung über das Inkrafttreten in Art. 14 des Änderungsgesetzes vom 31. August 1998. Danach trat das Gesetz am Tage nach der Verkündung (7. September 1998) in Kraft mit Ausnahme von einer Regelung, die das Notariat in den neuen Bundesländern betrifft, und von den Änderungen bei der Haftpflichtversicherung für Amtspflichtverletzungen von Notaren in § 19a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und § 67 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 1 BNotO. Das Hinausschieben des Inkrafttretens dieser Bestimmungen macht deutlich, daß sie keinesfalls auf Sachverhalte anwendbar sein sollen, die sich vor dem Inkrafttreten ereignet haben. Insbesondere spricht dagegen die Verdoppelung der Mindestversicherungssumme auf 1 Mio. DM in § 19a Abs. 3 Satz 1 BNotO. Die Anwendung dieser Bestimmung auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte hätte dann zur Folge gehabt, daß Notare nach § 50 Abs. 1 Nr. 10 BNotO ihres Amtes zu entheben gewesen wären, wenn die von ihnen unterhaltene Pflichthaftpflichtversicherung unter der neuen Mindestversicherungssumme gelegen hätte.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Klage nicht wegen Verjährung des Anspruchs auf Deckungsschutz abgewiesen werden. Auch insoweit ist dem Berufungsgericht zuzustimmen.
a) Die Revision verkennt nicht, daß in einer Pflichtversicherung gemäß §§ 158b VVG bei einem gestörten Versicherungsverhältnis dem Geschädigten die Verjährung des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers in analoger Anwendung von § 158c Abs. 1 VVG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegengehalten werden kann, vielmehr für den zugunsten des Geschädigten fingierten Deckungsanspruch ein eigener Verjährungsbeginn maßgeblich ist (Urteile vom 20. Januar 1971 – IV ZR 1134/68 – VersR 1971, 333 f. = NJW 1971, 657; vom 21. Januar 1976 – IV ZR 123/74 – VersR 1976, 477 unter III 4; vom 27. November 1968 – IV ZR 501/68 – VersR 1969, 127 unter II und III; vom 15. Februar 1968 – II ZR 101/65 – VersR 1968, 361 unter III; vom 23. September 1965 – II ZR 144/63 – VersR 1965, 1167 unter III, insoweit in BGHZ 44, 166 nicht abgedruckt). Daran hält der Senat fest. Der Revision ist nicht darin zuzustimmen, das Schutzbedürfnis des Geschädigten sei im Hinblick auf das Senatsurteil vom 15. November 2000 (IV ZR 223/99 – VersR 2001, 90) nicht mehr gegeben, weil er die Verjährung des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers durch eine Feststellungsklage unterbrechen könne. Der Senat hat in jenem Urteil zwar ausgesprochen, in der Haftpflichtversicherung könne auch der Geschädigte ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung haben, daß der Versicherer dem Schädiger, d.h. im Regelfall dem Versicherungsnehmer, Deckungsschutz zu gewähren habe. Dort ging es allerdings – anders als hier – weder um eine Pflichtversicherung noch um ein gestörtes Versicherungsverhältnis und damit auch nicht um einen zugunsten des Geschädigten fingierten Deckungsanspruch. Vielmehr wurde darüber gestritten, ob der Versicherungsnehmer selbst einen (originären) Anspruch auf Deckungsschutz hat. Bei einer erfolgreichen Feststellungsklage ist in einem solchen Fall zugunsten des Geschädigten im Verhältnis zum Prozeßgegner, dem Haftpflichtversicherer, rechtskräftig festgestellt, daß ein solcher Anspruch besteht (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1953 – IV ZR 241/52 – LM Nr. 4 zu § 325 ZPO). Ob die Klage auch die Verjährung unterbricht, ist dann unerheblich und vom Senat im Urteil vom 15. November 2000 (aaO) auch nicht entschieden worden. Bei einem gestörten Versicherungsverhältnis in der Pflichthaftpflichtversicherung ist die Konstellation jedoch anders. Wenn es feststeht, daß der Versicherer wegen Obliegenheitsverletzung – hier nach § 6 Nr. 1 i.V. mit § 5 Nr. 2 AVB – von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, hilft dem Geschädigten eine auf die Leistungspflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer gerichtete Klage nicht weiter, weil sie unschlüssig und ohne weiteres kostenpflichtig abzuweisen wäre. Ein derart sinnloses Vorgehen ist dem Geschädigten nicht zuzumuten.
Unterschriften
Terno, Seiffert, Wendt, Dr. Kessal-Wulf, Felsch
Fundstellen
Haufe-Index 928722 |
BGHR 2003, 840 |
NJW-RR 2003, 1572 |
Nachschlagewerk BGH |
ZfIR 2003, 438 |
MDR 2003, 839 |
VersR 2003, 635 |
ZNotP 2003, 353 |