Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Einziehungsbeteiligten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2019 wird im noch verbliebenen Umfang verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat gegen die Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.730.044 € angeordnet. Die beiden Angeklagten hat es unter Freispruch im Übrigen wegen mehrerer Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit Urteil vom 30. März 2021 (BGHSt 66, 83) hat der Senat die Revisionen der Angeklagten verworfen. Die Entscheidung über die Revision der Einziehungsbeteiligten gegen die angeordnete Einziehung des Wertes des aus Tat 1 der Urteilsgründe Erlangten in Höhe von 690.699 € sowie über die Kosten ihres Rechtsmittels hat er vorbehalten und ihre weitergehende Revision ebenfalls verworfen. Er hat die anderen Strafsenate des Bundesgerichtshofs zu der für die verbleibende Entscheidung bedeutsamen verfahrensrechtlichen Problematik angefragt, ob das Tatgericht die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen kann, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt, und es in einem solchen Fall keines Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 f. StPO bedarf. Nachdem der Große Senat für Strafsachen die Rechtsfrage mit Beschluss vom 23. Mai 2023 (GSSt 1/23, NStZ 2024, 161) bejaht hat, bleibt über die Revision der Einziehungsbeteiligten in dem vorbehaltenen Umfang zu befinden. Das Rechtsmittel ist auch insoweit unbegründet.
I.
Rz. 2
Das Landgericht hat zu der hier noch bedeutsamen Tat 1 folgende Feststellungen getroffen:
Rz. 3
Die Einziehungsbeteiligte stellt in Deutschland Waffen her. Im Juni 2005 schloss sie einen Kaufvertrag über 2.020 Sturmgewehre mit der zentralen Beschaffungsstelle der mexikanischen Regierung. Obwohl die Käuferseite den Vertrag storniert hatte, veranlasste ein für die Einziehungsbeteiligte tätiger Teamleiter mit Wissen und Wollen des inzwischen rechtskräftig Verurteilten im Januar 2006, beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle eine Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz zur Ausfuhr der Gewehre nach Mexiko zu beantragen. Der zuständige Sachbearbeiter des Amts erteilte die Genehmigung im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben zum beabsichtigten Endverbleib und die Wirksamkeit der zur Glaubhaftmachung vorgelegten, gezielt erstellten Erklärung, in der als Ziele der Lieferungen - anders als in einer früheren Erklärung - nur noch vom Auswärtigen Amt nicht als problematisch eingestufte mexikanische Bundesstaaten genannt waren. Im Folgenden wurden neue Verträge geschlossen und dazu andere Endverbleibserklärungen abgegeben, die durchgängig keine konkreten Bundesstaaten bezeichneten. Darüber ließ der Teamleiter die deutschen Behörden in Unkenntnis, weil sie einen Export nach Mexiko mit nur unbestimmt angegebenem Endverbleib nicht genehmigen würden. Die Einziehungsbeteiligte exportierte die Waffen auf Grundlage der erschlichenen Genehmigung in vier Teillieferungen nach Mexiko im Zusammenwirken mit dem für sie als Vertriebsleiter tätigen Verurteilten, der die Ausfuhren deckte und bewusst pflichtwidrig nicht einschritt. In zwei Lieferungen wurden im Mai 2006 insgesamt 1.000 Gewehre ausgeführt, von denen 928 in zwei mexikanische Bundesstaaten gelangten, die das Auswärtige Amt als problematisch einstufte. Die Einziehungsbeteiligte erzielte aus dem Verkauf dieser Waffen einen Nettoumsatzerlös von 690.699 €.
Rz. 4
Das Landgericht hat das Verfahren gegen den Verurteilten, soweit es die beiden vorgenannten Lieferungen betrifft, im Urteil wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. Gegen die Einziehungsbeteiligte hat es in Höhe des Umsatzerlöses die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.
II.
Rz. 5
Die Revision ist im verbliebenen Umfang unbegründet.
Rz. 6
1. Für die vom Landgericht getroffene Einziehungsentscheidung fehlt es nicht an einer Verfahrensvoraussetzung. Das Gericht kann die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt; in einem solchen Fall bedarf es nicht des Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 f. StPO (s. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 23. Mai 2023 - GSSt 1/23, NStZ 2024, 161). So liegt es hier.
Rz. 7
Soweit die Einziehungsbeteiligte nunmehr vorgebracht hat, der Grundsatz des fairen Verfahrens sei mangels Hinweises des Landgerichts auf eine Einziehung im subjektiven Verfahren verletzt, kann dies bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil eine Beanstandung mit dieser Zielrichtung nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden ist. Unabhängig davon hat das Landgericht in dem Beschluss, durch den es die Revisionsführerin als Einziehungsbeteiligte am Verfahren beteiligt hat, auf die Möglichkeit der Einziehung des Wertes von Taterträgen hingewiesen. Zudem bestand - nach der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Gesetzeslage - eine gefestigte Rechtsprechung, wonach in den Fällen der Verjährung und des Freispruchs eine selbständige Anordnung der Einziehung im subjektiven Verfahren in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Mai 2023 - GSSt 1/23, NZWiSt 2024, 59 Rn. 34 ff. mwN).
Rz. 8
2. Die Voraussetzungen für die Einziehung des Wertes von Taterträgen bei der Einziehungsbeteiligten nach § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 73c Satz 1, § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB sind gegeben.
Rz. 9
Diese Vorschriften in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) sind gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB auch rückwirkend bei Entscheidungen über die Einziehung des Tatertrages oder dessen Wertes wegen einer Tat anwendbar, die vor dem 1. Juli 2017 begangen wurde. Dies ist mit den im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar, auch soweit § 76a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 2 sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 in Fällen für anwendbar erklärt werden, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung eingetreten war (s. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 - 2 BvL 8/19, BVerfGE 156, 354 Rn. 102).
Rz. 10
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen handelte der Verurteilte für die Einziehungsbeteiligte, die durch die Ausfuhr von Gütern aufgrund erschlichener Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz den Erlös von 690.699 € erzielte. Dieser kann nicht mehr gegenständlich eingezogen werden (vgl. dazu vertiefend bereits BGH, Urteil vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, BGHSt 66, 83 Rn. 56 ff.). Dass der Einziehungsbeteiligten ein entsprechender Betrag tatsächlich zufloss, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil. Bereits zu Beginn der Feststellungen zum Sachverhalt ist dargelegt, dass die Einziehungsbeteiligte aus den gesamten Kleinwaffengeschäften mit Mexiko in den Jahren 2006 bis 2011 Umsatzerlöse von 10.853.029 € erzielte, davon 3.730.044 € netto aus dem Verkauf von Waffen und Zubehörteilen aus den - vor dem Landgericht - verfahrensgegenständlichen Taten. Von diesem Erlös sind im Folgenden im Rahmen einer tabellarischen Aufstellung 690.699 € den hier in Rede stehenden Ausfuhren im Mai 2006 zugeordnet worden. Dementsprechend hat das Landgericht in der Begründung der Einziehungsentscheidung darauf zurückgegriffen, dass die Einziehungsbeteiligte durch die Taten die jeweiligen Umsatzerlöse (netto) aus dem Verkauf der Waffen und Zubehörteile erlangte. Unter den hier gegebenen Umständen ist es dabei nicht verpflichtet gewesen, die Zahlungsmodalitäten im Einzelnen darzustellen.
Rz. 11
Der Ahndung der vom Verurteilten begangenen Ausfuhr der hier noch zu beurteilenden Güter aufgrund erschlichener Genehmigung (§ 18 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 9 AWG in der Fassung vom 6. Juni 2013, § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 8 AWG in der zur Tatzeit geltenden Fassung, § 13 Abs. 1 StGB; s. auch BGH, Urteil vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, NZWiSt 2022, 34 Rn. 18, 48 f.) steht die Strafverfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB entgegen. Ebenso wenig wie in Bezug auf die bereits rechtskräftig angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen hat es hinsichtlich des hier in Rede stehenden Betrages für das Landgericht Anlass gegeben, einen Ausschluss der Einziehung nach § 73e Abs. 2 StGB zu erörtern oder von dem einzuziehenden Betrag Aufwendungen im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB abzuziehen (vgl. näher BGH, Urteil vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, BGHSt 66, 83 Rn. 61 ff.).
Rz. 12
3. Da die Revision der Einziehungsbeteiligten insgesamt erfolglos geblieben ist, hat diese die Kosten ihres gesamten Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer |
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Paul |
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Anstötz |
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Erbguth |
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Kreicker |
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Fundstellen
Haufe-Index 16256675 |
AW-Prax 2024, 112 |
NStZ-RR 2024, 287 |