Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. März 2022 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 310,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2020 und gegen die Feststellung, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 17. Dezember 2020 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2012 im Tarif a H (7 ) in Höhe von 20,89 €, im Tarif s H (7 ) in Höhe von 29,40 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag (BTZ) in Höhe von 4,98 € gezahlt hat, wendet.
Im Übrigen wird auf die Rechtsmittel der Beklagten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. März 2022 teilweise aufgehoben sowie das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 8. Juli 2021 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken- und Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … bis zum 31. Dezember 2017 unwirksam sind:
a) im Tarif a H (7 ) die Erhöhung zum 1. Januar 2012 in Höhe von 20,89 €;
b) für den gesetzlichen Beitragszuschlag (BTZ) die Erhöhung zum 1. Januar 2012 in Höhe von 4,98 €;
c) im Tarif s H (7 ) die Erhöhung zum 1. Januar 2012 in Höhe von 29,40 €.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 310,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2020 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 17. Dezember 2020 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die genannten Beitragserhöhungen gezahlt hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger.
Die Kosten des Berufungsrechtsstreits tragen der Kläger zu 96 % und die Beklagte zu 4 % aus einem Streitwert von bis 7.000 €.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 93 % und die Beklagte zu 7 %.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 5.000 €
festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in einer privaten Krankenversicherung.
Rz. 2
Der Kläger hält eine Krankenversicherung bei der Beklagten. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (im Folgenden: AVB) zugrunde, die folgende Regelung enthalten:
"§ 8b Beitragsanpassung
Teil I
(1) Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt die Gegenüberstellung zu den Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eines Tarifes eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. Bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. Ergibt die Gegenüberstellung zu den Sterbewahrscheinlichkeiten für eine Beobachtungseinheit eines Tarifes eine Abweichung von mehr als 5 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]
(2) Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.
[…]"
Rz. 3
Die Beklagte teilte dem Kläger unter anderem folgende Beitragserhöhungen mit:
- zum 1. Januar 2012 im Tarif a H (7 ) um 20,89 €, im Tarif s H (7 ) um 29,40 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag (BTZ) um 4,98 €
- zum 1. Januar 2013 im Tarif 7 um 11,51 €, im Tarif 7 um 7,67 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 1,88 €
- zum 1. Januar 2016 im Tarif 7 um 35,23 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 3,49 €
- zum 1. Januar 2017 im Tarif 7 um 26,29 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 2,56 €
- zum 1. Januar 2020 im Tarif 7 um 49,23 €
Rz. 4
Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung der auf die genannten sowie weitere Erhöhungen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 13.458,87 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, herauszugeben und zu verzinsen hat. Außerdem hat er die Feststellung beantragt, dass die Beitragserhöhungen unwirksam sind.
Rz. 5
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 2.132,22 € nebst Zinsen seit dem 18. Dezember 2020 verurteilt. Weiter hat es festgestellt, dass die Beitragserhöhungen im Tarif 7 und für den gesetzlichen Beitragszuschlag zum 1. Januar 2013 sowie im Tarif 7 zum 1. Januar 2020 unwirksam und die übrigen Beitragserhöhungen bis zum 31. Dezember 2017 unwirksam sind. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie vom 1. Januar 2017 bis zum 17. Dezember 2020 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die genannten Beitragserhöhungen gezahlt hat. Mit der Berufung hat die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung mit Ausnahme der Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2012 weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die selbständige Anschlussberufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg gehabt.
Rz. 6
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung wie in der Berufungsinstanz weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat überwiegend Erfolg.
Rz. 8
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Prämienerhöhungen im Tarif 7 zum 1. Januar 2016, 1. Januar 2017 und 1. Januar 2020, in den Tarifen 7 und 7 zum 1. Januar 2013 sowie für die diesbezüglichen gesetzlichen Beitragszuschläge unwirksam seien. Da die Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen bei diesen Beitragsanpassungen über 5 %, aber unter dem gesetzlichen Schwellenwert von 10 % liege, wären diese nur dann wirksam, wenn sie auf der Grundlage von § 8b AVB wirksam hätten erfolgen können. Die Regelung sei unwirksam. Nach dem eindeutigen Wortlaut werde dem Versicherer die Möglichkeit eingeräumt, auch im Falle einer nur vorübergehenden Veränderung der Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" eine Beitragsanpassung vorzunehmen. Dies widerspreche der gesetzlichen Regelung. Unabhängig davon räume § 8b Abs. 1 AVB dem Versicherer ein Ermessen in Bezug auf die Überprüfung und Anpassung der Beiträge ein, was der geltenden gesetzlichen Regelung widerspreche und die Vertragspartner der Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteilige. Aus der Unwirksamkeit dieser Erhöhungen sowie jener zum 1. Januar 2012 folge die Verpflichtung zur Rückzahlung von Beiträgen in Höhe von 2.132,22 € nebst Zinsen sowie zur Herausgabe der hieraus im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 17. Dezember 2020 gezogenen Nutzungen.
Rz. 9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 10
1. Die Revision ist allerdings wegen Fehlens der nach § 551 Abs. 1 ZPO erforderlichen Begründung gemäß § 552 ZPO insoweit unzulässig, als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung und gegen die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen richtet, die auf der - ihrerseits von der Revision nicht umfassten - Feststellung der formellen Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2012 im Tarif 7, 7 und für den gesetzlichen Beitragszuschlag beruhen. Die Beklagte hat dagegen in ihrer Revisionsbegründung keine Angriffe vorgebracht. Dies betrifft den Rückzahlungsanspruch für die Prämienanteile, die der Kläger auf die Erhöhungen zum 1. Januar 2012 im Tarif 7 und für den gesetzlichen Beitragszuschlag in der Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 in Höhe von 310,44 € (12 Monate x (20,89 € + 4,98 €)) gezahlt hat. Zwar ist darüber hinaus auch die Beitragserhöhung im Tarif 7 zum 1. Januar 2012 rechtskräftig für unwirksam erklärt worden, aber das Landgericht hat dem Kläger aus dieser Erhöhung keinen Rückzahlungsanspruch zugesprochen.
Rz. 11
2. Im Übrigen ist die Revision begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die genannten Prämienerhöhungen mit der Begründung für unwirksam gehalten, dass es für diese an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.
Rz. 12
a) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 22. Juni 2022 (IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die - insoweit den hier zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen vergleichbaren - Regelungen in § 8b MB/KK 2009 zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK 2009, der inhaltlich § 8b Teil I Abs. 2 AVB entspricht, unwirksam (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 31 f.), aber dies lässt die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 - und ebenso von § 8b Teil 2 Abs. 1 AVB - unberührt (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 33 ff.).
Rz. 13
b) Auch § 8b Teil I Abs. 1 Satz 4 AVB weicht nicht entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung in § 203 Abs. 2 VVG ab. § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG erlaubt die Festsetzung eines zusätzlichen Schwellenwertes - neben der gesetzlichen 10 % - Grenze - in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, bei dessen Überschreitung durch den Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen der Versicherer zu einer Prämienanpassung berechtigt, aber noch nicht verpflichtet wird (vgl. auch OLG Karlsruhe VersR 2023, 768 [juris Rn. 66]; OLG Dresden VersR 2023, 717 [juris Rn. 14]; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21. November 2022 - 1 U 55/22, juris Rn. 5; OLG Hamburg VersR 2022, 565 [juris Rn. 110]; Haase-Uhländer in Bach/Moser, PKV 6. Aufl. § 8b MB/KK Rn. 39; Muschner in Langheid/Rixecker, VVG 7. Aufl. § 203 Rn. 23a; Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 203 Rn. 12; MünchKomm-VVG/Boetius, 2. Aufl. § 203 Rn. 808; BeckOK-VAG/Franz/Frey, § 155 Rn. 48 [Stand: 1. Juni 2023]; a.A. OLG Köln, Urteil vom 4. März 2022 - 20 U 106/21, juris Rn. 46; Klimke in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch Private Krankenversicherung § 31 Rn. 97; BeckOK-VVG/Gramse, § 203 Rn. 23a [Stand: 1. Mai 2023]; Brand in Brand/Baroch Castellvi, VAG § 155 Rn. 26).
Rz. 14
aa) § 203 Abs. 2 VVG berechtigt den Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage zur Neufestsetzung der Prämie und verweist dafür in Satz 4 auf § 155 VAG in Verbindung mit der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV). § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG legt dazu den gesetzlichen Schwellenwert von 10 % fest, bei dessen Überschreitung durch eine Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen der Versicherer alle Prämien des betreffenden Tarifs zu überprüfen und bei einer nicht nur vorübergehenden Abweichung anzupassen hat. Der Wortlaut der Vorschrift lässt dabei noch unterschiedliche Deutungen zu, da er dem Versicherer die Möglichkeit eröffnet, in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einen geringeren Prozentsatz als 10 % vorzusehen, ohne eindeutig festzulegen, ob dieser den gesetzlichen Schwellenwert - mit der damit verbundenen Verpflichtung zur Prämienanpassung - ersetzen muss oder auch neben diesen treten darf.
Rz. 15
bb) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG jedoch als Öffnungsklausel wirken, die den Versicherer berechtigt, bereits unterhalb der Schwelle zur zwingenden Prämienanpassung eine Überprüfung und Neukalkulation der Prämien vorzunehmen, ohne ihn insoweit zu verpflichten. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass die Versicherungsunternehmen - zur Vermeidung großer Prämiensprünge - in den Versicherungsbedingungen einen geringeren Schwellenwert mit der Maßgabe festlegen können, dass sie berechtigt sind, bereits beim Überschreiten dieses geringeren Wertes die Prämien zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen (vgl. BT-Drucks. 12/6959, S. 62 zur Vorgängerregelung in § 12b VAG a.F.). Der Gesetzgeber wollte damit das zuvor in den Prämienanpassungsklauseln geregelte und als bewährt angesehene Verfahren im Kern beibehalten (vgl. aaO). Dieses frühere Verfahren sah aber in den - aufsichtsrechtlich genehmigten - Tarifbedingungen bereits vor, dass alle Tarifbeiträge überprüft und ggf. angepasst werden müssen, wenn die Gegenüberstellung von erforderlichen und kalkulierten Versicherungsleistungen eine Veränderung von mehr als 10 % ergibt, während diese bei einer Änderung von mehr als 5 % (nur) angepasst werden können (vgl. § 8c Abs. 1 Tarifbedingungen 1976, zitiert nach MünchKomm-VVG/Boetius, 2. Aufl. § 203 Rn. 754).
Rz. 16
cc) Dieses Verständnis der gesetzlichen Regelung entspricht auch den versicherungsaufsichtsrechtlichen Normen im Übrigen. So geht § 17 Abs. 1 Satz 2 KVAV ebenfalls von der Möglichkeit aus, dass der in den Versicherungsbedingungen festgelegte Prozentsatz überschritten, jedoch von einer Neukalkulation abgesehen wird.
Rz. 17
c) Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen. Unangemessen ist die Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (Senatsurteil vom 26. Januar 2022 - IV ZR 144/21, BGHZ 232, 344 Rn. 43). So liegt es hier nicht.
Rz. 18
Die Klausel erlaubt unter den dort genannten Voraussetzungen eine Anpassung der Prämien, d.h. sowohl eine Erhöhung als auch eine Senkung, ohne den Versicherer insoweit dazu zu verpflichten. Dieses Prämienanpassungsrecht des Versicherers soll aber vorrangig die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge gewährleisten (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 44; vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323, 326 [juris Rn. 8]). In diesem Sinne dient die Berechtigung zur Prämienanpassung nicht der Durchsetzung eigener Interessen des Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers, sondern auch den Belangen der Versichertengemeinschaft. Die Berechtigung zur Vornahme von Prämienanpassungen bereits unterhalb der gesetzlichen Höchstschwelle für die Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen soll gerade zu stetigen Anpassungen führen, um große Prämiensprünge zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 12/6959, S. 62).
Rz. 19
Die Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln in anderen Vertragstypen (vgl. BGH, Urteile vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 39 ff.; vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 18 ff.) ist hier nicht übertragbar. Die Klausel sieht kein einseitiges Recht des Versicherers vor, Kostensteigerungen oder Zinsentwicklungen "nach billigem Ermessen" an den Versicherungsnehmer weiterzugeben. Das Prämienanpassungsrecht des Versicherers und die Erteilung der Zustimmung durch den Treuhänder unterliegen nicht dem weiten Maßstab des billigen Ermessens, sondern den durch die genannten Rechtsvorschriften geregelten, ins Einzelne gehenden engen und verbindlichen Vorgaben (Senatsurteil vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323, 328 [juris Rn. 13]). § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 VAG und ergänzende Prämienanpassungsklauseln wie die hier zugrundeliegenden beschränken die Möglichkeit des Versicherers, für ihn ungünstige Veränderungen der Rechnungsgrundlagen nach § 2 KVAV durch Prämienanpassungen auszugleichen. Nur bei zwei dieser Rechnungsgrundlagen - den Versicherungsleistungen und den Sterbewahrscheinlichkeiten - kann eine Abweichung der tatsächlichen von den kalkulierten Werten zum auslösenden Faktor einer Prämienanpassung werden, da der Gesetzgeber Veränderungen der weiteren Rechnungsgrundlagen, bei denen seiner Ansicht nach Veränderungen im Wesentlichen auf einer Unternehmensentscheidung beruhen, nicht zum Anlass einer Neukalkulation werden lassen wollte (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 113). Erst wenn es - ausgelöst durch einen dieser Faktoren - überhaupt zu einer Neukalkulation kommt, werden dabei alle Rechnungsgrundlagen berücksichtigt. Nach dem aufsichtsrechtlich geregelten Prämienanpassungsverfahren führen daher Kostensteigerungen auch nicht unmittelbar zu Prämiensteigerungen oder Kostensenkungen zu Prämiensenkungen. Eine Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen nach oben oder unten kann bei der Neukalkulation anhand aller Rechnungsgrundlagen jeweils zu einer Anpassung der Prämie nach oben oder unten führen (vgl. Muschner in Langheid/Rixecker, VVG 7. Aufl. § 203 Rn. 23b; HK-VVG/Marko, 4. Aufl. § 203 Rn. 7). Die dem Versicherer durch die Klausel eröffnete Möglichkeit, bereits früher ein Prämienanpassungsverfahren durchzuführen, ist daher in beide Richtungen offen.
Rz. 20
3. Die demnach materiell wirksamen Beitragserhöhungen sind auch formell wirksam. Nach den von der Revision zu Recht nicht angegriffenen landgerichtlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht aufrechterhalten hat, erfüllen die Mitteilungen zu den Erhöhungen zum 1. Januar 2013 und 1. Januar 2020 die nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden Anforderungen. Auf dieser Grundlage kann der Senat selbst die Feststellung treffen, dass die Erhöhungen zum 1. Januar 2016 und 1. Januar 2017 ebenfalls formell wirksam sind, da die dazu erfolgten Mitteilungen - bis auf den angegebenen Prozentsatz - wortgleich mit der Mitteilung zur Erhöhung vom 1. Januar 2013 sind. Die Schreiben enthalten jeweils die Begründung, dass die Gegenüberstellung der erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 5 % und nicht mehr als 10 % bzw. von mehr als 10 % ergab. Weitere Feststellungen sind daher nicht zu erwarten.
Rz. 21
III. Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15862639 |