Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 29.04.2022; Aktenzeichen 20 U 264/21) |
LG Bonn (Entscheidung vom 10.11.2021; Aktenzeichen 41 O 73/21) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 29. April 2022 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 374,76 € (31,23 € x 12) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2020 und gegen die Feststellung wendet, dass die Neufestsetzung der Prämie im Tarif S H (7 ) zum 1. Januar 2012 in der Zeit bis zum 1. Januar 2018 unwirksam ist und der Kläger insoweit nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet war sowie die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 22. Dezember 2020 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf diese Beitragserhöhung ab dem 1. Januar 2017 gezahlt hat.
Im Übrigen wird auf die Revision der Beklagten das vorgenannte Urteil des Oberlandesgerichts - auch im Kostenpunkt - aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 4.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in einer privaten Krankenversicherung.
Rz. 2
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen "Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskostenversicherung" (im Folgenden: AVB) zugrunde, die folgende Regelung enthalten:
"§ 30 Unter welchen Voraussetzungen können Beitrag, Selbstbeteiligung und ein vereinbarter Risikozuschlag angepasst werden?
(1) Voraussetzungen
Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich unsere Leistungen z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleichen wir zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt die Gegenüberstellung zu den Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eines Tarifes eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit von uns überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. Bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit von uns überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. Ergibt die Gegenüberstellung zu den Sterbewahrscheinlichkeiten für eine Beobachtungseinheit eines Tarifes eine Abweichung von mehr als 5 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit von uns überprüft und mit Zustimmung des Treuhänders angepasst.
[…]
(2) Absehen von der Beitragsanpassung
Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch uns und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.
[…]"
Rz. 3
Die Beklagte teilte unter anderem folgende Beitragserhöhungen mit:
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zum 1. Januar 2012 im Tarif A H (7 ) um 18,67 €, im Tarif S H (7 ) um 31,23 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 4,99 € |
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zum 1. Januar 2013 im Tarif 7 um 13,31 €, im Tarif Z B (7 ) um 9,15 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 2,24 € |
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zum 1. Januar 2017 im Tarif 7 um 39,40 € und für den gesetzlichen Beitragszuschlag um 3,94 € |
Rz. 4
Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen entfallenden Prämienanteile nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, herauszugeben und zu verzinsen hat. Außerdem hat er die Feststellung beantragt, dass die Neufestsetzungen der Prämien unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.
Rz. 5
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 3.038,77 € nebst Zinsen seit dem 23. Dezember 2020 verurteilt. Weiter hat es festgestellt, dass die Neufestsetzungen der Prämien in folgenden Zeiträumen unwirksam sind und der Kläger insoweit nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war: die Erhöhungen zum 1. Januar 2012 im Tarif 7 bis zum 1. Januar 2020, im Tarif 7 bis zum 1. Januar 2018 und für den gesetzlichen Beitragszuschlag bis zum 1. Februar 2017; die Erhöhungen zum 1. Januar 2013 im Tarif 7 bis zum 1. Januar 2018, im Tarif 7 bis zum 1. September 2020 und für den gesetzlichen Beitragszuschlag bis zum 1. Februar 2017; die Erhöhung zum 1. Januar 2017 im Tarif 7 bis zum 1. Januar 2020. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 22. Dezember 2020 aus den auf die Beitragserhöhungen in der Zeit ab dem 1. Januar 2017 gezahlten Prämienanteilen gezogen hat. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des landgerichtlichen Urteils um die Feststellung ergänzt worden ist, die Erhöhung des gesetzlichen Beitragszuschlags zum 1. Januar 2017 sei bis zum 1. Februar 2017 unwirksam und der Kläger insoweit nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet.
Rz. 6
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 8
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Erhöhungen im Tarif 7 zum 1. Januar 2012, in den Tarifen 7 und 7 zum 1. Januar 2013 und im Tarif 7 zum 1. Januar 2017 unwirksam gewesen seien, weil ihnen keine wirksame Rechtsgrundlage zugrunde liege. Die Regelung in § 30 AVB entspreche in weiten Teilen § 8b MB/KK 2009, der unwirksam sei. Außerdem scheitere die Wirksamkeit auch an § 30 Abs. 1 Satz 4 AVB, der dem Versicherer ein Ermessen in Bezug auf die Überprüfung und Anpassung der Beiträge einräume. Das widerspreche der geltenden gesetzlichen Regelung und benachteilige die Vertragspartner der Beklagten unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Da mangels der Voraussetzungen einer Befugnis zu einer Anpassung diese Prämienerhöhungen materiell-rechtlich unwirksam seien, könne offenbleiben, ob die Mitteilungsschreiben den formellen Voraussetzungen genüge. Die Erhöhung der Prämie im Tarif 7 zum 1. Januar 2012 sei dagegen aus formellen Gründen unwirksam. Da die gesetzlichen Beitragszuschläge allein auf der Anpassung des Beitrags beruhten, sei zu Recht auch die Unwirksamkeit der Beitragszuschläge festgestellt worden, die den als unwirksam festgestellten Beitragserhöhungen korrespondierten.
Rz. 9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
Rz. 10
1. Die Revision ist allerdings wegen Fehlens der nach § 551 Abs. 1 ZPO erforderlichen Begründung gemäß § 552 ZPO insoweit unzulässig, als sie sich gegen die Feststellung der formellen Unwirksamkeit der Beitragserhöhung im Tarif 7 zum 1. Januar 2012 bis zum 1. Januar 2018 und die fehlende Pflicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages sowie gegen die auf dieser Prämienerhöhung beruhende Verurteilung zur Rückzahlung von 374,76 € und die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen aus den auf diese Erhöhung gezahlten Prämienanteilen richtet. Die Beklagte hat dagegen in ihrer Revisionsbegründung keine Angriffe vorgebracht.
Rz. 11
2. Im Übrigen ist die Revision begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen die Prämienerhöhungen im Tarif 7 zum 1. Januar 2012, in den Tarifen 7 und 7 zum 1. Januar 2013 und im Tarif 7 zum 1. Januar 2017 - und die damit zusammenhängenden gesetzlichen Beitragszuschläge - mit der Begründung für unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhungen an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.
Rz. 12
a) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 22. Juni 2022 (IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die - insoweit den hier zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen vergleichbaren - Regelungen in § 8b MB/KK 2009 zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK 2009, der inhaltlich § 30 Abs. 2 AVB entspricht, unwirksam (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 31 f.), aber dies lässt die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 - und ebenso von § 30 Abs. 1 AVB - unberührt (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 33 ff.).
Rz. 13
b) Auch § 30 Abs. 1 Satz 4 AVB weicht nicht entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung in § 203 Abs. 2 VVG ab. § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG erlaubt die Festsetzung eines zusätzlichen Schwellenwerts - neben der gesetzlichen 10 % - Grenze - in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, bei dessen Überschreitung durch den Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen der Versicherer zu einer Prämienanpassung berechtigt, aber noch nicht verpflichtet wird (vgl. auch OLG Karlsruhe VersR 2023, 768 [juris Rn. 66]; OLG Dresden VersR 2023, 717 [juris Rn. 14]; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21. November 2022 - 1 U 55/22, juris Rn. 5; OLG Hamburg VersR 2022, 565 [juris Rn. 110]; Haase-Uhländer in Bach/Moser, PKV 6. Aufl. § 8b MB/KK Rn. 39; Muschner in Langheid/Rixecker, VVG 7. Aufl. § 203 Rn. 23a; Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 203 Rn. 12; MünchKomm-VVG/Boetius, 2. Aufl. § 203 Rn. 808; BeckOK-VAG/Franz/Frey, § 155 Rn. 48 [Stand: 1. Juni 2023]; a.A. OLG Köln, Urteil vom 4. März 2022 - 20 U 106/21, juris Rn. 46; Klimke in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch Private Krankenversicherung § 31 Rn. 97; BeckOK-VVG/Gramse, § 203 Rn. 23a [Stand: 1. Mai 2023]; Brand in Brand/Baroch Castellvi, VAG § 155 Rn. 26).
Rz. 14
aa) § 203 Abs. 2 VVG berechtigt den Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage zur Neufestsetzung der Prämie und verweist dafür in Satz 4 auf § 155 VAG in Verbindung mit der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV). § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG legt dazu den gesetzlichen Schwellenwert von 10 % fest, bei dessen Überschreitung durch eine Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen der Versicherer alle Prämien des betreffenden Tarifs zu überprüfen und bei einer nicht nur vorübergehenden Abweichung anzupassen hat. Der Wortlaut der Vorschrift lässt dabei noch unterschiedliche Deutungen zu, da er dem Versicherer die Möglichkeit eröffnet, in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einen geringeren Prozentsatz als 10 % vorzusehen, ohne eindeutig festzulegen, ob dieser den gesetzlichen Schwellenwert - mit der damit verbundenen Verpflichtung zur Prämienanpassung - ersetzen muss oder auch neben diesen treten darf.
Rz. 15
bb) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG jedoch als Öffnungsklausel wirken, die den Versicherer berechtigt, bereits unterhalb der Schwelle zur zwingenden Prämienanpassung eine Überprüfung und Neukalkulation der Prämien vorzunehmen, ohne ihn insoweit zu verpflichten. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass die Versicherungsunternehmen - zur Vermeidung großer Prämiensprünge - in den Versicherungsbedingungen einen geringeren Schwellenwert mit der Maßgabe festlegen können, dass sie berechtigt sind, bereits beim Überschreiten dieses geringeren Wertes die Prämien zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen (vgl. BT-Drucks. 12/6959, S. 62 zur Vorgängerregelung in § 12b VAG a.F.). Der Gesetzgeber wollte damit das zuvor in den Prämienanpassungsklauseln geregelte und als bewährt angesehene Verfahren im Kern beibehalten (vgl. aaO). Dieses frühere Verfahren sah aber in den - aufsichtsrechtlich genehmigten - Tarifbedingungen bereits vor, dass alle Tarifbeiträge überprüft und ggf. angepasst werden müssen, wenn die Gegenüberstellung von erforderlichen und kalkulierten Versicherungsleistungen eine Veränderung von mehr als 10 % ergibt, während diese bei einer Änderung von mehr als 5 % (nur) angepasst werden können (vgl. § 8c Abs. 1 Tarifbedingungen 1976, zitiert nach MünchKomm-VVG/Boetius, 2. Aufl. § 203 Rn. 754).
Rz. 16
cc) Dieses Verständnis der gesetzlichen Regelung entspricht auch den versicherungsaufsichtsrechtlichen Normen im Übrigen. So geht § 17 Abs. 1 Satz 2 KVAV ebenfalls von der Möglichkeit aus, dass der in den Versicherungsbedingungen festgelegte Prozentsatz überschritten, jedoch von einer Neukalkulation abgesehen wird.
Rz. 17
c) Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen. Unangemessen ist die Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (Senatsurteil vom 26. Januar 2022 - IV ZR 144/21, BGHZ 232, 344 Rn. 43). So liegt es hier nicht.
Rz. 18
Die Klausel erlaubt unter den dort genannten Voraussetzungen eine Anpassung der Prämien, d.h. sowohl eine Erhöhung als auch eine Senkung, ohne den Versicherer insoweit dazu zu verpflichten. Dieses Prämienanpassungsrecht des Versicherers soll aber vorrangig die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge gewährleisten (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 44; vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323, 326 [juris Rn. 8]). In diesem Sinne dient die Berechtigung zur Prämienanpassung nicht der Durchsetzung eigener Interessen des Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers, sondern auch den Belangen der Versichertengemeinschaft. Die Berechtigung zur Vornahme von Prämienanpassungen bereits unterhalb der gesetzlichen Höchstschwelle für die Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen soll gerade zu stetigen Anpassungen führen, um große Prämiensprünge zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 12/6959, S. 62).
Rz. 19
Die Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln in anderen Vertragstypen (vgl. BGH, Urteile vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 39 ff.; vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 18 ff.) ist hier nicht übertragbar. Die Klausel sieht kein einseitiges Recht des Versicherers vor, Kostensteigerungen oder Zinsentwicklungen "nach billigem Ermessen" an den Versicherungsnehmer weiterzugeben. Das Prämienanpassungsrecht des Versicherers und die Erteilung der Zustimmung durch den Treuhänder unterliegen nicht dem weiten Maßstab des billigen Ermessens, sondern den durch die genannten Rechtsvorschriften geregelten, ins Einzelne gehenden engen und verbindlichen Vorgaben (Senatsurteil vom 16. Juni 2004 - IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323, 328 [juris Rn. 13]). § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 VAG und die ergänzenden Prämienanpassungsklauseln wie hier § 30 Abs. 1 AVB beschränken die Möglichkeit des Versicherers, für ihn ungünstige Veränderungen der Rechnungsgrundlagen nach § 2 KVAV durch Prämienanpassungen auszugleichen. Nur bei zwei dieser Rechnungsgrundlagen - den Versicherungsleistungen und den Sterbewahrscheinlichkeiten - kann eine Abweichung der tatsächlichen von den kalkulierten Werten zum auslösenden Faktor einer Prämienanpassung werden, da der Gesetzgeber Veränderungen der weiteren Rechnungsgrundlagen, bei denen seiner Ansicht nach Veränderungen im Wesentlichen auf einer Unternehmensentscheidung beruhen, nicht zum Anlass einer Neukalkulation werden lassen wollte (vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 113). Erst wenn es - ausgelöst durch einen dieser Faktoren - überhaupt zu einer Neukalkulation kommt, werden dabei alle Rechnungsgrundlagen berücksichtigt. Nach dem aufsichtsrechtlich geregelten Prämienanpassungsverfahren führen daher Kostensteigerungen auch nicht unmittelbar zu Prämiensteigerungen oder Kostensenkungen zu Prämiensenkungen. Eine Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen nach oben oder unten kann bei der Neukalkulation anhand aller Rechnungsgrundlagen jeweils zu einer Anpassung der Prämie nach oben oder unten führen (vgl. Muschner in Langheid/Rixecker, VVG 7. Aufl. § 203 Rn. 23b; HK-VVG/Marko, 4. Aufl. § 203 Rn. 7). Die dem Versicherer durch die Klausel eröffnete Möglichkeit, bereits früher ein Prämienanpassungsverfahren durchzuführen, ist daher in beide Richtungen offen.
Rz. 20
III. Soweit die Revision zulässig ist, ist die Sache noch nicht entscheidungsreif. Im zulässig angefochtenen Umfang ist das Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sich dieses - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht mit der Frage der formellen Rechtmäßigkeit der weiteren Prämienanpassungen befasst hat. Das wird nachzuholen sein.
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15862642 |